Claudia am 14. Mai 2000 —

Bilder-Rätsel

Mit der Digitalkamera schlenderte ich gestern zum Ortseingang, vorbei am „alten Schwein„, das ich schon im letzten Jahr verwebbt hatte, entlang an den letzten Resten der LPG und dann ein wenig querfeldein. Mitten über den Acker, was nur möglich war, weil da zwei breite Furchen frei von Bewuchs geblieben waren.- Mecklenburg ist ja fast Geh-Wege-frei, müßt ihr wissen. Jeden halben Quadratmeter hat man ausgenutzt, um den Sozialismus aufzubauen und heute machen sie so weiter, denn die endlosen Felder ohne Baum und Hain, ohne Weg und Trampelpfad, sind für die EU-Landwirtschaft wie geschaffen, ja: vorn dran! Mit Spazierengehen ist hier also nicht viel, das ist sowieso eine Gewohnheit der Städter, wird mir langsam klar. Egal, manchmal will ich das Schloßgelände verlassen, z.B. gestern, auf der Jagd nach Bildern.

Ich mache nie Fotos von Festen, Events, Freunden und Bekannten. Diese Art des fotografischen Lebens hat mein Vater mir vorgelebt und es ist einer der Gründe, warum ich das fotografiert-werden hasse. Auch meine „engagierte Hobby-Phase“ irgendwann in den 70gern war eher kurz. Es war mir zu langwierig, bis man zu den Bildern kam und was sollte man schon damit machen? Soviel Aufwand, bloß um Schachteln und Alben zu füllen? Ganz zu Schweigen von dem Aufwand, der anfängt, wenn es ans „dunkelkammern“ geht…. Hab ich alles kurz genossen und dann ohne Trauer abgewählt.

Man fotografierte in dieser Szene ja auch nicht eigentlich, um ein Bild zu machen, sondern um zum fähigen und ideenreichen Amateuer-Fotografen aufzusteigen, Color-Foto-mäßig…. Das hat mich nicht gereizt, denn ich brauche die konkrete Lust beim Tun. Warum also so viel Geld ausgeben, jede Menge Technik lernen und Material verbrauchen?

Fotografie war für mich lange gestorben. Auch jetzt fühle ich mich nicht „fotografisch aktiv“, wenn ich mit der DigiCam Bilder mache, ich MACHE sie ja nicht, wenn ich auf den Button klicke, sondern sammle sie nur. Das Machen kommt später, wenn ich sie im PC habe.
Als ich begann, Webseiten zu gestalten, hatte ich zum ersten Mal einen richtigen eigenen Bilderbedarf. Ich stillte ihn mit Scans aus Büchern und Magazinen und mehr und mehr durch Bilder aus dem Web. Auch eine Großpackung mit 26 CDs hab ich mal billig gekauft – und tatsächlich auch meine alten Fotos durchgeguckt (alles nicht verwendbar). Die zunehmenden Diskussionen ums Copyright schreckten mich nicht, da ich die Bilder immer sehr verändere und meine Nutzungen sowieso nonkommerziell waren. Und doch war es manchmal eine elende Suche, bis ich endlich ein Bild hatte, das nach meinem Geschmack, bzw. als Ausgangsmaterial brauchbar war.
Die DigiCam war die Lösung, sie bietet schon weit mehr Qualität, als ich fürs Web brauche. Ich kann schnell mal ein paar Bilder machen, die Speicherkarte rausnehmen, in einen Adapter schieben, ins Diskettenlaufwerk stecken und darauf zugreifen. Spontaner geht’s nicht!

Und so nähere ich mich derzeit den Bildern, ohne zu wissen, was mich eigentlich fasziniert, ohne Vorhaben oder Projekt. Eher aus Unzufriedenheit am Text, als mit einer Hoffnung an die Bilder. Ich glaube nicht mehr an die Texte: man kann alles hinschreiben, was heißt das schon? Und so langsam weiß das jeder, die Texte werden also zwangsläufig immer bedeutungsloser.

Ich bin nicht traurig darüber, schließlich bleibt auch ein Individuum nicht an dem Punkt stehen, wo es denken gelernt hat. Wenn alles gedacht und gesagt, gefragt und beantwortet ist, bzw. sich als unbeantwortbar herausgestellt hat, warum dann noch schreiben?

In den letzten Wochen bin ich öfter mal in einen Bilderrausch versunken: Mit irgendwelchem Material begonnen und in Photoshop herumgespielt….. wenn sich dann etwas herauskristallisiert, möchte ich das natürlich in Gestalt von Webseiten ausbreiten. Die Produktions- und Konzeptions-Methoden beider Seiten fließen dann zusammen, bzw. sie könnten, wenn ich genug Zeit hätte. Denn auf der Bilderschiene bin ich noch so am Anfang, daß es voll ausreicht, sie auf schwarze Seiten zu stellen, per Klick hintereinander ansehbar. Es ist mir jetzt wichtiger, mich auf die Bilder einzulassen, als schickes Webdesign zu kreieren.

Schon jetzt ist klar: Das „in mich hineinlauschen“ ist anders, wenn ich Bilder mache, als wenn ich schreibe. Es ist nicht-rational und deshalb ungewohnt – doch sehr angenehm, ja, spannend. Ein Experimentieren mit mir selbst: was ist es genau, das jeweils die Wahl bestimmt? Wie mache ich das?
Wenn ich z.B. ein Bildelement herumschiebe oder einen Ausschnitt suche, kommt irgendwann das Gefühl: Ja, SO!!!! Das Gegenteil ist sogar ganz deutlich als körperliches Unwohlsein spürbar, es gibt Formen und Verhältnisse, die mich schwerzen.

Warum nur ist mir diese ganze Dimension bei meinem Zimmer zum Beispiel ziemlich egal? (Mehr als ‚guten ÜBerblick‘ verlange ich da nicht). Bis jetzt wenigstens, vielleicht ändert es sich ja, wenn ich mehr Zeit mit den Bildern verbringe.

Einige Bilder von gestern haben sich zur Website TRAKTOR verdichtet, ein paar Variationen und Experimente, nix Dolles… es war mir einfach ein großes Vergnügen.

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