„Es muss doch möglich sein, jenseits der Parolen der rechtsradikalen AfD realisierbare Lösungen für innere Sicherheit und Migration glaubhaft zu formulieren und umzusetzen.“
schreibt Stefan Pfeiffer. Das setzt allerdings voraus, dass man sich mit dem konkreten Problem befasst, wie es sich durch die schrecklichen Taten in letzter Zeit gezeigt hat – und nicht damit, wie man flächendeckend Grenzkontrollen umsetzt, Migranten in Angst und Schrecken versetzt und Deutschland für die dringend benötigten Fachkräfte noch unattraktiver macht!
Scholz wurde der Vorwurf gemacht, er beschränke sich auf die Forderung, die Behörden der Länder (letztens Bayern) sollten „das Problem wegverwalten“. Ja, es stimmt, sofern keine konkreten Pläne genannt werden, wie das Aussicht auf Erfolg und was die Bundesebene dazu tun könnte, erscheint der Verweis auf Zuständigkeiten als Ignoranz, die keinerlei Vertrauen schafft bei jenen, die sich verunsichert fühlen.
Durch Grenzkontrollen überall wäre keine der schaurigen Gewalttaten verhindert worden, die jetzt zur Begründung für die Merz’schen Forderung herhalten müssen. Die Inhaftierung ALLER „unmittelbar Ausreisepflichtigen“ ist eine unausgegorene Idee, wie gestern im Miosga-Talk deutlich wurde: Was, wenn die jeweiligen Herkunftsländer keine Papiere ausstellen und niemanden zurücknehmen? Endlose Haft? Was ist mit ganzen Familien? Kinder in Ausreisehaft konnte sich niemand vorstellen, zudem stehen nur wenige hundert Haftplätze zigtausenden Ausreisepflichtigen gegenüber. Das sollten nach den Vorstellungen der CDU (hier vertreten durch Hendrik Wüst) noch deutlich mehr werden, aber: soll jemand, der zweimal schwarz gefahren ist (Straftaten!), ernsthaft ausreisepflichtig werden? Was ist mit der Verhältnismäßigkeit?
Wie wäre es, statt alledem nach wirksamen Maßnahmen zu suchen, die den Umgang mit durch Gewalttaten (und auch deren Androhungen!) bekannt gewordenen „Gefährdern“ verändern? Ganz egal, ob diese psychisch krank oder islamistisch drauf oder beides sind: Sie müssen erkannt, überwacht und wenn möglich inhaftiert oder in eine geschlossene Psychatrie eingewiesen werden!
So einfach, mag man denken. Und wäre es nicht beruhigend und Vertrauen schaffend, wenn die wahlkämpfende Politik hierfür aussichtsreiche Gesetze und Vorgehensweisen versprechen könnte?
Geht nicht, weil…
Deutschland ist ein Rechtsstaat mit bis ins Kleinste durchregulierten Vorgehensweisen im Umgang mit Straftätern, psychisch Kranken und gewaltbereiten Personen. Was für Möglichkeiten und Unmöglichkeiten sich daraus ergeben, wenn ein Täter alle drei Eigenschaften mitbringt, untersucht Dr. Max Kolter in einem ausführlichen Artikel der LTO Legal Tribune Online:
Ausreisepflichtig, gewaltbereit und psychisch krank:
Was Behörden in Fällen wie in Aschaffenburg tun können
„Dabei müsste der Fall Aschaffenburg eigentlich Anlass zu ganz anderen Debatten geben: Überdurchschnittlich viele Asylbewerber leiden unter einer psychischen Erkrankung. Wie können Behörden damit umgehen? Einerseits müsste Betroffenen mehr Hilfe angeboten werden, andererseits stellt sich die Frage: Wie können Sicherheitsbehörden die Öffentlichkeit vor gewalttätigen Menschen mit psychischer Erkrankung schützen?“
Untersucht werden die Vorgaben und Folgen, wenn sich jemand zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt (was hier der Fall war), die rechtlichen Voraussetzungen für Abschiebehaft, Ausreise- und Präventivgewahrsam, sowie die Möglichkeiten der Einweisung aufgrund des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes. Zusammengefasstes Ergebnis: Keines dieser Gesetzeswerke gibt den Behörden klare, rechtswirksame, gar kurzfristig durchführbare Eingriffsmöglichkeiten, um einen Täter wie in Aschaffenburg festzusetzen.
Es ist frustrierend, zu lesen, warum nichts, bzw. nicht das Richtige, schon gar nicht rechtzeitig, getan werden konnte. Durchweg sind es honorige Gründe, die den einschlägigen Gesetzen zu Grunde liegen. Wir sollen vor staatlicher Willkür geschützt werden, die sich entwickeln kann, wenn nichts genau geregelt ist (bedeutet gleichzeitig wenig „Ermessensspielraum“ für vernüftig erscheinende Vorgehensweisen). Dieser Intention entsprechend, haben Kundige und gut Beratene viele Möglichkeiten, sich gegen Behördenwillkür zu wehren – alles richtig gut und bürgerfreundlich gedacht! Aber eben mit dem Ergebnis, dass Taten wie in Aschaffenburg, Mannheim und Solingen nicht verhindert werden konnten.
Im Erststudium hab‘ ich einst acht Semester Jura studiert: alle Scheine gemacht, aber nicht zum Examen angetreten, weil mir klar wurde, dass diese Berufe nichts für mich sind und ich keine Lust aufs Refrendariat hatte. Dennoch habe ich das Studium nie bedauert, weil es mir großes Verständnis für die Vorgänge in diesem Staat, seinen Gesetzen und Vorgehensweisen vermittelt hat. Es fällt mir also nicht schwer, das jeweilige „geht nicht, weil…“ zu verstehen und die Motive nachzuvollziehen.
Ich sehe aber auch, dass eine wachsende Mehrheit der Bevölkerung die offenbar unverhinderbaren Auswüchse eines so liberalen Staats nicht mehr hinnehmen will. Die „einfachen Lösungen“ von rechts gewinnen mehr und mehr Akzeptanz, je weniger sich die Parteien der Mitte in der Lage sehen, die Dinge so zu verändern, dass Taten wie in #Aschaffenburg zumindest sehr viel unwahrscheinlicher werden. Die knackigen Merz-Forderungen, die weder zielführend, noch rechtskonform noch faktisch umsetzbar erscheinen, bekommen recht viel Zustimmung – aber, siehe oben, der Teufel liegt im Detail! Wer glaubt, Merz könne wie er zu wollen vorgibt, wird enttäuscht werden.
Leider hat dieser Blogartikel kein positives Ende und bietet keinen Ausblick, wie es gehen könnte. Aber ich musste das einfach schreiben, ganz entgegen meiner Idee, wieder mehr über Unwichtiges zu bloggen. Mein recht gleichförmiger Alltag gibt zur Zeit einfach nichts Unwichtiges her, das berichtenswert sein könnte – also schreibe ich eben weiterhin über das, was mich gerade bewegt.
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12 Kommentare zu „Innere Sicherheit: zu kompliziert für den Wahlkampf?“.