Claudia am 28. August 2001 — 1 Kommentar

Überfluß und Armut

In Berlin ist gerade Funkausstellung. Mir hat es gereicht, vor ein paar Jahren mal dort gewesen zu sein. Zwischen den unzähligen blinkenden Monitorwänden leicht verstört herumlaufen, die teuerste Stereoanlage der Welt anhören, den grinsenden Moderatoren und aufgehübschten Hostessen in die angestrengten Gesichter sehen – und überall Geräte, Geräte, Geräte, in Szene gesetzt wie soeben ausgegrabene Schätze großer Pharaonen. Dazu die seit Jahren sich mantrahaft wiederholenden Beschwörungen: Konvergenz der Technologien, digitales Fernsehen, multifunktionale, alles mit allem vernetzende Steuermodule – Fernbedienungen wählen nicht nur Programme, sondern öffnen auch die Garagentür, schalten den Herd ein – ja wirklich! Und natürlich die noch kleinere und leichtere VideoCam, Kameras mit noch mehr Millionen Pixel, noch bessere DVD- und MP3-Player, der Fortschritt schreitet unaufhaltsam voran – aber gehen wir noch mit? Weiter → (Überfluß und Armut)

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Claudia am 20. August 2001 — Kommentare deaktiviert für Ciao Buddha!

Ciao Buddha!

Wenn ich jetzt meinen Eintrag vom 12.Juli „Was du nicht erfühlen kannst“ nochmal lese, kann ich es kaum glauben, wie schnell sich die Dinge verändern – kaum hatte ich meine Stagnation ausformuliert, begann sie auch schon, sich aufzulösen… Naja, so sieht es jetzt das positive Erinnerungsvermögen, immerhin hat der Zustand, den ich bei mir „Wüste“ nenne, lange lange angehalten: Nicht mehr wissen, WOZU das Ganze, nicht mehr träumen, keinen Wunsch mehr erleben, der über das Stadium „blasser Gedanke“ hinaus kommt – und das dann auch noch für einen sinnvollen Endzustand halten, nur leider zum Geld verdienen nicht besonders geeignet… Jetzt find‘ ich das schon wieder richtig lustig! Weiter → (Ciao Buddha!)

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Claudia am 17. August 2001 — Kommentare deaktiviert für Nüchtern trunken: Adieu AA!

Nüchtern trunken: Adieu AA!

Mein Diary-Eintrag „Auf dem Meeting„, in dem ich in aller Kürze meine Geschichte mit dem Alkohol berichte, hat viel positive Resonanz erfahren – im Forum, aber mehr noch per Privatmail. Mich hat es entspannter und glücklicher gemacht, auch von dieser Seite meines Lebens hier zu sprechen, ohne die ich nicht das wäre, was ich geworden bin – und hier zitier‘ ich mal mutig das geflügelte Wort unseres offen schwulen Bürgermeisters: Das ist auch gut so! Weiter → (Nüchtern trunken: Adieu AA!)

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Claudia am 12. August 2001 — 1 Kommentar

Der terminierte Mensch

Himmel nochmal! Ich wohne fünf Auto-Minuten von seinem Arbeitsplatz, Essen gehen und Kaffee trinken wird er ja wohl gelegentlich noch – oder ist es ihm gelungen, diese Bedürfnisse aufgrund der schlechten Wirtschaftslage abzubauen? Glaub ich nicht… oder doch? Jedenfalls mailt er mir auf meine Frage, ob wir uns mal mittags treffen und von alten Zeiten und unserem jeweiligen Heute plaudern könnten: „Tolle Idee! Freut‘ mich, wieder mal von dir zu hören. Grad‘ schieb‘ ich aber zwei Projekte an, die wirklich haarig sind, danach dann gern, ich meld‘ mich in zwei Wochen!“

