Claudia am 06. September 2024 — 11 Kommentare

Zurückweisungen an der Grenze: Will Merz eine Mauer um Deutschland bauen?

Wann wird Merz endlich konsequent sein und eine Mauer um Deutschland herum fordern? Diese müsste allerdings streng bewacht und mit Bewegungssensoren und Alarmanlagen ausgerüstet werden, um halbwegs effektiv zu sein – ganz ebenso wie einst DIE MAUER, die Deutschland geteilt und viele Leben gekostet hat. Denn was hindert Ankömmlinge, die unbefestigten grünen Grenzen zu nutzen, wenn nur an ein paar Hauptstraßen „zurückgewiesen“ wird?

Was für Folgen es hat, wenn man in diese Richtung geht, kann man anhand der polnischen Grenze zu Belarus besichtigen: 50 Kilometer lange LKW-Staus, bis 7 Tage Wartezeiten, massive Pleiten und Entlassungen im grenznahen Bereich. Erik Marquart, Grüner Abgeordneter im EU-Parlament, sagt dazu, Polen mache an der belarussischen Grenze genau das, was Merz an der deutsch-polnischen Grenze wolle. „Es führt nur nicht dazu, dass weniger Menschen kommen.“ (Siehe auch: Statistik Asylbewerber in Polen im Zeitraum Juni 2023 bis Juni 2024 , wobei viele dort vermutlich gar nicht erst Asyl beantragen).

Grenze Polen Belarus

Mehrere hundert Übertrittsversuche pro Tag werden gezählt, 20.000 in diesem Jahr, das sind deutlich mehr als 2023. Offiziell haben auch diese Flüchtlinge das Recht, in Polen Asyl zu verlangen, jedoch sieht die Realität der Grenzschützer anders aus: Illegale Pushbacks, zunehmende Gewalt – auch von Seiten (vermeintlicher) Flüchtlinge, die von russischer Seite absichtsvoll an die Grenze verbracht werden. Es ist mittlerweile eine hoch gerüstetete EU-Außengrenze, an der das EU-Asylrecht nicht mehr beachtet wird, auch wenn das offiziell niemand zugibt. (Schaut euch mal diesen eindrücklichen Bericht von der Grenze an!). Mittlerweile gibt es dort auch schon eine zwei Kilometer breite „Sperrzone“, die niemand ohne Genehmigung betreten darf.

Aus „Festung Europa“ eine „Festung Deutschland“ machen?

Was an den Außengrenzen der EU schon nicht wirklich effektiv funktioniert, wollen das Merz, Söder, Lindner u.a. allen Ernstes auch an den Grenzen zu unseren vielen Nachbarländern sehen? Migrationsrouten verändern sich schnell, Schlepper passen ihre Vorgehensweisen zügig an die jeweiligen Gegebenheiten an – man müsste Deutschland doch zu einer richtigen Festung machen, um dem rein physisch und zur Not mit Gewalt zu begegnen. Wer will das wirklich? Und wer das jetzt mal so locker bejaht: Denken diejenigen auch an die immensen Kosten, den Personalbedarf, die wirtschaftlichen Folgen und die Einschränkungen der eigenen Bewegungsfreiheit, die das am Ende auch bedeuten würde?

Ich male das alles so deutlich aus, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass irgend jemand ernsthaft eine solche Mauer um Deutschland haben will, nicht mal Merz. Deshalb halte ich das Bestehen auf „Zurückweisungen an der Grenze“ für reines Wahlkampfgetöse, absurde Symbolpolitik, abseits realistischer Chancen auf Eindämmung der Einreisen.

