Claudia am 13. September 2022 —

Schluss mit Wachstum – und dann?

Was derzeit passiert, gründet nicht in der Einsicht, dass der Klimawandel eine Schrumpfung erzwingt, sondern wird durch den Krieg in der Ukraine, explodierende Energiekosten, Lieferkettenprobleme und Arbeitskräftemangel verursacht. Nichtsdestotrotz schreitet die Klimakrise voran und die Notwendigkeit, zu einem klimaneutralen Wirtschaften zu wechseln, wird immer dringlicher.

Ein provozierend wirkender Zusammenschnitt einer Rede zum „Grünen Schrumpfen“ der Wirtschaftsredakteurin (TAZ) Ulrike Herrmann erregt aktuell die Gemüter auf Twitter. Deshalb poste ich hier mal das Originalvideo, in dem die Begründungen und Herleitungen ihrer Statements nicht raus geschnitten wurden.

Anders als der Zusammenschnitt nahe legt, positioniert sich Herrmann gleich zu Beginn: Sie sei KEINE Kapitalismuskritikerin, denn dieses System habe mehr Wohlstand für viele geschaffen als alle anderen Versuche, die nicht diesselbe Dynamik aufweisen. Dennoch sieht sie die Not-Wendigkeit, von einem System wegzukommen, das unendliches Wachstum für sein Funktionieren benötigt. Nicht mal allein aus Klimaschutzgründen, sondern auch aufgrund der Endlichkeit der Ressourcen: Die EU verbraucht derzeit soviel, dass drei Erden nötig wären, um diesen Wohlstand für alle zu ermöglichen, die USA verbrauchen 5 Erden, Dubai sogar 33!

Klimaschutz (und die Endlichkeit der Rohstoffe) bedeuten aus Hermanns Sicht, dass „kein Stein auf dem anderen bleibt“ und der derzeitige, Wachstum zum Selbsterhalt benötigende Kapitalismus in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft überführt werden muss.

Konsumverzicht? Grünes Wachstum?

Wie sollte das aber gehen? Hermann beginnt mit der Zerstörung gängiger Ideen, die sie als Illusion bzw. nicht machbar entlarvt:

  • Idee 1: Konsumverzicht. Wir kaufen einfach weniger, denn viele von uns haben ja doch weit mehr als wir wirklich brauchen. Das kann nach Herrmann nicht klappen, da umfangreiches und andauerndes Konsumieren zum Erhalt des kapitalistischen Systems erforderlich ist. Kapitalismus hat nur 2 Zustände: Wachstum oder Schrumpfung. In der chaotischen Schrumpfung, die eintritt, wenn alle weniger kaufen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass ein rechtsradikaler Diktator an die Macht kommt. (Ich ergänze: Weil Firmen pleite gehen, die Arbeitslosigkeit massiv steigt, der Sozialstaat unbezahlbar wird und immer mehr Menschen ernsthafte Not leiden). Das hatten wir in Deutschland schon, brauchen es nicht nochmal!
  • Idee 2: Grünes Wachstum, das derzeit von allen Parteien angestrebte Szenario. Alles bleibt im Prinzip wie bisher, nur wird auf klimaneutrale Technik gesetzt (z.B. E-Autos) und alles auf Ökostrom umgestellt.  Aber:  Windenergie macht derzeit nur 4,5 % des Endenergieverbrauchs aus, Solarenergie nur 2%. Das bedeutet, dass 93 % der Endenergie bis 2035 aus Erneuerbaren produziert werden muss, was angesichts des bisher schleppenden Ausbaus große Anstrengungen erfordert. Allerdings kann die Öko-Energieversorgung nur mittels Speichertechnologien (Batterien und Wasserstoff) funktionieren, da Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung stehen. Dieses Speichern sei alternativlos, aber teuer, sagt Hermann. Ökoenergie wird aus ihrer Sicht immer knapp und teuer bleiben, nur Kohle, Öl und Gas gab es in Hülle und Fülle.

Grünes Schrumpfen und der Übergang zur Kreislaufwirtschaft

Herrmanns Fazit: Die Aufrechterhaltung der aktuellen Konsumgesellschaft kann nicht gelingen. „Grünes Schrumpfen“ ist angesagt. Knappe und teure Öko-Energie wird nicht für alles reichen, was heute selbstverständlich ist: Nicht fürs Fliegen, nicht für private KFZs (E-Auto ist nach Herrmann eine Sackgasse). Auch Banken, wie wir sie kennen, haben keine Zukuft, weil Kredite Wachstum benötigen, dito Lebensversicherungen. Es braucht dann auch keine PR-Agenturen mehr, keine Messe-Logistik, kein Grafik-Design und auch nicht mehr so viel Journalismus. Neue Arbeitsplätze entstehen z.B. in der Produktion, Aufstellung und Wartung der Erneuerbaren, beim Öko-Landbau (der die aktuelle Landwirtschaft ablöst) und in der Wiederaufforstung der Wälder.  Diese Arbeitsplätze werden jedoch keine mit heute vergleichbaren Einkommen generieren.

Als Analogie, wie das in den bis 2035 verbleibenden Jahren schaffbar sein könnte, beschreibt Herrmann am Ende des Videos die britische Kriegschwirtschaft ab 1939: Nichts wurde verstaatlicht, jedoch hat der Staat vorgeschrieben, WAS – neben der nun erforderlichen Kriegsgüterproduktion – überhaupt noch produziert werden soll. Und daraus notwendig folgend: Wie es verteilt werden soll. Diese Güter-Rationierung erfolgte gleichmäßig (!), so dass nicht die Reichen das ganze Fleisch bekamen und die Armen nichts. Letztere hatten dadurch sogar mehr als vorher, was die Rationierung sehr populär machte, sodass sie bis 1954 beibehalten wurde.

Mein Kommentar:

Aus meiner Sicht befinden wir uns derzeit genau in diesem Schreckensszenario „chaotisches Schrumpfen“. Herrmann führte als Beispiel für die Brisanz noch an, dass der Corona-Stillstand dazu geführt hat, dass blitzschnell viele Milliarden in die Wirtschaft gepumpt wurden. Eben weil sich die politischen Akteure darin einig waren, wie gefährtlich das Schrumpfen werden kann. Damit wurde das Schlimmste verhindert, jedoch kommt es jetzt doppelt dicke, da keine Zeit der Erholung und guten Geschäfte neue Puffer hat bilden können.

Was die Möglichkeiten angeht, mit der nötigen Radikalität umzusteuern, gar eine Kriegswirtschafts-ähnliche Steuerung und Rationierung einzuführen, bin ich äußerst pessimistisch. Das macht die Bevölkerung nicht mit und wird – so fürchte ich – lieber den rechten Rattenfängern in die Arme laufen, die natürlich erst recht außerstande sind, irgend etwas Not-Wendiges und Sinnvolles umzusetzen. Eher ist mit dem Zerfall der EU zu rechnen und neuen Kriegen.