Er ist nicht der erste, von dem ich eine solche oder ähnliche Antwort bekomme. Seit ich wieder in Berlin bin, ruf‘ ich öfter mal jemanden an, wenn ich Lust auf Menschen habe. Klar doch, schließlich sitze ich hier täglich alleine am PC und ich weiß: da draußen, in den unendlichen Weiten Berlins geht das vielen ganz genau so… Es sind alte Kollegen, die ich dann anrufe, Freunde und Bekannte aus zwanzig Jahren Kreuzberg, Menschen, mit denen ich gearbeitet, gefeiert, Kurse besucht und Politik gemacht habe. Und sogar meine alte Liebe T., mit dem ich Jahre in „gemeinsamem Leben & Arbeiten“ zubrachte, schickt mir erstmal einen Stapel Geschriebenes, um sich dann eine gute Woche später hier einzufinden – zu einem ordentlichen Termin halt.

„In der dritten Septemberwoche vielleicht, da ist dann meine Mutter wieder weg und die stressigsten Schultage sind ‚rum“, meint L., die Frau, mit der ich schon in Mecklenburg telefoniert hatte, wie nett es sein wird, sich wieder mal zu sehen. Der Netz-Bekannte, der zufällig drei Häuser weiter wohnt, hat auch einen „Termin vorgeschlagen“, so in zwei Wochen, da könnte man ja abends mal zusammen um die Häuser ziehen…

Termine, Termine, Termine. Wochenlange Planungen. Wenn ich dann doch mal jemanden treffe, werden wir gestört durch diesen dauernden Handy-Betrieb und ich muss ungewollt mithören, wie er/sie einem Dritten sagt: „Ja, super! In der letzten Augustwoche würde es mir evtl. passen…

Lust & Laune? Gecancelt.

Sind denn alle komplett verrückt geworden? Oder werde ich einfach nur alt und versteh‘ die Welt nicht mehr, bin nicht mehr richtig „kompatibel“ mit dem heutigen Way of Contact? Offensichtlich hat sich da etwas verschärft, dem ich mich immer schon verweigert hatte. Ein Terminkalender ist einfach nicht meine Sache, geschäftliche Dates merke ich mir auch so und private „Termine“ war ich einfach nicht gewohnt: Nicht in meinem Kreuzberger Kiezleben, in dem ich beim Gang in die Markthalle mindestens drei Leute traf, mit denen ich zu einem Schwätzchen stehen bleiben konnte. Und wenn ich mich richtig erinnere, gab es jedenfalls keine zwei, drei Wochen Vorlaufzeit, wenn ich mich mal mit jemandem verabreden wollte, höchstens so zwei bis vier Tage.

Was stört mich eigentlich daran? Ich könnte mir doch einen Terminkalender anschaffen und das einfach so mitmachen, oder? Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich das will. So wild bin ich nun auch wieder nicht, diese offensichtlich allzu beschäftigten Menschen zu sehen… Naja, ich würde schon gern, aber eben JETZT, oder morgen, oder zumindest diese Woche noch – nicht irgendwann später, ein Später, von dem ich gar nicht weiß, was ich dann tun werde, und ob ich dann Lust haben werde auf diesen oder jenen ganz Bestimmten. Es scheint mir unvorstellbar, morgens in meine Zettel zu gucken: Wen treff ich denn heute?, und dann halt das Programm abzuwickeln, egal, was Lust und Laune gerade dazu meinen. Warum sollte ich ausgerechnet DIE Kontakte, die NICHT von irgendwelchen, meist ökonomischen Zwängen diktiert sind, in ein Korsett pressen, das jede Spontaneität verunmöglicht?

Ausgebucht

Was mag wohl der Grund für dieses Verhalten sein? Warum meinen all diese Leute, dass ein privates Plaudertreffen drei Wochen im voraus geplant werden muß? Liegt es wirklich daran, dass sie heute, morgen, übermorgen und für den Rest der Woche völlig „ausgebucht“ sind??? Warum rufen sie nicht einfach an, wenn da mal eine Lücke ist: Hey, heut mittag hab ich Zeit, wie siehts bei dir aus? Wär‘ es denn so schlimm, wenn ich dann sagte: Sorry, geht grad nicht, aber morgen? Es wäre sogar viel wahrscheinlicher, dass ich zusage, denn ich kann mir die Zeit ja einteilen – wie übrigens die meisten, von denen ich hier spreche.

