Claudia am 18. August 2022 —

Krisentango: Vom Leben im „perfekten Sturm“

Boris Stumpf schreibt in „Ein warmer Pullover“ über die Folgen des sparsamen Heizens, das uns aufgrund der Gaskrise aufgezwungen wird. Neben der Gefahr von Schimmelbildung an ungeheizten Wänden sieht er auch großformatigere Folgen:

„Zu einem ziemlich großen Anteil zahlt die massiven Energiekosten-Erhöhungen für die Bürger wer? Richtig: Der Einzelhandel! Denn was viele Menschen bei knappen persönlichen Kassen für massiv erhöhte Energiekosten ausgeben müssen, landet nicht in den Kassen des Einzelhandels.“

Damit hat er recht: Allgemeine Preiserhöhungen führen zu weniger Konsum. Das ist ja etwas, was wir eigentlich lange schon aus Klimaschutz-Gründen hätten machen sollen: Entbehrliches weglassen, Energie sparen, Ressourcen schonen, Konsumausgaben herunter fahren – ist das wirklich so furchtbar? Wenn ich sehe, was die Leute so alles kaufen, ist da noch eine dicke Speckschicht. Ob man diesen „Wohlstand“ für unverzichtbar hält oder nicht, ist auch eine Sache der persönlichen Einstellung, die sich ändern kann bzw. sich bereits ändert. Sparen kann auch „sportlich“ betrieben werden…  (Ich spreche hier nicht von den richtig Armen, die schon jetzt finanzielle Probleme haben und entlastet werden müssen!).

Mehrere Krisen verschränken sich

Was das alles mit der Wirtschaft macht, die auf unendliches Wachstum angewiesen ist, werden wir sehen. Mir kommt es so vor, als zwingten uns jetzt die Umstände zu etwas, was wir durch rationales Handeln nicht schaffen, ja uns nicht einmal vorstellen können: ein Leben und Wirtschaften ohne Wachstum, eher mit Schrumpfung! Manche nennen es den „perfekten Sturm“, in den wir derzeit beschleunigt eintreten: Krieg / Sanktionen / Flüchtlinge, Klimakatasptrophe / Dürre / Überschwemmungen / Ernteausfälle,  Energiekrise, Inflation, Arbeitskräftemangel, Lieferkettenprobleme, Rohstoffmangel – auch die Banken sollen dank der „Zinswende“ wieder in Gefahr geraten.

Alles in allem erscheint mir unser aktuelles, in vieler Hinsicht extrem komplexes und überbürokratisiertes System nicht sehr fähig, diesem „perfekten Sturm“ in gebotener Schnelligkeit viel entgegen zu setzen.

  • Geboten ist z.B. eine deutlich umfangreichere Umverteilung von oben nach unten, wobei die politisch mächtigsten oberen fünf bis zehn Prozent vermutlich alles unternehmen werden, um Verluste zu vermeiden.
  • Schwer angesagt ist auch die Entbürokratisierung und Beschleunigung der Umstellung auf erneuerbare Energien. Der politische Wille scheint auf Ampel-Ebene da zu sein, aber bis das mal überallhin durchgedrungen ist und sämtliche Vorschriften der verschiedenen Verwaltungsebenen geändert sind, wird dauern (siehe Absurditäten wie diese).

Das sind nur zwei Beispiele für viel mehr erforderliche Veränderungen, die alle auf einmal nötig wären. Fast überall läuft die Produktion nur noch stockend (Lieferketten, Rohstoff-, Vorprodukte- und Arbeitskräftemangel) und sogar manche Schulen bieten nurmehr Wechselunterricht, weil zu viele Lehrer fehlen. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im Sinkflug, Baustellen brauchen länger und werden teurer, die Infrastruktur ist marode, weil viele Jahre kaputt gespart.

DER Aufreger auf Twitter ist heute nichts von alledem, sondern dass IKEA sich untersteht, keine Pommes mehr anzubieten – wegen des CO²-Abdrucks, der durch die Zubereitung viermal so hoch sei wie z.B. Salzkartoffeln. Was für eine böse Bevormundung! (Immerhin: die Aufregung über die Sich-Aufregenden machen den Großteil der Tweets aus – und es stimmt nicht mal wirklich).

