Claudia am 11. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Fordern ist Fördern: Dem Schmerz begegnen

Fordern ist Fördern: Dem Schmerz begegnen

Gestern bin ich also wieder losgelaufen. Zweiter Versuch, vom „zügigen Gehen“ über korrektes Walken nun endlich mal ins Joggen zu kommen. Ich HASSE Joggen, immer schon. Nirgends schien mir der Spruch „Sport ist Mord“ so gut zu passen wie zu den verzerrten Gesichtern der Leidenden, die mir auf meinen Spaziergängen in immer größerer Zahl begegnen. Warum tun sie sich das nur an? Selten nur sehe ich einen Läufer, der harmonisch in der Bewegung aufgeht. Die meisten schleppen sich eher dahin, schwitzend und verbissen vor sich auf den Boden starrend – ein Elend!

Dachte ich mir so, ganze Jahrzehnte lang. Doch genau wie der Feige sich abfällig über jegliches Hervortreten aus der Masse äußert und mutige Taten zynisch belächelt, speiste sich meine Ablehnung aus eigenem Unvermögen. Alle paar Jahre hatte ich es mal ausprobiert und immer war ich kläglich gescheitert. Keine 300 Meter konnte ich laufen! Binnen kürzester Zeit geriet ich völlig außer Atem, der ganze Körper ein einziger Schmerz, das Herz raste und mit hochrotem Kopf gab ich entnervt auf. Brauchte dann zehn Minuten, um mich von diesem „Wahnsinn“ wieder zu erholen. Ob mit zwölf, zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren: Joggen war und blieb mein sportlicher Mega-Flop, die beste Methode, mich als Totalversagerin zu erleben – und wer mag das schon?

Mal gucken…

Jetzt also, mit fast fünfzig, ein neuer Versuch. Mittlerweile bin ich belehrt, dass Joggen für sportliche Anfänger nicht das Richtige ist. Ein bisschen Fitness sollte schon sein, damit der Kraftaufwand, um die Füße im Laufschritt vom Boden abzuheben, für kurze Zeit geleistet werden kann ohne in das verhasste Gefühl „gleich sterbe ich“ zu verfallen. Das lässt hoffen, denn mittlerweile bin ich fitter denn je. Die vielen Spaziergänge, die sonntäglichen Wanderungen und das in letzter Zeit wieder forcierte Training im Center sind nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Locker steige ich mehrmals am Tag die drei Treppen zu meiner Wohnung hoch, ignoriere auch mal die U-Bahn und gehe zu Fuß den Weg nach Kreuzberg: Bewegung fühlt sich gut an!

Ein lieber Freund, der sichtlich nicht „gut zu Fuß“ ist und auch für kleine Strecken lieber ein Taxi ruft, gab mir den letzten Anstoß, dem Joggen mal wieder eine Chance zu geben. Er läuft seit Jahren täglich eine halbe Stunde und schwärmte mir vor, wie schnell sich sein Empfinden von „ätzend“ zu „ekstatisch“ gewandelt habe – ja, er wäre eine Zeit lang geradezu süchtig danach gewesen! Da er immer kräftig, fröhlich und voller Energie ist, wenn ich ihn treffe, kann ich ihm das glauben, auch ohne dass er meine Freude am „zügigen Gehen“ teilt.

Süchtig auf Joggen? Das hab‘ ich schon öfter gehört, immer ein bisschen neidisch, denn selber neige ich zu deutlich weniger gesunden Suchtmitteln. Die Hürde vom Leiden zur Lust erschien jedoch unüberwindlich, bisher jedenfalls.

Letzten Samstag lief ich dann los. Bloß nicht nachdenken, einfach machen! Rechts raus aus der Haustür, den Rudolfplatz entlang, vorbei am Tante-Emma-Laden bis zur nächsten Kreuzung, wo ich schon gleich von der roten Ampel gestoppt wurde – BEVOR ich außer Atem gekommen war! Also weiter. In langsamem Laufschritt schaffte ich es noch zwei Häuserblöcke weiter, dann begann das eklige Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen. Anstatt das auszuhalten bis an unerträgliche Grenzen, verfiel ich ins Walken, erholte mich dabei ein wenig, bis ich mich wieder fähig fühlte, erneut eine Strecke zu versuchen: vielleicht bis zur nächsten Ampel da vorne???

An diesem Tag lief ich so ohne Pause einmal rund um die Halbinsel Stralau. Meistens walkend, doch immer mal wieder eine kurze Strecke im Laufschritt. Mehrfach geriet ich ins Schwitzen, was sich sogar angenehm anfühlte – als Sauna-Gängerin hab‘ ich nichts gegen Schwitzen, erlebe es nicht mehr als Anzeichen des nahenden Kreislaufkollapses, wie früher.

Und dann das große Wunder: die jeweils ersten Momente der „Laufphasen“ empfand ich tatsächlich nicht mehr als extreme Anstrengung. Kurzzeitig fühlte es sich sogar richtig gut an! Doch schon gleich wurde es mühsamer, gerade noch ohne inneres Jammern und Schimpfen leistbar, solange ich mich weiterhin auf einen ruhigen Atem konzentrierte. Komm, noch bis da vorne hin! Auf den letzten paar Metern der insgesamt lächerlich kurzen Strecke erreichte ich dann das Reich des Leidens, das mich bisher von allem derartigen Tun so erfolgreich abgeschreckt hatte. Die Beine wogen plötzlich fünfmal soviel, wenn ich sie noch vom Boden abheben wollte, Füße, Waden, Schenkel und Schienbeine schmerzten – und dieser (für sich allein betrachtet gar nicht so furchtbar schlimme) Schmerz breitete sich von innen her über den ganzen Körper aus – bis in die Arme, in den Kopf, ins Herz. Ich hörte auf zu laufen, fiel schwer atmend zurück ins Walken. Intuitiv merkte ich, dass es wichtig ist, nicht zu STOPPEN, wie ich es früher immer tat, wenn es unerträglich wurde. Einfach weiter gehen, erleben, dass es geht, dass die Schmerzen gleich wieder verschwinden und ich es dann einfach noch mal versuchen kann.

Energie!

AnglerStralau ist eine wunderbare Lauflandschaft, grad mal zehn Minuten vom Rudolfplatz. Eine in die Spree hinein ragende Halbinsel fast ohne Autoverkehr. Interessante Fabrikruinen und architektonisch reizvolle Neubauten, Wanderwege am Wasser entlang, viel Grün, alte Bäume, blühende Gärten und Wiesen, noch brachliegende, wild überwucherte Grundstücke, die auf den Investor warten und ein idyllischer Friedhof. Zum Glück kein richtiger Park, denn der wäre in dieser zentralen Lage gleich überlaufen und zu Tode genutzt, wie praktisch alle Parks inmitten von Berlin. Hier aber bin ich jedes Mal fast alleine, genieße den frischen Duft, den Blick auf den Fluss, an dem hier und da ein paar Angler ihre Ruten ins Wasser hängen lassen. Was für eine Idylle!

Nach einer guten Stunde war ich wieder zuhause, aufs Angenehmste erschöpft. Ich spürte jede einzelne Faser meines Körpers, ruhte mich im Liegen aus und fasste den Entschluss, das jetzt öfter zu machen. Später dann, im weiteren Verlauf des Samstags, fühlte ich mich noch einige Stunden wie auf Wolken, leichter als sonst, voller Energie und Kraft. Ich staunte, denn es unterschied sich deutlich vom – auch angenehmen – Empfinden nach einem „zügigen Spaziergang“, war weit intensiver, lustvoller, deutlich länger anhaltend.

