Claudia am 19. April 2024 — 8 Kommentare

Meditatives Erleben: Die Teppichreinigung

Gestern bin ich auf ein Video gestoßen, dass die Reinigung eines Perserteppichs zeigt, der 50 Jahre nicht gesäubert wurde.

Teppichreinigung

Das Video ist 21 Minuten lang, Unmengen an Wasser und verschiedenartige Geräte, Schieber und Besen kommen zum Einsatz. Der Teppich – zunächst nur eine schlammfarbige Fläche – sondert bei jeder Behandlung jede Menge Dreck ab, wieder und wieder. Es scheint einfach kein Ende zu nehmen, jedoch kommt nach und nach tatsächlich ein Muster zum Vorschein. Auch dann geht es aber noch lange lange weiter….

Was ich mich schon bald fragte: Warum schaue ich da zu? Warum bleibe ich dran, obwohl das doch – eigentlich – ein langweiliger Vorgang ist? Ja, man kann einen extrem dreckigen Teppich erfolgreich reinigen – na und? Was hat das mit mir zu tun? Ich reinige meine wenigen Teppiche nicht, sondern staubsauge sie alle Jubeljahre mal.

Und dennoch klebe ich an diesem Video, fasziniert vom Fortschritt der Reinigung, den immer noch weiter sich ergießenden Schmutzwellen, die auf den Fliesenboden schwappen, um auch von dort sorgsam weggekehrt zu werden.

Teppichreinigung

Es tut mir gut, es beruhigt und befriedigt: Hier ist ein konkret sichtbares, handfestes Problem, das durch zügiges, effektives Tun gelöst wird. Wie schön – und wie selten heutzutage! Kein Meinen, Glauben, Spekulieren, Schwurbeln, Debattieren und Streiten über zigtausend Dinge, die wir nicht „einfach lösen“ können, sondern ein dreckiger Teppich, der am Ende der 21 Minuten in ungeahnter Schönheit erstrahlt.

Der Kanal des Reinigungsunternehmens bietet noch mehr davon, da schau ich gewiss wieder mal rein! :-)

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Diskussion

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8 Kommentare zu „Meditatives Erleben: Die Teppichreinigung“.

  1. So geht es mir, wenn ich nach der Spätschicht Snooker auf dem Sportkanal schaue. Das leise Klacken der Kugeln und dazu die monotonen Ansagen des Schiedsrichters. Das ist Entspannung und Meditation zugleich. Fast so schön und chillig wie Bob Ross. The Joy of Painting.

  2. Gibt man sich etwas Mühe und lässt dabei nicht nach, dann kommen schöne Dinge zu Tage. Wenn das bei unseren alltäglichen Debatten doch ähnlich liefe.

  3. Obwohl die Speisekarte ja nicht die Speise ist, – ich machte als Treppenhausreiniger in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg eine ähnlich befriedigende Erfahrung, wie Du beim Zuschauen der Reinigung eines Teppichs.
    Da zur Mühe auf der Ebene noch die dritte Dimension der Höhe hinzukam, und das Ganze innerhalb einer gewissen Zeit stattfinden musste, also einer nicht unerheblichen körperlichen Anstrengung bedurfte und daher auch die „träge Masse“ :-) Teil des Geschehens war, stand am Ende dieser vierdimensionalen Raum-Zeit-Erfahrung ein: „es ist vollbracht“, – ein „Quäntchen Trost“ also, das die niedere Stellung im Sozialgefüge der nach oben offenen „Richter-Skala“ erträglich machte, und manchmal, wenn es gut lief, auch ein wenig Stolz. :-)

  4. Das kenne ich, da gibt es noch viele andere. Die, die verwilderte Vorgärten richtig, oder die, die verstopfte Kanäle und Gullies reinigen oder Modellautos restaurieren. Über alle habe ich, glaube ich auch schon gebloggt.
    Da gucke ich stundenlang zu zum beruhigen.

    Jedoch haben diese Kanäle auch den Ruf, die Exponate vorher selbst in den schlechten Zustand gebracht zu haben, aber mich stört das nicht. Mich wundert es nur, sollte das nicht der Fall sein, wie ein Teppich der solange schlecht behandelt wurde, nach so einer recht brachialen Reinigung wie fabrikneu aussieht.

  5. Ich kenne den clip als ca. 1-minütigen short, von denen ich mir bei schlechtem Wetter schon mal 2-3 Stunden die Zeit vertreiben lasse. Irgendwas „sinnvolles“ muss man als Ruheständler ja machen :)) Ich bin ein großer Fan dieser shorts. Der personalisierte Algorithmus kann da seine Stärken voll ausspielen und kennt meine Unterhaltungsvorlieben mittlerweile besser, als ich selbst.

  6. Lieben Dank für Eure Kommentare!

    @Worf:
    ja, The Joy of Painting hab ich früher auch gerne geguckt und immer gestaunt, wie er seine Bilder malt!

    @Horst: Ja, das wäre schön, ist aber leider nicht so. Ganz im Gegenteil kommt immer mehr Unsinn raus, wenn man sich auf so manche Behauptungen mal argumentierend einlässt!

    @Manfred: alle Achtung! Das ist eine systemrelevante Arbeit, die viel mehr wertgeschätzt werden müsste!

    @Massimo: Der Teppichreiniger ist garantiert echt, das zeigt ein Blick auf die weiteren Videos. So viel Dreck bekommt man für einen kurzen Fake gar nicht in einen Teppich!

    @Menachem: Als „Short“ hätte das bei mir nicht diese meditative Wirkung gehabt. Ich finde Shorts gelegentlich amüsant (manchmal auch informativ), empfinde aber auch eine gewisse Hektik, wenn da eins ums andere folgt….

  7. Zu Coronazeiten hab ich mir auch immer mal Restaurationsvideos angesehen. Im Prinzip spannend, aber nur den meditativen Effekt zu haben, hat mir dann persönlich nicht gereicht. Sicher, ein Restaurator kann keine kunsttheoretische Erklärung geben, aber mehr zu Material und Vorgehensweise beim Bemalen hätte man nebenher schon erzählen können. In dem Video hier wird ja (soweit ich es gesehen habe) auch nicht erzählt. Na ja, ich verlange von allem zu viel, es ist nur Youtube und der Trend geht zu … ja, wohin er auch immer geht.
    Die richtig informativen Sendungen verschwinden immer mehr (oder ich schaffe es nicht mehr, sie zu finden, ihnen zu folgen) und Youtube (mittlerweile Werbetube) zeigt immer mehr Shorts. Diesen auch oben in einem Kommentar beschriebenen Effekt, dass man mit einminütigen Clips mal ganz rasch eine oder zwei Stunden verbringen kann: ehrlich gesagt, ich finde es schrecklich. Zumal einem (bzw. mir) immer mehr Videos angezeigt werden, die mich schocken (da bin ich schon von Instagram weg, weil dann irgendwann nur noch Autounfallvideos kamen, von den Bahnsteigkante-Könnte-Könntenicht-Horrorvideos ganz zu schweigen…

  8. Vielleicht sollte ich mal den Vorgang des Unkraut zupfens filmen – wobei manch Gartenprofi dabei wahrscheinlich Bluthochdruck bekommt, wenn ich als blutiger Anfänger mal wieder ein Beikraut mit einem Wunschkraut verwechsle und das einfach rausrupfe 😉

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