Claudia am 28. Februar 2010 —

Macht und Geschlecht – Macht und Alkohol

Im Anschluß an die Käßmann-Debatte will ich dem Thema „Macht und Weiblichkeit versus Männlichkeit“ einen eigenen Beitrag widmen.

Bezüglich der Schwierigkeiten von Frauen in Machtpositionen hatte ich die Gedanken von Antje Schrupp zustimmend zitiert, die mit ihrem Konzept des „männlichen Imaginiären“ darauf hinweist, dass Männer in Machtpositionen eine Bestätigung ihrer Männlichkeit erfahren, wogegen Frauen eher einen Verlust an Weiblichkeit verkraften müssen, bzw. zu einer Art „Neutrum“ mutieren. Weiblichkeit erscheint in dieser Sicht als „Störfaktor“ im Bereich der Macht – eine zusätzliche Konfliktlinie, die Frauen davon abhält, sich um solche Ämter zu bewerben, bzw. an ihnen zu hängen, wie es Männer tun.

Dieser mir sehr einleuchtenden Sicht der Dinge hat Susanne widersprochen:

„Wenn ich beruflichen Erfolg (mit seinen Begleiterscheinungen wie Macht, Durchsetzungswillen, Prestigedenken, Glamour usw.) nicht als Element eines sich entfaltenden Verständnisses von ‘Weiblichkeit’ sehe oder sehen will, beschränke ich den Umkreis eines möglichen Verständnisses in vorauseilendem Gehorsam viel zu sehr (und vielleicht ausgerechnet auf gehasste traditionelle Elemente). Erfolgreiche Frauen wie Frau Käßmann – und, warum nicht, auch Frau Merkel oder Frau von der Leyen – definieren eben durch ihre Bekanntheit auch ein sich veränderndes Bild von Weiblichkeit. „

Antje Schrupp gibt Susanne nun „theoretisch recht“, doch ist ihre Intention eben die, zu untersuchen, warum so wenige Frauen den Weg in höchste Machtpositionen antreten. Und da sieht sie die Trennung solcher Positionen vom „männlich Imaginären“ als Möglichkeit: nur dann hätten Frauen einen ebenso großen Anreiz wie Männer, um die Posten zu kämpfen. Wie das in der Praxis gehen könnte, kann ich mir allerdings nicht vorstellen, denn Macht und Prestige solcher Positionen lassen sich ja nicht einfach abschaffen. Und das weibliche Faible für Männer mit Macht und Einfluss scheint evolutionär ebenso fest verwurzelt wie die männliche Präferenz für Frauen mit Gebährfähigkeit anzeigenden körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Dass Susanne darauf verweist, dass Macht heute keine persönliche, sondern wesentlich funktionelle Macht ist, hilft über die Differenz der Geschlechter mit ihren Vor- und Nachteilen aus meiner Sicht nicht hinweg. Sie schreibt ja selbst:

„Männer neigen dazu, sich in Bedeutsamkeit aufzuplustern. Phallus, halt. Das tun sie immer und überall, im Amt, in der Diskussion, und auch im Bett. Frauen neigen dazu, sich zu verbeißen. Auch das tun sie überall, ich erspare mir die peinlichen Details.“

„Sich verbeißen“ ist in heutigen Machtpositionen kein Vorteil, sondern eine Einschränkung der nötigen Flexibilität. Wogegen das „Zelebrieren von Bedeutsamkeit“ ein Feature ist, dass die ungeliebte Notwendigkeit, in komplexen Zusammenhängen mit vielerlei Akteuren Lösungen zu finden, zugunsten von „Machtworten“ und Basta-Politik ersetzen kann. Und MANN macht dabei sogar eine gute Figur, wogegen Frauen mangelnde Führungsqualität vorgeworfen wird, wenn sie diesen Gestus vermissen lassen.

Eigene Erfahrungen: Der Konflikt kommt nicht von außen

Gerne würde ich es sehen wie Susanne, die keinen wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschied in Bezug auf Machtpositionen sieht. Allerdings hab‘ ich selbst erlebt, wie man sich als Frau in dominierenden, mit einiger Entscheidungsmacht ausgestatteten Funktionen vom „weiblichen Imaginären“ entfernt – um es mal andersrum auszudrücken.

Sogenannte „ungeliebte Entscheidungen“ – also solche, die einem Teil der Betroffenen nicht gefallen werden – fallen als Frau viel schwerer. Bzw. man entspricht dann gerade NICHT der weiblichen Geschlechtsrolle, die eben doch mehrheitlich mit Beziehungsfreundlichkeit, Harmonie, Mütterlichkeit, Ausgleich, Fürsorge, Gefühl, Herz etc. assoziiert wird – und nicht mit Härte, Coolness, Konsequenz, Rationalität, Effektivität, Risikobereitschaft etc. Sich gar zu freuen, die Gegner durch geschicktes machtbewusstes Handeln erfolgreich aus dem Feld geschlagen zu haben, steht einer Frau schon gar nicht. Bei Männern wirkt der „We-are-the-Champions-Gestus“ dagegen ganz selbstverständlich.

Bei alledem geht es nicht allein um Rollenerwartungen Anderer, die etwa dauernd vorwurfsvoll heran getragen werden (Mannweib!) oder sich in spezifischer Feindseligkeit, verbunden mit Missachtung äußern: der Konflikt läuft im eigenen Inneren ab – und nicht mal als explizites Frauenthema.

