Claudia am 29. April 2024 — 9 Kommentare

Schweizer Schock-Reportage zeigt möglichen Vulkanausbruch in Neapel

Italien ist mein Lieblings-Urlaubsland, aber nach Neapel oder Pozzuoli würde ich eher nicht fahren. Das ist zwar eine ziemlich irreale Angst, denn niemand weiß, ob und wann ein Vulkanausbruch in den Phlegräischen Feldern tatsächlich stattfindet. Zudem würden wir auch in Berlin nicht von den Auswirkungen verschont, wenn es dort zum maximalen Szenario kommen würde, aber immerhin noch am Leben bleiben.

Das „maximale Szenario“ zeigt eine schweizer TV-Doku in drastischen Bildern. Man sieht wie Neapel und Pozzuoli binnen kürzester Zeit vernichtet werden, unterlegt von dramatischer Musik. Der Schweizer Tagesanzeiger schreibt dazu:

Es kommt selten vor, dass ein Schweizer Fernsehdokumentarfilm in der italienischen Öffentlichkeit Aufregung und Proteste heraufbeschwört. Die französische Filmemacherin Clara Losi hat dies mit einem 40-minütigen, für das Tessiner Fernsehen realisierten Beitrag geschafft.

Im Tessin wurde er bereits vor zwei Wochen ausgestrahlt, die Reaktion in Italien hat also etwas zeitverzögert eingesetzt. Dafür umso heftiger. Zeitungen schreiben von einer «Schweizer Schock-Reportage», vier süditalienische Bürgermeister – unter ihnen der neapolitanische – haben gemeinsam eine Protestnote aufgesetzt; es empören sich auch Vertreter von Tourismus- und Hotelverbänden («ein effekthascherischer Film») sowie Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie.

Wer dem Link folgt, bekommt allerdings nur diese Meldung zu sehen:

Meldung: nicht erhältlich außerhalb der Schweiz

Na endlich mal eine Gelegenheit, mein VPN zu nutzen! Habe also einen Schweizer Server ausgewählt und mir die Doku angesehen. Die katastrophalen Bilder machen nur einen kleinen Teil der Sendezeit aus, aber ich kann mir schon vorstellen, dass sie nicht gerade Tourismus-fördernd wirken. Ich wundere mich sowieso, dass die direkten Anwohner (3 Millionen!) nicht schon längst das Weite gesucht haben, denn immer wieder gibt es kleine Erdbeben, in letzter Zeit wieder vermehrt. Auch hebt sich der Boden an, so dass es hier und da Risse an den alten Häusern gibt – alles Zeichen, dass sich im Untergrund etwas tut.

In der Doku wird wissenschaftlich nichts Falsches behauptet und sogar abgewiegelt:

„Zwar wird im Film auch erwähnt, dass die vulkanischen Aktivitäten in den Phlegräischen Feldern mit modernsten Mitteln überwacht werden und es Evakuierungspläne gibt. Donovan sagt auch den Satz: «Die Wahrscheinlichkeit, dass in naher Zukunft etwas passiert, ist gering.» Die Dokumentation lässt das Schreckensszenario dennoch anschauliche Realität werden und angesehene Expertinnen und Experten dessen verheerende Auswirkungen schildern. So entsteht ein Apokalypsenfilm mit wissenschaftlichem Anspruch und faktenbasiertem Lustgrusel-Effekt.“

Lustgruseln“ ist für viele Filmschaffende ein Geschäftsmodell. Zwar haben wir hierzulande keine Phlegräischen Felder oder so sichtbare Vulkane wie den Vesuv. Macht nix, dafür stellt Terra Xplore (ZDF) die drängende Frage: „Laacher See: Leben wir auf einem Pulverfass?“ und Quarks zeigt „Wie ein Vulkan die Eifel bedroht“ – auch mit realistisch anmutenden Katastrophenbildern. Nun ist die Eifel nicht unbedingt ein touristischer HotSpot und es gibt meines Wissens auch nicht ständig kleine Erdbeben. Aber egal, fürs Lustgruseln reicht es allemal!

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Schweizer Schock-Reportage zeigt möglichen Vulkanausbruch in Neapel“.

  1. Möglicherweise hatte ich schon immer eine Neigung zum Fatalismus. Die derzeitigen Bedrohungen (auch diese) sind uns nicht ganz neu. Über die möglichen Katastrophen-Szenarien um den Laacher See (der vielleicht 100 km von uns entfernt liegt) sind schon seit Jahren immer mal wieder Thema. Zusammengenommen mit den Auswirkungen der längst begonnenen Klimakatastrophe dürfte bei vielen an Vertrauen in die Zukunft nicht mehr all zuviel vorhanden sein. Kein Wunder, weshalb gerade so viele junge Leute aufgrund dieser Überforderung mit Schreckensszenarien am Rad drehen. Ich sage mir in Zeiten eigener Überforderung, dass ich mich für irgendeine Todesart mal entscheiden muss. Es gibt so schrecklich viele und gruselige.