Wer auf Gesetze verweist, wird zum Hassobjekt

Bei alledem hab‘ ich die rechtliche Situation noch gar nicht erwähnt, nach der es nun mal ungemein kompliziert und wenig aussichtsreich ist, Flüchtlinge an den Grenzen zurückweisen zu dürfen. Die juristische Lage in all ihren Feinheiten auf den verschiedenen Ebenen kann man im Verfassungsblog in aller Ausführlichkeit nachlesen, das speziell den Merz-Plan „nationale Notlage“ untersucht:

Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer „Notlage“

Demnach ist es nicht gänzlich unmöglich, sich auf eine nationale Notlange zu berufen, um sich aus dem EU-Asylrecht zeitweise (es muss befristet sein!) auszuklinken und an der Grenze zurückzuweisen. Aber:

„Allerdings unterliegt jede Aktivierung der Ausnahmeklausel der gerichtlichen Kontrolle. Das bekräftigte der EuGH immer wieder (hier, Rn. 148-153). Bisher scheiterten alle Versuche der Mitgliedstaaten, sich vor dem EuGH auf eine Notlage zu berufen. Häufig handelte es sich um bloße Schutzbehauptungen, die die Regierungen weder juristisch noch tatsächlich substantiiert hatten.“

Es würde also zumindest sehr sehr schwierig, wäre nur temporär machbar und womöglich nicht gerichtsfest (EuGH ist immer zuständig!). Aber klar: Merz und Lindner bashen wieder mal heftig DIE GRÜNEN, weil die sich auch jetzt noch heraus nehmen, Lösungen einzufordern, die mit EU-Recht vereinbar sind. Wie böse ist DAS denn???

Man stelle sich vor…

…so viel Energie, wie derzeit ins Abweisen, Abschieben und Verhetzen von Flüchtlingen fließt, würde in echte, wirksame Maßnahmen investiert, die einerseits die „Pull-Faktoren“ vermindern und andrerseits den Gemeinden helfen, sie besser zu integrieren (und sei es nur auf Zeit)?

Horst Schulte schreibt in einem Kommentar auf seinen Seiten:

Selbst in Nachbarstädten wird das Bild von kleinen und größeren Gruppen junger Männer geprägt. Das vermittelt keine Sicherheit, sondern ein ungutes Gefühl.

Dem hätte man SCHON LÄNGST entgegen treten können, indem man sie beschäftigt! Es sollte eigentlich Allgemeinwissen sein: Junge Männer, egal welcher Herkunft, machen häufig Ärger, wenn sie nichts zu tun haben und nur herum lungern. Würde auf allen Ebenen in konsequentes Beschäftigen (Arbeitserlaubnis ohne erst BAMF-OK einholen zu müssen, Zuweisung in gemeinnützige Maßnahmen, die die Gemeinden brauchen können“) investiert, würde sich das überall herum sprechen und zumindest kämen jene nicht mehr, die – wie vielfach behauptet – es nur darauf anlegen, „in unsere Sozialsysteme einzuwandern“ um Geld fürs Nichtstun zu kassieren.

Man tut aber kaum etwas in dieser Richtung, sondern verstärkt die Hetze von Rechtsaußen, indem man ihre Agenda zu Teilen übernimmt. Und doch wählen die Leute das Original…

Auch zum Thema:

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Claudia am 10. August 2024 — 14 Kommentare

Wahlkampf der Gefühle

Eines werde er ihnen (Trump,MAGA,Reps) nie verzeihen, rief Kamalas Vize Tim Walz in die Menge, nämlich, „dass sie versuchen, den USA die Freude zu stehlen! Aber wisst Ihr was? Unser nächster Präsident BRINGT die Freude, Kamala Harris strahlt die Freude aus / erzeugt Freude… „. Frenetischer Applaus.

Ich stehe sicher nicht allein mit der Beobachtung, dass seit der Intronisierung von Kamala Harris als Kandidatin der Dems das Gefühl in den Kampagnen eine Riesenrolle spielt, für viele vielleicht die Hauptrolle. Dazu passt auch die Euphorisierung vieler junger Menschen, die sich nun „voll begeistert“ in den Kampf gegen das Böse einbringen. Es sind aber nicht nur sie, sondern auch ehemalige Trump-Wähler, alte weiße Männer, die z.B. sagen: „Normale Amerikaner wollen nicht ständig nur Hass, Ärger, Angst, Hetze! Deshalb hab ich mich rausgehalten, aber jetzt mal Kamala zugehört: Da gehts anders zu, sie verbreitet Optimismus – und deshalb werde ich sie wählen!“.