An die Grenzen gehen

Wie es so geht mit spontanen Beschlüssen, dauerte es dann doch ein paar Tage bis zum nächsten Lauf. Gestern Mittag erst sah mich Stralau wieder. Erneut lief ich kurzzeitig in den Bereich des schier Unerträglichen hinein – aber nur für ein paar Momente, so für ein kurzes Sightseeing: Was ist hier eigentlich los? Was IST das Unerträgliche, mal genau hingesehen? Seltsamerweise erwies sich keine einzige Körperempfindung, wenn ich sie isoliert betrachtete, als extrem schmerzhaft. Also ist es wohl die Psyche, die das Geschehen insgesamt von alters her derart negativ bewertet, dass aus lauter an sich erträglichen Einzelempfindungen ein kaum auszuhaltender Gesamteindruck entsteht.

Es erinnerte mich an das, was ich neuerdings im Fitness-Center erlebe, seit ich auch dort an die Grenzen meiner Kraft gehe. Den letzten Satz an jedem Gerät übe ich jeweils mit einem Gewicht, das mir gerade noch sechs bis acht Wiederholungen erlaubt – und dann ist Schluss, nichts geht mehr! Auch da erreiche ich für ein paar Momente diesen Bereich des vermeintlich Unerträglichen. Eine innere Stimme schreit dann alarmiert „sofort aufhören!“ – aber wenn man genau hinguckt, was eigentlich das Schreckliche ist, findet sich nichts Konkretes. Der Muskel weiß von ganz alleine, wann Schluss ist, und wenn ich die Bewegungen sorgfältig, ruhig und korrekt durchführe, bis es nicht mehr geht, gibt es nichts zu fürchten.

Doch auch hier derselbe spektakuläre Unterschied wie beim Laufen im Vergleich zum Walken! Eine Übungsphase, in der ich diesen zunächst beängstigenden „Schmerzbereich“ betrete, hat gänzlich andere Nachwirkungen als eine, in der ich nur mit locker handhabbaren Gewichten ein bisschen herumturne. Gleich danach spüre ich das Blut in jede Muskelfaser einschießen, ich atme besser, bin wunderbar entspannt und ein Gefühl der Euphorie breitet sich aus, das noch am nächsten mit dem Empfinden nach einem Orgasmus vergleichbar ist.

Und all das hab ich ein halbes Jahrhundert gemieden als drohe die Pest! Schon zu Zeiten meiner Kinderbande war ich die Kleinste, Jüngste und Schwächste, konnte körperlich mit den Anderen nicht mithalten und wurde dafür gehänselt und gedemütigt. In der Schule ging es dann genauso weiter. Mich wählte man als eine der letzten aus, wenn Mannschaften aufgestellt wurden, und manchmal zog ich es vor, absichtlich hinzufallen und mir das Knie aufzuschürfen, anstatt dieses ganze Herumgehetze weiter zu ertragen.
Schwimmen hatte mir anfangs noch gefallen, mein Vater nahm mich immer Samstags mit ins Hallenbad. Die ersten paar Male war es ein wunderbares Abenteuer – bis er mich seinen Kollegen „vorführen“ wollte, zeigen, was seine Tochter alles schon kann. Auf einmal MUSSTE ich vom Ein-Meter-Brett springen – oder vom Rand des Beckens einen Kopfsprung wagen, zu dem er mich zwang, indem er mir die Beine nach hinten wegzog. Prompt landete ich mit einem schmerzhaften Bauchplatscher auf der harten Wasseroberfläche und hatte fortan auch vom Schwimmen die Nase voll. Wie blöde Eltern doch sein können – und wie idiotisch ein Turnunterricht, der allein auf Wettbewerb setzt!

Wachsen oder verkümmern

Als ich dann gestern unter einem riesigen alten Weidenbaum eine Pause einlegte, ging mir all das durch den Kopf. Vielleicht, weil auch die kleinen grauen Zellen außergewöhnlich gut durchblutet waren, erlebte ich eine ganze Reihe kleiner Erleuchtungen. Nicht nur im Sport hatte ich mein Leben lang das „Reich des Schmerzes“ gemieden, sondern eigentlich auf jedem Gebiet: Solange ich nicht von außen zu neuen, vielleicht anstrengenden oder sonstwie unangenehm wirkenden Aktivitäten motiviert werde, ziehe ich das bequeme „Weiter so!“ vor. Bewege mich auf ausgetretenen Pfaden, gehe der Angst und dem Unbekannten lieber aus dem Weg. Eine Herausforderung einfach annehmen, weil sie da ist, wäre mir nie in den Sinn gekommen! Allenfalls Zwang, Ehrgeiz, oder das Ziel, durch Anstrengung und Wagnis einem größeren Übel auszuweichen, konnte mich in Bewegung versetzen. Mutig etwas tun, wovor sich Andere scheuen – ich hab‘ es allermeist nicht um meiner selbst willen getan, sondern immer, um dadurch meinen Status zu heben, um in einer Gruppe etwas zu gelten, um zu gefallen. Augen zu und durch – aber niemals: Augen auf und vorsichtig mitten hinein! Mal sehen, was da ist…

Auf einmal ist mir klar, wie man im schlechten Sinne altert. Im Lauf des Lebens wächst die Klugheit und Weltgewandtheit: man lernt, die eigenen Fähigkeiten ökonomisch einzusetzen und mit ganz gut erträglichem Einsatz ein halbwegs gemütliches Leben zu fristen. Wo man als junger Mensch noch 1000 Ängste spürt und sich überwinden muss, um zu wachsen, um einen eigenen Platz in der Welt zu finden, herrscht bald schon unaufgeregte Routine. Alles im grünen Bereich, den Spruch hör ich zur Zeit oft.

Aber das Leben ist dynamisch: wo kein Mehr-wollen und Neues-Wagen mehr geschieht, wo keine Bereitschaft mehr besteht, der Angst und dem Schmerz zu begegnen, beginnt ein subtiler Schrumpfungsprozess. Ein guter Musiker, der nicht ständig übt, verliert schon binnen weniger Tage einen Teil seiner Fähigkeiten. Das ist nicht „natürliches Altern“, sondern faules, freiwilliges Verkümmern.

Deshalb sehen die Alten in den noch naturnäheren Kulturen oft so viel besser aus, sind beweglich und fröhlich, arbeiten noch auf den Feldern mit und haben auch etwas zu sagen. Sie können sich den Herausforderungen der täglichen Mühsal nicht entziehen, sich körperlich und psychisch frühzeitig auf Bürostuhl und Bäderliege absetzen, um chronische Krankheiten und miese Launen zu entwickeln. So bleiben sie in Übung, bleiben auch als Alte in vieler Hinsicht jung.

Wir haben es „besser“. Auch ich wünsche mich nicht zurück ins vorindustrielle Zeitalter, bewahre – es ist gut, dass wir mehr denn je die Wahl haben, ob und in welcher Richtung wir uns anstrengen: beim Joggen, am Trainingsgerät, beim Yoga, Wandern oder Bergsteigen. Auf der körperlichen Ebene ist es jedenfalls am einfachsten, den Zusammenhang zwischen Anstrengung, Angst und Schmerz einerseits, Entspannung, Wohlbefinden und Lust andrerseits zu erleben.

Komisch, dass ich solange brauchte, um es zu bemerken. Und vielleicht daraus zu lernen.

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Claudia am 07. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Vom Buchstabenglück

Vom Buchstabenglück

Schreiben heißt, ganz nah bei mir zu sein.

