Claudia am 27. Januar 2025 — 12 Kommentare

Innere Sicherheit: zu kompliziert für den Wahlkampf?

„Es muss doch möglich sein, jenseits der Parolen der rechtsradikalen AfD realisierbare Lösungen für innere Sicherheit und Migration glaubhaft zu formulieren und umzusetzen.“

schreibt Stefan Pfeiffer. Das setzt allerdings voraus, dass man sich mit dem konkreten Problem befasst, wie es sich durch die schrecklichen Taten in letzter Zeit gezeigt hat – und nicht damit, wie man flächendeckend Grenzkontrollen umsetzt, Migranten in Angst und Schrecken versetzt und Deutschland für die dringend benötigten Fachkräfte noch unattraktiver macht!

Scholz wurde der Vorwurf gemacht, er beschränke sich auf die Forderung, die Behörden der Länder (letztens Bayern) sollten „das Problem wegverwalten“. Ja, es stimmt, sofern keine konkreten Pläne genannt werden, wie das Aussicht auf Erfolg und was die Bundesebene dazu tun könnte, erscheint der Verweis auf Zuständigkeiten als Ignoranz, die keinerlei Vertrauen schafft bei jenen, die sich verunsichert fühlen.

Durch Grenzkontrollen überall wäre keine der schaurigen Gewalttaten verhindert worden, die jetzt zur Begründung für die Merz’schen Forderung herhalten müssen. Die Inhaftierung ALLER „unmittelbar Ausreisepflichtigen“ ist eine unausgegorene Idee, wie gestern im Miosga-Talk deutlich wurde: Was, wenn die jeweiligen Herkunftsländer keine Papiere ausstellen und niemanden zurücknehmen? Endlose Haft? Was ist mit ganzen Familien? Kinder in Ausreisehaft konnte sich niemand vorstellen, zudem stehen nur wenige hundert Haftplätze zigtausenden Ausreisepflichtigen gegenüber. Das sollten nach den Vorstellungen der CDU (hier vertreten durch Hendrik Wüst) noch deutlich mehr werden, aber: soll jemand, der zweimal schwarz gefahren ist (Straftaten!), ernsthaft ausreisepflichtig werden? Was ist mit der Verhältnismäßigkeit?

Wie wäre es, statt alledem nach wirksamen Maßnahmen zu suchen, die den Umgang mit durch Gewalttaten (und auch deren Androhungen!) bekannt gewordenen „Gefährdern“ verändern? Ganz egal, ob diese psychisch krank oder islamistisch drauf oder beides sind: Sie müssen erkannt, überwacht und wenn möglich inhaftiert oder in eine geschlossene Psychatrie eingewiesen werden!

So einfach, mag man denken. Und wäre es nicht beruhigend und Vertrauen schaffend, wenn die wahlkämpfende Politik hierfür aussichtsreiche Gesetze und Vorgehensweisen versprechen könnte?

Geht nicht, weil…

Deutschland ist ein Rechtsstaat mit bis ins Kleinste durchregulierten Vorgehensweisen im Umgang mit Straftätern, psychisch Kranken und gewaltbereiten Personen. Was für Möglichkeiten und Unmöglichkeiten sich daraus ergeben, wenn ein Täter alle drei Eigenschaften mitbringt, untersucht Dr. Max Kolter in einem ausführlichen Artikel der LTO Legal Tribune Online:

Ausreisepflichtig, gewaltbereit und psychisch krank:
Was Behörden in Fällen wie in Aschaf­fen­burg tun können

„Dabei müsste der Fall Aschaffenburg eigentlich Anlass zu ganz anderen Debatten geben: Überdurchschnittlich viele Asylbewerber leiden unter einer psychischen Erkrankung. Wie können Behörden damit umgehen? Einerseits müsste Betroffenen mehr Hilfe angeboten werden, andererseits stellt sich die Frage: Wie können Sicherheitsbehörden die Öffentlichkeit vor gewalttätigen Menschen mit psychischer Erkrankung schützen?“