Mich hat zum Beispiel in meinen politisch sehr aktiven Jahren (zwischen 26 und 39) die Frauenfrage gar nicht interessiert und wie ich meinte, auch kaum tangiert. Ich bemerkte nur positiven Support von Seiten grün-alternativer Kreise, die mich gerne eingemeinden wollten: aktive, aktionsfähige Frauen waren genau das Erwünschte, Weiblichkeit ein Bonus. Ein echter Vorteil also gegenüber Männern, die jedoch hinter den Kulissen eine Menge informelle Macht gegen einzelne „unliebsame“ Frauen ausübten (DAS allein war es aber nicht, was mich aus der begonnenen Partei-Karriere aussteigen ließ).

Der Aufstieg der GRÜNEN, das ganze Parteigeschehen tangierte mich nur am Rande: ich war „an der Basis“ aktiv – zunächst als engagierte Hausbesetzerin in einem Sanierungsgebiet, in dem hunderte Wohnungen leer standen, während allgemeine Wohnungsnot herrschte. Das jugendlich-rebellische HulliGulli-Leben in „autonomen Räumen“ genügte mir allerdings nicht: ich mischte bald mit in der Berliner „Häuser-Politik“ und vertrat eine eher sach-orientierte, nicht utopistische stadtteilpolitische „Linie“ innerhalb der sehr verschieden motivierten Besetzerkreise (damals ca. 3000 Leute in Berlin mit ca. 50.000 Unterstützern und viel Anklang in der Bevölkerung).

Schnell und schmerzlich lernte ich dabei die Grenzen der in der Jugend so geschätzten „Basisdemokratie“ kennen. Die Welt wartet nicht, bis sich alle herrschaftsfrei einigen – und wenn mir ein Mikrofon der Abendschau hingehalten wird, kann ich ja nicht erst ein „Plenum“ einberufen, um zu ermitteln, was ich sagen darf. Ich erfuhr zum eigenen Erstaunen, dass ich MACHT ausübe, indem ich „in Vertretung“ der Hausbesetzer meines Stadtteils etwas sage. Es war Freude und Last zugleich und bedeutete eine Menge interne Konflikte, die man stets im Auge behalten und kontinuierlich „bearbeiten“ musste. Da ich aber immer „für die Sache“ und nicht für mich zu agieren meinte, entwickelte ich tatsächlich so etwas wie „bewusste Machtpolitik“, mit der es mir schnell gelang, meinen Einfluss zu festigen und allerlei Ergebnisse auch wirklich zu erreichen.

Während des sich über Jahre hinziehenden Konflikts stieg ich in die örtliche Mietervertretung ein, wurde ein führender „Kopf“, ließ mich in den Vorstand der zwei aktiven Stadtteilvereine wählen und wurde schlussendlich nebenbei auch Parteimitglied (AL, später GRÜNE) und Fraktionsassistentin in Kreuzberg. Es war nun nicht mehr bloß informelle und faktische Macht, die ich ausübte, sondern ich hatte Ämter und ganz offizielle Aufgaben, deren Inhalt ich jedoch weitgehend selbst bestimmte – indem ich mir halt im Einzelfall das Mandat der entsprechenden „Basis“ holte. Reden halten und Mehrheiten finden konnte ich in der Zeit ganz gut! :-)

WIR – das gespaltene ICH und der Alkohol

Sanierung wurde nun mit „uns“ verhandelt, ob ein Eigentümer öffentliche Gelder bekam, hing durchaus auch von „uns“ ab. Wir waren es, die den Mietern sagen konnten: JETZT muss man zugreifen und den Widerstand aufgeben, günstiger und mieterfreundlicher wirds nicht mehr! Daneben bewegten „wir“ alles mit, was so an Stadtteilpolitik anlag: Verkehrsführung u. Beruhigung, Baumaßnahmen auf Straßen und Plätzen, Fördermittel für dies und jenes Projekt und und und.

Zwar war ich von außen betrachtet eine heraus ragende Figur mit durchaus eigenen Ansichten, doch im Selbstverständnis agierte ich immer für ein WIR. Das legitimierte mich auch zu unangenehmen, machtvollen Vorgehensweisen, während deren Ausführung ich innerlich manchmal fast gestorben bin vor Unwohlsein!

Ich musste mit Konsequenzen drohen, ausgrenzen, mit mächtigen Gruppen/Personen außerhalb der offiziellen Meetings mauscheln, die einen Akteure gegen die anderen ausspielen, mich bei Gelegenheit empört geben, wenn mir das Gegenüber doch (aus seiner Sicht) sehr verständlich, ja vielleicht sogar SYMPATHISCH war. Von heute aus gesehen der reine Horror – damals schottete ich mich zunehmend von dieser Wahrnehmung ab, sonst hätte ich ja nicht weiter machen können.

Dass all das auch echte Erfolge „im Sinne der Sache“ zeitigte, half mir zwar, die psychischen Kosten zu ignorieren, doch immer öfter half dabei auch der Alkohol. Es gab ja kein Leben neben all diesen Kämpfen mehr, denn ich war rund um die Uhr stets im Kontext meiner „Ämter“ ansprechbar, insbesondere beim abendlichen Ausspannen in der Kiezkneipe, in der man die Weltverbesserungen von morgen bei weiß-nicht-wieviel Bier mit den – nicht immer untereinander einigen – Mitstreitern so lange diskutierte, bis die „Linie“ wieder klar war. Auch nach offiziellen Meetings in konzentrierter, kämpferischer und sämtliche Interessen innerlich berücksichtigender Kommunikation half allein der Alkohol, endlich wieder in ein etwas friedlicheres Gefühl der Gelassenheit zu kommen. Nur dabei konnte ich mich über die jeweiligen Triumpfe auch „freuen wie ein Mann“.