Was also? Es wird weiterhin „auf Sicht gefahren“ werden, Klima hin, Klima her. Lindner wird die Schuldenbremse aufgeben müssen, überall werden Löcher gestopft werden, aber nie genug, wodurch die Verschuldung der Staaten steigt und eine neue Finanzkrise droht.

Und zum Ukraine-Krieg hab‘ ich noch gar nichts gesagt! Auch das kann furchtbar eskalieren, so sehr ich mich über die aktuellen Erfolge der Ukraine auch freue.

Ein Blogpost über düstere Entwicklungen endet hier normalerweise mit irgend etwas Tröstlichem. Momentan fällt mir dazu nichts ein, jedenfalls nicht „im großen Format“ mit Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft. Im Kleinen staune ich fast, wie gut es mir (und vielen anderen) derzeit noch geht, und bin dankbar für jeden Tag, denn ich sehe es nicht mehr als selbstverständlich an. Sicher ist jedenfalls: Weder werde ich Wutbürgerin noch depressiv, sondern bleibe „guten Mutes“, solange es eben geht.

Und Ihr so?

Diskussion

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18 Kommentare zu „Schluss mit Wachstum – und dann?“.

  1. Die Grünen haben sich für mich schon Ende der 90er erledigt. Eine FDP mit Windrâdern bringt der Natur so wenig, wie den meisten Menschen.
    Wobei man nun die Windräder (etc.) auch abschreiben kann.

    Interessant ist die herrmannsche Selbstreflektion des Opportunismus.
    Kapitalismus ist gut, solange frau sich den Zaster in die eigene Tasche schaufeln kann. Hat frau das solange gemacht, dass frau auch trotz Gasumlage im Alter nicht mehr darben muss, kann frau wunderbar dagegen anschreiben. Frau muss ihn dann ja nicht gleich abgeben (Zaster).

    Sonst läuft die Karriere da anders. Erst opponieren gegen Kapitalismus und für Klima, Arten-, Umwelt- und Tierschutz. Dann spätestens beim Bau der örtlichen Umgehungsstraße merken, dass es opportun sein kann, auf ein paar Kröten und Fledermäuse zu verzichten, anschließend feststellen, dass die Malediven doch angenehmer sind, als Hambi oder Peters Bauwagen und dann entsprechend die Karriere forcieren. Im kapitalistischen Sinn nennt sich das Reife. Daher gibt es auch Autoreifen. Zur Not dauert der Reifeprozess halt bis zum letzten Ukrainer oder letzten Russen an. Dem Klima nutzt das allerdings nix. Im Gegenteil. Auch die Biotope werden gründlich dezimiert. Um von Tieren nicht zu reden.

    Merke: Das Darben darf nur die Anderen betreffen.

    Für die meisten Menschen dieser Erde ist es ein Problem, morgens an trinkbares Wasser zu kommen, um vom Exkrementieren mal zu schweigen.

    Merke 2.: Wer die soziale Frage nicht beantworten will, kann die Õkologische gar nicht erst verantworten.
    Dann kann man noch den Mythos von früher bemühen und danach agieren: Kohlekraft rauf, Atomkraft rauf, usw.

    Der neue Mensch für eine neue Welt wurde trotz Gentechnik noch nicht erfunden. LAWS (Lethal Autonomous Weapon Systems) hingegen schon.

    Weder eine Partei, noch eine staatliche Institution hat überhaupt Böcke, da was zu ändern. Hier geht es schlicht um Verwaltung und duftes Aussehen. Ähnlich verhält es sich beim sog. „Bürger“. Mein Haus, mein Garten, mein SUV, mein iPhone. Falls der Rest über die Wupper gehen sollte, hat man ja immer noch das.

  2. @Juri: schade, dass du keinen sachlicheren Beitrag zu ihren Argumenten bringen kannst. Sie vertritt ja noch nicht mal eine grüne Position! Also was soll dieses Geschimpfe voller klischeehafter Verallgemeinerungen? Mit keinem einzigen Satz gehst du auf das ein, was sie sagt! Ich will hier ernsthaft über die Problematik diskutieren (siehe Artikeltitel), nicht aber Wandzeitungsplatz für allgemeine Tiraden gegen Grüne oder wen auch immer bieten!
    Ja, ich kann mich auch mal ärgern – geht zum Glück schnell vorbei!

  3. Das Wachstum unserer Wirtschaftsordnung fußt auf billiger Energie – damit dürfte es erst einmal vorbei sein. Was jetzt passieren kann, ist eine Kettenreaktion mit einer verheerenden Rezession. Die Industrie trifft es aufgrund der Energiepreise als erstes, selbst wenn die Preise des Stahls oder des Schmiedestücks weitergegeben werden konnten, wird der Endkunde des fertigen Produkts irgendwann nicht mehr bereit sein, den erhöhten Preis zu bezahlen. Er wird zum Substitut aus Fernost wechseln. China bereitet sich seit Jahren auf dieses Szenario vor. Der Konsum, sozusagen das zweite Standbein des Wirtschaftswachstums geht massiv zurück und das bis in den „Mittelstand“, da keiner so genau weiß, wie sich die Preise entwickeln werden. Anschaffungen, Modernisierungen, Renovierungen werden verschoben, vom Häuslebauer will ich gar nicht reden, da werden sich in Zukunft einige an halbfertigen Bauten eine golden Nase verdienen. Wenn der Konsum schrumpft geben die Geschäfte ebenfalls auf, die Arbeitslosigkeit steigt.

    Die verbleibende Industrie mit den gut bezahlten Arbeitsplätzen wird dorthin abwandern, wo die Energie billiger ist. Im weiteren Verlauf könnte es zu Engpässen aller möglichen Produkte und Konsumgüter kommen.

    BASF als das größte Chemieunternehmen der Welt hat vor Monaten bereits vor der Marschrichtung der Politik und einem damit verbundenem Produktionsstopp ihrerseits mit Massenentlassungen gewarnt, da waren die Herren Merz und Röttgen noch ganz euphorisch angetan vom sofortigen Importstopp für Gas, Kohle und Öl aus Russland.

    Das ist alles ist der schlimmste anzunehmende Fall und ich hoffe ich habe Unrecht, denn – sollte das auch nur annähernd so kommen…

  4. Die Transformation muss global sein oder sie erreicht nicht das anvisierte Ziel. Vielleicht schaffen wir es in Deutschland, obwohl ich aufgrund der für mich weiter unklaren Faktenlage, mir eigentlich keine Beurteilung erlauben dürfte. Du beschreibst den Gesamtanteil der erneuerbaren Energien in unserem Land, den Frau Herrmann zuletzt bei „Markus Lanz“ in der amüsanten Diskussion mit Herrn Thelen nannte. Er ist noch so gering, dass ich nicht über die Vorstellungskraft verfüge, wie das bis 2035 zu schaffen sein sollte.

