Thema: Weltgeschehen

Claudia am 27. Juni 2006 — 6 Kommentare

Warten auf die Abkühlung

Druck auf dem Kopf, 27 Grad Raumtemperatur trotz Nordseite. Ich schwitze nicht, leide nicht, wünsch mich nirgendwo anders hin, kann aber nicht arbeiten. Jeder Gedanke springt ein wenig im Hirn hin und her, und gerade dann, wenn ich zu einem Tun ansetze, ist er wieder verschwunden. Naja, nicht eigentlich weg, nur das Gefühl, dass er eine Folge haben sollte, hält sich nicht. Schlimm?

Ich werde auf die Kühle warten, abends oder nachts, vielleicht auch morgen früh ab sechs. Es hat noch immer geklappt mit den Terminen. Nie krank gemeldet in zehn Jahren Internet, wie käme ich dazu? Vom im Bett liegen wird man nicht gesünder und wer aufstehen kann, kann auch eine Maus bedienen. Weiter → (Warten auf die Abkühlung)

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Claudia am 02. Juni 2006 — 26 Kommentare

Bundestag beschließt staatlich verordnetes Verhungern

Da läuft mir doch die Galle über: gestern hat der Bundestag in den „Harzt-IV-Optimierungsgesetzen“ beschlossen, dass einem Arbeitslosen, der dreimal in einem Jahr ein Arbeitsangebot nicht annimmt, die Leistungen auf Null gekürzt werden! Was das heutzutage für „Arbeitsangebote“ sein können, weiß man ja – Spargel ernten zum Beispiel, wer weiß, was in Zukunft da noch alles kommt!

Dass es nun in DE möglich sein soll, Leute verhungern zu lassen, will mir nicht in den Kopf! Geht das wirklich? Bei Streichung aller Leistungen muss derjenige ja betteln oder kriminell werden. Ich hoffe doch, dass der erste, den das trifft, nicht geheim bleibt, sondern der dann vor der Behörde sitzt und dort bettelt. Unter bundesweiter öffentlicher Aufmerksamkeit, versteht sich! Weiter → (Bundestag beschließt staatlich verordnetes Verhungern)

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Claudia am 10. März 2006 — 1 Kommentar

Jetlag und deutsche Kälte

Immer noch werde ich zu den falschen Zeiten müde und mitten in der Nacht hell wach. Niemand hindert mich ja am einschlafen, wenn die Augenlieder schwer wie Blei werden. Die Erkältung tut ihr Teil dazu, mein Gefühl des Ausnahmezustands zu verlängern: hat es denn eine Bedeutung, WANN ich arbeite, wache, schlafe?? Eigentlich nicht, es wird sich schon wieder normalisieren, denk ich mir und mische mich nicht willentlich ein.

Der Himmel über Berlin ist trüb und verhangen, es schneit, doch bleibt nicht mehr viel davon liegen. Immer wenn ich aus dem Fenster schaue, erinnere ich gleichzeitig die Sonne in Phnom Penh, die tropische Hitze, das ständige Schwitzen, das bald „ganz normal“ wird, wenn die ersten Tage überstanden sind. Weiter → (Jetlag und deutsche Kälte)

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Claudia am 05. März 2006 — 1 Kommentar

Wieder daheim

Wie schön, wieder eine deutsche Tastatur zu benutzen! Y und Z sitzen an der richtigen Stelle, deutsche Umlaute müssen nicht mehr mühsam umgeschrieben werden – das enthebt von der Überlegung, ob es der aufzuschreibende Satz wert ist, solche Anstrengungen zu machen. In drei Wochen Kambodscha brachte ich es auf genau einen Satz: ein kleiner Test, wie es so ist, aus solcher Ferne ins selbe Netz zu schreiben. Dann nichts mehr. Erleben kann so überwältigen, dass Schreibimpulse gar nicht mehr aufkommen – für mich eine seltene Erfahrung!

