Claudia am 09. Februar 2012 —

Warum Griechenland nicht offiziell pleite gehen darf

Das Folgende hab‘ ich grade als Resonanz auf den Artikel „Einigung in Athen scheitert an Rentenfrage“ auf SPIEGEL ONLINE gepostet. Die Kommentare dort sind zum Teil äußerst ignorant bezüglich der Lasten, die Rentnern und Arbeitnehmern für die „Rettung“ abverlangt werden, während die Reichen ihre 200 Milliarden längst außer Landes gebracht haben. Was mich vor allem wundert, ist die Meinung vieler, man könne und solle Griechenland locker pleite gehen bzw. aus dem Euro austreten lassen. Da wird ein „Ende mit Schrecken“ präferiert, ohne dass auch nur einer der vielen Kommentatoren etwas zu dem sagt, was droht, WENN das so gemacht würde.

Ich behaupte nicht, dazu eine eigene Meinung zu haben, denn natürlich überblicke ich die Folgen ebensowenig in voller Gänze wie unsere Politiker. Die Ignoranz und Beschränkung aufs Geschimpfe auf die Griechen wundert mich aber schon!

Alsdenn, hier mein Kommentar (ob er dort frei geschaltet wird, weiß ich noch nicht);

Ich hätte nicht gedacht, dass SPIEGEL-Leser so einen verengten Blick auf das europäische Drama haben! In den Kommentaren lese ich mehrheitlich Statements, die ganz locker Griechenland fallen lassen wollen – so nach dem Motto: ist ja ein Fass ohne Boden, da ändert sich eh nichts etc.

Vor dem Hintergrund der (noch!) recht komfortablen deutschen Verhältnisse (Brüderle: „wir sind gewappnet!“) meinen viele, das „Ende mit Schrecken“ könnte UNS ja nicht viel anhaben.

Dabei wird komplett vergessen, was droht, wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedient: schon bei einem Haircut von 70% wird es sehr schwer, dies NICHT als „Zahlungsausfall“ zu definieren, bei 100% bzw. bei einer offiziellen Pleite wird es unmöglich!

Wer definiert, was ein Zahlungsausfall ist und was wären die Folgen eines solchen?

Hierzu lese man mal dás Interview mit Jim Sinclair (so ein Börsenmensch, 50 Jahre im Geschäft), das die ansonsten kostenpflichtige „Metallwoche“ wegen seiner Implikationen lesbar für alle gestellt hat:

Jim Sinclair: Die drohende, nicht erklärte Insolvenz von fünf systemrelevanten US-Banken

Demnach kontrollieren fünf amerikanische „systemrelevante“ Großbanken 97% der Ausfallversicherungspolicen (CDS) für griechische Staatsanleihen. Träte der „Ausfall“ ein, wären die fällig, doch haben sie bei weitem nicht das Kapital, das zu bezahlen.

Es müssten dann also fünf Großbanken „gerettet“ werden, bzw. es droht laut diesem Herrn Sinclair eine Finanzkrise weit schlimmer als 2008/2009. Und das im amerikanischen Wahljahr? Das will dort natürlich niemand!

Den „Ausfall“ definiert (zum Glück?) eine von diesen Großbanken kontrollierte Institution, nämlich die ISDA (International Swaps and Derivatives Association), die natürlich alles versuchen wird, KEINEN TOTALAUSFALL feststellen zu müssen.
Das mag bei 70% Haircut gerade noch klappen, aber bei 100% oder gar bei einer offiziellen Pleite (die hier viele empfehlen) geht es sicher nicht mehr.

Deshalb wird Zeit geschunden, wenn schon sonst nichts geht.

Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus verständlich, dass die EU-Politiker, die EZB (und der IWF) alles tun, um den totalen Ausfall zu vermeiden. Denn eine weitere Mega-Finanzkrise würde wohl deutlich teurer als das Griechenland-Retten – auch wenn keiner so genau weiß, was genau passieren würde (Domino-Effekte etc.).

Ich beneide niemanden, der zur Zeit damit befasst ist, dieses Risiko zu verantworten – ich wunder mich nur, dass es hier so gar nicht zur Sprache kommt. Als wären das Problem NUR die Griechen und die Frage nach Solidarität ja oder nein!

Diskussion

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5 Kommentare zu „Warum Griechenland nicht offiziell pleite gehen darf“.