Ich persönlich bevorzuge ja Pellkartoffeln, dabei bleiben mehr Nährstoffe erhalten.

***

  • Habeck zum Stand der Dinge in Sachen Erneuerbare
  • Und noch eine in dieser Situation besonders absurde Fundsache, die @Nomadenfrau auf Twitter so kommentiert:

    Fotografiert heute vor dem Rewe in Lübz. Ich möchte die Verantwortlichen nur noch schütteln, in der Hoffnung, dass da noch irgendwo Resthirn zu finden ist!

Windkraftgegnerplakat

 

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Diskussion

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17 Kommentare zu „Krisentango: Vom Leben im „perfekten Sturm““.

  1. Danke für das Video von Habeck.
    Ich schätze ihn sehr, er ist eine ehrliche Haut.
    Angefangen hat diese Haltung mit seinem Buch, in der er die Kommunikation in der Politik beleuchtete. Dann sah ich ihn im Feb. 2020 in Würzburg.
    Ich weiß, so mancher lehnt ihn ab.
    Aber wo wollen wir denn ansetzen?!

    Du schreibst zu Anfang über „Konsumausgaben herunter fahren „: Ich war in den letzten 2 Wochen bei zwei unterschiedlichen Discountern. Diese haben eine Unmenge an Konsumgütern in ihren mittleren Auslagen.
    Von diesen Dingen brauche ich NICHTS, so stellte ich fest.
    Was passiert jetzt mit all den Produkten? Hoffentlich werden sie nicht einfach entsorgt?! Wie ich mal in einem Urlaubsdomizil feststellen konnte: Da wanderte das ganze z.Teil unangerührte Buffet in den Müll. eine Wagenladung voll – oder einen Container voll.
    Diese Haltung ist schon wirklich krass.
    In dieser Hinsicht müsste auf 10 % heruntergefahren werden.
    Aber das ist nur ein Punkt.

    Überbürokratisiertes System : Wenn man gerade nur mal die Krise in Köln anschaut – wieviel Ämter es da gibt, wieviel Stellen, ein Wust an Hierarchie, nach oben undweitstreckend zur Seite. Wer hat das denn entwickelt?!

    Das scheint aber überall so der Fall zu sein.

  2. @Gerhard: Danke für deinen Kommentar! Beim Discounter hab ich durchaus den Eindruck, dass die NonFood-Produkte gekauft werden, die sind ja auch besonders günstig. Kürzlich hab ich selbst einen Pfannenwender + Servierlöffel für 1,49 gekauft, die sonst deutlich teurer sind.
    Bei den Krisenfaktoren hab ich die Ignoranten noch nicht erwähnt, die wirklich gegen alles anstinken, was irgendwie helfen könnte. Hauptsache dagegen! Siehe die Fundsache, die ich unter dem Artikel noch eingefügt habe.

  3. Meine Chefin hat mir letzte Woche mit Abmahnung gedroht, weil ich übrig gebliebene Mittagessen aus der Patientenküche gegessen habe. Diese werden, wenn die Küchenkraft zur Vorbereitung des Abendessens kommt, spätnachmittags weggeschmissen. Eine Verschwendung, die mir einfach weh tut. Ja, es ist bei uns verboten, überhaupt etwas aus der Patientenküche zu nehmen und ich werde mich notgedrungen beugen müssen, bin aber innen grantig und aufgebracht deswegen, weil so viel gutes und einwandfreies im Müll landet, nur weil eine willkürliche Richtlinie das festlegt.

  4. @Markus: das ist eine himmelschreiende Sauerei!!! Gibts denn niemand, an den du dich wenden kannst? Betriebsrat? Ich würde mich da wehren, außerdem denke ich, dass derzeit alle froh sein müssten, noch Pflegekräfte zu haben! Die dann so zu behandeln.. ich fasse es nicht!