Untersucht werden die Vorgaben und Folgen, wenn sich jemand zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt (was hier der Fall war), die rechtlichen Voraussetzungen für Abschiebehaft, Ausreise- und Präventivgewahrsam, sowie die Möglichkeiten der Einweisung aufgrund des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes. Zusammengefasstes Ergebnis: Keines dieser Gesetzeswerke gibt den Behörden klare, rechtswirksame, gar kurzfristig durchführbare Eingriffsmöglichkeiten, um einen Täter wie in Aschaffenburg festzusetzen.

Es ist frustrierend, zu lesen, warum nichts, bzw. nicht das Richtige, schon gar nicht rechtzeitig, getan werden konnte. Durchweg sind es honorige Gründe, die den einschlägigen Gesetzen zu Grunde liegen. Wir sollen vor staatlicher Willkür geschützt werden, die sich entwickeln kann, wenn nichts genau geregelt ist (bedeutet gleichzeitig wenig „Ermessensspielraum“ für vernüftig erscheinende Vorgehensweisen). Dieser Intention entsprechend, haben Kundige und gut Beratene viele Möglichkeiten, sich gegen Behördenwillkür zu wehren – alles richtig gut und bürgerfreundlich gedacht! Aber eben mit dem Ergebnis, dass Taten wie in Aschaffenburg, Mannheim und Solingen nicht verhindert werden konnten.

Im Erststudium hab‘ ich einst acht Semester Jura studiert: alle Scheine gemacht, aber nicht zum Examen angetreten, weil mir klar wurde, dass diese Berufe nichts für mich sind und ich keine Lust aufs Refrendariat hatte. Dennoch habe ich das Studium nie bedauert, weil es mir großes Verständnis für die Vorgänge in diesem Staat, seinen Gesetzen und Vorgehensweisen vermittelt hat. Es fällt mir also nicht schwer, das jeweilige „geht nicht, weil…“ zu verstehen und die Motive nachzuvollziehen.

Ich sehe aber auch, dass eine wachsende Mehrheit der Bevölkerung die offenbar unverhinderbaren Auswüchse eines so liberalen Staats nicht mehr hinnehmen will. Die „einfachen Lösungen“ von rechts gewinnen mehr und mehr Akzeptanz, je weniger sich die Parteien der Mitte in der Lage sehen, die Dinge so zu verändern, dass Taten wie in #Aschaffenburg zumindest sehr viel unwahrscheinlicher werden. Die knackigen Merz-Forderungen, die weder zielführend, noch rechtskonform noch faktisch umsetzbar erscheinen, bekommen recht viel Zustimmung – aber, siehe oben, der Teufel liegt im Detail! Wer glaubt, Merz könne wie er zu wollen vorgibt, wird enttäuscht werden.

Leider hat dieser Blogartikel kein positives Ende und bietet keinen Ausblick, wie es gehen könnte. Aber ich musste das einfach schreiben, ganz entgegen meiner Idee, wieder mehr über Unwichtiges zu bloggen. Mein recht gleichförmiger Alltag gibt zur Zeit einfach nichts Unwichtiges her, das berichtenswert sein könnte – also schreibe ich eben weiterhin über das, was mich gerade bewegt.

 

 

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Diskussion

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12 Kommentare zu „Innere Sicherheit: zu kompliziert für den Wahlkampf?“.

  1. Ehre, wem Ehre gebührt: Gedanken zur inneren Sicherheit hat Christian Buggisch zuerst niedergeschrieben. Ich habe seinen Artikel aufgegriffen, natürlich verlinkt und in meine Gedanken zu „Die sind doch alle korrupt“ eingebaut.

    Die BILD-Zeitung jubelt wohl heute, dass 56 Prozent dem Herrn Merz zustimmen (obwohl ich Artikeln und Umfragen dieser Publikation nie traue). Das Problem ist auch hier, dass es keine einfachen Antworten gibt, wie sie Herr Merz und andere, die ich ungerne nenne, suggerieren.