  1. Früher war die sache so geregelt
    dass nur der fürst die fürstin
    heut ist die sache sehr verquickt
    weil alles durcheinander

    ahm..

    nun ja, die Zeiten der Fürsten
    und königshäuser als Leitfuzzifiguren
    ist dahin, dahin wie mein glaube an
    jedwede stabile Währungsmöglichkeit.

    Leute , kauft aktien, gold und den ganzen
    anderen Tinnef aus Versprechungen und
    gutgemeinten Radschlägen der Rudelbum… ah #
    -führern der heutigen Finanzmaffia.

    kauft am besten alles durcheinander,
    dann fällts nicht so auf wenn der ein
    oder andere deal mal in die Hose geht:
    es gibt für alles Versicherungen.
    ergo: kauft euch am besten noch die ein oder
    andere Versicherung oder noch besser:
    gruendet eine.

    Jim Sinclair: Ich will über die ISDA,
    die International Swaps and Derivatives Association,
    reden.D.h. über die Leute, die darüber bestimmen,
    ob eine Gläubigerbank zahlungsunfähig ist oder nicht.

    hi-ho:, kauft, leute, kauft beim trödler Abraham,
    da dim da dum dadim dadudeldudumm..

    Jim Sinclair:— Die ISDA bestimmt, ob ein
    Kreditereignis zur Insolvenz erklärt wird
    oder nicht. Falls die Insolvenz erklärt wird,
    dann müssen die CDS in Kraft treten.
    Die CDS sind eine Art von Versicherung,
    die interessierten Marktteilnehmern eine
    Garantie auf die Staatsschuld gibt.
    97% dieser Sicherheiten für die Staatsschuld
    werden von fünf der größten US-Banken gehalten.

    Sie sind im Grunde Policen, die für Versicherungen
    bezahlt werden. Sie stehen unter Kontrolle der ISDA.
    Daher, falls das Offensichtliche, was jeder
    erwartet, passiert und der griechische Schuldenschnitt
    bis auf 30% runtergeht,wie will man das NICHT einen
    Zahlungsausfall nennen?

    (..)
    Diejenigen, die das Schicksal der fünf führenden
    US-Banken entscheiden werden, sind die fünf Banken
    selbst.

    Bruahahahahha nur die duemmsten aller kälber
    wählen ihre schlächter selber..
    (das war früher mal sarkasmus, heute gehört es
    zum guten ton)

    Denn sie beeinflussen mit der ISDA gerade diejenige
    Institution stark, die international darüber
    bestimmt, ob über ein Kreditereignis eingetreten ist.

    Ellis Martin:
    Also die Banken bestimmten über ihr eigenes Schicksal.

    Jim Sinclair:
    Und daher, was werden sie beschließen?
    Nicht einen Zahlungsausfall.

    Griechenland mit einer Bevölkerung von 11 Millionen steht im Begriff eine mögliche Insolvenz von fünf US-Banken auszulösen.

    ———–
    genug davon,

    meinetwegen sollen sie alle zusammen zum teufel gehen.
    wenn ein normaler mensch mist baut, wird er/sie dafür
    zur rechenschaft gezogen. Bauen ganoven, Banker oder sonstige finanzfuzzis mist, dann bezahlt die internationale gemeinschaft, bzw alle die sich nicht gegen diese global operierende maffia und finazgeiselgangster wehren können.

    Diese impertinenten Geldhaie haben für ihr gesamtes Tun eine eigene sprache entwickelt (security durch obskuriti) in der -berechtigten- hoffnung normalos werden sowiso nicht mehr blicken, dass sie in ihrer Rolle als dämliches Kalb eh nix zu melden haben.

    kein wunder bei den wahnsinnigen Billionensummen die täglich
    rund um den Globus verhandelt werden, ohne dass auch nur eine sau „wirklich“ einen Finger dafür krumm machen muss, geschweige denn irgendetwas- abgesehen von heisser luft und gefährlichen versprechungen herzustellen.

    die Griechen haben einen „selbständigen-Anteil“ von ca. 40% der arbeitenden Bevölkerung, d.h. 40% aller teuerpflichtigen
    ist in der Lage, den staat mit ebenjenem Finanzkauderwelsch
    über den Löffel zu balbieren. was anderes als die jetzige
    Situation sollte sich aus diesem Umstand denn ergeben?

    zum Teufel mit all dem.