    Mir persönlich sind die Annahmen von Frau Herrmann irgendwie sympathisch, wenngleich sie natürlich auf den ersten bis einhundertsten Blick einfach nur verstörend sind. Aber in so großen Linien muss gedacht werden. Schade, dass das kein Politiker fertig gebracht hat. Das wird auch in naher Zukunft nicht anders.

    Unser Industriestandort steht vor dem Kollaps und angesichts der weltweiten Lage A. D. 2022 werden wir kaum in der Lage sein, verlorenes Terrain durch eigene Anstrengungen wieder zurückzuerobern. Und ich drücke das bewusst martialisch aus. Unser Industriestandort ist zu über 60 % von importierter (billiger !) Energie abhängig. 1990 waren es noch 40 %. Diese Steigerung unserer Abhängigkeit vom Ausland ist das Ergebnis einer Politik, die uns jetzt auf die Füße fällt. Und die Auswirkungen, die manche sich trauen, nach und nach zu beschreiben, werden schlimmer sein, als alles, was sich je die Leute (nach dem 2. Weltkrieg) in Deutschland vorgestellt haben.

    Die vorhersehbaren schweren Unruhen sind nur der Anfang. Und wir haben nichts, was wir diesem Geschehen noch entgegensetzen könnten. Vor allem fehlt uns jedes Vertrauen in die handelnden Personen. Das sehen wir sehr schön, wenn wir die Hysterie in den asozialen Netzwerken halbwegs kontinuierlich verfolgen. Kevin Kühnert hat sich, wie du bestimmt gelesen hat, von Twitter verabschiedet (wenn auch vlt. nicht für immer). Die „verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit“ wird einen großartigen Beitrag dazu leisten, dass Chaos und Anarchie herrschen wird. Aber keiner wollte ja auf die schönen Spielzeuge der digitalen Welt verzichten. Und dies hat der Club of Rome nicht mal vorhergesehen.

  5. @Peter @Horst: danke für Eure substanziellen und ausführlichen Kommentare! Ja, es sieht wirklich nicht gut aus – und hinzu kommt noch die Angst, dass Putin bei anhaltenden Misserfolgen in der Ukraine Massenvernichtungswaffen einsetzt!
    Im Kleinen gibts immerhin auch Lichtblicke. So las ich heute auf Twitter von einem Bäcker (10 Filialen), der vor 3 Jahren 1,6 Mio in eine große Solaranlage investiert hat – und heute ist er fein raus, was die Energiekosten angeht! Leider haben sich viele Andere auf das billige Gas verlassen und verlangen jetzt Staatshilfen.

    Politiker/in möchte ich zur Zeit auch nicht sein. Ich finde es geradezu erschreckend, wie weitgehend Teile der Bevölkerung einfach nur auf Politiker schimpfen, als wäre die ganze Misere die Schuld einzelner böswilliger Akteure. Da fehlt jede Bereitschaft, sich mit komplexen Zusammenhängen zu befassen, z.B. die Einbindung in die EU, die so viele einfach mal eben so meinen ignorieren zu können. Putins Angriffskrieg, gemeinschaftliche Sanktionen – alles kein Thema mehr, wenn die Preise steigen. Ich bin KEINE Besserverdienerin und finde das trotzdem unglaublich beschränkt und egoistisch (dabei nehme ich die bereits Armutsbetroffenen immer aus!),

    Nachtrag: Es stimmt natürlich, dass die GRÜNEN seit langem gegen die Gas-Geschäfte mit Russland und pro Ausbau Erneuerbare waren – aber wir alle hatten dadurch gute Zeiten und es heißt ja nicht grundlos: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“. Das würde ich zwar nicht für jede Diktatur unterschreiben, die sich mit Gewalt an der Macht hält, wohl aber für eine Demokratie mit freien Wahlen. Schließlich hat die Mehrheit eben NICHT Grün gewält!

  6. Hallo

    Leider unterliegt Frau Herrmann mehreren Fehl- und Zirkelschlüssen.

    Der erste ist die Annahme eines reformierbaren oder friedlich zu beendenden Kapitalismus. Das gibt es nicht und wie „Kapitalismus“ oder besser dessen gewählte Vertreter im Namen des Kapitals reagieren, ist auf jeder Veranstaltung zu sehen, die nicht einmal an dessen Existenz, sondern nur an dessen Einnahmen kratzt. Das restriktive Vorgehen gegen die ganzen Proteste auf den einschlägigen Gipfeln und selbst im Ländle bei S21, wo es „nur“ um die paar Milliarden für einen Schrottbahnhof als Mittel zum Zweck Betongold ging, sind Beleg genug.

    Der zweite ist das Wachstum selber. Dieses basiert einmal auf dem Mehrwert, der im durch die billiger verkaufte Arbeitskraft steckt und gleichzeitig auf Schulden, die sowohl für das Kapital selber beispielsweise durch Aktien als Spekulation auf zukünftige Gewinne als auch beim Konsument existieren, damit Produkte erworben werden können. An den Zinsen als „Preis des verliehenen Geldes“ verdienen dann z.B. die Banken, die wiederum selbst Geld leihen, um dieses weiter zu verleihen. Nähme man das alles aus dem Umlauf, wäre der Laden quasi sofort tot. Die ganzen Blasen wie 2008, bei denen das Geld nur noch für sich selbst „gearbeitet“ hat, sind da noch gar nicht enthalten.

    Drittens ist der relative „Wohlstand“ hierzulande schlicht die ausgelagerte Armut in der Dritten Welt, weil diese letztendlich die weitaus mehr Ausgebeuteten dieses famosen Systems sind. Wäre das nicht so, sähe es auch hier immer noch aus wie zu Zeiten des Manchesterkapitalismus. Eine Folge dieser Umstände des billigst möglichen Produzierens am anderen Ende der Welt sind dann die Warenströme, die oh Wunder während der Pandemie „zusammengebrochen“ sind mit all ihren negativen Folgen auch für die Umwelt. Das ist übrigens eines dieser Zeichen, dass Kapitalismus eben global ist und sich einen Feuchten um Ländergrenzen schert, wenn es um Profite geht.