Jetzt steht er da, dieser Satz. Zwar ist er nicht in Stein gemeißelt, hört sich aber so an. Und gleich fühlt sich das Denken provoziert und rattert Kommentare herunter: Stimmt nicht, wenn du über Berlin oder HTML schreibst, bist du nicht bei dir. Und wenn dir nichts einfällt, wo bist du dann? Und überhaupt, was soll der Scheiß? Wer bitte ist hier bei wem? Woher fällt etwas ein – und wohin fällt es dann? Weiter → (Vom Buchstabenglück)

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Claudia am 03. Juni 2004 — Kommentare deaktiviert für Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Kein „Ruck“ – aber die Blockade zerbröselt

Über Geld spricht man nicht – woher stammt eigentlich diese seltsame Volksweisheit, die selbst im Jahre 2004 noch immer jedem einfällt, wenn man es doch einmal tut? Eine Teilnehmerin in einer Frauenliste fand es sehr problematisch, dass ich so „offenherzig“ über meine Situation schreibe wie im letzten Diary-Artikel. Sie sei Kauffrau und würde nun ganz gewiss erst länger recherchieren, bevor sie mir einen Auftrag gibt, und dann versuchen, die Preise zu drücken. Das war aber auch schon die einzige negative Resonanz! Ansonsten konnte ich mich über allerlei Zuspruch und Ermunterung, konkrete Ideen und Angebote freuen – bis hin zu einer hilfreichen Spende. 1000 Dank!

Dass ich sogar das Kühe-Hüten in Betracht zog, brachte mir eine Anfrage, ob ich mich nicht um eine offene Stelle in einer Bergbauern-Initiative bewerben möchte. Und eine ehemalige Bauernmagd setzte mir auseinander, dass der Sennerinnen-Job ein Knochenjob sei – man „hütet“ ja nicht nur, sondern muss auch melken und Käse machen. Dafür gibt’s zwar in der Schweiz 100 Euro/Tag, aber man schafft es körperlich nur bis ungefähr 30. Naja, so ganz ernsthaft war ich in Sachen „Kühe hüten“ ja nun doch nicht…

Besser gefällt mir die Idee, „problematische Immobilien“ für Menschen zu verkaufen, die keine Lust auf Makler haben. Das ist mir schon mal im Leben zugestoßen und war eine interessante Erfahrung in einem Metier, das mir doch ziemlich fremd ist. Mit dem Honorar konnte ich dann eine Stadtteilkneipe eröffnen, die mir auch eher „zuflog“, als dass ich mich drum gerissen hätte. Gern würde ich auch hochpreisige Liebhaberobjekte im Web präsentieren – hier in der Nähe gibt’s so ein Gebiet mit interessanten Neubauten, darunter einige, die offensichtlich bisher keine Käufer oder Mieter fanden. Wenn ich mal ausrecherchiere, wie die im Web angeboten werden, treffe ich nur auf langweiligst gestaltete Datenbanken mit ein paar Angaben und je einem winzigen Bild. Muss das so bleiben?

Motivationskrise

Ach ja, es gibt viele Möglichkeiten – auch solche, die ein bisschen näher dran sind an meiner bisherigen Arbeit. Es ist ja nicht so, dass ich in den letzten Wochen schwer gewirbelt hätte, um bestimmte Angebote an den Mann bzw. die Frau zu bringen, eher war ich außerstande, meine „To-Do-List“ mit all den Ideen wirklich abzuarbeiten. Eine Art Motivationskrise, in der es absolut nichts gebracht hat, endlos über Möglichkeiten und Ursachen zu grübeln. Trotz aller Sorgen vergingen die Tage, ohne dass ich „effizienter“ wurde. Erst das immer neue Scheitern am Versuch, mich erfolgreich anzutreiben, führte zu einem inneren Loslassen. Ein paar Tage tat ich wirklich NICHTS – und zu meinem Erstaunen hab‘ ich auf einmal wieder Lust!

An den äußeren Bedingungen, z.B. am mittlerweile grundstürzend gewandelten Internet, ändert das zwar nichts – wohl aber kann ich mit Freude an der Sache wieder kreativ auf geänderte Bedingungen antworten (toi toi toi!). Einfach „irgendwas machen“, ohne einen Funken von Begeisterung, das konnte ich auch vor den Zeiten der Netze nicht. Hab‘ es ausprobiert, schon gleich nach dem Abitur und als Studentin. In den Semesterferien-Jobs lernte ich viele Unternehmen und Behörden von innen kennen und kämpfte ständig mit dem Einschlafen. Damals herrschten in Sachen Arbeit noch paradiesische Zeiten („Kommen Sie zu uns, Sie können gleich mit BAT 2A anfangen, wenn Sie Ihren Abschluss haben“), aber in so einer Behörde anzuheuern, erschien mir nur als lebendiges Begraben-Sein.

So ist es halt ein Patchwork-Lebenslauf geworden und keine Beamtenlaufbahn, wie mein Vater es sich gewünscht hätte. Die letzten acht Jahre – also die Netz-Zeit – waren verdammt spannend und abwechslungsreich. Ich bin gespannt, wie es weiter geht!

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Claudia am 27. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Blockiert und ratlos: Warten auf den Ruck

Blockiert und ratlos: Warten auf den Ruck

Gestern morgen funktionierten zwei meiner Mailboxen nicht mehr, ich konnte zwar Nachrichten empfangen, aber nicht mehr versenden. „Unerwarteter Verbindungsabbruch“ war alles, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte. Anstatt groß rumzuforschen, benutzte ich zum Senden eine andere Mailbox, und siehe da: heute geht es wieder. Aussitzen ist eben manchmal doch die beste Lösung!

Nicht länger „aussitzen“ kann ich die Frage, wie ich jetzt möglichst schnell wieder Geld verdiene – auf neuen und alten Wegen. Nach den ersten fünf, sehr gut gelaufenen Schreibimpulse-Kursen war eine kreative Pause angesagt. Die hab‘ ich mir auch gegönnt, locker darauf vertrauend, dass meine sonstigen Einkünfte die Lücke überbrücken werden. Dann aber begann es auch hier zu „stottern“: ein Hauptkunde balanciert am Rande der Insolvenz und zahlt nur Mini-Beträge ab, ein anderer, von dem einige Aufträge zu erwarten sind, hat ausgesprochen lange Entscheidungsfindungszeiten – und prompt steh‘ ich finanziell vor dem Nichts!

Was tun? Diese Frage ist mir im Alltag weit näher als das meditative „Wer bin ich?“ – und doch hat das eine mit dem Anderen viel zu tun. Seit 1996 arbeite ich „im Internet“, und zunächst dachte ich, ich hätte ein neues Paradies gefunden. Ich erschuf Netz-Magazine, knüpfte unzählige Kontakte, moderierte eine große Mailingliste, die einzig der „Webkultur“ gewidmet war – und ich machte Kunst, spielte mit den Möglichkeiten der neuen Technik, drückte mich in ihnen aus, entwickelte schließlich meine persönliche „Schreibe“, die die Jahre überdauert hat und in diesem Webdiary zu besichtigen ist.

Um den Gelderwerb musste ich mich zu Beginn nicht kümmern. Mein befristeter Arbeitsplatz als Projektleiterin bei einem ABM-Träger war gerade weggekürzt worden und – ausgehend von BAT 3a Vollzeit – hatte ich mittels Arbeitslosengeld ein recht bequemes Auskommen. Ich suchte NICHT nach einem neuen, ähnlichen Job, sondern warf mich mit aller Begeisterung, neugierig, lernwillig und schier unendlich belastbar auf das neue Medium. Und tatsächlich: Das Vertrauen, dass sich in Sachen Geld verdienen schon irgend etwas ergeben werde, hat nicht getrogen. Schon sehr bald kamen die ersten Interessenten, die sich von mir eine Website bauen ließen, zudem schrieb ich für Printmedien über Internet-Themen und dann sogar ein „Netzlexikon“ – erschienen im MIDAS-Verlag, leider ein wenig der Zeit voraus.