(Hier das Video, startend bei der Walz-Aussage).

Ich bin gespannt, wie lange es gelingen wird, weiter auf der positiv-gefühligen Welle zu surfen – vielleicht bis zum Wahlsieg?
Im Krieg der Stimmungen hat Trump auf einmal starke Handycaps: Was immer er gegen Kamala anbringt, wirkt immer nur wie mehr vom Gleichen: Hass, Lügen, Selbstbeweihräucherungen, ärgerliches Beleidigtsein und Schüren der Angst vor einem Wahlsieg der Demokraten, unverhüllte Drohungen – das alles macht schlechte Stimmung! Und dann kommt Kamala, ganz anders, voller Freude und Optimismus, beregnet mit Wahlkampfgeld auch von den vielen neuen Fans, die keine Lust mehr auf schlechte Stimmung haben. Wie wird das ausgehen?

Ich weiß es nicht, das Rennen ist offen, heißt es – und es kann noch viel passieren. Gefühle und Stimmungen sind flüchtig wie das Kapital. Aber man kann sie halten und erneuern, z.B. durch Gemeinschaftserlebnisse, Rituale, Vernetzung, Konzentration und Aktivismus.

Haben wir nicht immer nach einem „anderen Narrativ“ gesucht, dass man den Rechtsaußen und anderen Rückwärtsgewandten entgegen halten könnte? Und dabei nicht daran gedacht, dass es kein Gerede und keine Erzählung, keine Debatte und keine Analyse sein wird, die etwas verändert – sondern ein Gefühl, das punktgenau viele ergreift, so dass es zu einer „Bewegung“ wird („movement for democracy“).

Mich erinnert das an den Spruch aus bewegter Jugendzeit: „Unser Lachen wird euch begraben!“ Schön, wenn es beim Lachen bleibt.

Als Deutsche haben wir verständlicherweise ein kritisches Verhältnis zu euphorischen Begeisterungen im politischen Kontext – das heißt aber nicht, dass „Freude und Optimismus verbreiten“ per se schlecht sein muss. :-) Ich wünsche Frau Harris und ihren Unterstützern jedenfalls gutes Gelingen – und es tut auch gut, mitzubekommen, wie genervt Trump ist.

***

Videos:

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Claudia am 04. August 2024 — 0 Kommentare

Mal was anderes sehen? Tut gut!

Update 7.8.: Links korrigiert! :-)

An diesem faszinierenden Video aus einer spektakulären Felsenlandschaft bin ich hängengeblieben:

Geometrische Felsblöcke
Produziert hat es Nolan F., ein Youtuber, der sich von allerlei seltsamen Strukturen auf Google Earth inspirieren lässt, bevor er dorthin aufbricht, um die Dinge „in real“ zu sehen. Sein Kanal heißt thePOV-Channel und zeigt sogenannte POV-Videos (Point Of View), die grundsätzlich aus der Perspektive einer Person gefilmt werden. Weiter → (Mal was anderes sehen? Tut gut!)

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Claudia am 25. Juli 2024 — 28 Kommentare

Auf den Tod vorbereiten – oder grad das Gegenteil?

Vermutlich ist nicht allen Mitlesenden bewusst, wie uralt ich bin: Diese Woche bin ich 70 geworden – und wegen dieser runden Zahl gehen mir so allerlei Gedanken durch den Kopf! Keine Sorge, ich bin nicht etwa totkrank, falls das jemand aufgrund der Überschrift denkt. Nein, ganz im Gegenteil, gefühlt bin ich sogar ganz gut erhalten: Bisschen Bluthochdruck, ein Auge mag nicht mehr so richtig, aber sonst ist nix, was Grund zu akuter Sorge abgeben könnte. Ich bin recht beweglich, mache seit 30 Jahren einmal wöchentlich Yoga, gehe auch sommers gelegentlich zum Kraftsport ins Fitnesscenter – allerdings nicht mehr so oft, denn Gartenarbeit ist ja auch noch! Weiter → (Auf den Tod vorbereiten – oder grad das Gegenteil?)