    So bitter es klingen mag, ist auch der von beiden Seiten national und ethisch/moralisch aufgeladene Krieg Russland-Ukraine ein Kampf um Pfründe. Russland will dabei genauso den Reibach machen wie eine EU oder die USA, sei es bei Getreide als Spekulationsobjekt oder aus westlicher Sicht bei neuen „Absatzmärkten“ und billigen Arbeitskräften. Nur wird es halt gut verschmiert und das Bestreben nach Unabhängigkeit in der Ukraine beiderseits ausgenutzt und instrumentalisiert.

    Ganz ähnlich wie ein immer mehr autoritäres Russland seine wirtschaftlichen Probleme per Krieg exportiert, war der Werdegang Deutschlands sowohl im ersten als auch zweiten Weltkrieg oder vorher im deutsch-französischen Krieg. Auch diese waren national aufgeladen und wurden gegen irgendwelche Schimären als Feinde von XYZ geführt. Insofern war Hitler z.B. nur die Figur, die trotz aller Ideologie während und nach einer Krise die Interessen des Kapitals am besten vertreten hat und danach seine Macht durch Gewalt so gefestigt hat, dass er auf normalem oder demokratischem Wege nicht mehr zu beseitigen war. Von den Industriellen wurde das im wahrsten Sinne des Wortes billigend für die Gewinne aus dem Krieg in Kauf genommen. Und Krieg ist im kapitalistischen Sinne das ideale Wachstum, weil die Ware für den Einmalgebrauch hergestellt wird und unabhängig vom meist völlig überhöhten Verkaufspreis quasi sofort ersetzt werden muß – denke nur an die 100 Milliarden angeblich für die Bundeswehr, die nur dazu dienen, Rüstungsprojekte zu finanzieren.

    Um da mal auf den Punkt zu kommen, braucht außer dem Kapitalismus selber niemand Wachstum. Oder mit Brecht gesagt: „Erst kommt das Fressen und dann die Moral.“ Und das bedeutet, dass jeder Mensch zuvörderst ein Dach, eine warme Bude, vernünftige Klamotten und ausreichend Essen benötigt. Und dafür ist die ganze Nabelschau der auf Wachstum getrimmten kapitalistischen Produktion nicht nötig. Schaut man sich einmal an, in welchem Verhältnis wirklich Energie und Produktion nötig sind für den Grundbedarf und wie viel aufgewendet wird für gerne auch erst durch Werbung generierte Bedürfnisse, wäre das schon ein enormes Einsparpotenzial. Statt der Frage nach dem Einkommen zum Befriedigen erzeugter Bedürfnisse steht m.E. die nach dem Aufwand für eine Gesellschaft ohne diese Auswüchse und dem Decken des o.a. Bedarfs. Das muß auch nicht in der Steinzeit und Askese enden, aber vieles von dem wäre obsolet, an was wir uns heute als scheinbar Wichtigem festhalten.

    Das von Frau Herrmann genannte grüne Schrumpfen ist daher auch nur eine neue Hülle für altes Tun und Wissen, dass nicht erst seit dem „Club Of Rome“ vorhanden ist. Eben dieses jetzt so propagierte grüne Wachstum ist immer noch Wachstum und wird wieder irgendwann an Grenzen stoßen, denn wie alles in diesem System ist es am Ende nur Ware und wird daher auf einem Markt meistbietend verhökert werden bis zum nächsten heißen Scheiß. Die für diese Form des Wachstums nötigen Ressourcen für Solarzellen, Windräder, Infrastruktur sind eben auch endlich und quasi frei steht nur die Energie aus Sonne, Wind und Wasser selbst zur Verfügung, die jetzt dem Profit am Energiemarkt dient. Dessen Produktionsmittel selbst besitzt wieder die herrschende Klasse nahezu vollständig. Das führt so btw. gleich noch die Phrase Nachhaltigkeit ad absurdum, denn nachhaltig ist nur das, was bei Eingriffen ersetzt werden kann. Der Schrumpfgedanke würde letzten Endes und nach der „Logik“ dieses Systems daher nur zu einem künstlichen Verknappen und Steigen der Preise führen, aber niemals zu dessen womöglich noch freiwilligen oder gar friedlichen Ende. Das ist bereits jetzt zu sehen und schön ist dabei auch, dass der am meisten geschröpfte „Kleine“ dann auch noch solidarisch sein soll und sparen, damit die wuchernden Pfründe nicht nachlassen. Die Propheten dieses Quatschs wie besonders im Ländle Herr Kretschmann feiern sich dann noch dafür und merken vielleicht noch nicht einmal, welchen teils unhaltbaren Stuß sie daher reden, den sie dann natürlich ganz ähnlich wie vorher bereits Steinmeier oder Gauck niemals auf sich beziehen in ihren Sonntagsreden. Stattdessen könnte der Herr ja die 300 000€ für die Werbekampagne oder auf Bundesebene die Ausgaben für einen dauerhaft preiswerten Nahverkehr mal direkt an die Betroffenen verteilen.

    Viele Grüße
    Thomas

  7. Nachtrag: Frau Herrmanns Vortrag klingt plausibel. Ohne billige Energie und ohne dauernden Mehrkonsum ist unser Wirtschaftssystem am Ende. Die Schlussfolgerungen sind m.E. auch folgerichtig. Einziger Denkfehler liegt darin, dass ein Ende des uns bekannten Wirtschaftssystems Deutschland alleine treffen würde, weil kein Land der Erde ihr Wirtschaftswachstum für die Klimaneutralität opfern würde. Die BRD wäre damit im besten Fall ein „Übernahmekandidat“ für andere Länder oder – wie von Frau Herrmann bereits skizziert, von autoritären politischen Systemen. Ich find‘s auch gut, dass mal endlich jemand Klartext darüber redet, dass Ökoenergie keine billige Energie ist. Das Video ist nicht provozierend, sondern bestechend logisch.

  8. @Peter: Genauso dürfte es kommen, wenn wir unseren isolierten Weg so weitergehen. Und alle Zeichen gehen bisher genau in diese Richtung. Interessant, dass ein Mitglied der Grünen zu diesen Erkenntnissen gelangt.

  9. Leider ist die Aussage zu den Kosten der Erneuerbaren oder hier Ökoenergie schlicht falsch. Verteuert wurden diese Energien nur durch die EEG-Umlage, das Handeln über die Strombörse statt des direkten Bezugs und Verkaufs und im Gegenzug konventionelle Energien durch Subvention günstiger gemacht und ohne die Folgekosten einzupreisen. Wobei Atomstrom in der Studie schon gar nicht mehr enthalten, weil sonst mit aktuellem Blick auf Frankreich die Rechnung noch schlechter wäre.

    Wenn dank eines wirtschaftlichen „Weiter so“ für unseren „Wohlstand“ die Erde nicht mehr für ein (Über)leben der Menschheit geeignet ist, haben sich irgendwelche Kostenfragen inklusive der nach Kapitalismus oder nicht gleich mit erledigt. Und die Preise kommen nicht aus irgendeinem fiktiven Nichts, sondern sind menschengemacht von denen, die sehr genau durchkalkulieren, auf welchem Weg sich das Maximum herausholen lässt.