  2. Ja, das müsste eigentlich möglich sein. Ich bin auch der Meinung.

    Lorenzo

  3. Du beschreibst das Problem am Ende ganz gut. Diverse Partien, und das sind nicht nur die Blauen, versprechen einfache Lösungen für komplexe Probleme, die sehr tief liegen.
    Leider lassen sich viele Menschen im Land davon beeinflussen und denken, die Probleme könnten so gelöst werden. Wenn es aber so einfach wäre, dann hätten wir die Probleme doch gar nicht.

  4. Es ehrt dich, dass du weiterhin versuchst, die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen. Es geht bei alldem um Menschen. Um sehr viele. Es geht leider aber auch um die Erkenntnis, dass in diesen Zeiten nicht mehr Fakten zählen, sondern dass die Leute „emotional“ abgeholt werden wollen. Im Zweifel scheren sie sich um Fakten oder so etwas Abstraktes wie „Die Wahrheit“.

    Wir haben einen Zeitpunkt verpasst. Der war für mich bereits 2015 gekommen, als unser Staat sich wehrlos ggü. den Horden von jungen Männern auf der Domplatte in Köln zeigte. Die Reaktionen der Politik waren vorauszusehen, würde ich heute behaupten. Seitdem sind viele Versuche unternommen worden, an den Verhältnissen etwas zu ändern. Das gebe ich zu. Wirksam waren diese Versuche nie. Wir erkennen, dass Menschen aus einem Kulturkreis zu uns kamen, die mit unseren Vorstellungen von Zusammenleben nicht kompatibel sind. Dies heißt nicht, dass es nicht viel mehr Menschen gab, die sich halbwegs eingelebt haben und auch gern ein ruhiges, vielleicht sogar erfolgreiches Leben führen möchten. Es gelingt einfach nicht. Und das liegt an der mangelnden Durchsetzungskraft unseres Staates und seiner Organe.

    Kürzlich las ich (das kam – glaube ich – von einer Wissenschaftlerin, dass wir durch die Komplexität unseres Sozialstaates gar nicht mehr in der Lage seien, diesen (falls erforderlich) zu reformieren. Ganz nüchtern führte sie dies aus. Und ich glaube längst, dass das auch für die Migrationspolitik gilt.

    Ich erkenne spätestens nach den letzten schrecklichen Verbrechen durch Migranten, dass die politischen Pole unvereinbar sind. Wir stehen uns in Deutschland nicht weniger ablehnend gegenüber wie die in den USA.

    Wenn ein alter Knochen wie Merz, auf diese Art voranprescht, wird er von linken und grünen eingehegt. Auch von den Medien, was mich wiederum aufgrund der Dominanz insbesondere im ÖRR nicht wundert. Wir lernen täglich dazu, was alles nicht geht und was wir aus rechtlichen Gründen (gern auch unter Zuhilfenahme von EU-Recht) so oder so nicht tun können. Das heißt letzten Endes, wir kapitulieren. Nichts ändert sich und die Weissagung von Frau Chebli, die kürzlich ihren Fans etwas von der Wirkung der deutschen Demografie vorschwärmte, könnte Recht behalten. Natürlich kommt mir dabei Sarrazin in den Sinn. Aber klar. Wer würde auch etwas anderes von jemand erwarten, der so klar auf der falschen Seite steht, nicht wahr?

    Warten wir ruhig bis 2029. Dann spätestens wird uns die Unfähigkeit, die richtigen Dinge zu tun, einholen und die Rechten können regieren. Was dann geschieht oder geschehen könnte, will vermutlich weder Merz noch Scholz oder Habeck. Nur – sie verhalten sich nicht so.

