Claudia am 01. August 2013 —

Das Streben nach Sicherheit zerstört Bürgerrechte, Grundgesetze, die Demokratie und große alte Bäume

Grade hatte ich in Sachen „Überwachungsstaat“ wieder etwas Gelassenheit gewonnen. Es kam nicht mehr bei jedem Gedanken daran neue Wut auf. Oder Ekel, gelinde Verzweiflung über die verbreitete Ignoranz vieler Mitmenschen, die meinen, das gehe sie nichts an, sie hätten ja nichts zu verbergen.

Wobei ich glaube – so positiv ist mein Menschenbild immerhin noch – dass diese Ignoranz nicht aus den Köpfen oder Herzen kommt, sondern aus dem Bauch: als psychische Schutzreaktion, um sich nicht selbst als machtlos erleben zu müssen. Zumindest vermute ich das bei allen, die vom Verstand her halbwegs mitvollziehen können, was da abgeht, bzw. sich plötzlich in schmerzhafter Transparenz öffentlich macht.

Dabei geht es ja längst nicht mehr nur um Überwachung, sondern auch darum, was wir unseren Regierenden, den Abgeordneten, der (früher mitregierenden) Opposition und den diversen Amtsträgern eigentlich noch glauben können. Offenbar haben die Regierenden ja jede Menge Ausspähungen auf deutschem Boden sogar offíziell erlaubt. Was wird noch alles heraus kommen, von dem normale Bürger und sogar Abgeordnete nichts wissen?

XKeyscore: der volle Zugriff auf alles

Als ich nun gestern die neuesten Details über die Überwachungsprogramme zu lesen bekam, die klar machen, dass wir auch vielfach und gezielt „in Echtzeit“ überwacht werden können, hielt meine Gelassenheit immer noch an – wer kann sich schon ständig aufregen? Z.B. darüber:

„Demnach können die NSA-Mitarbeiter in XKeyscore nach bestimmten Namen, E-Mail-Adressen, IP-Adressen, Schlüsselwörtern in Suchmaschinen-Abfragen, Sprache des Verdächtigen oder dem verwendeten Browser suchen und filtern. Auch Telefonnummern, Chat-Nutzernamen und Freundeslisten sowie bestimmte Cookies sind denkbare Faktoren. Um E-Mails von Verdächtigen lesen zu können, muss ein Analyst die entsprechende Adresse angeben, einen Grund für die Überwachung auswählen und den Zeitraum der zu durchsuchenden Mails eingrenzen….“(ZEIT ONLINE / NSA liest auch Facebook-Chats mit)

Aha, so einfach ist das! Da wird kein Gericht gefragt, Mausklick genügt. Und die Leute sind ganz allein mit sich und der Software. Sogar ein Mossad-Experte meint, der Missbrauch sei vorprogrammiert.

Und alles für die Sicherheit..

Aber alles dient ja angeblich unserer Sicherheit. Ihr werden Bürgerrechte, Verfassungsgrundsätze (USA) und Grundgesetz-Artikel geopfert.

Und riesiege, wunderschöne uralte BÄUME:

Riesiger Baum aus Sicherheitsgründen gefällt

Da ist es dann wieder aus mit meiner Gelassenheit! Auf jedem schier unpassierbaren Gehweg mit aufgerissenem Asphalt und Stolperstellen ohne Ende wird einfach ein Schild „Gehwegschäden“ aufgestellt. So ist der Bürger gewarnt – warum nicht auch hier so?

Die „Ungeheuerlichkeit des Tages“ hat Rosadora in ihrem foto-poetischen Blog (aus dem auch die Baumbilder stammen) dokumentiert und dazu geschrieben:

ich traue meinen augen nicht
die baumschneider der firma …. sind zugange
diesen stattlichen baum zu fällen

auf meine nachfrage
wer das denn angeordnet habe
und was für ein grund bestehe diesen baum
zu fällen
das umwelt und gartenamt kassel
ein pilzbefall mache dies erforderlich
wegen der sicherheit der passanten

ich fotografiere
und kann keinen filzbefall mit blossem auge feststellen
aber ich sehe auch
wie sich der baum bemüht hat
aus seiner misslichen lage herauszukommen
er treibt am 30. juli kleine frische blättchen
es waren keine maroden äste zu verzeichnen
also auch keine herabstürzenden äste zu befürchten

Na, Hauptsache, wir sind SICHER. Am besten wäre es, man würde diese ganze unberechenbare Natur beseitigen. All das Unkraut, die störenden Bäume, sämtliche Insekten, Viren, Bakterien, die giftigen Pflanzen und Tiere – wozu braucht das die Welt?

Gegen die Unberechenbarkeit der menschlichen Natur helfen nun ja zum Glück geheime Dienste und Programme wie PRISM, TEMPORA und XKeyscore. Wer vom Musterverhalten abweicht, ist verdächtig. Vielleicht kann man die ja demnächst alle vorsorglich irgendwo internieren? Außerhalb störender Gesetze natürlich, z.B. in Guantanamo!

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Das Streben nach Sicherheit zerstört Bürgerrechte, Grundgesetze, die Demokratie und große alte Bäume“.

  1. BLUTBUCHE
    Wweiter im blog:
    ich spreche mit frau SARAZIN vom umwelt- und gartenamt
    sie beteuert dass es ihr leid tut den baum fällen zu müssen
    es gab keine andere möglichkeit wie sie sagt
    die wurzel des baumes sei von einem RIESENPORLING (pilz)
    befallen gewesen
    und würde die standfestigkeit des baumes gefährden

    noch immer denke ich
    dass man andere möglichkeiten hätte in betracht ziehen
    müssen

    ich komme mir ohnmächtig vor
    übergangen
    was kann frau schon tun
    wenn sie immer alles erst hinterher erfährt
    fragen und beraten und abstimmen
    das liegt nicht im bereich dieser menschen

    rosadora

  2. Der Beitrag hat jetzt nicht unbedingt dazu beigetragen meine Laune zu verbessern… Ich frage mich, wo bleibt eigentlich die sog. „kritische Masse“.

  3. @ Baum

    Wo stand das mit „macht euch die Erde Untertan“ gleich noch mal?

    Für mich ist dieser Satz der Ursprung dieses Übels.

  4. Vorsorglich internieren ist eine ausgezeichnete Idee…naja, zum Glück nehmen schon mal eine Menge Menschen Medikamente, damit sie um jeden Preis in dieser unserer Gesellschaft mithalten können, nicht aus dem Rahmen fallen, keine unangebrachten Gefühle wie richtig grosse Wut, Rebellion, oder bodenlose Erschöpfung und so was zu empfinden, oder aber auch im Gegenteil immer mal wieder einfache Zufriedenheit und innere Ruhe…zum Beispiel unter einem schönen, alten Baum, wo kämen wir da hin…

    Schwere Zeiten.

    Liebe Grüsse nichtsdestotrotz,

    Jan