  2. @Horst: Konzentration auf das Hier&Jetzt ist das einzige, was wirklich hilft! Damit meine ich nicht die Verleugnung aller Gefahren, aber es kommt drauf an, nicht ständig in gedanklichen Schreckensszenarien und entsprechenden Sorgen zu kreisen. Das hilft in keiner Hinsicht weiter und verschlechtert nur das eigene Lebensgefühl.

  3. Irgendwann werden Alien auftauchen. Dann beobachten sie uns erstmal eine Weile. Aus dem Orbit. Vor dem ersten Kontakt. Letztendlich stellen sie fest: Die Menschheit ist total verrückt und daher als Krankheit zu werten. Und davon wollen sie verständlicherweise nicht kontaminiert werden. Also fliegen sie schnell weiter. Oder brennen hier alles nieder. Ich tippe auf zweiteres.

  4. Lustgruseln – kannte ich bisher nicht, beschreibt aber wunderbar die hypnotisierende Faszination, die manche Schreckensszenarien in einem auslösen. Ein bisschen mehr Gelassenheit würde uns allen in dieser Hinsicht gut tun. Das die Medien ihr Geld mit Panikmache verdienen, ist ja kein Geheimnis. Da müsste ich auch die Großstadt meiden – ich könnte ja sonst von einem aus dem zehnten Stock fallenden Klavier erschlagen werden. Moment, das war glaub nur ein Zeichentrickfilm 🤔

  5. „Lustgruseln“ ist für viele Filmschaffende ein Geschäftsmodell.

    Das funktioniert seit mindestens „Nosferatu“, der Göttlichen Komödie und dem Alten Testament. Irgendo müssen die Höllenqualen oder andere Schreckensszenarien wie Prometheus in den alten Sagen der Klassiker ja auch ihre Berechtigung herhaben;-)

  6. @Worf: na, wer weiß… ich denke, auch Aliens sind keine besseren Menschen… :-)

    @QueenAll: ich denke, die Faszination / das Lustgruseln kommt von der Konfrontation mit eigenen kreatürlichen Ängsten, ohne dass aktuell eine wirkliche Gefahr droht (wie schön, das passiert mir gerade nicht!).

    @Thomas: Ja, stimmt. Aber seit dem Internet haben sich die per Angst & Gefahr um Clicks battelnden Medien derart vervielfacht, dass ein Lebensgefühl „kurz vor Weltuntergang“ supported wird – mit vielerlei Folgen, die wiederum neue Anlässe für Schockmeldungen bieten.

  7. @Claudia

    Jo mei – das Schwarzmalen potenziert sich halt in den Blasen genauso wie der Verschwörungsmüll. Da brauchst Du aber nur bei Youtube in die Seitenleiste zu schauen, wo vom Börsencrash über Wirtschaftskrise alle möglichen Schreckensszenarien herbeigenudelt werden, die aber im Gegensatz zu den wirklichen Problemen wie Klima usw. die meisten „Normalos“ gar nicht jucken dürften bzw. worauf sie gar keinen Einfluß haben. Weder können die „Sicherheiten“ in Gold machen noch irgendetwas Anderes des dort als „ultimativen Geheimtipp“ Angepriesenen – nur Hirnvernebeln und eben FUD.

    Letzten Endes ist es das, was es vorher bei solchen Klitschen wie Kopp und Konsorten in Buchform gab und wo ganz ähnlich billig hingeschmiert derselbe Schmonz bereits vertickt wurde. Schnelle Kohle für die Schreiberlinge der meist in dräuend schwarz-rot-apokalyptischer Aufmachung daherkommenden Papierverschwendung und Nahrung für die bibbernden Panikschieber im stillen Kämmerlein. Das müssen die sich weiland bei Stern und Spiegel abgekuckt haben mit der Aufmachung und auch da hat Panik und „Lustgruseln“ schon verkaufsfördernd wirken sollen – alter Wein in neuen Schläuchen und für den in neuer Quantität, der darauf abfährt.

    „Schaut man lange genug in den Abgrund, dann schaut der Abgrund auch aus dir…“

  8. „Schaut man lange genug in den Abgrund, dann schaut der Abgrund auch aus dir…“

    Dieses Zitat habe ich anders in Erinnerung…
    „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
    Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)
    Quelle: Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, 1886. Viertes Hauptstück. Sprüche und Zwischenspiele, 146
    …passt aber irgendwie in beiden Varianten zum Thema… ;-)

  9. @Günther

    Irgendwie so – ich war zu faul zum Suchen;-)

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