Angkor Wat

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Claudia am 10. Februar 2006 — Kommentare deaktiviert für Angst vorm Fliegen: die Reise nach Kambodscha

Angst vorm Fliegen: die Reise nach Kambodscha

Noch zwei Tage bis zum Abflug nach Kambodscha: die erste mehr als drei, vier Tage währende Reise seit Jahrzehnten und dann gleich soooo weit weg!!! Raus aus Europa, raus aus dem Winter, rein in die Tropen – ich hab‘ einfach JA gesagt: ein Diary-Leser, der mir in langen Mail-Dialogen und während seiner Besuche ans Herz gewachsen ist, lädt mich und einen lieben Freund nach Phnom Penh ein, wo er lebt und arbeitet. Was für ein Ereignis in meinem ansonsten so stationären Leben, in dem der Gedanke an „Urlaub“ normalerweise einfach nicht aufkommt! Warum sollte ich denn „irgendwohin“ reisen, um dort herum zu lungern, wenn ich doch da bin, wo ich sein will? Wenn ich doch täglich tue, was ich gerne tue, warum das unterbrechen? Weiter → (Angst vorm Fliegen: die Reise nach Kambodscha)

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Claudia am 04. Oktober 2005 — Kommentare deaktiviert für Wege aus der Erstarrung: Von der Regelungswut

Wege aus der Erstarrung: Von der Regelungswut

Im letzten Herbst besuchte mich der Eigentümer des Hauses, in dem ich seit 2003 zur Miete wohne. Die Fassade wurde gerade erneuert, zwei Monate lebte ich schon im Dämmerlicht, das die grüne Plane gerade noch durchließ – und jetzt sollten noch neue Fenster die alten Kastendoppelfenster ersetzen, mietwirksam natürlich, deshalb der „hohe Besuch“.

Er habe sich das Haus zur Altersvorsorge gekauft, erzählte er, aber er wolle keinen Stress mit den Mietern und keinen aufwändigen Papier- und Paragrafenkrieg. Wer die neuen Fenster nicht haben wolle, solle sie ablehnen, wenn ich sie einbauen ließe, koste mich das 35,- Euro mehr Miete – so einfach, so klar. Ich war einverstanden und wunderte mich, dass er mich nichts unterschreiben ließ, als er den Einbautermin ankündigte. „Was machen Sie, wenn jemand die Fenster zwar einbauen lässt, dann aber die höhere Miete nicht zahlt?“ fragte ich neugierig.
„Dann soll der das so machen, muss mir dann aber auch ins Gesicht sehen!“, sagte er, ein wenig aufgebracht. „Das ist doch das ganze Elend, in dem wir stecken! Es muss doch mal wieder jemand Verantwortung übernehmen für das, was er tut! So, wie es ist, kann es jedenfalls nicht immer weiter gehen.“

Charmante Masche?

Wow! Der Mann hatte meine Sympathie gewonnen. Ein Verächter des Kleingedruckten, einer, der lieber handelt und etwas riskiert, als sich um die Modalitäten des möglichen Scheiterns einen Kopf zu machen – und das auf dem Gebiet des komplizierten Mietrechts!
Ja, es sei ein riesiger Aufwand, erzählte er noch, von der Hausverwaltung eine all den vielen Gesetzen und Gerichtsentscheidungen gerecht werdende, hieb- und stichfeste Mieterhöhungserklärung wegen Modernisierung abzuwickeln zu lassen. Diese Idee habe er nicht weiter verfolgt, das wäre zuviel Energieeinsatz an der falschen Stelle.
Was dann ein paar Wochen später kam, war ein kurzes, formloses Schreiben, das ich unterschrieben zurück schickte, als die Fenster lange schon drin waren. Ich hätte es auch ignorieren können, meine Miete wäre dann nicht gestiegen, meine Selbstachtung dafür gesunken. Ich hätte nicht nur ihm nicht ins Gesicht sehen können, sondern auch nicht in den Spiegel.

Als ich später Freunden von diesem ungewöhnlichen Eigentümerkontakt erzählte, musste ich mir gelinden Spott anhören: Du hast dich von ihm einwickeln lassen, die Paragrafenverächterei war gewiss nur seine charmante Masche, um die Modernisierung problemlos durchzudrücken!

Habe ich? Ich hatte ja nichts gegen die neuen Fenster, warum zum Teufel sollte ich den Hauseigentümer dann als Gegner ansehen, der mir „was Böses“ will? Etwa aus „altlinker“ Tradition: weil Eigentum Diebstahl ist? Weil Besserverdienende böse Menschen sind? Weil man sich stets als Opfer finsterer Mächte begreifen sollte, immer im Kampf gegen „das Kapital“???