  5. Ruhig! Die Sanktion wurde ja lediglich angedroht bzw. in den Raum gestellt. Mir kommt gerade in den Sinn, wie genüßlich die eine Küchenfrau, die mich nicht leiden kann, das Essen vom Teller in den Mülleimer befördert, während sie mir provokativ in die Augen guckt. Nicht daß sich die Patienten lukullischer Höchstleistungen erfreuen dürften, aber eine himmelschreiende Verschwendung ist es schon und oft eben auch Fisch und Reis.

    Zu „Mehrere Krisen verschränken sich“:
    Als fatal empfinde ich die Situation, daß man sich theoretisch von den Zumutungen dieser Welt (Krieg, Skandale, Inflation) bislang immer die Natur als Rückzugsort wählen konnte und dort mit Recht den Himmel auf Erden vorfand. Doch ist das Paradies bedroht und in Gefahr, d.h. das Unbehaustsein auf dieser Welt nimmt konkretere Formen an. Wenn ich all die toten Bäume ansehe, das verdorrte Laub der gerade noch lebenden, die dahinplätschernden Flüsse…

  6. @Markus Kolbeck:
    Ich beobachtete im Urlaub mal, wie ein Vater für seinen Sohn nebst dessen Frau und Kind einen Tisch voll mit allerlei vom Buffet holte.
    Davon wurde vielleicht 20 Prozent am Tisch gegessen.
    Mein Staunen deswegen wurde aber noch übertroffen, als am gleichen Abend eine knappe Stunde später das Riesenbuffet vom Personal in vielleicht 20 Minuten „abgeräumt“ wurde. Den Container dazu hätte ich gerne mal gesehen.

  7. Für mich (Jahrgang 1938) ist diese kollossale Verschwendung, insbesonders von frischen Lebensmittel, ein Albtraum und nicht nachzuvollziehen.
    Als Kind bin ich nach Kriegsende in unserm Dorf bei den Bauern gelegentlich betteln gegangen, weil meine Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht regelmäßig arbeiten konnte und wir oft nicht genug zu essen hatten. Mein Vater war damals noch in Kriegsgefangenschaft und wurde erst 1949 entlassen.

  8. Hallo Fred,
    „Uns“ ging es Jahrzehnte zu gut (sehr vielen Menschen hier, im Gegensatz zu anderen Ländern), wir haben uns daran gewöhnt – jetzt wollen wir nicht mehr darauf verzichten. Niemand will sich mehr einschränken, das ist traurig.

  9. Ich sehe das komplett anders. Es ist der alte Kampf reich gegen arm. Die reiche Seite gewinnt. Für die gelten diese lustigen Regeln und Sparmaßnahmen nicht, genau wie die Coronaregeln. Der Ansturm auf Luxusgüter ist daher auch gewaltig. Ähnlich wie der Ansturm auf die Tafeln. Das ein Bundespolitiker nicht weiß, das Recht für alle bindend ist, ist ein Armutszeugnis. Selbst die umgebenden Wirtschaftsfachverbrater wissen das.
    Das war Insiderhandel mit Ansage. Dann noch das saudamliche Ding mit der MwSt..
    Das ist kaum noch zu toppen. Das billigste Brötchen kostet in jedem Supermarkt 17 Cent, damit Opa mindestens 3 Pfandflaschen braucht,. um mal zu frühstücken. Oh, da ist ja gar nicht die Butter dabei. So ein Ärger.

  10. @Juri: Ach, „nur“ der alte Kampf reich gegen arm? Nix Krise, Ukraine, Sanktionen, Klimawandel, Inflation? Kann ich ehrlich gesagt nicht ernst nehmen! (Nebenbei: wer gehört deiner Ansicht nach zu den Reichen?)
    Im übrigen schreibe ich Artikel für ein Unternehmen, das durchaus hochpreisige Dinge verkauft, die man nicht unbedingt zum Leben braucht. Auch hier macht sich die Kaufzurückhaltung bemerkbar, ich hab gerade gefragt.

