Claudia am 17. Oktober 2012 —

Zwischen Ideal und realem Leben: vom Ausgleich

Was können Politiker tun, um die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen, zwischen Idealen der Partei und der eigenen Lebenspraxis im Fall des “Sündenfalls” nicht zum Mega-Konflikt werden zu lassen?

Niemand schafft es, ganz so zu leben, wie es den eigenen Idealen entspricht. Mal kauft man doch nicht regional und bio, wenn’s mal schnell gehen muss, mal sind die Klamotten nicht alle “fair gehandelt”, mal twittert man irgend einen Mist weiter, ohne groß nachzuforschen – und wenn’s ums eigene Einkommen geht, gelingt es nur wenigen, dies außerhalb jeglicher kritikwürdiger Strukturen zu verdienen.

Was bei “ganz normalen Menschen” nicht weiter auffällt, wird auf neue Art brisant, sobald jemand ein politisches Amt oder Mandat annimmt. Auf einmal wird man an jenen Idealen und Zielen gemessen, für die die Partei steht. Die Öffentlichkeit erwartet – ob berechtigt oder nicht – ein “Vorleben der Ideale”, bzw. zumindest keine krassen Verstöße gegen diesselben. Ein Kanzler Schröder eckte als “Genosse der Bosse” an, weil er mit Armani-Anzug und Zigarre mit den Mächtigen parlierte, der Grüne Özdemir erlitt einen Karriereknick, weil er bei einem umstrittenen Lobbyisten einen Kredit aufnahm – und Julia Schramm wurde zur zentralen Figur eines gewaltigen Shitstorms, weil sie ihr Buch bei einem Verlag veröffentlichte und dafür ein stattliches Honorar kassierte. Anstatt es zum freien Download anzbieten, wie es “piratiger” gewesen wäre.

Wieviel Konsequenz im Sinne der jeweiligen Ideale von Politikern verlangt wird, lässt sich nicht pauschal vorhersagen. Von einem GRÜNEN würde man mit Sicherheit erwarten, dass er im eigenen Haushalt und Büro den Müll trennt, nicht aber, dass alle dort laufenden E-Geräte nur mit Strom laufen, der vom Windrad auf dem Dach stammt. Ein Politiker der LINKEN darf durchaus Unternehmer sein, aber kein ganz böser Chef, der die Mitarbeiter übel behandelt. Was Piraten in diesem Spannungsfeld tun oder lassen sollten, ist vergleisweise noch recht unklar: die einen verlangen 100%ige Konsequenz, andere gestehen vernünftigerweise zu, dass man sich ja in Strukturen bewegt, die dem Ideal noch lang nicht entsprechen – und loben bereits kleine Verbesserungen wie etwa die “Nichtverfolgung” der Schwarzkopierer im Fall von Julia Schramms Buch.
Was tun im Fall des “Sündenfalls”? Ausgleichen!

Entscheidet man sich als Politiker/in dafür, etwas zu tun, was in der Tendenz vermutlich zu Kritik wegen Nicht-Umsetzung der Ideale führt, würde ich den Weg wählen, gleichzeitig im Rahmen meiner Möglichkeiten einen Ausgleich zu schaffen. Also mittels der Benefits, die mir durch das jeweilige Verhalten zufließen, etwas tun, das den Idealen dient, gegen die ich im Einzelfall verstoße. Im Fall Schramm hätte das z.B. geheißen, einen Betrag >50% des Honorars der Piratenpartei zu spenden: zum Aufbau besserer Strukturen, für Öffentlichkeitsarbeit – und damit FÜR die weitere Arbeit an der gesellschaftlichen Umsetzung der Ideale, die man im Einzelfall selber nicht 100%ig leben will oder leben kann.

Ich wette, die Kritik wäre dann deutlich milder ausgefallen – sowohl innerhalt als auch außerhalb der Partei.

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