Über die Jahre ist es dann immer so weiter gegangen. Nie musste ich „akquirieren“, um zu Aufträgen zu kommen – immer fanden sich rechtzeitig neue Auftraggeber ein: Menschen, die mich aufgrund meiner nonkommerziellen Aktivitäten bemerkt hatten und Gefallen fanden an dem, was ich so mache. Und sie empfahlen mich weiter, gaben Folgeprojekte in Auftrag – bis heute funktioniert diese „Schiene“, doch kann sie mich nicht mehr vollständig finanzieren. Schließlich hat mittlerweile jeder eine Website, der sie wirklich braucht. Und wer macht in diesen schwierigen Zeiten schon Geld für ein Update locker, wenn es nicht unumgänglich ist?

Zudem hat sich die Netzwelt grundstürzend geändert. Manchmal staune ich, wie effektiv mittlerweile alles durchkommerzialisiert ist. Sucht man irgend eine kleine Hilfe bei ganz alltäglichen Bedürfnissen, landet man auf intelligent gestalteten Angebotsseiten: winzige Basic-Infos gibt es kostenlos, doch sobald auch nur der geringste echte Nutzen gefragt ist, ist die Registrierung und das Abo fällig. Und all das funktioniert mittlerweile auch. Die Leute ZAHLEN wirklich!

Ich bin keine Nostalgikern und stehe hier nicht an, über „den Kommerz“ zu klagen. Klar müssen alle Geld verdienen und warum zum Teufel soll irgend jemand seine hart erarbeiteten Werte fortlaufend kostenlos unters Volk werfen? Ja wo leben wir denn? Ganz gewiss nicht im Paradies!

Ich frag mich nur: was bedeutet das für MICH? Die Tatsache, dass das Netz zum großen kommerziellen Nutz-Medium geworden ist, heisst auch, dass es als „Kultur-Medium“ kaum mehr wahrgenommen wird. Zwar gibt es immer noch Menschen, die auf ihren Homepages und Blogs wundervolle Inhalte bieten, aber sie werden kaum mehr gefunden. Für Erwähnungen in Newslettern und auf gut besuchten Websites muss man lange schon zahlen, in den Suchmaschinen erscheinen fast nur noch kommerzielle Anbieter, die es sich leisten können, viel Arbeit in die „Optimierung“ ihrer Webseiten für Google et al zu investieren – mit allen Tricks.

Diese Entwicklung entzieht meiner bisherigen Art und Weise, zu Aufträgen zu kommen, den Boden. Das ist lange schon spürbar, aber ich hatte, solange es noch irgendwie ging, nicht wirklich Lust, mich dem Problem zu stellen. Ein Schritt in die richtige Richtung sind immerhin schon die Online-Schreibkurse – aber davon alleine werde ich nie leben können, wenn sie GUT bleiben sollen und nicht zu einem anonymen Massenbetrieb werden, bei dem ich dann nur noch das Organisatorische abwickle.

Das klingt so „mächtig“, so als könnte ich es tun, wenn ich nur wollte – aber so ist es nicht. Im Rahmen eines Jobs bin ich auch mal eine ganz ordentliche Verwaltungs- und Organisationskraft, aber wenn ein Projekt ganz „aus mir heraus“ entstehen und blühen soll, dann muss ich an meiner Arbeit auch richtig Freude haben. Und zwar nicht nur am Erfolg, sondern am konkreten Tun von Tag zu Tag.

Unter Druck..

Wie beneide ich doch gelegentlich die Menschen, die immer schon wissen, was sie arbeiten und womit sie nützlich sein können! So ein handfester, klar definierter Beruf, Arzt, Schornsteinfeger oder Steuerfachgehilfin – muss doch toll sein! Man weiß, wann die Arbeit zu Ende ist und muss sich keine Gedanken machen, wovon man demnächst leben wird. Und man hat „richtige“ Freizeit, sogar Urlaub. Das „ganzheitliche“ Leben und Arbeiten, in dem alles mit allem zusammen hängt, ist nicht wirklich die glückbringendere Wahl. So zumindest erlebe ich das zur Zeit, nach acht Jahren Selbständigkeit als „multi-dimensionale“ Webworkerin.

Was also tun? Tagtäglich gehe ich mit dieser Frage um, wohl wissend, dass sie nicht rein grüblerisch zu lösen ist. Es gibt ja doch etliches, was ich tun könnte – immer wieder mal schreib ich eine neue To-Do-Liste, um mir die Möglichkeiten neu vor Augen zu halten, aber es bedarf zumindest eines kleinen Funkens heller Begeisterung, um so richtig mit etwas Neuem loszulegen. Statt dessen wächst nur der Druck, der von meinem Kontostand ausgeht. Noch nie hab‘ ich mich so blockiert gefühlt wie in den letzten Wochen.

Darüber schreiben ist immer eine gute Möglichkeit gewesen, mir klar zu machen, was eigentlich los ist. Im Moment scheint auch diese „Methode“ wenig Erhellung zu bringen. Ich kann die Situation beschreiben, aber der „Ruck“, der irgendwie kommen muss, geschieht nicht, indem ich Sätze aneinander reihe. Meine innere Bereitschaft, auch radikale Lösungen anzunehmen, ist mittlerweile groß – nichts dagegen, wieder mal „angestellt“ zu arbeiten oder als „feste Freie“ kommerzielle Projekte zu pflegen, Communities zu bedienen, PR- und Werbetexte zu schreiben, Newsletter zu betreuen, was immer halt gebraucht wird. Auch außerhalb des Netzes würde ich arbeiten, wenn sich etwas anböte – aber all das führt nur mitten hinein ins Heer der Arbeitslosen, die genau solche Jobs suchen.

Kühe hüten?

Kürzlich sah ich mal eine Website, die sich auf die Vermittlung von Kühe-Hüterinnen spezialisiert hatte. Auf der Alm sitzen und aufpassen, dass keine Kuh abhaut oder abstürzt – Monate lang! Was für ein Leben das wohl sein mag? Selbst das würde ich vielleicht probieren – aber natürlich wäre ich dafür „überqualifiziert“ und würde nicht genommen. Und meine Festkosten könnte ich damit auch nicht erwirtschaften.

Ja verdammt noch mal, was soll ich also tun? Einen Kredit aufnehmen, um drei Monate zu überbrücken? Bis dahin hat mich der „Ruck“ gewiss dreimal ereilt und die Zeit würde reichen, etwas Neues zu entwickeln, das mich finanziell wieder ausreichend trägt. 5000 Euro wären genug, meine materiellen Bedürfnisse sind schließlich minimal und die Festkosten hab‘ ich sicherheitshalber immer so niedrig wie möglich gehalten. Aber auch das ist keine echte Möglichkeit – einer Freiberuflerin ohne Sicherheiten gibt niemand Kredit, heutzutage weniger denn je.

Im Moment versuche ich, die eigene Blockade durch „Körperarbeit“ aufzulockern. Alle zwei Tage bin ich im Fitness-Center – die 40 Euro pro Monat hab‘ ich noch nicht eingespart, da die Kündigungszeiträume eh viel zu lange sind. Ich übe jetzt Krafttraining, in der Hoffnung, dass mir nicht nur körperliche Kraft zuwächst. Und danach dann immer die Rishikesch-Reihe – Yoga als Dehnungsübung im Anschluss an die Geräte.