Irgendwann bemerkte ich, dass ich mich ganz beiläufig in den Alkoholismus gesoffen hatte. Es begann ein langer (zum Glück noch freiwilliger) Rückzug, der fürs Thema dieses Artikels nicht weiter wichtig ist. Er führte mich zu meinem persönlichen Tiefpunkt, an dem ich „mich selber“ als ganze, ungeteilte und nicht gespaltene Person wieder fand. Die hatte ich nämlich völlig vergessen: eine Frau, die tut, was nicht nur aus dem Kopf heraus richtig ist, sondern auch vom Gefühl und inneren Empfinden her stimmt!

Mit Machtpositionen ist ein solcher Mensch allerdings nicht mehr kompatibel – egal, ob als Mann oder als Frau. Insoweit gebe ich Susanne recht, die Männer und Frauen vor denselben Problemen stehen sieht, wenn es um das Ausfüllen machtvoller Ämter und Posten geht. Neben den Freuden des Erfolgs gibt es für Männer allerdings eine weitere machtvolle Unterstützung, um all die psychischen Härten durchzuhalten: Eben das „männliche Imaginäre“, das Antje Schrupp so gut beschreibt. Wer als Mann machtvoll agiert, gewinnt allein deshalb an (männlicher) Statur, wird sozusagen „Super-Mann“ und erringt jede Menge Bewunderung des anderen Geschlechts. Für Frauen existiert nichts vergleichbares, im Gegenteil, ihre Weiblichkeit wird in Zweifel gezogen, je machtbewusster sie agieren. Eine Frau würde auch nie an irgendwelchen Toren der Macht stehen und laut sagen „ich will da rein“ – und schon gar nicht daraus noch ein nettes mediales Anekdötchen stricken, wie Schröder es tun konnte.

Ja, das ist schon ein Unterschied – und wie Antje richtig sagt keiner, den man mittels „Gleichstellungsbemühungen“ angehen könnte!

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Diskussion

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26 Kommentare zu „Macht und Geschlecht – Macht und Alkohol“.

  1. Abgesehen von der hoch interessanten, aufrichtig wirkenden und lebensnah erzählten persönlichen Geschichte von Dir Claudia, habe ich den Eindruck, daß hier von Männer- und Frauenbildern die Rede ist, denen man anhängen kann oder auch nicht.

    Ich bin eindeutig männlich, habe und hatte viel vergnüglichen Hetero-Sex, ohne dabei mehr von mir aufzuplustern als notwendig und ohne Bewußtsein von Bedeutsamkeit aber ich verabscheue Macht, im Sinne von Macht über andere Menschen. Ich hasse es kommandiert und gegängelt zu werden und ebenso hasse ich es, anderen Vorschriften zu machen. Beides zu verhindern ist garnicht so einfach, denn viele sind süchtig nach Unterwerfung, wollen herrschen oder wollen beherrscht werden oder beides im Wechsel.

    Wenn man einen abstrakten Mann-Frau-Vergleich in diesem Zusammenhang für sinnvoll hält, dann sage ich dazu: Ich kenne machthungrige Männer ebenso wie machthungrige Frauen. Männer tun es vielleicht mehr „draußen“, in Wirtschaft, Politik oder Hobby, Frauen vielleicht eher „innen“, am liebsten mit ihren Kindern. Ob sich dieses, mein Vorurteil, nun bestätigt oder nicht, ist mir aber egal. In meinem Leben wird es keine Machtausübung von Menschen über Menschen mehr geben. Sich so zu entscheiden, ist geschlechtsunabhängig, man braucht lediglich …. ja, was eigentlich, dafür.

  2. @Uwe: Zustimmung!

    Macht zu haben ist für Viele eine Art Ersatz für geliebt zu werden. Ein ziemlich dröger Ersatz. Der Wunsch, geliebt zu werden, ist Männern wie Frauen gleichermaßen zu eigen. Macht als Ersatz dafür zu missbrauchen ist ebenso weit verbreitet. Dabei hat Macht eigentlich eher was mit Verantwortung zu tun und im Zusammenhang damit oft genug die Notwendigkeit, sich unbeliebt zu machen.

    Und auch das Wechselspiel zwischen absoluter Macht und absoluter Abhängigkeit ist weder besonders geschlechtsspezifisch noch besonders selten. Die Sado-Maso Scene ist da lediglich die Spitze des Eisbergs.

    Was braucht es, um sich „richtig“ zu entscheiden? Persönlichkeit?

  3. Als Krankenpfleger arbeite ich in einer Frauendomäne. Meine zwei unmittelbaren Vorgesetzten sind Frauen (Stationsschwester, Pflegedienstleiterin). Sie üben eine, wenn auch in dieser Hierarchie bescheidene Macht aus. Auch sonst bin ich Hahn im Korb. Zwar nahm der Anteil männlicher Pflegekräfte in den 20 Jahren, die ich diesen Job nun mache, signifikant zu; trotzdem hatte ich noch nie mit männlichen Leitungskräften zu tun und kann somit leider keinen direkten Vergleich ziehen.

    Als einziger Mann inmitten von 12 festangestellten weiblichen Pflegkräften erlebe ich ’ne Menge Rumgezicke und bin daran gewöhnt. Vielleicht habe ich sogar einen Sensus für feminine Herangehens- und Verhaltensweisen entwickeln können, der es mir ermöglicht, um die Ecke herum zu kommunizieren. Ebenso unnmöglich ist eine reine sachbezogene, abstrahierende Diskussion. Ich muß Probleme konkret erörtern und immer Rücksicht auf personenspezifische Besonderheiten nehmen. Als Koch (damals vor mehr als 20 Jahren) erlebte ich einen ungleich rüderer Ton. Die Küche ist kein Zuckerschlecken. Da bekam man öfter eine Schaumkelle ins Kreuz. In der Pflege fällt mir vor allem das Harmoniebestreben nicht nur der Leitungsebene auf. Konflikte drücken sich unter Frauen vielfältiger aus. Sie bleiben dankbarerweise aber nie lange virulent, sondern müssen sozusagen heraus und bewältigt werden. Das Ziel ist die rasche Einigung, das Wiederherstellung eines auch emotional erträglichen Zustandes.