    Beleg 1

    Beleg 2

    Noch etwas Text dazu hier und hier.

    Ergo treibt uns die verschleppte Energiewende in deutlich mehr Abhängigkeiten bei extrem steigenden Preisen.

  10. @Siewurdengelesen: Die Stromerzeugunsgkosten sind die Kosten die bei der Stromerzeugung anfallen. Die waren nicht gemeint. Frau Herrmann spricht von den Stromkosten für den Endverbraucher. Die werden aufgrund der Nachfragesituation, unsteter Stromerzeugung und mangels Speichermöglichkeiten hoch bleiben.

  11. @Peter Lohren

    Das liegt aber entgegen der Aussage von Frau Herrmann nicht daran, dass Erneuerbare per se teurer sind, sondern diese Preise sind „gemacht“ analog zu jetzt denen für Gas usw. Das schrieb ich aber bereits damit, wenn die Preise des Erzeugens direkt durchgereicht würden statt über den „Strommarkt„.

    Zitat:

    „Wir haben also keine Strommärkte. Wir haben tatsächlich aber einen Staat, der eingreift und so tut, als ob es einen Markt gäbe. Er simulierte ihn aber nur, indem er einen Scheinwettbewerb zwischen den Stromerzeugern und einen Scheinwettbewerb zwischen angeblich unabhängigen Stromhändlern schafft. Damit sind Unternehmen gemeint, die Strom im Großhandel einkaufen und ihn dann an einzelne Kunden weiter verkaufen. Aber das alles ist eine staatliche Erfindung. Es ist, wenn Sie so wollen, der Albtraum der Anhänger von freien Märkten sowie von Konservativen und libertären Rechten. Der Strommarkt ist faktisch ein vom Staat geschaffener Fake-Markt.“

    Unabhängig davon ist sowohl der Artikel als auch Varoufakis nahezu immer lesenswert.

    Schaut man sich dann noch an, zu welchen Konditionen Unternehmen und Private Energie beziehen, dann sind die Hauptzahler seit eh und je die Privaten. Unternehmen haben sich ebenfalls schon ewig billig mit Energie versorgt und je nach Unternehmensgröße auch weitestgehend von der EEG-Umlage freigekauft.

    Egal mit welcher Energie der Kapitalismusmotor betrieben wird, sind diese alle irgendwie endlich und entweder kollabiert das System mangels Ressourcen oder über die Umwelt/Klima oder über beides. Egal wie es dargestellt wird, ohne ein Reduzieren auf Notwendiges ist der Laden sonst früher oder später am Ende. Und das passiert dann auch nicht nur in D oder weil wir hier besonders „grün“ wären, denn wie gesagt ist das System global. Und bis dahin geht es wie eh und je immer um Profit und auf den verzichtet niemand freiwillig oder der Umwelt oder dem Geldbörslein der Armen zuliebe. Da darf dann lieber der Staat wieder „Geschenke“ machen.

  12. wow, danke Euch für die substanziellen Kommentare zum Thema!!

    @Thomas / Siewurdengelesen: Dein langer erster Kommentar sieht das Ganze durch eine Brille, die seit einiger Zeit als „altlinks“ bezeichnet wird. In etlichen Punkten stimme ich dir zu, andere erscheinen mir überholt:
    1. „Ausgelagerte Armut in die 3.Welt“ – stimmt, soweit es die Billigproduktion dort angeht, die Ausnutzung des niedrigen Lohnniveaus. Aber: Ist durch die dortige Produktion nicht auch ein Mittelstand entstanden, den es früher so nicht gab? Insbesondere China hat durch geschickte Politik vermieden, auf Dauer bloß ausgebeutet zu werden und einen unglaublichen Aufstieg hingelegt. Das Ergebnis mag uns nicht gefallen (Abhängigkeit, Abkupfern, Zwangs-Kooperationen etc.), aber aus ihrer Sicht ist es ein großer Erfolg.

    2.

    „braucht außer dem Kapitalismus selber niemand Wachstum. Oder mit Brecht gesagt: „Erst kommt das Fressen und dann die Moral.“ Und das bedeutet, dass jeder Mensch zuvörderst ein Dach, eine warme Bude, vernünftige Klamotten und ausreichend Essen benötigt. Und dafür ist die ganze Nabelschau der auf Wachstum getrimmten kapitalistischen Produktion nicht nötig.“

    Das halte ich für falsch, widerlegt durch Fakten und Entwicklungen, wie sie überall stattfinden. Zum einen kommt nach „Dach, warmer Bude, Essen und Klamotten“ IMMER der Wunsch nach MEHR: Urlaub, Auto, Unterhaltung, bessere Wohnung/Haus, Garten und vieles mehr. Kommunistische Phasen klappen immer nur solange, wie Dach, warme Bude etc. noch nicht gesichert sind und erst geschaffen werden müssen. Ist die Grundversorgung gewährleistet, empfinden Menschen die Deckelung ihres Drangs nach MEHR als zum bloß zum Leben Not-Wendigen als Unterdrückung und Unfreiheit.
    Das „Mehr“ sind nicht erst mühsam zu schaffende „falsche Bedürfnisse“, es ist einfach der normale Verlauf: hat man etwas sicher, will man es bequemer, schöner, evtl. größer…

    3. Du argumentierst gegen das „grüne Wachstum“, wogegen sich Herrmann gerade abgrenzt und von „grünem Schrumpfen“ spricht. Da scheinst du was verwechselt zu haben.
    4. „Sparen“ ist derzeit keine politische Zumutung, die ganz leicht weggenommen werden könnte. Die Optionen nationaler Politik sind da sehr begrenzt. Den Unternehmen gehts im Übrigen grade gar nicht gut, wie kannst du da von „wuchernden Pfründen“ reden? Die „Übergewinne“ einzelner Profiteure sollen abgeschöpft werden. Hättest du denn eine Alternative?

    @alle: ich werde auch noch zu den anderen Beiträgen etwas schreiben – nur jetzt schaffe ich das nicht alles auf einmal! Habt einen schönen Sonntag!

  13. Noch kurz ein Medientipp:

    Klimasünder Industrie
    Schaffen Stahl, Zement und Co. die Wende?

    Ich hätte nicht gedacht, dass da so viel am Gange ist. Es scheint tatsächlich machbar! Was jetzt unter dem Druck der aktuellen Energienot angefangen wird, hätte längst geschehen müssen. Aber immerhin: Es bewegt sich was, und nicht zu knapp!