Wäre ich jetzt 15 Jahre jünger, würde ich das alles auf mich beziehen, wäre ordentlich zerknirscht und würde denken: Sie mögen mich nicht, sie wollen mit mir einfach nichts zu tun haben, weil ich vermutlich so eine Schreckschraube bin, die man lieber meidet! Heute weiß ich es besser, zumal es sich fast durchweg um Menschen handelt, mit denen ich gute, intensive und für beide Seiten erfüllende gemeinsame Zeiten hatte. Nein, es ist etwas anderes, etwas, dem sich alle einfach so unterwerfen, ohne es auch nur richtig zu bemerken: die Seelen sind besetzt, verkauft und also immer völlig ausgebucht. Dass man sich überhaupt noch – so in drei Wochen – für etwas Privates Zeit nimmt, das nicht zum eingespielten Alltag gehört, ist eigentlich auch schon nicht mehr richtig in diese Welt „passend“, ist schon Kompromiß, den man gerade noch eingeht, um sich nicht eingestehen zu müssen, daß im Grunde gar kein Platz mehr ist für Dinge jenseits des „Um-Zu“.

Niemand ist wirklich „ausgebucht“ – aber die Erfordernisse des allgemeinen Rattenrennens sind psychisch derart belastend, dass man nicht noch zusätzliche Inputs haben will, wo doch die Zeiten des „inneren Ausspannens“ lange schon nicht mehr reichen. Ja, dieses innere Abschalten schafft kaum noch jemand, allenfalls werden heftige äußere Reize als Ablenkung gesucht, die das, was in der Seele wühlt, einfach an Lautstärke bei weitem übertreffen. Und noch etwas: Andere Menschen zu treffen wird nicht mehr als mögliche Entspannung gesehen, als spielerisch zweckfreies Miteinander, sondern – auch im privaten Rahmen – immer nur wieder als eine Art „Auftritt“, bei dem man ein gutes Bild abgeben will: anstrengend also, wie fast alles heute. Wenn man dann noch daran denkt, dass es ein ganz übliches Verhalten ist, dem Anderen nicht wirklich zuzuhören, sondern ihn oder sie „voll zu labern“, wundert es nicht mehr, dass niemand mehr richtig Lust hat, mal eben zusammen Kaffee trinken zu gehen…

Sich aufteilen

Was bleibt, ist die Aufsplitterung der Bedürfnisse, die Fragmentierung des Ich. Will ich spontan unter Menschen sein, geh‘ ich in die Sauna und sitze gemeinsam mit unbekannten Nackten bei 90 Grad auf dem Affenfelsen. Die Hitze ist ein so starker Reiz, dass jedes Denken in den Hintergrund tritt und ein enstpanntes Zusammen sein möglich ist – ja, manchmal kann man sogar ein paar Worte wechseln… Will ich dagegen interessante Gespräche führen, tiefer schürfende Aspekte des Daseins teilen, dann kann ich ja mailen! Mitmensch on Demand ist die optimale Form für den gestressten Info-Worker: nur der reine Gedanke tröpfelt durch die Leitung, und den kann ich mir ja dann reinziehen, wenn ich dafür die Muße habe. Nicht zu vergessen das Telefon: Jenseits des bloßen Info-Austauschs ist es das „angesagte“ Mittel für das Empfinden von Nähe: Dann aber muß ich völlig im Augenblick sein, ohne jedes inhaltliche Interesse ganz auf die Schwingung des Anderen einsteigen. Nicht schlecht, aber eben auch wieder ein hübsch abgespaltener Teil des Ganzen.