    Macht verändert. Ich habe im Laufe der Jahre viele Kollegen (Studenten, Ärzte, Schwestern) die Hierarchiestufen heraufklettern sehen. Die Notwendigkeit, Entscheidungen und Anordnungen zu treffen, die befolgt werden müssen, verändert das Selbst- und Fremdbild und beeinflußt den Handlungsrahmen. Aus ehemals sehr umgänglichen Menschen können Kotzbrocken werden oder Menschen mit zunehmenden Macken, die ab einer gewissen Karrierehöhe niemand mehr zu ändern vermag, weil die Machtposition den Einspruch verbietet. Kommt der Chefarzt, zittert die Belegschaft, verstummen sonst sehr redefreudige Kollegen. Ich weiß ja auch nicht. Möglicherweise spielen geschlechtsspezifische Aspekte ab einer bestimmten Höhe einer Machtpistion keine Rolle mehr, sondern die Position selbst ist es, die einen Charakter schafft.

  4. @ Markus, verändert Macht, oder zeigt sie nur den wahren persönlichen Charakter? Positiv oder Negativ, als Summe unserer Erziehung und Erfahrungen? Vielleicht muss auch der Umgang damit erlernt werden? Wofür ist sie da? Nur weil sie möglich ist, heißt das nicht, dass sie sich aus angeborenen Genen frei und richtig wie eine Blüte entfalten muss.

    Vielleicht kommt man einigen Antworten näher, wenn sich auf das Ursprüngliche bezogen wird?
    Ist Macht ein lenkungsnotwendiges Instrument?
    Kann überhaupt und wie würde die Gemeinschaft ohne Macht funktionieren?
    Wenn Macht begehrenswert macht, wer ist der Initiator?
    Sucht sich der Mann durch Macht die richtige Frau oder sucht die Frau den Mann mit der Macht? Gibt es darin eine Mitte?

    Warum eigentlich GeschlechterROLLE?
    Wird nicht vielleicht erst durch die Schaffung einer ROLLE eine selbstläuferische Diskussion ausgelöst?

    Kann man Biologie und Geist komplett voneinander trennen? Wieso sollten in ganz unterschiedlichen Körpern die gleichen geistigen Aufgaben und Ziele liegen?

    Yin und Yang ergeben zusammen das Ganze. Schöner und besser kenne ich bis heute keine Darstellung.

  5. […] digital diary geht es weiter zum Thema Macht und Geschlecht, woraufhin ich sofort einen Kommentar schreiben mußte: “Als Krankenpfleger arbeite ich in […]

  6. @Uwe: wie kann man Macht verabscheuen? Ich weiß, dass diese Haltung verbreitet ist, doch erscheint sie mir gedankenlos: jeder denkt da an miese Chefs und unbeliebte Politiker, jedoch nicht daran, dass eine arbeitsteilige Gesellschaft mit komplexer Kultur ohne Machtpositionen überhaupt nicht zu managen ist. Man kann Macht an Recht und Gesetz binden, sie demokratisch kontrollieren, sie gut oder schlecht ausüben – aber „Macht an sich“ hassen? Das erscheint mir, als würde man Luft grundsätzlich ablehnen weil es mancherorts stinkt!

    Dann: alle Bürgerrechtsbewegungen sind Kämpfe um Macht: gerichtet gegen die aktuellen Mächte, die man mittels eigenem Machtgewinn zu anderem Handeln bewegen will. Oder man schafft ganz neue Institutionen, in denen widerum Macht etabliert wird, die sich kontinuierlich an der Gestaltung der jeweiligen Bereiche beteiligen soll.

    In der Hausbesetzerbewegung Anfang der 80ger hab ich z.B. auf Dauer doch bemerkt, dass ich keine Lust habe, ein Haus fortwährend „selbst zu verwalten und zu gestalten“. Das bedeutet dann aber auch, dass ich Hauseigentümer, Vermieter und Hausverwaltungen Macht gebe, bzw. deren Macht akzeptiere. Wir können nicht auf allen Feldern dauernd alles selber machen und bestimmten – deshalb gibt es Institutionen mit Macht-Positionen. Meine Erfahrung war definitiv: wer macht, hat Macht… und wenn viele mit Inhalt und Form dieses „anders machens“ einverstanden sind, etablieren sich dauerhaftere Machtpositionen: Jobs, Aufträge, Posten mit klarer „Arbeitsplatzbeschreibung“.

    Schön, wenn man auch mal die Basics diskutieren kann! :-)

  7. Siegfried: interessant, dass du genau wie Uwe auch, die Machtfrage gleich auf eine psychologische und Beziehungs-Schiene schiebst! Machthunger, geliebt werden wollen, SM-Spiele – dabei handelt der ganze Artikel von Macht im KLASSISCHEN SINNE: von der Problematik, im öffentlichen Eintreten für eine Sache – mit und ohne etabliertes Amt – psychisch nicht vor die Hunde zu gehen angesichts der Anforderungen, die so ein „Macht-Job“ mit sich bringt (wir kamen ja von der Käßmann-Debatte..). Und zu diesen Anforderungen gehört, wie du ja sagst, sich unbeliebt zu machen. Und da haben es (so die These des Beitrags) Männer leichter als Frauen, das innerpsychisch zu verkraften.