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Claudia am 16. Juli 2024 — 13 Kommentare

Trump – und was dann?

Spahn ist zum Nominierungsparteitag der Republikaner gefahren und wirft der Bundesregierung vor, sich nicht auf die nach dem Attentat immer wahrscheinlicher werdende Präsidentschaft von Trump „vorzubereiten“. Zitat aus dem DLF:

„Man müsse deshalb schon jetzt Gemeinsamkeiten suchen, betonte Spahn. Im Stil gebe es diese nicht, in den Themen aber ganz sicher. Er nannte etwa die NATO, den Atomwaffensperrvertrag und das Thema Migration. Die USA seien der Garant der Sicherheit in Deutschland. Deshalb müsse man mit jedem amerikanischen Präsidenten gesprächsfähig sein. Deutschland und Europa hingen von den USA mehr ab als andersherum, das müsse man in Deutschland endlich verstehen. Spahn warf den Regierungsparteien SPD, FDP und Grünen vor, sie seien bisher nicht für einen möglichen Wechsel im Weißen Haus gerüstet. Er sprach von einem unverantwortlichen Verhalten.“

Dem widerspricht der Transatlantik-Koordinator Link (FDP), man bereite sich im Gegenteil intensiv vor. Aber was meinen die eigentlich damit? Was muss da „vorbereitet“ werden? Ist damit nur gemeint, dass man nicht mehr von einem „weiter so“ mit Biden ausgehen sollte, dessen Chancen auf eine Wiederwahl wegen diverser Ausfallserscheinungen schwinden?  Was soll daraus aber konkret folgen? Das sagt weder Spahn noch irgendwer sonst ganz genau. Weiter → (Trump – und was dann?)

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Claudia am 10. Juli 2024 — 12 Kommentare

Warum ich auf X-Twitter bleibe (inkl. Selfcare-Tipps!)

Kaum jemand spricht darüber, aber viele tun es: Trotz Hass und Hetze, trotz der vielen Rechtsradikalen und anderen unangenehmen Zeitgenossen bleiben sie auf X (Ex-Twitter). Ich gehöre auch dazu und schreibe hier mal auf, warum.

Den Anlass zu diesem Blogpost setzte Boris Stumpf, der noch nie auf Twitter war, mit seinem Blogpost „Scheiß Neugier„, in dem er schreibt:

„Wenn ich so die letzten ein oder knapp zwei Jahre Revue passieren lasse, hätte ich gar nicht übel Lust, mich jetzt mal auf »X« anzumelden. Es ist wohl diese seltsame Lust am Verdorbenen, Morbiden, sich einen stinkenden und dampfenden Haufen Scheiße im Detail anschauen zu wollen. Kennt ihr das nicht auch? …. ABER ich werde das natürlich auf gar keinen Fall tun! Ich werde mein Würde bewahren“.

Weiter → (Warum ich auf X-Twitter bleibe (inkl. Selfcare-Tipps!))

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Claudia am 02. Juli 2024 — 25 Kommentare

Demokratiedämmerung?

„Vielleicht ist die zentrale, oft übersehene Schwäche von Demokratien, dass sie auf der Annahme beruhen, ein überwiegender Teil des Wahlvolks handele nach rationalen Erwägungen. Dass Wähler ihre Wahlentscheidung mehrheitlich argumentativ begründen können und bereit und in der Lage sind, im politischen Diskurs inhaltlich darüber zu diskutieren. Dass sich letztlich das beste Argument durchsetzt. Genau das ist aber so gut wie nicht mehr der Fall. Ebenso wenig die Fähigkeit, zu akzeptieren, dass andere mal die Mehrheit innehaben.“

Weiter → (Demokratiedämmerung?)

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