Tatsache, ich fühl‘ mich dann besser, optimistischer, gelassener – aber auf den „Ruck“ warte ich immer noch.

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Claudia am 24. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Zugeschaut: Männer im Fitness-Center

Zugeschaut: Männer im Fitness-Center

„Mein“ Fitness-Center ist eher eines von der gemütlichen Sorte. Mit gut 40 Euro pro Monat sehr erschwinglich, kein anonymer Massenbetrieb, kein glitzernder SPA&Wellness-Tempel für besser Verdienende, sondern ein von immer denselben Leuten seit über zehn Jahren betriebenes Kiez-Studio in Berlin Friedrichshain, das jedem etwas bietet. Menschen zwischen siebzehn und siebzig trainieren und schwitzen oder lassen es locker angehen, besuchen die nun endlich wunderschön erneuerte Sauna oder hängen einfach nur ein bisschen ´rum. Die Mädels hopsen in Kursen mit beeindruckenden Namen zu hektischer Musik, die junge Männlichkeit bevorzugt Karate. Und in der großen Fabrik-Etage mit all den Geräten sind sie fast alle mal zu sehen – allerdings deutlich mehr Männer als Frauen. (Die Mittsechzigerin, die da bemerkenswerte Gewichte stemmt, ist eher die Ausnahme.)

Während ich mich auf dem Laufband aufwärme, sehe ich gerne zu: Was sie tun und wie sie es machen, wie ihre Körper aussehen und wie sie sich beim Üben geben. Die Unterschiede sind erstaunlich: sowohl zwischen den einzelnen „Typen“, als auch der zu den trainierenden Frauen. Männer leiden offenbar gern, sie üben im Schmerzbereich, genau am Rand ihrer Kraft – sie wollen MEHR. Oft steht ihnen der Schweiß auf der Stirn, manche stöhnen schon mal, wenn sie gewichtige Hanteln nach oben drücken. Wogegen ich noch nie eine Frau im Center sah, die schmerzvoll ihr Gesicht verzerrt hätte.

Frauen kommen allein oder zu zweit, ziehen ihr Ding durch und bleiben für sich. Männer bilden gelegentlich „Expertenrunden“, stehen schon mal zu dritt oder viert um einen „Gerätebaum“ und reden. Was sie reden kann ich nicht mithören, aber es ist sichtbar, dass die Geübteren das Wort führen. Oft tragen sie besondere Assesoires, die einen schwer professionellen Eindruck machen: etwa einen breiten Gürtel um die Taille, oder schicke mattschwarze Handschuhe, die die Finger frei lassen. Ledermanschetten um die Gelenke sind auch recht beliebt. Da ich öfter komme und immer wieder dieselben Männer fachsimpeln sehe, konnte ich feststellen, dass einige von ihnen kaum noch selber üben. Das Center ist ihr Wohnzimmer, hier haben sie eine Aufgabe – ja warum auch nicht? Wenn ich falsch stehe, während ich so ein Ding am Seil nach unten ziehe oder drücke, werd‘ ich schon mal beraten, wie es richtig ist. Angenehm – es sei denn, ich zweckentfremde gerade ein Gerät absichtlich zu anderen Zwecken, als es gedacht ist, massiere mir z.B. mit so einem Wulst den Rücken, anstatt ernsthaft Beuge-Übungen zu machen. Das verstehen sie nicht, sehen nicht, dass ich mir grad nur „was Gutes tue“. Lust ist halt nicht das, was sie hier suchen.

Der Alpha-Mann

Gibt es einen dominierenden Fitness-Center-Typus? Der Profi-Bodybuilder mit den extremen Formen ist es heute nicht mehr, von denen gibt’s hier nur noch ganz wenige. Ich sehe eher den engagierten Amateur vorherrschen, üblicherweise ein Mann zwischen 20 und Mitte dreißig, der seinen Körper konsequent „in Form gebracht“ hat. Ständig arbeitet er dran, vor allem den Oberkörper zu „entwickeln“ und am Bauch den sogenannten „Sixpack“ entstehen zu lassen. Er trägt ein ärmelloses Hemd, damit die Erfolge seines Tuns auch gut zu besichtigen sind – und oft sind seine Oberarme mit modisch schwarz-weißen Tattos verziert. Er sieht STARK aus! All die anderen Männer, die dünneren, schmächtigeren und (noch) schlafferen, die mit den normalen Büro-Körpern und die aus der Form geratenen Bierbauchträger würden ganz gerne auch so werden – zumindest sind die Vorzeige-Typen davon überzeugt. Sie bewegen sich als selbstbewusste Alpha-Männer gänzlich anders durch die Räume als der zahlenmäßig größere Durchschnitt der (noch?) Unauffälligen.

Gefallen sie mir? Ich frag‘ mich das öfter, wenn ich ihre schwellenden Muskeln betrachte, die so „wohldefiniert“ zeigen, wie schwer sie daran gearbeitet haben. Also: wenn sie noch halbwegs „harmonisch entwickelt“ sind, finde ich sie ganz hübsch anzusehen. Ja, zu SEHEN, aber mehr nicht. An erotischer Ausstrahlung gewinnen sie für mich nichts, im Gegenteil, da ist ein schmaler Grat, den leider viele überschreiten, der sie mir ein wenig lächerlich erscheinen lässt. Was soll denn heutzutage so ein hypertrophierter Oberkörper bringen? Wozu braucht MANN den? Schnell wirken sie wie aus dem Comic gefallen, oder wie diese Plastikheldenfiguren, die den Kids immer passend zu den TV-Serien verkauft werden. Mehr komisch als attraktiv.

Was ist es wohl, das mir diese männliche „Super-Form“ erotisch gesehen eher als Minus erscheinen lässt? Zum einen verfehlen viele die physische Ausgewogenheit: Obenrum alles super, auch noch ein knackiger Hintern – aber die Beine vernachlässigen sie und bemerken nicht mal, dass es seltsam aussieht, wenn so ein Megamuskelmann auf dünnen (naturbelassenen?) Waden daher kommt. Aber selbst, wenn alles stimmt: so ein Körper ist überdeutlich das Ergebnis großer Mühen. Er ist gewollt, gemacht, erarbeitet, ist Werk, vielleicht Kunstwerk – also weit „mehr“ als nur die physische Seite des Mannes, den ich erlebe. Unübersehbar wird mir durch einen solchen Körper mitgeteilt, dass mein Gegenüber eben diesen Körper als Objekt verstanden wissen will, etwas, das ausgestellt, gewürdigt, bewertet, belobigt oder getadelt werden will – nicht einfach nur erlebt und genossen.

Natürlich gehört STÄRKE unzweifelhaft zum Archetypus des Männlichen, und wer sich auffällig starke Muskeln antrainiert, tut es vermutlich – neben gesundheitlichen und sportlichen Motiven – auch, um diesem „starken Mann“ weiblicher Fantasien nahe zu kommen. Und gewiss gibt’s auch genug Frauen, die mit so einem „Bild von Mann“ zufrieden, ja, entzückt sind! Meine Eindrücke sind rein subjektiv und mir reicht das halt nicht. In meinem Verständnis ist männliche Stärke mit Mühelosigkeit und Selbstverständlichkeit untrennbar verbunden. Mein „Traum-Mann“ HAT es einfach – er braucht nicht zu malochen wie ein Irrer, um dies und jenes an sich zu Vorzeige-Qualitäten aufzublasen (das gilt übrigens nicht nur für die körperliche Seite). Wenn ich einen Körper sehe, von dem ich die vielen „Stunden pro Woche am Gerät“ geradezu ablesen kann, dann ist es einfach nicht DAS!