    Vielleicht brauchen wir, wie Lindner fand, etwas von dem, was neuerdings in aller Munde ist. Disruption an allen Enden unseres gekrusteten Sozial- und Migrationssystems zumindest. Dass ich so etwas je schreiben würde, hätte ich nicht gedacht. Aber das dies nicht gut gehen kann, sollten inzwischen alle gleichermaßen verstanden haben.

  5. @Horst: es wäre doch toll, das parteipolitische Generve mal beiseite zu lassen und mindestens HIER über realistische, zielführende Lösungen nachzudenken.

    „Wenn ein alter Knochen wie Merz, auf diese Art voranprescht, wird er von linken und grünen eingehegt. Auch von den Medien, was mich wiederum aufgrund der Dominanz insbesondere im ÖRR nicht wundert. „

    Was die LTO (ein juristischers Medium!) an Hindernissen ausführt, sind keine „links-grünen“ Gemeinheiten, sondern ist in vielen Jahrzehnten gewachsene Gesetzgebung, ergänzt durch Richterrecht höchster Instanzen, basierend auf dem GG und EU-Recht. Und was z.B. dem Merzschen Vorhaben, überall Grenzkontrollen und Zurückweisungen durchführen zu wollen (im offenen Trump-Stil: „Am ersten Tag werden ich, kraft meiner Richtlinienkompetenz als Kanzeler, anordnen dass….“ ), ist nun mal EU-rechlich zumindest sehr schwierig, faktisch aber gar nicht umsetzbar und auch nicht wünschbar: Wer will denn wirklich Grenzregime wie vor Schengen? Und woher sollen all die Beamten kommen? Und vor allem: Was ist mit der grünen Grenze? Sollen wir wieder eine Mauer bauen, so in guter alter deutscher Tradition?

    „Ich erkenne spätestens nach den letzten schrecklichen Verbrechen durch Migranten, dass die politischen Pole unvereinbar sind. Wir stehen uns in Deutschland nicht weniger ablehnend gegenüber wie die in den USA. „

    „Wir“ sind nicht die Parteien, und selbst diese sind mehrheitlich untereinander noch deutlich gesprächsfähiger als die in den USA, die zudem ganz anders gestrickt sind.

    In SPON/Wissenschaft schreibt Christian Stöcker in „Wie man die AfD klein kriegt„:

    „Die AfD hat die simulierte Zweiteilung der politischen Landschaft schon sehr früh mit zwei Begriffen markiert: »Altparteien« und »linksgrün«. Das heißt: wir gegen die. Daran, dass die Phrase »linksgrün« längst auch aus FDP und CDU/CSU gelegentlich zu hören ist, kann man den Erfolg dieser populistischen Vereinfachung ablesen.“

    Die extreme Spaltung wird von rechtsaußen betrieben,unterstützt durch gewisse Hetz-Medien und häufig die Springerpresse. Sich dem mental anzuschließen, heißt, zu resignieren und dem (Unter-)Gang der Dinge nicht mal mehr verbal entgegenzuwirken. Denk nicht, dass ich mich nicht aufrege über die Anschläge, aber ich weigere mich, die sachliche Ebene links liegen zu lassen und gar nicht mehr drauf zu schauen, was denn die vermeintlichen „Lösungen“ von AFD und jetzt Merz in der Praxis bedeuten würden – bzw. darauf, was dieser Umsetzung alles entgegen steht. Was ja nicht wenig ist!

    Den Leuten seien Fakten egal, sie wollten „emotional abgeholt werden“. Ich wage jetzt mal, so hier unter uns, einen bösen Whatabautismus: Jeden dritten Tag geschieht ein Femizid, oft richtig scheussliche, grausame Verbrechen. Zum medialen Ereignis wird so etwas nur, wenns ein sogenannter „Ehrenmord“ war, begangen von Migranten. Und natürlich ist Rechtsaußen zur Stelle, holt die Empörten herzlich gerne „emotional ab“, indem sie erneut ihre Remigrationsabsichten als Forderungen einbringen. (Sind Eingeborene die Täter, wird natürlich nicht gefordert, „alle Männer“ in ein Antigewalttraining zu schicken o.ä.).