Verträge sind dazu da, sich zu vertragen. Je komplizierter sie sind, desto deutlicher wird, dass die Vertragspartner eher mit Streit und Misslingen rechnen als mit gedeihlichem Zusammenwirken. WILL sich eigentlich noch jemand vertragen? Mir scheint, fast jeder im Land hält sich selbst für einen Ausbund von Friedlichkeit und ist voll des guten Willens – aber wenn die Äste am Baum des Nachbarn anfangen, aufs eigene Grundstück zu ragen, dann guckt man in die Paragrafen, um das Waffenarsenal zu sichten, nicht zuvorderst ins Gesicht des Nachbarn.

Alles geregelt, alles im Lot?

Der Dschungel aus Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen, der jegliches aktive Tun in Deutschland umgibt, hat lange schon Ausmaße angenommen, die eben dieses Tun oft genug im Keim ersticken. Über diesen Befund scheinen sich alle einig zu sein, doch es scheint ein Ding der Unmöglichkeit, von der Regelungswut abzulassen. Kaum erscheint mal eine Liste zu streichender Vorschriften – wie es etwa in Berlin versucht wurde – verhaken sich die Politiker bei der Sichtung in Bedenken und schaffen es nicht, wirklich Nägel mit Köpfen zu machen: Wenn das nicht mehr geregelt ist, dann kann ja wieder jeder, wie er will – oh Himmel, Chaos droht!

Meine Steuerberaterin schreibt in ihrem Rundbrief, Belege müssten auch nach Jahren lesbar sein, das habe ein Gericht entschieden. Hört sich sinnvoll an, klar! Aber dass ich nun die Belege aus allen Jahren durchsehen und eventuell verblasste Thermo-Ausdrucke einzeln kopieren soll, ist eine so typisch deutsche Zumutung, dass mir die Haare zu Berge stehen! Geben wir halt alle mal unsere selbständige Tätigkeit für ein paar Tage auf, versenken uns in die Akten vergangener Jahre, dann ab in die Copy-Shops – zumindest deren Geschäft wird dadurch gewiss belebt!

Im Ernst: ich habe schon genug Existenzgründer und Gründerinnen mitbekommen, die vor lauter Zuarbeit fürs Vorschriftenuniversum kaum Zeit fanden, sich mit dem Inhalt ihrer angestrebten Geschäftstätigkeit zu befassen. Ihnen wurde im Gegenteil immer deutlicher, was sie alles riskieren, wie gefährlich und kompliziert Selbständigkeit ist – und manch einer hat es dann doch lieber gelassen.

Ich bin bisher ganz gut durchgekommen, weil ich mich bei jeglicher Zumutung der Behördenwelt immer frage: WAS DROHT? Was passiert im schlimmsten Fall, wenn ich meine Belege NICHT kopiere? Nun, dann wird eines Tages ein Betriebsprüfer diese Belege nicht anerkennen und Steuer nachfordern – zu Unrecht, wie ich finde, denn ich habe ursprünglich alles richtig gemacht und für ein „Verblassen“ kann ich nichts. Aber egal, soll er doch fordern, es wird vermutlich nicht das Einzige sein, was nicht der Vorschriftenfront entspricht, die sich von Jahr zu Jahr verändert und verschärft. Ich habe einfach nicht genug Zeit für jedweden Pipifax Stunden und Tage zu opfern, um in Uralt-Akten zu forschen und sie den neuesten staatlichen Bedürfnissen anzupassen. Nicht, solange mir meine Arbeit lieb ist, mit der ich das Geld ja erst verdienen muss, das dann als Steuern abgezogen werden kann.

Gerecht bis in die Erstarrung

Woher kommt es eigentlich, dass immer mehr Gesetze und Vorschriften erlassen werden? Es ist nicht nur der stete Wandel der Welt, der Anpassungen erfordert, sondern vor allem das Erleben Einzelner, die sich im Rahmen der bestehenden Vorschriften ungerecht behandelt fühlen: ja, das Gesetz mag im Allgemeinen richtig sein, aber in MEINEM Fall gibt es diese oder jene Besonderheit, die keine Berücksichtigung findet – her mit der neuen Regelung, die diesem Misstand abhilft!

Das zunehmende stählerne Gehäuse ist also die Folge unserer Unfähigkeit, Ungleichheit zu ertragen: jeder Einzelfall ist anders und Gesetze sollen dafür sorgen, dass die Gleichheit hergestellt wird – wir regeln die Dinge zu Tode, aber immerhin geht dann alles sehr GERECHT zu! Bilden wir uns zumindest ein, denn es ist ja nicht wirklich so, jede Regel schafft auch wieder neue Ungerechtigkeit in einem anderen Einzelfall – und so weiter und so fort.