Anders, wenn jemand durch reale körperliche Arbeit muskulös geworden ist – diejenigen sehen aber niemals so „wohldefiniert“, keinesfalls „übertrieben“ aus. Auch im Center gibt’s durchaus „harmonisch“ trainierte Männer: wenn ich so jemanden auf der Straße treffe, seh ich es ihm nicht direkt an, wie er sich in Form bringt – er sieht nur einfach GUT aus.

…in Bewegung

Soviel zur Optik – und jetzt guck ich mal auf den „Mann in Bewegung“. Krafttraining mit Geräten ist ja ein steter Wechsel zwischen Übung und Pause. Die Übung selbst kann langsam und bewusst oder schnell und schmutzig ausgeführt werden (bei letzterem hab‘ ich mir kürzlich meinen ersten Muskelfasserriß geholt und bin seitdem ein gebranntes Kind). Zwischen den Geschlechtern seh‘ ich da kaum Unterschiede, außer dem, dass sich Männer mehr anstrengen und dadurch deutlichere Kraftzuwächse erreichen, wogegen Frauen mit einer „allgemeinen Straffung“ meist schon zufrieden sind und es eher locker angehen.

Aber die Pause. Dieser Moment, wenn das Maximum der Anstrengung, Konzentration und Anspannung im Nichts-mehr-Tun endet – schon erstaunlich, dass manche das offenbar weit weniger vertragen als die schmerzliche Hochspannung zuvor! Sie halten kaum mal richtig inne, sondern dehnen und schlenkern die Glieder, massieren sich die Gelenke, gehen zweimal ums Gerät herum, schauen auf die Uhr oder reden mit dem Nachbarn. Ab und zu sehe ich sogar Männer, die sofort zum mitgeführten Spiegel, Stern oder Auto-Bild greifen, sobald sie die Finger von der Stange lassen. Das sind die echten Extremisten: bloß keinen Moment mit nichts als sich selbst sein, immer muss irgend ein Input passieren, Eindruck muss auf Eindruck folgen, Reiz auf Reiz – ich muss an Luftballone denken, die an einen Wasserhahn angeschlossen werden: immer mehr fließt rein, mehr und mehr… ich will nicht dabei sein, wenn das Ding platzt!

Dabei empfinde ich den Moment, wenn die Anspannung nachlässt, als die interessanteste Phase im Üben. Es rieselt und strömt durch den Körper, fühlt sich so lebendig an wie selten. Selbst eine Übung für die Schultern spüre ich dann bis in den kleinen Zeh – und so angenehm! Wie man darauf freiwillig zugunsten irgendwelcher Zeitungsartikel verzichten kann, ist mir ein Rätsel. Es erinnert mich an Handwerker, die niemals ohne Radio arbeiten – ob es ihnen irgendwie „unheimlich“ wird, wenn die Gedanken frei schweifen können und die Aufmerksamkeit nicht festgebunden ist?

Meine „Aufwärmphase“ ist zu Ende – und damit auch das Rumgucken. Grad‘ hab ich beschlossen, das Thema „Krafttraining“ mal am eigenen Leib zu erforschen. Nicht mehr nur „sanftes Straffen“ unter geringer Belastung, sondern selber erleben, wie es ist, an die Grenzen zu gehen. Aber davon handelt dann ein anderer Artikel.

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Claudia am 19. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Zwischen Sein und Sollen

Zwischen Sein und Sollen

16 Tage kein Diary-Eintrag. Ich glaub‘, das war die längste Pause, die es je gegeben hat. Ein Teil von mir ist regelrecht in Streik getreten, leider nicht nur in Sachen „Webdiary“. Alles Tun und Machen am PC zeigte sich auf einmal als etwas, das ich lieber vermeiden würde – und ich hab‘ es vermieden bis an die Grenze des Möglichen, sprich: bis das Konto auf Null war. Acht Jahre „am Netz“ – an sowas wie Urlaub dachte ich nie. Ob es daran liegt? Ich weiß es nicht, so richtig „in die Ferne“ hat es mich ja auch nicht gezogen, nur vom Monitor wollte ich mich entfernen, ein paar Meter reichten schon aus.

Putzen, aufräumen, das Klein-Chaos in allerlei Ablage-Ecken beseitigen, Staub saugen – nie zuvor hat all das solchen Spaß gemacht. Noch lieber gehe ich spazieren, ohne Ziel, einfach den Körper in Bewegung spürend, den Duft der blühenden Bäume riechend, die Berliner Skyline mit Fernsehturm Ost bewundernd, die von den nahen Brücken über die Spree und über die S-Bahn so gut zu sehen ist. Auch Blumen gießen auf dem Balkon macht Freude – hätte mir jemand prophezeit, dass ich eines Tages spießige Stiefmütterchen und ähnliche Ex-und-Hopp-Pflanzen erwerbe, um „Frühling, ganz nah“ zu erleben, hätte ich mir an die Stirn getippt. Tja, sag niemals nie!

Auch das Fitness-Center sieht mich wieder jeden zweiten Tag. Monatelang war ich nur zahlende Karteileiche. Die große Langeweile hatte mich überkommen, damals im Januar. Immer dieselben Bewegungen, ein blödes Herumturnen an komischen Apparaten. Also dachte ich mir: Packs mal anders an! Warum nicht mal ein bisschen mehr anstrengen? Nicht nur fit bleiben und dafür eine öde gewordene Routine abziehen, sondern ein Ziel anstreben, Muskeln aufbauen, mal wirklich STÄRKER werden, so dass mir der Kasten Wasser locker in der linken Hand liegt bis hinauf in den dritten Stock. Einen Klimmzug machen können, und nicht wie ein schlaffer Sack hilflos an der Stange hängen…

Gedacht, getan. Bei jedem der Geräte legte ich ein paar „Kohlen“ auf und übte mit deutlich höherem Gewicht. Ging auch ganz gut, doch bemerkte ich erst zwei Tage später, dass der Schmerz am linken Oberschenkel nicht Teil des allgemeinen Muskelkaters war, sondern ein Muskelfaserriss: eine richtige Delle, daneben eine Schwellung. Das war´s erst mal in Sachen Fitness-Center! Erschreckend, wie leicht man sich verletzen kann – und ich hatte es nicht mal bemerkt, während es geschah.

Jetzt trau ich mich wieder, vorsichtig, langsam, und spüre, wie sich der Körper freut. Wir sind nicht dafür gebaut, unsere Tage Tasten klickend vor einem Bildschirm zu verbringen. Auch ein bisschen „zügig Gehen“ zwischendurch reicht keinesfalls aus, um allen Muskeln mal wieder das Gefühl zu geben, am Leben beteiligt zu sein. Nach einer Stunde Training fühl ich mich wie neu, könnte Bäume ausreißen! Aber leider: das braucht es halt nicht, Konto auffüllen ist angesagt, und das geht nun mal nur hinter dem Monitor.

Da sitze ich jetzt wieder und versuche, den Ehrgeiz wieder zu erwecken, den ich brauche, um etwas Neues zu erschaffen. Zum reinen Selbstausdruck reicht mir das Schreiben, mal im Web, mal in einem privaten Mail-Dialog. Könnte ich dem einfach folgen, käme gelegentlich ein künstlerisches Webprojekt hinzu – es gibt so einiges, was ich gerne zeigen, in Form bringen, in die Web-Welt setzen würde, wenn ich es mir leisten könnte. Vielleicht sollte ich diese „Herz-Projekte“ einfach mal beschreiben und Sponsoren suchen?