    „Vielleicht brauchen wir, wie Lindner fand, etwas von dem, was neuerdings in aller Munde ist. Disruption an allen Enden unseres gekrusteten Sozial- und Migrationssystems zumindest. „

    So abstrakt, wie du das sagst, kann ich mich dem sogar anschließen! :-) Ich erwarte mehr Engagement in der Suche nach Vorgehensweisen, die sowohl mehr reale Sicherheit bringen als auch den noch mitdenkenden Kreisen als machbar vermittelt werden können – ohne den Rechtsstaat (inkl. EU) mit seinen Errungenschaften zu schleifen oder schwer zu beschädigen!

    Grade hab ich im RBB „Auschwitz und ich“ gesehen. Obwohl ich schon viele Sendungen zu „damals“ gesehen habe, war ich erneut beeindruckt. Von dem, wie es war im entwickelten Nazi-Faschismus, als unsere Altvorderen mehrheitlich im emotionalen Rausch waren – oder in Angst.
    Oft wird unser „Heute“ mit „Vor33“ verglichen – es kann und darf doch nicht wahr werden, dass es wieder in diese Richtung geht!

  6. Hallo Claudia

    Soviel +1 kann ich Dir gar nicht geben für Deine Kommentare hier!

    Mir geht das schon auf den Zünder, wenn so wie jetzt wegen des Wahlkampfs immer wieder von allen Seiten Mist gefordert wird, von dem die „Märchenerzähler“ genau wissen, dass diese verfassungswidrig sind bzw. einer Änderung des GG und anderer Gesetze bedürften. Das immer wieder angegriffene Asylrecht gehört da leider dazu. Sprich – die verarschen die geneigten Gläubigen mit Absicht für ihre eigenen Interessen.

    Ausgerechnet das Recht auf Asyl hat seine Wurzeln aus der Nazi-Zeit und daher sind diese ganzen Phrasen mit Grenzen dicht, Abschieben und EInknasten eben Phrasen.

    Ganz ähnlich wie bei der Rückführungsdebatte in Großbritannien werden bereits die Stimmen der deutschen Anrainer laut, die gegen dieses geplante Vorgehen berreits protestieren. Wie sich die Bilder doch gleichen:-(

    Deutsche Welle

    LTO

    Dann gibt es noch so Zeugs zur inneren Sicherheit und den Gründen für Delikte in einem bestimmten Alter, wie Straftaten verteilt sind uswusf.

    Welche Gewalterfahrungen dabei die immer wieder gescholtenen Flüchtlinge ihrerseits speziell aus Kriegsgebieten und damit verbundenen PTS mitbringen – egal! Das dabei „Kulturkreise“ kollidieren, ist normal, aber Gängeleien durch die Ämter und der Müßiggang in den ja oft wildromatisch an Durchgangsstraßen oder anderen idyllischen Orten gelegenen Aufnahmeeinrichtungen, die bereits wieder Knastcharme haben, trägt sicher auch nicht dazu bei, diese Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Das diese dabei wie immer sowieso dazu tendieren, innerhalb ihrer eigenen Diaspora zu verbleiben, kommt dazu und Integration ist eine Generationenaufgabe. Das geschieht nicht auf Fingerschnipp und von jetzt auf nachher.

    Zu den aktuellen Taten bleibt wie bereits im Falle des Berliner Weihnachtsmarktattentates im Raum stehen, dass die Täter mehrheitlich bekannt und auffällig waren und schlicht nichts unternommen wurde. Gründe sind fehlendes Personal, Interesse und Ignoranz in den Behörden und diesen Hut werden sie sich aufsetzen müssen. Ob diese Erkenntnis, die immer wieder aufscheint bei solchen Dingen, dazu führt, dass sich dort etwas ändert?

    Eine auf Abschotten und Vergraulen ausgerichtete und nach Stand jetzt damit auch noch verfassungs- und EU-gesetzeswidrige Politik löst das jedenfalls nicht und verhindert auch keine Gewalttaten.