  8. Ja. Macht kann man auf 2 Arten sehen. Mit dem, was ich auf die Beziehungs-Schiene schiebe, meine ich eben die Art Macht, die im Wesentlichen aufgrund der gesellschaftlichen Anerkennung, letztendlich aufgrund des vermeintlichen geliebt-werdens angestrebt wird. Das meine ich übrigens bei weitem nicht ausschließlich sexuell. Das deutsche Wort Liebe ist hier sehr dürftig. Im klassischen Griechischen gab es dafür 3 Begriffe. Da war „eros“, was die sexuelle Liebe betrifft. Dann gab es „agape“, die die Liebe zu Gott bezeichnete (was wir hier getrost aussen vor lassen können), und dann gab es einen Begriff, der mir wieder entfallen ist, der eine geschwisterliche oder einfach menschliche Liebe bezeichnete. Ich meine hier eigentlich vor Allem letztere.

    Die Art von Macht, die Du hier anführst, ist eine andere, leider kaum verbreitete. Am besten trifft das ein Satz, den Christus mal zu seinen Jüngern gesagt hat: „Wer unter Euch der Erste sein will, der sei Euer aller Diener“. Das ist die Art Macht, die Du selbst erfahren hast (Hausbesetzung, Hausverwaltung). Das ist die Art von Macht, die aus machen resultiert. Aber das ist eben eine leider viel zu seltene Art von Macht.

  9. Viele starke Frauen in Machtpositionen machen es doch eigentlich vor: Webilichkeit und Macht muss sich nicht zwangsläufig widersprechen. Allerdings ist es für Frauen sicher schwerer sich zu behaupten, keine Frage.

  10. @Markus: danke für deine interessanten Erfahrungen „unter Frauen“!!! Oh ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen! Habe ich doch selbst gewisse Probleme mit Geschlechtsgenossinnen – und zwar wegen der von dir benannten Aspekte:

    „Ebenso unnmöglich ist eine reine sachbezogene, abstrahierende Diskussion. Ich muß Probleme konkret erörtern und immer Rücksicht auf personenspezifische Besonderheiten nehmen.“

    Deshalb steht in alten analog gedachten Metaphern der Mann für das Gesetz, die Frau für die Gerechtikeit im Einzelfall. Stell dir vor, morgen ist Weltuntergang – woran denkt Frau zuerst? Vermutlich daran, ob’s wohl der Beziehung schadet. :-)
    Obwohl selber Frau, kann mich sowas wahnsinnig machen! Und doch leide ich im Einzelfall auch jede Ungerechtigkeit mit – und neige dann dazu, Gesetze so zuzuschneiden, dass auch dieser Einzelfall GERECHT geregelt ist. (Und so entsteht IM GROSSEN ein von männlichem und weiblichem Denken erzeugtes ungemein dichtes Regelungsgewirr…)

    „Die Notwendigkeit, Entscheidungen und Anordnungen zu treffen, die befolgt werden müssen, verändert das Selbst- und Fremdbild und beeinflußt den Handlungsrahmen. Aus ehemals sehr umgänglichen Menschen können Kotzbrocken werden oder Menschen mit zunehmenden Macken“

    Ja, und ich denke, das liegt daran, dass man mit sich selbst nicht mehr im Reinen ist, wenn man Dinge durchsetzen muss, hinter denen man nicht steht (was eigentlich in allen Machtpositionen AUCH nötig ist). Man kann ja den Leuten nicht sagen: du musst das jetzt so machen, aber ich weiß auch, dass das Unsinn ist! Und mit dem „Verändern nach oben“ reibt man sich schnell auf, denn man kann ja nicht alles Bestehende/Etablierte mal eben anders machen…

    @Menachem: wow, so viele Fragen….. da könnt ich ja zu jeder einen ganzen Aufsatz schreiben! :-) In aller Kürze ein paar Anmerkungen: Ja, Macht ist ein notwendiges Lenkungsinstrument, weil man nicht alle Lebenszeit damit zubringen will, sämtliche Angelegenheiten fortwährend bis zum Konsens zu diskutieren. Eine Gemeinschaft ohne Macht gibt es nicht, wenn sie formal nicht existiert, so gibt es sie doch informell (->wer macht, hat Macht).
    Die erotische Anziehungskraft mächtiger Männer ist ebenso evolutionär verankert wie die Anziehungskraft weiblicher Rundungen (Verhältnis Taille/Oberweite/Po), volle Lippen etc. – es gibt da keinen „Initiator“, wohl aber die individuelle Möglichkeit, andere Werte höher zu setzen.

    Eine Diskussion über etwas beginnt, wenn irgend jemand ein Problem feststellt: der „Gegen-Stand“ wird erst zu einem solchen, wenn dem freien Fluss des Lebens ein Stolperstein entgegen steht: dann erwacht das Bewusstsein, der Gegenstand wird zum Thema, zum besprechenswerten Problem.

    Die Geschlechtsrolle ist ein solches, weil schon sehr lange Frauen, aber auch Männer mit dem, was von ihnen „als Frau“ bzw. „als Mann“ unausgesprochen oder explizit erwartet wird, nicht übereinstimmen.

    Was Biologie und Geist angeht: die biologischen Unterschiede zwischen Mann und frau bzw. deren „zwingende“ Wirkung auf Geist und Psyche werden drastisch überschätzt! (Dazu könnte ich jetzt ne Menge Links suchen, schenke mir das aber mal).