„Wege aus der Erstarrung“ hieß der Arbeitstitel dieses Artikels. Fakt ist, dass es keinen Königsweg gibt: zwar kann man immer mal wieder versuchen, das schlimmste Regelungsgestrüpp zu beschneiden, doch solange das „Volk“ so drauf ist, wie es nun mal ist, wird sich an dieser Lage nichts grundsätzlich ändern. Einzig das Individuum kann einen Bewusstwerdungsprozess erleben und lernen, dass es oft förderlicher ist, sich der Zukunft und neuen Themen zuzuwenden, als um Gerechtigkeit in jedem Einzelfall erlebter Vergangenheit zu kämpfen. Dafür muss es sich nicht einmal am Gemeinwohl orientieren (eine Forderung, die heute hoffnungslos idealistisch klingt), sondern am wohl verstandenen Eigeninteresse, sich Handlungsspielräume zu erhalten und neue zu erobern. Wer einen Großteil seiner Zeit damit zubringt, seine Prozesse zu beaufsichtigen und Rechtsanwälte reich zu machen, wird ansonsten nicht mehr viel zustande bringen.

Das Wunder von Deutschland

„Du bist das Wunder von Deutschland! Zeig, wer du bist und sag, was du denkst!“, heißt es verlockend auf der Kampagnenseite du-bist-deutschland.de, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die miese und bedrückend negative Stimmung hierzulande heben zu wollen. Ich soll mitmachen und der Deutschland-Galerie beitreten, blättere also weiter und schaue, wie das geht. „Sagen, was ich denke“ muss mit einem von fünf anklickbaren Satzanfängen ausgedrückt werden: „Ich bin…, ich kann… ich fordere…ich will…. ich habe..“., mehr selber denken ist nicht zugelassen. Um dieses Statement abzugeben und mein Bild hochzuladen, soll ich mir zunächst die rechtlichen Hinweise, die dieses grandiose Unterfangen erfordert, zu Gemüte führen: Es sind 11 Paragrafen mit 32 Unterabsätzen, insgesamt 1816 Wörter, eine Textmenge von etwa vier A-4 Seiten.

„Diese Site soll auch ein Spiegel sein, ein Spiegel Deutschlands, dein Spiegel!“. Ein Tiger startet zum großen Sprung und landet als Bettvorleger. 25 Medienunternehmen treten „die größte gemeinnützige Kampagne in der Geschichte der Bundesrepublik“ los, um endlich Aufbruchstimmung zu verbreiten. Doch während sie die Bürger auffordern, Gesicht zu zeigen, vermeiden sie im Impressum der Website jede Nennung der Akteure. Es finden sich nur die Adressen der Umsetzer, Hoster und Webmaster. Und während im weiten Web unzählige Blogger und Homepager es immer noch wagen, den Besuchern ihrer Seiten freie Ausdrucks-, Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten (z.B. den Link zur eigenen Website) einzuräumen, erzwingt die Du-bist-Deutschland-Kampagne ein standardisiertes und garantiert folgenloses Sich-Einreihen in die bunte „Ruck-Galerie“ – mehr Aufbruch ist nicht erwünscht, da könnte ja was Unkontrollierbares passieren!

Wege aus der Erstarrung werden sich nicht finden, solange diejenigen, die den aktuellen Zustand beklagen, keine anderen Ideen verfolgen, als dem missgelaunten und politikverdrossenen Volk aufs Genaueste vorzuschreiben, wie es sich nun gefälligst zu bewegen habe. Sie sollten mal selber einen Blick in den Spiegel wagen, den sie aufgestellt haben!

Dieser Artikel wäre vielleicht nur eine Idee geblieben, hätte ihn nicht ein Diary-Leser unterstützt! 1000 Dank! Ich habe die mir so geschenkte „Schreibzeit“ sehr genossen!