  7. @Thomas (Siewurdengelesen)
    Danke!
    Dass diese spektakulären Straftaten dazu hergenommen werden, wieder ganz allgemein gegen alle ankommenden Migranten vorgehen zu wollen, ist natürlich schlimm, populistisch, rechtswidrig etc. Aber ich verstehe auch das Dilemma, die reale Überlastung der Kommunen.

    Die schlechten Verhältnisse in den Großunterkünften jwd. sind ja nicht aus schierer Bosheit so wie sie sind. In Berlin hat man z.B. wirklich viel gemacht, um die Geflüchteten dezentral auf die Bezirke zu verteilen, in meiner direkten Umgebung sind zwei „kleine“ Notunterkünfte (jeweils ein paar hundert) in ehemaligen Hostels und Verwaltungsgebäuden eingerichtet worden – niemand fällt hier unangenehm auf. Dennoch sitzen noch viel zu viele in der Großunterkunft in Tegel, die jetzt durch eine „Gemeinschaftseinrichtung“ auf Bundeswehrgebiet erweitert werden soll (Quelle).

    Ein früheres City-Hotel (schau mal hin!) wurde auch zur Unterkunft umgewandelt, 1200 Plätze, was den Bezirk, der bereits viele aufgenommen hat, ebenfalls überlastet: Nicht genug Infrastruktur, Schulplätze, Kitas etc.
    Insbesondere erregt auch die „Bevorzugung“ von Geflüchteten, die viel zu lange in Tegel saßen, wenn es um die Belegung von Neubauten geht (auch schon bei der Belegung dieses Mega-Hotels!) den Zorn vieler Wohnungssuchender. Das ist vor dem Hintergrund der katastrophalen Miet-Situation in Berlin verständlich: Hier kann praktisch keiner mehr umziehen: Würde ich in eine kleinere (!) Wohnung ziehen wollen, würde sich meine Miete (so ich überhaupt etwas finde) mehr als verdoppeln und wäre schlicht unbezahlbar.

    Was die Versorgung psychisch Kranker angeht: Auch sehr bedürftige Ureinwohner müssen elend lang auf einen Therapieplatz warten – es gibt einfach nicht genug Therapieplätze für alle.
    Gerade musste der Berliner Senat 3 Milliarden querbeet einsparen, Proteste überall!
    Insofern verstehe ich das Bemühen, die Zuzüge deutlich zu verringern, recht gut. Und was die EU angeht: „Eine angestrebte verbindliche Verteilung auf die übrigen Mitgliedsstaaten ist bis heute nicht zustande gekommen.“ (DW) Habe mal gelesen, dass 70 Prozent aller Ankömmlinge in DE landen – ein unbefriedigender Zustand, gelinde gesagt.

  8. Interessante Entwicklung im Trendbarometer RTL/ntv:

    „Während die Union sich bis zur Mitte der vergangenen Woche noch um einen Punkt auf 31 Prozent Zustimmung verbessern konnte, rutschte sie in den Umfragen ab Donnerstag sogar um drei Punkte auf 28 Prozent ab. Nach Merz‘ Aussagen zum zukünftig harten Kurs an deutschen Grenzen büßt die Union in der Gesamtwertung der Woche im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer einen Prozentpunkt ein und erreicht 30 Prozent Zustimmung.
    Wo CDU und CSU auch mit dem von Merz vorgestellten „Fünf Punkte“-Plan Zustimmung verliert, wenn sie zusätzlich zum Einreiseverbot und Zurückweisungen an der Grenze auch mehr Abschiebehaft für Ausreisepflichtige anstrebt, da verbessern sich die Werte der AfD: Von 19 Prozent bis Mitte der Woche klettert sie von Donnerstag bis Sonntag auf 21 Prozent. In der Gesamtwoche landet sie so bei 20 Prozent Zustimmung. Die SPD steigt ebenfalls um zwei Prozentpunkte von 15 Prozent in der ersten Wochenhälfte auf 17 Prozent in der zweiten. Gesamtdurchschnitt: 16 Prozent, wie in der Woche zuvor. Die Grünen verbessern sich um einen Prozentpunkt, ebenso die Linke. „