    „Das ein Bundespolitiker nicht weiß, das Recht für alle bindend ist, ist ein Armutszeugnis. „

    Worauf bezieht sich das? Was ist an dem Anliegen, die MwSt. für Gas zu senken, falsch? Und was ist an 17 Cent für ein Brötchen skandalös? Ich vermute sogar, dass das querfinanziert wird, denn alle anderen Brötchen kosten ab 35 Cent aufwärts. Ist es aus deiner Sicht Aufgabe von ALDI, eine Art Armenspeisung zu bieten? Der Preis ist schon so niedrig, dass die Bäcker damit bei weitem nicht mithalten können.

  11. Im Gegensatz zu Dir, glaube ich tatsächlich, dass Discounter alle Menschen versorgen können sollten. Das Du Arme hasst, steht auf einem anderen Tableaux. In der Werbeindustrie ist das nicht unüblich.
    Die Krise ist hausgemacht. Weder Corona noch Ukraine können etwas für Spekulationsmitnahmen. Im Gegensatz zu Bundespolitikern, die sich angeblich nicht mit den Grundlagen des hiesigen Rechts auskennen.

  12. Na ja, für „Spekulationsmitnahmen“ wird etwas benötigt, auf das spekuliert werden kann. Allerdings kann die Ukraine tatsächlich nichts für die „Krise“ – welche auch immer Du meinst. Der von Putin in der Ukraine begonnene Krieg dagegen ist durchaus für die Preisexplosion auf dem Energiemarkt verantwortlich.

    Die Gewinne, die jetzt einige Unternehmen dadurch einfahren und mitnehmen, insbesondere Produzenten von Strom aus Windkraft und Photovoltaik verdienen sich aktuell eine goldene Nase, haben jedoch nichts mit Spekulationen zu tun.

  13. @Juri: Wie um Himmels Willen kommst du auf die Idee „dass ich Arme hasse“? Was für eine haltlose Unterstellunge! Ich hab‘ selbst diverse Zeiten meines Lebens unter der Armutsgrenze gelebt und „prekär“ im Sinne von unsicher ist mein schwankendes Einkommen als Freiberuflerin immer. Deshalb supporte ich ständig alles, was Armutsbetroffenen nützt und helfe – wenns mir grade möglich ist – auch mal sehr konkret.
    Von kommerziellen Unternehmen erwartet man im Allgemeinen nicht, dass sie sozialstaatliche Aufgaben übernehmen. Es ist staatliche Aufgabe, umzuverteilen und allen ein Auskommen zu ermöglichen. Deshalb muss z.B. der Hartz4-Satz zügig drastisch erhöht werden!

  14. OK. Dafür entschuldige ich mich. Mich hatte da wohl die Wut gepackt. Ich Versuche das ähnlich zu Handeln, sofern möglich. Aber schon, dass Du selbst herausstellst, dass die staatliche Aufgabe nicht wirklich erfüllt werden will.

  15. @Juri: danke!
    Was jetzt im „Entlastungspaket 3“ rausgekommen ist, gleicht grade mal die Inflation aus, was bei Weitem nicht reicht! Damit wird jedenfalls sonnenklar, dass das „Bürgergeld“ nichts weiter ist als eine Umbenennung des laufenden Elends! Werk der FDP, des Bremsklotz in der Ampel. Heil hätte schon mehr gewollt.

  16. Das würde ich nicht nur der FDP anlasten. SPD und Grüne sind immer noch ursächlich für Hartz IV.

    „Wie? Du hast die 17. Bewerbung nicht abgeschickt? Dann gibt’s hier aber auch kein Geld!“

    „Und was soll ich essen?“

    „Weiß ich doch nicht! Frag doch mal die Heilsarmee!“

    Dahinter und dafür steht nicht nur jeder, der in den Parteien (SPD, CDU, FDP, Grüne, FW, AFD) ist, sondern auch alle, die sie auch nur ansatzweise hofieren oder sogar wählen. Das verhält sich analog zum Mitlaufen bei Nazis.

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