  14. Zu 1. China ist selber ein kapitalistisch wirtschaftender Staat, nur ist dort der Staat eben auch Hauptaktionär und kann daher den Profit nach Gusto reinvestieren bzw. verschwindet teils nicht soviel wie woanders in privaten Taschen. Dabei „engagiert“ sich China selbst enorm in der Dritten Welt und beutet diese auf Kosten der dort lebenden Menschen aus.

    Es mag auch in China eine gewachsene Mittelschicht geben. Es gibt aber genauso Landbevölkerung und Arbeitssklaven, die wie zu besten Gulag-Zeiten zur Arbeit gezwungen werden. Arbeiterrechte, Tarifkämpfe usw. sind eh Fehlanzeige und auch der Hang zum Selbstausbeuten wird stark ausgenutzt genauso wie die Selbstdisziplinierung durch das nahezu völlige Überwachen.

    Das sind Faktoren, die u.a. das Produzieren in China auch für die EU und andere interessant machen und der Grund, warum trotz „billigerer“ Produkte Chinas Wirtschaft so floriert. Auch das sind freilich wieder nur Teilaspekte.

    Zu 2. Die Grundbedingungen für das Leben sind hier nicht „sicher“. Daher hat man manchmal den Eindruck, dass vieles eben durch die scheinbare Fassade Wohlstand überkompensiert wird. Trotzdem ist keiner gefeit vor dem Sturz durch das soziale Netz, der abhängig von Lohnzahlungen ist. Und diese Menschen werden momentan auch hier immer mehr u.a. durch die aktuelle Entwicklung. Da bleibt tendenziell weniger Nerv für Dinge neben dem Sichern der Existenz.
    Darüber hinaus spricht nichts gegen die von Dir genannten Dinge über das Existenzielle hinaus, nur sind viele davon halt u.U. gar nicht notwendig und unter dem Aspekt Umwelt sogar schädlich. Das trifft auf billigen Massentourismus in ökologisch sensiblen Räumen zu genauso wie der „Trend“ zum Zweit- oder gar Drittwagen oder die in D so favorisierte Version des Wohnens im Einfamilienhaus mit seiner schlechten Energie- und Flächenbilanz. Statt intensiven Erlebens ist auch da vieles kommerzielle und flache Kost.

    Dann überlege bitte weiter, wofür man z.B. ein Auto benötigt? Doch wohl in erster Linie, um damit auf Arbeit zu fahren und dann dort über die Lebenshaltungskosten hinaus z.B. die Kohle für das Auto zu erwirtschaften, damit man auf Arbeit fahren kann, um…

    …meist ist das deshalb der Fall, weil das teure Leben in der Stadt die Menschen in die Speckgürtel treibt, die ab einer gewissen Entfernung nicht mehr so gut durch den ÖPNV erschlossen werden.

    Gleichzeitig hängt an der Autoindustrie weiteres Gewerbe dran wie eben die Öl- und zunehmend Stromkonzerne, Werkstätten, Zubehörzulieferer, Straßenbau uswusf. Kann man mal überlegen, was davon wegfiele, weil es irgendwie Monkey Business ist. Wie wahrscheinlich das in dieser Gesellschaft ist, dass weniger gearbeitet wird und stattdessen zumindest mehr für Freizeit, Kultur usw. bliebe, kommentiere ich nicht. Genau das Ausbrechen aus diesen Abhängigkeiten ist aber m.E. eine Grundlage für wirkliche „Freiheit“, wobei das auch wieder jeder für sich anders definiert.

    Zu 3. Die Antwort steht bereits mehrfach hier. Schrumpfen ist im Kapitalismus nicht vorgesehen, egal ob grün oder anders und gleich gar nicht freiwillig, sondern nur, wenn es für die Unternehmen mehr kostet, als es einbringt. Das wird nicht funktionieren und Frau Herrmann umschreibt hier lediglich das Prinzip, dass weniger Leistung mehr kostet, wie wohl ich deren Ansatz durchaus verstanden habe. Wer da aber realitätsfremder ist?

    Zu 4. Soso – den Unternehmen geht es also schlecht?

    Wirklich?

    Wirklich?

    Der in der zweiten Antwort verlinkte Film behandelt diese Branche und deren ökologischeren Umbau weitestgehend im Konjunktiv, ergo ist das erst einmal viel Wunschdenken und wenig Handfestes wie so oft. Wollen können die viel und außer freiwilligen Selbstverpflichtungen ist meist nichts Verbindliches heraus gekommen genau wie bei den ganzen Klimaabkommen, mit denen sich Unternehmen tatsächlich annageln ließen.

    Und irgendwie geht mir das „Sparen“ zu sehr auf die Seite der Kleinen, während „oben“ eben weiter abgefettet wird. Alleine der Ausdruck Übergewinne läßt mich in diesem Zusammenhang gruseln genau wie Nachhaltigkeit oder Solidarität, wenn er dabei aus bestimmten Ecken völlig entfremdet benutzt wird.

    Alternativen im Sinne einer idealen Welt oder Gesellschaft kann ich freilich nicht anbieten. Auf jeden Fall sollte das eine sein, in der jeder existenziell abgesichert ist, ohne sich dafür krumm buckeln zu müssen und in der Wohlstand und Status nicht in der Menge an angehäuftem Materiellen besteht, aber jeder die Freiheit hat, wirklich nach seiner Fasson selig zu werden. Kann z.B. in diese Richtung gehen und vielleicht muß wirklich erst alles kaputt sein, damit wenigstens eine Weile etwas Vernünftiges besteht.

    Meine Sicht mag „altlinks“ und „kommunistisch“ sein, aber sie ist auch sehr realistisch.

  15. @Thomas: hab Dank für deine ausführliche Einlassung, sehr angenehm, so eine sachliche Debatte! Und: so ausformuliert, kann ich vielem zustimmen – „kommunistisch“ finde ich deine Sicht der Dinge nicht. Zum „altlinks“ hat mich deine Meinung zu den „Grundbedürfnissen und nicht mehr“ getriggert (als Jugendliche wollten mir K-Grüppler meine „falschen Bedürfnisse“ erklären). Was den „Überkonsum“ angeht, stimme ich dir jedoch in den aufgeführten Punkten voll zu!

    „Trotzdem ist keiner gefeit vor dem Sturz durch das soziale Netz, der abhängig von Lohnzahlungen ist. “ – du meinst vermutlich „ins soziale Netz“ und findest dieses (ALG1, ALG2) dann unzureichend?