Zuvorderst stehen jedoch andere Dinge an, neue Schreibimpuls-Kurse zum Beispiel. Es macht Freude, mit einer Gruppe zu arbeiten, Menschen zum Schreiben zu motivieren, Resonanz zu geben, zu kommentieren und zu kommunizieren. Aber Non-Stop kann ich das nicht durchziehen, so einen Kurs nach dem Anderen, dass ich davon alleine leben könnte. Es ist, als verbrauchte ich dabei eine Energie, die ich anderwo auftanken muss: Im Allein-Sein, alleine arbeiten, OHNE dabei ans Geld denken zu müssen. Wie ich mir DAS finanziere, ist im Grunde die Frage, die ansteht.

Grad rief mich ein lieber Freund an, unterbrach mein „Ringen um die richtige Arbeitslaune“, entführte mich für kurze Zeit in seine Welt, die für wenige Minuten eine gemeinsame wurde. Meistens mag ich es nicht, telefonisch unterbrochen zu werden, und sage das auch allen, die das Telefon gern zu mehr als zum bloßen Info-Austausch benutzen. Aber nichts, was ich mir so denke, gilt ja absolut, es gibt Ausnahme-Momente – und das war jetzt so einer. Der Text war ja just in diesem Augenblick zu Ende.

Immer wieder in den Augenblick kommen, das JETZT wahrnehmen und darüber staunen, dass ICH da auf seltsame Weise verschwinde – das ist eine „Übung“, an der ich soviel Geschmack gefunden habe, dass es oft schwer fällt, ins zukunftsorientierte Planen und Arbeiten zurück zu kommen. Ich kenne viele Menschen, die offensichtlich gar keinen Zugang zu diesem immer vorhandenen Paradies haben, sie sind fortlaufend am Denken und Grübeln, am Planen und Fürchten, am Analysieren und Hinterfragen, nehmen ihre Umwelt und auch ihren Körper kaum noch wahr, bis irgend eine Katastrophe unabweisbar dazu auffordert, mal wieder ein wenig wach zu werden, wach für das, was ist.

Nun, egal, wo und wie man sich befindet: es scheint immer die passende Art Katastrophe zu geben! Bei mir ist es halt grad der Kontostand, der mich aufs Heftigste aus dem Augenblick in die virtuelle Welt zurück zieht – in die Welt des rationalen Sorgens um Zukunft und Fortkommen. Dabei will ich gar nicht FORT kommen, verdammt noch mal. Sondern einfach DA sein!

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Claudia am 05. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Der Andere, der Täter – ich armes Opfer!

Der Andere, der Täter – ich armes Opfer!

An manchen Tagen ist viel los in der alten Markthalle, die Wege zwischen den Ständen sind nicht sehr breit, die Menschen drängeln – auf einmal rempelt mich da doch einer richtig an!

Was geschieht? Werde ich böse und remple zurück? Gehe ich ungerührt weiter, denn schließlich kommt so was dauernd vor, wenn es eng ist? Stelle ich ihn zur Rede und mache ihn zur Schnecke? Oder fühle ich mich unfähig, weil ich schon wieder nicht in der Lage bin, eine „richtige Antwort“ zu finden? Bin ich zu ängstlich und mach mir daraus ein „Gewissen“? Mache ich einen lockeren Witz und ziehe fröhlich weiter?

Kann alles sein! Ja, ich hab‘ einige dieser Varianten schon erlebt, nix besonderes. Das Besondere ist: es ist immer dasselbe Ereignis, nur meine Reaktionen sind gänzlich unterschiedlich. Je nach Stimmungslage, je nach dem, was gerade in mir vor geht, was für ein Gefühl zu mir selbst und meiner „Lage in der Welt“ ich gerade habe, dem entsprechend fällt meine „spontane“ Reaktion aus.

Was lerne ich daraus? Es kommt nicht auf den Anderen an, wie ich ihn empfinde, sondern auf mich selbst. Und WEIL das so ist, kann ich gut damit aufhören, mich als Opfer meiner Mitmenschen zu betrachten: was ich empfinde, ist „mein Bier“ – und wenn ich damit unzufrieden bin, wenn ich darunter leide, was ich empfinde, dann sollte ich etwas ändern. AN MIR – nicht am Andern!

Fühlen deiner Wahl…

„Was immer du auch fühlst von mir, ist Fühlen deiner Wahl“ – ein guter Freund, von dem ich in diesem Leben viel gelernt habe, hat mir diesen bedenkenswerten Satz in einem Gedicht geschrieben. Ich habe ihn nicht verstanden und auch nicht glauben wollen – ja, ich hab mich dagegen gewehrt! Wo kämen wir denn da hin, wenn alle die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns für die Betroffenen derart locker beiseite stellen könnten!

Ja, wo kämen wir hin? Und: ist es wirklich „verantwortungslos“? Ist es denn überhaupt MÖGLICH, die Folgen meiner Handlungen im Empfinden anderer Menschen voraus zu sagen, geschweige denn, sie zu „bestimmen“?

So gesehen, wirkt der Satz schon weniger absurd. Und im Lauf der Zeit hab ich verstanden, dass „die Verantwortung“ nicht etwa negiert, sondern nur anderswo angesiedelt wird: meine Handlungen verantworte ich – aber nicht die Reaktionen des Anderen. Dafür übernehme ich die volle Verantwortung für MEINE Gefühle und Empfindungen in Bezug auf alles, was mir vom Anderen so blüht. DAS ist nicht unbedingt das leichtere Geschäft, ich muss mich dazu beobachten, in Frage stellen, mein In-der-Welt-Sein reflektieren, genau unterscheiden, woher wann und warum meine „spontanen Reaktionen“ eigentlich kommen – und sie nicht als „gegeben“ und unveränderbar ansehen. Sondern begreifen, dass sie Ergebnis eigener Haltungen und Meinungen sind: wenn ich überzeugt bin, dass ich ein unfähiger Trottel bin, dann werde ich das in den Handlungen anderer immer bestätigt bekommen! Die Welt zeigt sich mir so, wie ich sie erwarte – nicht unbedingt immer bewusst, aber das lässt sich ändern.

Das oben genannte Beispiel ist sehr einfach, gewöhnlich, banal. Betrachten wir ein anderes, nicht weniger häufiges: Ich will etwas von einem Anderen: er soll sich mit mir befassen, soll mir auf meine „wichtige Mail“ von gestern schnellstens antworten, er soll für mich da sein und mir Resonanz geben auf etwas, was gerade in mir wühlt. Aber er tut es nicht. DER SAUBÄR! Was für ein Unmensch! Prompt laufen in mir allerlei „spontane“ Gedankenspiele ab: war ich nicht selber immer für ihn da? Habe ich nicht ein RECHT auf seine Zeit, sein Eingehen, seine Zuwendung? Ist es denn nicht „allgemein üblich“, dass Menschen, die sich mögen, füreinander da sind? Ich rechtfertige also meine Erwartungen an den Andern vor mir selbst, indem ich „eigene Leistungen“ und „allgemeine Moral“ auffahre. Und dann fang ich an, zu deuten und zu urteilen: Warum reagiert er nicht, wie erhofft? Aha, er mag mich nicht, ich bin ihm nicht wichtig genug…. er ist ein arroganter Schnösel, ein in sich selbst verstrickter Egoist. Und ich werd ihm jetzt lange böse sein, das muss er erst mal wieder „gut machen“!