    Und was die Relevanz des Migrationsthemas angeht:

    „Der Themenradar weist auch aktuell die Lage in den USA als wichtigstes Thema aus Sicht der Bundesbürger aus. 73 Prozent der Befragten stellen es besonders in ihren Fokus, während die im Februar bevorstehenden Wahlen in Deutschland bislang nur 67 Prozent der Menschen besonders beschäftigen. Die Zuwanderungsproblematik liegt in der Zählung am Freitag mit 19 Prozent knapp hinter dem Krieg in der Ukraine mit 22 Prozent. „

  9. Genau mit dieser Sparerei kommen wir auf den nächsten Nenner.

    Wenn immer mehr abgebaut wird, dann wird es zwar vielleicht erstmal günstiger, aber die „Zufriedenheit“ nimmt halt auch ab und parallel dazu das Versorgungsniveau, was dann dazu führt, dass man erneut nach „Sparen“ ruft.

    Das so etwas nun geradezu die Folge der „Thatcherisierung“ seit der Schröder-Regierung ist, will keiner wahrhaben. Wie sonst außer über dem Mantra „Privat vor Staat“ wäre dieser Ausverkauf von großen Teilen der öffentlichen Daseinsvorsorge möglich gewesen? Das sind die Ressourcen, die aber jetzt fehlen und selbst da wird wie in den Arbeitsämtern auch bei den Stellen der öffentlichen Verwaltung, für Migration und Sozialarbeit immer mehr Arbeit auf immer weniger Menschen zu immer bescheideneren Umständen verteilt. Geht bei Krankenhäusern los, geht über die merkwürdigerweise immer teureren Wohnungen weiter und hört im ÖPNV nicht auf. Das ist ja nicht nur in Berlin so, sondern das knallt überall aufeinander, nur in den Städten eben heftiger und sichtbarer, weil dort auch die Konzentration höher ist und damit auch das Konfliktpotential.

    Gleichzeitig nehmen die Vermögen am oberen Ende immer mehr zu und diese „Leistungsträger“, deren Vertreter u.a. ein Merz ist, weigern sich konsequent, ihren Anteil beizutragen. Diese können sich samt ihrer Bagage ja aus der Gesellschaft ausklinken und müssen auch nicht auf das öffentliche Gesundheitssystem usw. zurückgreifen, da kommt der Doc nach Hause.

    Was das Verteilen der Flüchtlinge betrifft, ist das sicher eine Krux und dass sich da die anderen Staaten genau wie 2015 aus den o.g. Gründen auf die Hammelbeine stellen, ist doch klar. Nur bringt es eben trotzdem nichts, wenn noch dazu wieder mit offensichtlichen Lügen a lá Merz über Zahnärzte, Ukrainer usw. Flüchtlinge gegen die eigene Bevölkerung ausgespielt wird.

    Sobald irgendwo eine Unterkunft bekannt wird, egal ob Gasthof, Kaserne oder wie in Deinem Beispiel das Hotel, geht man auf die Barrikaden. Ob dabei so ein Hotel überhaupt als Wohnraum taugt, das die letzten Bruchbuden sind, die normalerweise abgerissen würden, oder das wirklich wertvoller Wohnraum ist, spielt dabei keine Rolle. Es will sie eben keiner vor der Nase haben.

    Gleichzeitig ist das sowieso ein Strukturproblem, welches wiederum auch im Föderalismus begründet liegt. Ein globales Problem wie das von Asyl und Flucht wird das auf Länder- und kommunale Ebene heruntergebrochene Finanzieren nicht lösen können. Ist doch klar, dass die Kommunen da am Anschlag und drüber laufen.