    „Stadt/Land/Auto“: großes Thema! Viele ziehen auch hin wg. Naturnähe und Kinder, Traum vom Eigenheim… Ich war selbst 2 Jahre in ein Dorf nähe Schwerin „aufs Land gezogen“ – in der Zeit (1999 – 2001) hieß das Diary „Vom Leben auf dem Land und in den Netzen„. Zu zweit, Maisonette-Wohnung in einem ehem. Gutshaus, wir hatten jeder ein kleines Auto, obwohl wir nirgends zur Arbeit hinfahren mussten. ÖPNV nicht vorhanden, wir wollten einfach nicht festsitzen. Pro Dorf ein paar Carsharing-Autos hätten es aber auch getan. Ich denke, auf dem Land kann nicht ÜBERALL ÖPNV eingerichtet werden, das wäre viel zu teuer für die paar Fahrten.
    Wie man die Auto-Industrie mit allem, was dran hängt, umstrukturiert, weiß ich auch nicht. Viel wird abwandern, es gibt E-Autos etc. – schrumpfen ist da gewiss zu erwarten.

    Übergewinn:
    Die Analysen im Focus relativieren ja tatsächlich zum großen Teil die Rede vom „Übergewinn“ – wusste ich so auch nicht.
    Grundsätzlich sind das aber nur riesige DAX-Unternehmen – was ist mit den vielen kleinen und mittelständischen Betrieben, die derzeit existenzielle Sorgen vermelden? Alles gelogen aus deiner Sicht? Stimmt es etwa nicht, dass die Weltmarktfähigkeit vieler Unternehmen, ja deren ganze Geschäftsmodelle, auf billiger Energie in DE basieren?

    Was das Sparen angeht, so wundere ich mich derzeit (wegen neuer Achtsamkeit auf Verbräuche), wieviel man doch ohne „Leiden am Verzicht“ einsparen kann. Unternehmen sind ja zumindest bei ihren Produktionsprozessen auf Effektivität getrimmt, aber so allgemein wurde wirklich viel Energie und Rohstoffe nutzlos verpulvert – und da ist auch jetzt noch vieles am Gange, was ersatzlos gestrichen werden könnte. (Z.B. die fetten Farbkataloge, die ich immer noch in den Briefkasten bekomme, weil ich da jeweils einmal online etwas kaufte). Ein kleiner Button (will nichts per Post) würde viel einsparen! Na, da gibts noch Unmengen Beispiele, ich belasse es mal dabei, die Arbeit ruft….

  16. Oje – wo anfangen und aufhören;-)

    Zum Thema soziales Netz, Arbeit usw. war jüngst bei Max ein toller Beitrag verlinkt.

    Und der Fall durch das Netz war bewußt gewählt. Genau diese Frage nach Leistung, die halt zu oft mit Arbeit gleichgesetzt wird im Geiste, und dem Ausgleich in Form von Lohn wird nach wie vor als Maßstab für den Wert eines Menschen und damit dessen Stellung in der Gesellschaft heran gezogen. Während jemand als Schmarotzer und Nutznießer dieses Systems bezeichnet wird, der nur zu oft durch unverschuldete Umstände arbeitslos wird und früher oder später bei HartzIV landet, hinterfragt nahezu niemand, worin denn die Leistung unserer angeblichen Leistungsträger überhaupt besteht?!
    Spätestens am Ende der Fahnenstange ist das Geld neben den Sozialleistungen ja eher so zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel. Eine echte Teilhabe ist auf diesem Neveau der Armut jedenfalls nicht mehr möglich. Daran wird sich m.E. auch mit dem Bürgergeld nichts ändern, weil es ja erneut nicht bedingungslos ist, sondern weiter sanktioniert werden kann nach jetzigem Stand.

    ÖPNV auf dem Lande ist auch dieses typische Henne-Ei-Problem. Auch da gilt, dass es nie funktionieren wird und darf, solange es nur an der rein finanziellen Wirtschaftlichkeit festgemacht wird. Würde stattdessen das Minus gegen Null ausgeglichen und etwas eingerichtet, was Menschen ermöglicht, innerhalb eines vernünftigen Rahmens und ggf. über geteilte Nutzgüter von A nach B zu kommen auch außerhalb der Großstädte, käme die Frage nach dem privaten Auto vielleicht schon gar nicht mehr auf. Rechnet man dann gegen, wie z.B. die Umwelt weniger verschmutzt wird durch weniger Individualverkehr und was so alles mit hineinfällt, dann wäre es erst recht ein Gewinn für die Gesellschaft. So btw. würde weniger „Arbeit“ grundsätzlich auch weniger Verkehr bedingen.

    Was die Unternehmen und deren Gewinne angeht, so zählt doch das Kleingewerbe, Selbstständige usw. in dieser Kategorie praktisch gar nicht mit. Die „Politik“ wird in erster Linie für die großen Konzerne und die angehängten Banken/Börse gemacht. Die kleinen Krauter haben schon während der Pandemie nicht gestört, sondern durften am ausgestreckten Arm verhungern, und sind auch jetzt nur Beiwerk und Alibi. Solche Krisen oder besser die oberen Ausschläge der Dauerkrise Kapitalismus beschleunigen solche Prozesse nur. Das Verschwinden der Tante-Emma-Läden, Bauernhöfe, Handwerksbetriebe und dergleichen geht schon ewig und nur zu oft geschieht das noch unter dem Euphemismus, dass durch große Unternehmen alles billiger und besser wird. Die Großen fressen die Kleinen und das hält auf Dauer niemand auf. Sei es auch nur, weil die Klein- und Mittelständler auf Dauer preislich gar nicht mithalten können und im selben Zuge viele eben nur billig kaufen wollen und teils auch nur so können. Es wird sicher immer Nischen geben, die Einzelnen in den Branchen eine Chance bieten. Sobald es sich in Größenordnungen lohnt, geht das Räubern los. Das war bei Bio und Öko so, welches erst halb in der Eso-Ecke hing (und teils auch noch ist) und sobald es etwas abwirft, weil genug darauf anspringen, wird es Kommerz. Die Pionierarbeit überläßt man den Kleinen und wenn der Laden läuft und lukrativ genug ist, kommen die dicken Brieftaschen, übernehmen das Gesamte und machen die Kohle selber. Wer dann noch versucht gegen zu halten, wird einfach ausgebootet. Das Prinzip durften im Osten viele als erste Lektion Marktwirtschaft verbuchen, als die um Anschluß suchenden Unternehmen der ehemaligen DDR mit durchaus innovativen Ideen kamen wie dem FCKW-freien Kühlschrank usw. Wenn Du Dir bei der Suche viel Mühe gibst, findest Du z.B. heraus, dass die Common-Rail-Technik der aktuellen Dieselmotoren ein Erfindung von IFA war und zuerst im W50 in Afrika getestet wurde. Es gäbe noch einige so Dinge wie der Werdegang einer Bionade usw. Nur wird das langsam endlos und schweift inzwischen auch ziemlich ab.