Hat er überhaupt etwas „gemacht“? Nichts von dem, was da in meinem Denken und Fühlen abgeht, hat ER erzeugt. Das mache ich mir selber, das ist, wenn man es so im Detail betrachtet, ganz deutlich. Ich bin mit meinen Erwartungen an ihn heran getreten, und er hat sie nicht so beantwortet, wie ich es wünschte. Warum, kann ich gar nicht wissen! Selber schuld, wenn ich solche „Annahmen“ hege, die mich in üble Gefühle stürzen.

Ich könnte auch ganz anders mit demselben Ereignis umgehen: Aha, er reagiert jetzt nicht auf das, was mir gerade wichtig ist. Nun, er wird anderes zu tun haben, oder er hat seine spezifischen Gründe, auf ein bestimmtes Thema nicht so einzugehen, wie ich es will. Also wende ich mich mir selber zu: Hab ich denn eigentlich ein RECHT, dass der Andere so sei, wie ich ihn wünsche? Ist er mein Papi oder meine Mami, die sich immer ums Kind kümmern müssen? Warum geh ich davon aus, dass er mein „Zuwendungs-Automat“ zu sein hat, wenn mir danach ist? Etwa, „weil ich ihn liebe“? Was für eine Liebe wäre das, die dem Anderen spezifisches Verhalten abfordert? Will irgend jemand ernsthaft solche Bedürftigkeit, solches Anspruchsverhalten mit dem wunderbaren Wort „Liebe“ in Zusammenhang bringen??? (Der möge sich melden und es mit mir im Forum austragen!)

Nein, wenn ich genauer hinsehe, sehe ich tatsächlich: ich bin WIRKLICH auf der „Papi-Schiene“ gewesen, als ich meine Ansprüche umzusetzen suchte (und „verurteilte“, wenn ich keinen Erfolg im Sinne meiner Vorgaben hatte) . Bin es in gewisser Weise immer, zumindest bei Männern, die mir wirklich etwas bedeuten. Das ist nun mal das „Urmodell“ für den Umgang mit dem gegengeschlechtlichen „Anderen“ – im Guten wie im Schlechten, im Normalen wie im Abstrusen, spezifisch Verrückten. Davon kann man sich nicht verabschieden, indem man im Lauf des Lebens nur eben mal die verschiedenen Beeinflussungen bekämpft und mit dem Gegenteil beantwortet – das ist nur der erste Schritt. Ist reine Reaktion, nicht Freiheit, nicht eigene Wahl.

Na, ich will jetzt nicht ins rein Autobiografische abdriften, sondern auf den Leitgedanken zurück: Nicht der Andere ist der „Schuldige“, der „Täter“, sondern ich muss mir schon angucken, wie es dazu kommt, DASS er es zu sein scheint: wie ich ihn also dazu MACHE! Wie ich denkend und fühlend, Eindrücke (Datenlage) auswähle aus vielen möglichen Auswahlen, und dann daraus mein „eigenes Gesamtes“ erbaue – vielleicht darunter leide oder Lust daran empfinde – und von daher versuche, den Anderen als „Automaten in mein Spiel“ einzubauen!

Wenn ich damit aufhöre, bin ich frei. Niemand kann mir „üble Gefühle einbrocken“, also muss ich niemanden verurteilen. Meine Lust und meine Leiden hängen nicht von Anderen ab – seit mir das klar ist, ist das Leben deutlich leichter. Kein inneres Herum-Rechten mehr, kein Grübeln, keine „Beziehungsdiskussionen“, keine Manipulationsversuche, vor allem kein „Festkleben“ an Frustrationen, denn ich weiß ja: die hab‘ ich selbst erzeugt, indem ich eine Erwartung hegte und pflegte, die ich ebenso gut wieder loslassen kann. Anfänglich bedarf es eines kleinen inneren Rucks, braucht eine kurze Konzentration der Aufmerksamkeit auf all das – aber bald wird es selbstverständlich. Meine Wünsche sind keine „Ansprüche“ mehr, sondern nurmehr Vorschläge. Und dass nicht alle meine Vorschläge angenommen werden, erscheint mir heute ganz normal.

*** Philosophie end – – –

Glaubt bloß nicht, ich wär aus meiner innovativen Geisteskraft zu diesem Text und seinen Aussagen gekommen! Es ist vielmehr so, dass das „auf mich selbst zurück geworfen sein“, das mir einzig übrig blieb, wenn sich mein jeweiliger Hauptgesprächspartner verweigerte, zu diesen Erkenntnissen führte. Gewiss ist auch der übliche Einwurf berechtigt: Das ist doch nichts Neues, zu alledem gibt’s ja ganze Buchregale…

Schreiben?

ABER ich sag immer, es ist ein Unterschied, ob man etwas erlebt und dann versucht, die gewonnene Erkenntnis in Worte zu fassen – es mögen alte Worte sein, es mögen bekannte Gedankenfiguren vorkommen, oder auch neumodisch esoterisch-wirres Zeug… ;-) .. – ODER ob man nur „zu einer Frage Stellung nehmen“ will. (Weil ja jeder, der in der Infogesellschaft ernst genommen werden will, zu allem etwas sagen kann, muss, sollte… und es macht ja auch Spass!)

Dieser Unterschied ist die „Lizenz zum Schreiben“. Etwas, wonach mich ein großer Teil meiner Kursteilnehmer mit je eigenen Worten immer wieder fragt: Wie kann ich wagen, etwas von MIR zu berichten – wenn doch alles, was ich „dazu sagen“ könnte, schon tausendmal gesagt wurde? Falls mir überhaupt was einfällt…

Wer so fragt, hat schon die halbe Miete! Ist auf dem besten Weg zur „Lizenz“. Warum?

Die Schreibenden teilen sich für mich in zwei Gruppen auf: diejenigen, die auf dem Markt des Geschriebenen Fuß fassen (oder sich im Job besser formulieren/rüber bringen) wollen, und die anderen, die aus sich heraus schreiben wollen, weil es sie danach verlangt. Wer ohne Blick auf literarische Weihen und kommerzielle Erfolge „einfach schreibt“, wird auf jeden Fall etwas gewinnen: Klarheit, Gelassenheit, Distanz zum eigenen Erleben, auf der manche Frucht der Erkenntnis reifen kann – für die Schreibenden, manchmal auch für die Leser.

Das Leben und das Schreiben – ich weiß letztendlich nicht, in welchem Verhältnis sie ganz genau zueinander stehen, sondern experimentiere es aus. Deshalb schreibe ich ja immer weiter.

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Claudia am 04. Mai 2004 — Kommentare deaktiviert für Verschwinden

Verschwinden

Wie viele Angler doch mitten in Berlin aktiv sind! An jeder dafür in Frage kommenden Stelle sitzt einer und lauert auf den Fisch. Es ist ein lauer Frühlingsabend, ich wandere rund um die Halbinsel Stralau und genieße die Stille. Nun ja, ganz still ist es nicht, vom anderen Ufer der Rummelsburger Bucht erschallt ein Froschkonzert, in weiter Ferne fahren Autos, auch die S-Bahn ist gelegentlich zu hören. Aber kein Mensch kreuzt meinen Weg, die Angler verschwimmen fast mit dem Hintergrund und langsam kommt die Nacht herauf. Die Luft riecht nach Blüten, es ist sommerlich warm, der Körper entspannt. Langsam ergreift die äußere Ruhe Besitz von mir: Denken an gestern und morgen verstummt, ich sehe, höre, rieche, schau in die Lichter der futuristisch wirkenden Neubauten, die mit manch altem Backsteingemäuer wundervoll kontrastieren, beobachte die kleinen Fische bei der Jagd nach den Schnaken, die dicht über dem Wasser fliegen – warum geh ich hier nur so selten spazieren? Ist doch fast wie Urlaub. Weiter → (Verschwinden)

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