    „Yin und Yang ergeben zusammen das Ganze.“

    Aber dieses Yin und Yang tragen beide Geschlechter in sich selbst. „Wir wollen nicht nur die Hälfte des Himmels“ war ein Wahlspruch der Frauenbewegung – und heute würden sich auch viele Männer bedanken, wenn sie auf das zurück geworfen würden, was einst als einzig „männlich“ galt!

  11. @Claudia
    „Wie kann man Macht verabscheuen?“

    Gerne diskutiere ich diese Basis. :)
    Es geht nur um Macht von Menschen über andere Menschen

    Mein Leben bot mir die Erfahrung, daß es mir absolut keine Freude bereitete, gegängelt, kommandiert und manipuliert zu werden. Ebenso bereitete es mir keinerlei Freude, über andere zu bestimmen, sie zu kommandieren oder sie für meine Zwecke einzuspannen.

    Trotz gegenteiliger Erziehungs- und Sozialisationsbemühungen, glaubte ich schon immer stärker meinem eigenen Befinden, als den meist gewaltsam daherkommenden Konzepten. 15 Monate Grundwehrdienst, der Willkür von Menschen ausgeliefert, die Machtausübung sichtlich genossen, gaben mir den Rest. Ich beschloss, es anders zu versuchen. Nach Abitur und Studium war ich nur 4 Jahre meines Lebens angestellt tätig, zwei davon im Aussendienst, nicht weisungsgebunden, nur dem Umsatz verpflichtet, seither bin ich selbständig, natürlich ohne eigene Angestellte. :)

    Im privaten Bereich stellte ich fest, daß für einige Menschen, jemand der darauf verzichtet, Macht auszuüben und zu herrschen, seinerseits eine Einladung darstellt, ihn zu beherrschen. Es brauchte ein paar Anläufe, um jemanden zu finden, bei dem das nicht so ist.

    Aus meiner Sicht ist eine arbeitsteilige Gesellschaft mit komplexer Kultur, die ohne Machtpositionen überhaupt nicht zu managen ist, eine Kultur, die für ihre (zweifelhaften) Errungenschaften dauerhaft einen hohen Preis zahlen muss. Solange Menschen über Menschen herrschen wird kein Frieden sein.

    Man kann Macht an Recht und Gesetz binden, sie demokratisch kontrollieren, sie gut oder schlecht ausüben – aber sie wird trotzdem immer und immer wieder mißbraucht werden. Die Geschichte zeigt nichts anderes.

    Wem “Macht (über Menschen) an sich” so natürlich vorkommt, wie Luft, dem fehlt vielleicht die Erfahrung, wie es ohne diese „Luft“ laufen kann. :) Natürlich ist das abhängig von dem Lebensraum, in dem man sich befindet. Ein Stadtleben kann ich mir nach meinen Maßstäben nicht vorstellen. Ich wohne abseits, auf dem Lande und mein Ziel ist Autonomie und Selbstversorgung. Hier ist nichts hochkomplex und arbeitsteilig gemanaged sondern selbst und eigen. Das macht den Unterschied. Kämpfe um Macht, gerichtet gegen die aktuellen Mächte, die man mittels eigenem Machtgewinn zu anderem Handeln bewegen will, sind hier ebenso überflüssig, wie Institutionen, in denen Macht etabliert wird.

    Wir sind uns völlig einig, Claudia, daß ein Verzicht auf Machtausübung im heutigen Status Quo in Berlin Kreuzberg keine schmerzlose Lösung wäre. :) Vielleicht sind wir uns aber auch einig darüber, daß vieles von dem, was heute große und kleine Sorgen bereitet, garnicht existieren würde, wenn Macht von Menschen über Menschen schon in der Vergangenheit konsequent abgelehnt worden wäre. Mit Leuten wie mir hätte man weder Staaten gründen, noch Kriege führen können.

  12. Hallo Uwe,
    Du schreibst:
    Aus meiner Sicht ist eine arbeitsteilige Gesellschaft mit komplexer Kultur, die ohne Machtpositionen überhaupt nicht zu managen ist, eine Kultur, die für ihre (zweifelhaften) Errungenschaften dauerhaft einen hohen Preis zahlen muss.

    Dann wäre also ein Ameisenstaat oder ein Bienenvolk solch eine Machtgesellschaft, die abzulehnen wäre?
    Und: Wie ist ein Hausbau möglich ohne Weisung und Anleitung der Handwerker? Du sitzt ja selbst in einem solchen Haus oder?

    Gruß
    Gerhard

  13. „Dann wäre also ein Ameisenstaat oder ein Bienenvolk solch eine Machtgesellschaft, die abzulehnen wäre?“

    Nein, Gerhard, ich glaube gerade nicht, daß eine Ameise der anderen Befehle erteilt oder ihre Macht über Artgenossen mißbraucht. Außerdem machte es ja keinen Sinn, wenn ich Ameisen oder Bienen „ablehnte“. Wie käme ich dazu? Was ich ablehne hat lediglich mit MIR zu tun. Jeder hat das Recht, es auf seine Art zu versuchen. ;)

    Gemeinsam etwas zu unternehmen, sich freiwillig zu einem gemeinsamen Projekt zusammenzufinden ist etwas anderes, als permanent einem sadistischen Unteroffizier oder korrupten Politikern ausgesetzt zu sein, oder?

  14. @Uwe: also ich wäre erst gar nicht zum Wehrdienst gegangen, sondern hätte verweigert, aber GANZ SICHER und ohne zweimal nachzudenken. Allein deshalb, weil mir das als Jugendliche als verschwendete Lebenszeit vorgekommen wäre – und auf Hierarchie und militärischen Drill hatte ich auch nie Lust.