    Die Quintessenz des Ganzen ist kurz, dass diese Gesellschaftsordnung bei einem Schrumpfen kollabieren würde und das daher nicht passieren wird oder in Krisen, Konflikten und Kriegen endet. So wie die sozialen Überhänge schwinden, reißt auch das dünne Tuch einer teils nur scheinbaren Demokratie und wie in Italien, Schweden und anderen Staaten kommen nach konservativen wieder reaktionäre Kräfte an die Macht. Diese reiten dasselbe Pferd, mimen aber das Bild des starken Mannes und der Faust auf dem Tisch. Ich wüßte auch nicht, wie das zu verhindern sein soll, weil die Menschen in ihrem Streben nach vermeintlicher Ordnung und Ruhe solchen Rattenfängern wider besseres Wissen immer wieder auf den Leim gehen werden im Glauben, dass man das für ein recht schnelles Wenden zu etwas „Besseren“ akzeptieren kann und hinterher kann man solche Knaller wieder abwählen. Leider hat das noch nie funktioniert und die Schreihälse wissen nur zu gut um die Macht solcher Versprechen, wenn sie nur laut und oft genug wiederholt werden. Da hat nun wiederum Stefan Rose einen guten Beitrag zum Thema Wahl in Italien gebracht. Das sind halt keine „Rucks“, sondern im Kapitalismus angelegte Kontinuitäten.

    Eine Kriegswirtschaft ist dabei noch das Optimum dieses „Wachstums“, weil das produzierte Gut quasi nach Einmalgebrauch sofort ersetzt werden muß. Im Gegenzug wäre ein Schrumpfen schon in sich „grün“, weil jede nicht verbrauchte Ressource automatisch der Umwelt nutzt.

    Was´n Schlauch…

  17. @Thomas: ich picke einfach Themen raus, „alles“ beantworten geht ja bei der Länge nicht mehr.

    Basics zum Thema Unternehmen und Größe in DE:

    „Mit knapp 2,5 Millionen zählte 2016 die überwiegende Mehrheit (99,3 %) der Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Rund 2 Millionen galten als Kleinstunternehmen. 61 % der 29,1 Millionen Beschäftigten arbeiteten in kleinen und mittleren Unternehmen. In Kleinstunternehmen waren rund 19 % der tätigen Personen beschäftigt, 23,2 % in kleinen, weitere 19,3 % in mittleren Unternehmen. Dem gegenübergestellt: Es gibt „nur“ etwa 18.000 Großunternehmen. „

    https://www.mittelstandswiki.de/wissen/Unternehmen_nach_Zahlen

    Vor diesem Hintergrund (und allem, was ich so in Sachen Probleme der Unternehmen und Politik-Äußerungen lese) halte ich deine Sicht der Dinge für mehr als nur „verkürzt“:

    „Die „Politik“ wird in erster Linie für die großen Konzerne und die angehängten Banken/Börse gemacht.“

    Der Politik sind die massenhaften Arbeitsplätze NICHT egal!

    Italien: toller Artikel, aber er sagt selbst:

    „Angesichts der Volatilität des italienischen Wahlvolkes ist es unwahrscheinlich, dass eine von Meloni geführte Koalitionsregierung überhaupt genügend Zeit hätte, Italien in eine autoritäre Diktatur zu verwandeln.“

    Ich wetter darauf, dass Italien die Meloni wieder los wird!

    Insgesamt ist dein Kommentar sehr anregend zu Überlegungen für neue Beiträge – weil so „ausgeurfert“, aber das gibt das Thema ja auch hier!

  18. Das ist wirklich ein uferloses Thema.

    Das Interesse der Politik an „Arbeitsplätzen“ ist imho nur so groß, wie es der eigenen Wiederwahl nützt. Es ist nicht abzustreiten, dass sich lokal Politiker wirklich einsetzen, ähnlich Vieles daran ist Fassade für Sonntagsreden. Einfluß auf Unternehmensentscheidungen bei Entlassungen usw. haben diese aber kaum und wenn dann nur unter der Formel, dass eben dieser „Verlust von Arbeitsplätzen“ als Keule dient bei Lohndrückerei usw.

    Schade ist dabei auch, dass es speziell im Gastronomie- und anderen stark von der Pandemie betroffenem Gewerbe aktuelle Zahlen gibt zu den Verhältnissen, Anteilen und Beschäftigen. Die großen Batzen machen trotzdem die Großunternehmen aus bei den Zahlen und die diktieren auch über ihre Lobbys und Verflechtungen in die Politik selber deren Kurs. Das war ganz krass zu sehen, als es z.B. um die Freihandelsabkommen ging oder darum, wie lange es gedauert hat, um trotz aller Fakten solche Klitschen wie Monsanto einzudämmen. Andere betreiben ihren ökonomischen Raubbau weiter rund um die Welt und selbst jetzt wird der Ukraine-Krieg schamlos ausgenutzt, um die Preise zu treiben, die längst nicht dem wirklichen Rahmen entsprechen, wie es dargestellt wird. Im Gegenzug werden die aktuell 10,5% Gehaltsforderung der Verdi als maßlos dargestellt – finde den Fehler;-)

    Aus meiner bescheidenen Erfahrung in diesem Umfeld hat Lohnverzicht, „freiwillige“ Mehrarbeit oder der ganze Rattenschwanz an gesetzlich abgesegneter Lohndrückerei dank HartzIV, Leiharbeit usw. noch nie dem „Erhalt von Arbeitsplätzen“ gedient. Genau wie direkt nach der Wende im Osten sind dann die Arbeiter nur nach einer Zeit des Hoffens und Harrens mit noch weniger Kohle und demselben Tritt in den Allerwertesten auf das Arbeitsamt gegangen und im Bestfall wurden die Firmen dazu noch genau wie jetzt mit Staatsknete gepampert. Der „kleine Krauter“ juckt dabei nicht die Bohne.

    In Italien wird eine Meloni es vielleicht nicht schaffen, den Laden in diesem Fall komplett auf rechts zu drehen. Schaut man sich jedoch so um, ist der Schwenk zu zunehmend rechten Parteien nicht zu übersehen, während das linke Lager momentan komplett abstinkt. Wie das insgesamt wirklich ausgeht, kann keiner abschätzen. Sozial unruhige Zeiten haben solche Tendenzen aber immer getrieben und so wie auch bei der jüngsten Landtagswahl ist der Griff zum Strohhalm für die Anbieter scheinbar schneller Lösungen wie hier der AfD zum Erfolg. Da blendet man auch gerne deren braune Soße aus und darin sind wir Biedermänner wirklich Spitze in D.

    Aber Kaffee ist auch ok – der hier ist z.B. nicht schlecht, falls Du mal in Halberstadt strandest.

    Gruß
    Thomas