Zwei Augen schauen dich an

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Claudia am 08. März 2005 — Kommentare deaktiviert für Ein paar Vorschläge in Sachen „Reformen“

Ein paar Vorschläge in Sachen „Reformen“

Immer Sonntagabends wird bei Sabine Christiansen die Lage der Nation verhandelt. Nach Lindenstraße, Weltspiegel und Tatort (Sonntag ist mein Fernseh-Tag) bin ich dabei, wenn es zur Sache geht: 5,2 Millionen Arbeitslose, Hartz 4, Globalisierung, Verschuldung, Bürokratie – eine Never-Ending-Story, bei deren medialer Verhackstückung durch Christiansen & Co. mir oft die Haare zu Berge stehen. Je mehr Parteipolitiker in der jeweiligen Talk-Runde sitzen, desto kindergartenhafter wird der Stil der Gespräche, umso peinlicher die Art, wie sie alle gleichzeitig reden, einander ins Wort fallen, um selber Endlosreden zu halten, die von Christiansen erst dann punktgenau unterbrochen werden, wenn ausnahmsweise mal etwas Interessantes gesagt wird. Es ist purer Masochismus, das freiwillig mitanzusehen, aber offenbar brauche ich die sonntagabendliche Fortsetzung des deutschen Dramas, mehr jedenfalls als die je nächste Folge der Lindenstraße.

Weg mit den Kopfpauschalen!

Daneben hab‘ ich genug Gelegenheit, die Realität zu sehen: das absurde Behördentheater, das rund um die „Reformen“ entsteht, bekomme ich von betroffenen Freunden hautnah mit. Gerade hörte ich von einer Bekannten, dass sie eine Ich-AG gründen muss, „um übers nächste Jahr zu kommen“. Als Sprachlehrerin (derzeitiges Haupteinsatzgebiet: Deutsch für Ausländer) hat sie viel zu tun, aber niemand will sie fest anstellen und die Sozialbeiträge aufbringen. Als Selbstständige verdient sie jedoch nicht genug, um die Einstiegspauschalen für die Kranken- und Rentenversicherung zu bezahlen (zusammen knapp 600 Euro). Behördlich vorgeschlagene Lösung: eine Ich-AG – da gibt’s die 600 Euro mal zumindest für ein Jahr als Förderung. Und dann wird man weiter sehen… Natürlich nicken alle Beteiligten den Plan ab, auch diejenigen, die neuerdings die Geschäftspläne der Ich-AG-Gründer zertifizieren, deren „Aussicht auf Erfolg“ bestätigen oder verneinen sollen.

Ich erinnere mich, dass es nach dem Platzen der Börsenblase hieß, die Versicherungskonzerne hätten sich gewaltig verspekuliert und seien ernsthaft „am Wackeln“. Vielleicht dient ja die ICH-AG im Wesentlichen der Stabilisierung privater Versicherungen: unzählige neue Selbstständige zahlen die hohen Kopfpauschalen, die hierzulande auch Kleinstverdienern abgefordert werden, wenn sie denn freiberuflich oder unternehmerisch tätig werden. Wogegen jeder Angestellte die entsprechenden Beiträge nach seinem tatsächlichen Verdienst berechnet bekommt (und zur Not ergänzende Sozialhilfe/ALG2) – eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, über die sich, soviel ich weiß, noch nicht mal die FDP beschwert.

Früher einmal, in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums, konnte man davon ausgehen, dass jemand, der in die Selbstständigkeit geht, in der Regel auch ordentliche Gewinne machen wird, die es ihm erlauben, sich problemlos zu versichern. Das aber ist lange vorbei, jeder Hinz und Kunz, der noch einen Antrag schreiben kann, wird gedrängt, „Unternehmer zu werden“ – nun denn, dann ist es aber höchste Zeit, auch die Rahmenbedingungen anzupassen. Und zwar auf dem direkten Weg, nicht über lachhafte Umwege wie die „Ich-AG“! Wer nicht genug verdient, um die Versicherungen zu bezahlen (also z.B. nur soviel Einkommen hat, wie es etwa ALG2 plus Miete entspricht) sollte auch nicht zahlen müssen – egal, ob angestellt oder selbständig. Das entstehende Defizit müsste direkt aus Steuern ausgeglichen werden, wie es in der Rente ja durchaus üblich ist. Dafür wäre die Mehrwertsteuer zu erhöhen, die von ALLEN gezahlt wird, nicht nur von den Arbeitenden. Und auf Seiten des Selbstständigen wäre eine „gläserne Selbständigkeit“ hinzunehmen, solange die staatliche Förderung benötigt wird.