    gruss ingo

  2. Ingo, du hast schon bessere Brandreden verfasst! :-)
    Aber inhaltlich und stimmungsmäßig bin ich bei dir!

  3. lieb von dir:)
    abgesehen davon:
    ich weiss nicht,was mir persoenlich geschehen würde,
    wenn diese 5 grossbanken bei den amis oder griechenland als solches „pleite“ gehen würde. wäre ich dann tatsächlich
    wirtschaftlich, sozial ökologisch oder sonstwie
    schlechter dran als jetzt?

    europa ist ne super idee, Welt wär mir noch lieber.
    nur: welche art welt?
    eine Welt ohne grenzen, eine welt mit nur einer einzigen währung, eine welt mit rundrum gleich geltenden gesetzen,
    gleich lautenden vorschriften für arbeitsrecht, sozialrecht, rentenrecht etc etc..

    die drohung, oder vielmehr: die möglichkeit der drohung:
    „wenn die 5 grossbanken pleite gehen, ist die
    weltwirtschaft am ende“ die dazu führen wird, dass die big 5 die griechen nicht pleite gehen lassen werden,
    genau diese möglichkeit geht mir voll auf den senkel.
    (die folgen der „NichtPleite“ werden garantiert teuer
    -für die die am falschen ende der Hebel sitzen)

    mir persoenlich sind diese big 5 genauso wumpe wie alle anderen Finanzversager oder das marode griechische wirtschaftssystem. darum ist meine einschätzung der „lage!“ wohl auch eher unerheblich:)

    auf zu neuen ufern, neuen katastrophen, neuen tagesthemen:)

    gruss ingo

  4. Und was ist schlimm daran, wenn fünf systemrelevante Großbanken pleite gehen? Normalos und kleine Unternehmen bekommen jetzt schon keine Kredite mehr (lohnt ja eher für die Banken für 1% bei der EZB Geld zu borgen und davon Anleihen zu 6% zu kaufen), also dürfte denen das egal sein.

  5. Als ob es nur um die 5 Großbanken ginge…
    Frankreich sowie Italien halten den Großteil der griechischen Staatsanleihen, kommt es zu einem Totalausfall, fällt zumindest Italien mit, wenn sich nicht die EZB einschaltet und mit weiteren Milliarden das Land auffängt. Das der Rettungsschirm nicht für Länder wie Italien reicht, sollte längst bekannt sein.

    Was mit den anderen grenzwertigen Staaten passiert, kann sich jeder Leihe ausmalen – sie werden auf Ramschniveau herabgestuft, weil es keine Sicherheit mehr im Euroraum gibt und jeder weitere Wackelkandidat pleite gehen kann.

    Auch wenn die Fiskalpolitik noch nicht „Die vereinigten Staaten von Europa“ erkennen lassen, so sind wir doch schon so miteinander verwoben, daß man eben keinen Staat innerhalb der EU pleite gehen lassen kann, ohne daß die Folgen der Unsicherheit der Finanzmärkte, welche durch die unzureichende Bürgschaft der Gemeinschaft (nicht ausreichender Rettungsschirm) ausgelöst wird, weitere Staaten mit in den Abgrund ziehen. Womit das ganze Kartenhaus „EU“ zusammenbricht.

    Auch wenn es weh tut und es keiner mehr hören kann, die Eurobonds wären uns allen günstiger gekommen und hätten die europäischen Finanzmärkte längst stabilisiert. Griechenland hätte mit Hilfe einer europäischen Kommission (ähnlich der Troika) genügend Zeit bekommen sich zu reformieren, ohne seine Wirtschaft abzuwürgen. Zusätzlich hätte der erhöhte Zinssatz für Deutschland unsere Politiker dazu bewegt, schnellstmöglich einen ausgeglichenen Haushalt herzustellen. Das ist Quasi daß, was die CDU/CSU & FDP als Grund einwerfen, warum man die EB nicht einführen sollte, damit andere Staaten diszipliniert werden. Natürlich hätte zu den Eurobonds dazu gehört, eine verbindliche Schuldenbremse & weitere Maßnahmen zur Regulierung und Sanktionierung einzuführen. So wie es jetzt ja der Fall ist…

    Irgendwann wird es so sein, wie es sein sollte: Eurobonds und ein Länderfinanzausgleich. So wie Deutschland mit seinen Bundesländern funktioniert. Erst dann sind wir „Die vereinigten Staaten von Europa“.