    Ab da dreht sich das ja wieder im Kreis, ewige Asylverfahren und solange das nicht geklärt ist, gibt es weder Anspruch auf eigene Wohnung, Arbeit, Förderungen usw. Auch das gegenüber diesem Anspruch teils völlig hilflose Schulsystem ist ein Bild dabei. Da werden offensichtlich Kinder in Klassen und Mengen zusammen gesteckt, die ohne die nötigen Voraussetzungen und ausreichende Lehrer „beschult“ werden sollen, dabei aber noch nicht einmal wegen fehlender Sprachkenntnisse in der Lage sind, den Unterricht zu erfassen. Die drehen dann vielleicht noch ein paar Ehrenrunden und ab einem gewissen Punkt sind sie für die Gesellschaft verloren. Dann sind diese ja in aller Regel nicht gerade an Eliteschulen, sondern wieder in ohnehin meist sozialen Brennpunkten. Was ist unter diesen Voraussetzungen zu erwarten?

    Leider ist nicht jeder ein Christian Baron und hat einen Lehrer/eine Lehrerin, die das Potential sehen und sich für ihre Schüler einsetzen, so sie es denn mangels Kapazitäten überhaupt können.

    Alles in allem sind die Kosten für bessere Sozialsysteme jedenfalls ein Bruchteil dessen, was in derselben Zeit als Gewinne usw. in die Taschen Einzelner wandert.

    Als krasses Beispiel sei dazu nur der Kurssturz von Nvidia genannt, wo die bürgerliche Presse sich mal wieder nicht zu blöd ist, den Banker- und Brokerjargon wiederzukäuen und von einem „Verlust“ von 600 Milliarden US-Dollar faselt. Ersten ist die Aktie vom Einstiegskurs ja irgendwann mal auf diesen Wert gestiegen und das „Geld“ war physisch niemals da. Nur weil alle auf die nächste Blase KI abgefahren sind, die im real life niemals diese Werte „erwirtschaftet“ oder erwirtschaften kann, welche den Fuzzies mit den Dollarzeichen in den Augen vorschweben, heisst das eben nicht, dass es so sein muss.

    Dann wird noch so getan, als ob man ob dieses „Verlustes“ die Herren und Damen bei Nvidia bedauern müsste und feilscht gleichzeitig um ein paar Millionen bei den Sozialleistungen. Klar hat das Eine mit dem Anderen nur bedingt etwas zu tun als Auswirkungen des gleichen Gesellschaftssystems, zeigt aber wie absurd und verschoben so die Vorstellungen und das Wahrnehmen sind. Das ist einfach nur irre und für die sozialen Verwerfungen eines Landes und die Folgen der Dauerkrise eines Kapitalismus werden die Ausländer verantwortlich gemacht, die auch nur Indikator und Betroffene…

    …kannste Dir nicht ausdenken – sowas!

    Serj Tankian – Harakiri

    Das war bereits aus der Zeit vor 2015 – das „Problem“ und seine Auswirkungen sind immer noch dieselben genauso wie die Ignoranz der Mächtigen.

    Grüße
    Thomas

  10. „Sie müssen erkannt, überwacht und wenn möglich inhaftiert oder in eine geschlossene Psychatrie eingewiesen werden!“

    Sehr gerne. Das mit dem Erkennen klappt ja gerade noch so – meistens. Das mit dem Überwachen, Inhaftieren oder Einweisen und wenn nötig und möglich auch Ausweisen: kostet vor allem Geld. Geld für Personal, Einrichtungen, IT und Strukturen. Das würde verdammt teuer, ohne dass sich damit politisch Schlagzeilen machen ließen. Geld, dass niemand bereit ist auszugeben.

  11. „…also schreibe ich eben weiterhin über das, was mich gerade bewegt.“ – Ja, und genau dafür vielen Dank.

  12. […] Innere Sicherheit: zu kompliziert für den Wahlkampf? – Digital Diary […]

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