Weg mit den 1-Euro-Jobs!

Und wo ich schon mal dabei bin, alles besser zu wissen, mach ich gleich damit weiter: Weg mit den 1-Euro-Jobs! Normale Stundenlöhne für alle!
Schön, aber nicht finanzierbar? Doch, denn ich würde das als Arbeitspflicht für alle Arbeitsfähigen anlegen: Wer z.B. alles in allem 700 Euro ALG2 bekommt, hätte die Pflicht (und auch das Recht), diese 700 Euro zu einem marktüblichen Stundensatz in gemeinnützigen öffentlichen Diensten abzuarbeiten – wenn möglich im Rahmen der eigenen Qualifikation, wenn nicht, auch in anderen Berufsfeldern. Selbst mein Freund M., seit Jahr und Tag „glücklicher Sozialhilfeempfänger“, fände das gerecht und weit menschenwürdiger als die absurden 1-Euro-Jobs. Mit all den zusätzlichen Arbeitskräften, die so auf einmal zur Verfügung stünden, könnte vieles geleistet werden, was sich der verarmte Staat anders nicht mehr leisten kann, vor allem im sozialen Sektor. Es wäre ein ehrliches Geben und Nehmen – warum also nicht?

Kindergartenpflicht!

Es wird derzeit viel darüber geredet, dass der Kindergarten keine bloße Betreuungseinrichtung mehr sein darf, dass BILDUNG schon bei den Kleinsten anfangen muss, dass man den Defiziten sozial problematischer Elternhäuser so früh wie möglich etwas entgegen setzen muss. Warum also nicht der Schulpflicht eine (auch durchzusetzende!) Kindergartenpflicht voran stellen? Fehlentwicklungen könnten rechtzeitig entdeckt, manche Katastrophe könnte verhindert werden. Weniger Kinder würden unbemerkt verhungern (man denke an den Fall in Hamburg!), geprügelt und vergewaltigt werden, oder – weniger furchtbar aber gleichwohl schädlich – zum übergewichtigen Coach-Potato heran wachsen, noch bevor es eine Schule von innen gesehen hat. Natürlich dürfte der Kindergarten nichts kosten und das wäre insgesamt richtig teuer, dafür aber mal eine lohnende „Investition in die Zukunft künftiger Generationen“, wie sie in der immer älter werdenden Gesellschaft ganz gewiss gebraucht wird. Wer soll uns denn mal unterhalten und pflegen, wenn die Kinder „wegen Herkunft“ bereits in frühen Jahren alle Chancen verlieren?

Weg mit der Kehrwoche im Schwabenland!

Ist es nicht eine Schande? Inmitten der dramatischsten Situation auf dem Arbeitsmarkt seit Gründung der Bundesrepublik bestehen die Schwaben darauf, ihre Treppenaufgänge noch immer selbst zu putzen!! Wo bleibt da die soziale Verantwortung? Könnten hier nicht unzählige Jobs im Niedriglohnsektor geschaffen werden, die in anderen Bundesländern viele Menschen vor dem Abstieg ins ALG2 bewahren? „Wir können alles, außer deutsch“ – so stellen sich die Schwaben gerne selber dar und sind dann auch noch stolz auf sich! Zumindest das Selber-Putzen könnten sie zugunsten des Großen & Ganzen verlernen und in Zukunft an fleißige Objekt-Pfleger delegieren. Ihre „Häusle“ bauen sie ja auch nicht mehr selber, sondern lassen Firmen und Handwerker machen! Etwas mehr Gemeinsinn stände Euch wohl an, liebe Landsleute! Als gebürtige Schwäbin, die es erst nach Hessen und dann in die Hauptstadt verschlagen hat, darf ich das wohl mal sagen – und kann darüber hinaus bezeugen, dass es sich auch ohne Kehrwoche angenehm leben lässt!

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Claudia am 01. Februar 2005 — Kommentare deaktiviert für Blicke nach draußen

Blicke nach draußen

Heimatstadt

Ich war 26, als ich Wiesbaden verließ und nach Berlin zog. Seither ein Besuch pro Jahr, manchmal weniger. Nichts zieht mich hin außer Mutter, Schwestern, Schwesterkinder. Ich besuche sie im Januar oder Dezember, jedoch niemals punktgenau zu Weihnachten.