    Es tut mir leid, dass ich ansonsten nicht nachvollziehen kann, was du sagst – außer, dass ich natürlich verstehe, dass du persönlich frustrierende Erlebnisse hattest, die du der Macht schlechthin zurechnest (sonst würdest du ja nur einzelne Menschen in Posten und/oder einzelne Gesetze ablehnen, nicht Macht an sich – die man m.E. so wenig ablehnen kann wie Luft.)

    Aber es gibt nicht nur „korrupte Politiker“, sondern auch jede Menge engagierte Leute, die sich für eine Verbesserung der Umstände einsetzen (die übrigens in unserem Land alles andere als schlecht sind: ich konnte – ohne Tochter reicher Eltern zu sein – Abi machen, studieren, Studium abbrechen, nochmal was anderes studieren, und daneben und danach tun und lassen, was ich wollte. Was ich in der Politphase tat, steht ja oben, eine eigene Kneipe und ein lokales Wochenblatt war in der Zeit auch mal dran. Danach bekam ich noch eine IT-Weiterbildung vom Arbeitsamt, war angestellte Projektleiterin bei einer gGmbh und plante Klimakampagnen zum Energie-sparen – bis ich dort kündigte und das faszinierende Internet erforschte, Webseiten baute und mich selbständig machte. Was ich „gefühlt“ eigentlich immer schon war… Eine erwähnenswerte Rente werde ich nach alledem NICHT bekommen, aber ich wette drauf, dass ich dank Grundsicherung nicht verhungere – und hab sowieso keine Lust auf nichts tun, zumindest schreiben geht bis ins Grab!)

    Durch freiweilliges Zusammenfinden wäre das Gründerzeit-Mietshaus, in dem ich lebe, nicht entstanden – und erst recht nicht eine moderne Siedlung, ein Bürohaus, was auch immer. Ja, ich hab sogar diverse Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung an der Gestaltung von Bürgerparks etc. – auch da geht GAR NICHTS ohne massive Unterstützung von Seiten der Stadtverwaltung/Regierung (Geld, Maschinen, Organisation, Versammlungsräume etc.).

    Kein einziger heutiger Produktionsprozess würde ohne funktionelle Macht der jeweiligen Leiter, Geschäftsführer, Vorstände, Abteilungschefs etc. zustande kommen – von der Kohleförderung über Landwirtschaft, Maschinenbau, Bauwirtschaft, Gesundheitswesen u.v. mehr. Wer sich da nicht reinfinden will, kann sich als Handwerker oder mit Dienstleistungen selbständig machen (wie ich), unterliegt dann aber der Macht der Kunden, bzw. des Marktes. Übrigens zum Glück einem Markt, der durch Politik in vielerlei Hinsicht geregelt ist – und nicht den freien Kräften völlig überlassen!

    Ameisen sind nun wirklich kein gutes Beispiel: was sie tun sollen, ist in ihren Genen eingeschrieben, sie interagiere mit Dufstoffen und haben keine Möglichkeit, drüber nachzudenken, zu was sie jetzt Lust haben. Klar kann man da auf Chefs verzichten! :-)

  15. Wenn ich noch mal auf die 2 Arten von Macht verweisen dürfte. Uwe schreibt von der einen Art, Claudia von der anderen. So kann man prima aneinander vorbei reden. Und der Witz ist: Beide haben Recht.

  16. Hallo Uwe, hallo Claudia,
    das mit den Ameisen war zugegebenerweise ein etwas hilfloser Versuch, gegen Deine (Uwes) absolute Abwehr von Macht, sei es die ausübende oder die erlittene, zu argumentieren. Ameisen können ja durch „Duftstoffe“ durchaus dirgiert sein, zur Gänze, aber sie agieren dennoch „sichtbar“ im Verbund, sind Teil eines Plans, sind ein Rädchen im Triebwerk. Deshalb brachte ich das Beispiel: Man kann sich Macht und Machtausübung nicht entziehen, weil zumindest sublim bzw. unbemerkt viel laufen kann, was defacto dieser Kategorie entspricht.
    Selbst der intelligensteste und bewussteste Mensch kann nicht verhindern, daß seine Handlungen auch von Machtimpulsen her motiviert sein können – eben in sublimer und versteckter Weise.

    Das nur noch mal als Nachschub.

    Gruß
    Gerhard

  17. @Claudia
    Es macht nichts, dass Du nicht nachvollziehen kannst, was ich sage. Ich kann mir immerhin gut vorstellen, was Du so alles erlebt hast. An dieser Macht-ist-wie Luft-oder nicht-Frage trennen uns halt die Gene und die persönlichen Erfahrungen. Es ist ja im Sinne der Vielfalt, wenn nicht alle gleich sind.

    Dafür scheint Deine Haltung was Liebesbeziehungen angeht (Anti-Kampf-Beziehung), der meinen wiederum recht ähnlich zu sein, jedenfalls finde ich mich in dieser Rubrik Deines Schreibens fast in jedem Satz wieder. :)

    @Siegfried
    Die zwei Arten von Macht, die Du siehst, verstehe ich so:

    1. Jemand anderen zwingen bzw. verführen, etwas mit mir (zusammen) zu MACHEN (durch beherrschen oder beherrschen lassen).
    2. Etwas MACHEN, im Sinne von tätig sein und dadurch Tatsachen schaffen.

    Habe ich Dich da richtig verstanden?

  18. @Gerhard
    Wir hatten hier schon einmal das Beispiel eines Fisch oder Vogelschwarmes. Natürlich ist es schwierig das aus artfremder Perspektive zu beurteilen aber scheinbar verhalten sich da tausende von Individuen sehr gemeinnützig und konform, ohne daß einer den anderen zu dominieren scheint.