Und wenn mir das alles nicht reicht, gibts ja noch die Workshop-Szene: Unter Anleitung und Aufsicht treffen sich da wochenends „ganze“ Menschen für teures Geld: tanzen, reden, atmen, Töne summen, sich in die Augen sehen, einander zuhören, sich „einfach so“ umarmen – und in Tränen ausbrechen vor Rührung! Sollte ich mir mal wieder leisten…

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Claudia am 08. August 2001 — Kommentare deaktiviert für Raus in die Welt?

Raus in die Welt?

Sieben Wochen Berlin sind es jetzt und ich fühle mich bereits, als wohnte ich schon ewig hier in Friedrichshain – kein Wunder, sieht es doch genauso aus wie meine alte Heimat Kreuzberg vor fünfzehn Jahren. Die zwei Jahre Mecklenburg, Schloß Gottesgabe, das wunderbar weite Land mit den hohen Horizonten und den endlosen Feldern ist fast nur noch ein Traum, als wär‘ es sehr sehr lange her…. Weiter → (Raus in die Welt?)

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Claudia am 05. August 2001 — Kommentare deaktiviert für Gedanken aus dem Schwitzbad

Gedanken aus dem Schwitzbad

Die Hitze ist vorbei und mit ihr verschwindet diese tagträumerische Lethargie, die mich so angenehm umfangen hielt. Ich gebe mich gerne dem Wetter hin, zumindest, solang‘ es warm ist, lass‘ mich treiben oder ausbremsen und beobachte, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen durch die jeweilige Wetterlage hervorgerufen oder unterdrückt werden.

Bei großer Hitze zum Beispiel ist der Körper hauptsächlich mit dem Temperaturausgleich beschäftigt und schwitzt. Das bindet einen guten Teil der Energie, erst recht, wenn es mehrere Tage anhält. Ich spür‘ dann richtig, wie der Kopf leerer wird, wie die Gedanken langsamer kommen, stotternd fast, und wie kaum mehr etwas übrig bleibt für Bedenken wie: Versteht mich noch jemand? Ist das, was ich jetzt denke, sage, schreibe, auch verständlich, stilistisch vertretbar, im Diary am rechten Platz? Unbekümmert lass‘ ich es aus mir schreiben, in die Tastatur fließen, das weiße Datenfeld füllen, blühe pflanzenhaft-ruhig vor mich hin wie meine Balkonpflanze, der es völlig egal ist, ob da jemand sagt: Wow, was für eine schöne Blüte!“, oder eben „Welch ein komisches Unkraut!“. Weiter → (Gedanken aus dem Schwitzbad)

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Claudia am 04. August 2001 — Kommentare deaktiviert für Schreiben, Lesen, Verstehen

Schreiben, Lesen, Verstehen

Wenn das berechnende Denken sich langsam totläuft, der machtgeile Blick auf Ursache und Wirkung, Plan und Ziel, „Nutzen“ und Risiken nurmehr wie ein Radioprogramm erscheint, mal laut, mal leise, doch insgesamt erschreckend uninteressant – was dann?

Ein paar Tage Pause, Tage ohne Diary. Vielleicht ist es ja das Ende des Schreibens? Ein Journalist könnte so denken, auch der Philosoph, der am Ende aller Systeme angekommen die Buchdeckel zuklappt. Nicht aber der zwecklos Schreibende, der – allein dem Schreiben zugewandt – die Tastatur, das weisse Feld als ruhige Landschaft spürt: offen für Gestaltung, Wüste mal, dann Metropole, Eremitenhöhle, Tempel, Ort der Kraft. Mögen die Impulse gelegentlich versanden, das Leiden an der Rationalität auch wachsen, die aller Sprache per Grammatik eingeschrieben – eher entsteht ein Fischgesang aus stummen Zeichen, ein Wortgemisch, das heilig nach Geheimnis klingt und gar nichts meint, als dass der Schreibende verstummt vor seinem letzten Morgen. Weiter → (Schreiben, Lesen, Verstehen)

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