Wiesbaden – Landeshauptstadt, Kurstadt, Spielbank, heiße Quellen, schon bei den Römern als Badeort beliebt. Es war eine reiche Stadt, ruhig, gemütlich, schick heraus geputzt, im Krieg nicht zerstört, denn dort wollten die Amerikaner wohnen. Nun sind sie schon ein paar Jahre weg und mit Wiesbaden geht es bergab.

Als ich aus dem Bahnhof trete und durch die Unterführung muss, staune ich über die Verwahrlosung. Sämtliche Rolltreppen außer Betrieb, abgesperrt, beschmiert – und zwar so, dass man sieht, dass daran seit Jahren nichts geändert wurde. Auch die Straßen wirken schmuddliger, Läden stehen leer, wo sich früher ein edles Antiquitätengeschäft ans nächste reihte. Fast hätte meine Schwester einen tollen Job bekommen, weil sie sich als Elternvertreterin so kundig für die Umgestaltung eines Spielplatzes engagiert hatte. „Machen Sie das doch bei allen Plätzen, die ich umgestalte!“, bot ihr die Architektin an. Doch da wurde nichts draus: Roland Koch, der Kanzler-Aspirant mit dem Ohrfeigengesicht hat sämtliche Bauvorhaben gestrichen. Statt dessen ringen die Stadtväter um das Abholzen der großen Platanen vor dem Kurhaus: Sie seien krank, heißt es, und deshalb müssten sie weg – und im übrigen passten sie nicht in die Sichtachsen des historischen Bau-Ensembles aus Theaterkollonaden und Spielbank, der Bereich werde aufwändig umgestaltet. Ich denke an Berlin, an den Streit um die Linden „unter den Linden“. Vorzeigestraßen neu gestalten, letztes Hobby der Stadtgestalter in Zeiten leerer Kassen. „Touristen zuerst!“ – das gilt nicht nur für Tsunami-verwüstete Länder, sondern ganz allgemein.

Zeitgeist

Mehr Religion, mehr Sicherheit durch Überwachung, Kampf den Rauchern, sexuelle „Treue“ als oberster Beziehungswert: das Klima in der Gesellschaft verändert sich drastisch. Bald werde ich die verschrobene Alte mit den komischen Ansichten aus den 70gern sein, doch seltsamerweise ficht mich das nicht an. Nicht mehr so, dass ich mich aufgerufen fühlte, daran etwas zu ändern, indem ich meinen Senf zu allem und jedem dazugebe, um mich zumindest am „Meinung machen“ zu beteiligen. Es ist nicht wichtig, was jemand meint, sondern was einer tut – und darüber wird eher wenig gesprochen. Ich merke es immer wieder, wenn ich z.B. mal in einer Mailingliste ganz unzensiert aus dem eigenen Erleben berichte, ohne das Gesagte in ein Meinungskorsett einzubinden, über das sich trefflich streiten ließe. Die einzig passende Antwort wäre innere Resonanz: Das, was durch einen Text „in den Sinn kommt“ ebenso frei und unkommentiert zeigen – aber wer will sich schon zeigen? Alle fühlen sich offenbar von Feinden umgeben und bemühen sich allenfalls, eine glitzernde, unangreifbare, weltkompatible Oberfläche zu zeigen, die auf dem „Markt“ bestehen kann.

Diesem Markt scheint es dennoch unrettbar schlecht zu gehen, die „Binnennachfrage“ springt nicht so richtig an, die Wirtschaft, an der unser immer noch vergleichsweise immenser Wohlstand hängt, lebt hauptsächlich vom Export. Doch inmitten der Kaufzurückhaltung leisten sich die Deutschen demonstrativ eine beispiellose Spendenwelle: endlich Geld ausgeben mit Sinn! Endlich etwas bewirken – und nicht immer nur verbrauchen!
Das stimmt mich milde: Zeitgeist hin oder her, so ganz lässt sich der Mensch doch nicht zum bloßen Rädchen im Getriebe degradieren, das nur noch Medien konsumiert und sich mit der kundig vergleichenden Auswahl von Produkten, Dienstleistungen und Tarifen befasst. Immer bleibt da ein Rest Unberechenbarkeit, eine wühlende Unzufriedenheit mit der eigenen gesellschaftlichen Stellung: im Produktionsprozess die letzte Instanz vor dem Mülleimer zu sein, reicht einfach nicht. Wir sind DOCH nicht ganz blöd!

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