    Ich denke, das liegt daran, daß sich jeder Vogel oder Fisch sein Futter selbst besorgt. Beim Menschen ist es üblich geworden, daß der eine den anderen füttert. Der dadurch entstandende Verlust an Autonomie führt zu Kontrollversuchen.

    Was meinst Du?

  19. @Uwe:
    „Der dadurch entstandende Verlust an Autonomie führt zu Kontrollversuchen“ – Das ist es ja, was ich meinte: Macht und Machtausübung ist allenthalben vorhanden. Ist quasi eine natürliche Funktion des Menschlichen. Völlig autonom ist niemand, da Bedürfnisse existieren, die nun mal nicht im Vakuum sondern im Zusammenspiel mit Menschen befriedigt werden können.
    Und jetzt lese ich erst, daß Du Vogel oder Fisch völlig autonom siehst: Das kann so nicht sein. Wenn Du Nahrungsaufnahme als einzelnes Segment herausgreifst, vielleicht schon, aber nicht im Ganzen.

  20. @Gerhard
    Ich sehe auch keine völlige Autonomie, Gerhard, auch nicht bei Tieren, aber ich sehe sehr wohl graduelle Abstufungen von Autonomie. Auf der Skala zwischen Null und Unendlich liegen manche Individuen weiter unten und manche weiter oben. Manche schaffen es noch, sich aus der Natur mit Nahrung zu versorgen, andere leben sehr weitgehend in „komplexen und arbeitsteiligen“ Strukturen, sprich, sie benötigen andere, die ihnen was zum Essen hinstellen.

    Manche Menschen sind extrem abhängig von ihren sozialen Gruppen, mal mental, mal materiell und mal sowohl als auch. Manche sind erfolgreich darin, sich eine komfortable Position innerhalb einer sozialen Einheit zu erarbeiten und andere weniger, manche haben Spaß daran, andere nicht. Vor allem haben es manche dringend nötig, weil sie gelernt haben, ihren Selbstwert über ihre Wirkung auf andere zu definieren.

    Mir ist das ziemlich fremd. Für Geld brauche ich es schonmal niemandem Recht zu machen und Gesellschaft macht mir entweder Freude oder nicht. Wenn sie es nicht tut, dann verzichte ich gerne, ganz ohne Groll. Das Alleinsein ängstigt mich nicht.

    Wie immer, prägt auch bei diesem Thema, die jeweilige Perspektive die Wahrnehmung der Realität. :)

  21. @Uwe: Teils. Punkt 2, richtig. Punkt 1, nun, da bin ich eher auf das Motiv dafür aus als auf die oberflächlichen Symptome. Aber wenn Du mal nach den Motiven hinter den von Dir genannten Symptomen schaust, dass dürfte es etwa hinkommen.

  22. @Siegfried
    Ersatz für Liebe, klar. Jeder fühlt sich gerne verbunden und zugehörig und da wo freundliche Gefühle nicht zufrieden machen, wird zu „handfesteren“ Maßnahmen gegriffen.

  23. @Uwe: Richtig. Und genau hier wird diese Art Macht zu dem von Dir beschriebenen Problem.

  24. Danke Euch für die vertiefenden Einlassungen! Macht ist ja wirklich ein Mega-Thema, dazu könnten wir vermutlich bis ans Ende aller Tage weiter schreiben.. :-)

    Uwe, wie meinst du diese Aussage:

    „Für Geld brauche ich es schonmal niemandem Recht zu machen“.

    Ich verdiene nur dann Geld, wenn ich Anderen „etwas recht mache“ – z.B. ihre Webseite. Aber auch wenn ich putzen gehen würde, Handwerkerin oder Therapeutin wäre, bestünde meine Arbeit im „den Anderen etwas Recht machen“ bzw. üblicher ausgedrückt: ihre Probleme lösen, ihnen dienen.

    Und: es macht mir sogar FREUDE, Anderen etwas Recht zu machen. Umso weniger verstehe ich deinen Satz!

  25. @Claudia
    Ja, prima Thema. Du hast sowieso ein gutes Gespür für Themen. :)

    Ich brauche es niemandem recht zu machen heißt, daß ich nicht darauf angewiesen bin, Arbeit gegen Geld zu tauschen. Meiner Freude, etwas zu verschenken, jemandem etwas recht zu machen und ihm dabei zu helfen, Probleme zu lösen, tut das keinen Abbruch und außerdem bleibt mehr Zeit, es mir selbst recht zu machen und die eigenen Probleme zu lösen. ;)

  26. Hmmm ja, in der Praxis ist die Theorie immer anders. Oder, wie mein Opa zu sagen pflegte, die Theorie ist Marx, die Praxis ist Murks.

    Es ist in der Praxis kaum anders möglich, als Geld gegen Dienst zu tauschen. Ansonsten kann man nicht leben. Obwohl es natürlich in der Theorie schön wäre, wenn man seine Fähigkeiten und Talente für Andere einfach verschenken könnte. Aber so weit sind wir noch nicht.

    Verantwortlich zu handeln bedeutet hier, eine gute Balance zu finden. Man muss einerseits an sich selber denken, andererseits aber auch an „die Anderen“ resp. die Gemeinschaft. Der Fehler der heutigen Zeit ist, dass der Fokus so drastisch zugunsten von „an sich selber denken“ verschoben wurde. Gerade Aussagen wie „unser Unternehmen ist doch keine Sozialstation“ verdeutlichen das. Doch, ein Unternehmen hat auch und besonders soziale Funktion. Das wird heute nur zu gerne ignoriert. Ein Unternehmen sollte immer für eine begrenzte Anzahl Menschen auch eine Sozialstation sein.