Claudia am 26. September 2021 —

Bin ich mir zu langweilig geworden?

Die Frage kommt mir in den Sinn, während ich alte Blogposts aus dem Jahr 2001 in die aktuelle WordPress-Blogtechnik übertrage. Das Diary ist ja sehr viel älter als WordPress, die ältesten Texte aus den Jahren 1999 bis 2001 stehen noch immer in der alten Machart im Web. Seit Jahren will ich das fertig stellen, aber weil es eine öde, rein technische Arbeit ist, gibt es immer Wichtigeres.

Komme ich dann mal dazu und übertrage ein paar Einträge, überfliege ich natürlich auch die Texte. Tauche ab in Befindlichkeiten und Erlebnisse von damals: 1999 bin ich nach 20 Jahren Berlin nach Gottesgabe in Mecklenburg gezogen.

Nach zwei Jahren Landleben in einem kleinen Dorf nahe Schwerin hat es gereicht und ich zog zurück nach Berlin. Gebloggt hab‘ ich in der Zeit wie eine Wilde, fast jeden 2.Tag. Nicht so viel über Weltgeschehen wie heute, sondern über mich, mein Erleben, meine Befindlichkeiten und die Gedanken darüber. Seelenstriptease würden es manche nennen, ohne Verletzung der Privat- und Intimsphäre meiner Freunde und Lebensgefährten, aber schonungslos offen in Bezug auf eigene Abgründe, Miesepetrigkeiten, Stagnationen und Inspirationen. Viel Lebenskunst, spirituelle Einsichten, Lebensweisheiten waren auch immer wieder mal dabei – irgendwie ist mir das abhanden gekommen.

Zen-KreisWarum eigentlich? Was hat sich so verändert, dass ich kaum mehr solche „verinnerten“ Texte schreibe? Sind denn alle Fragen beantwortet, ist jede Suche an ihr Ende gekommen? Bin ich so „abgeklärt“, dass es da einfach nichts mehr zu berichten gibt? Oder hindert mich das so stark veränderte Netz?

Ich weiß es nicht, muss erstmal darüber nachdenken. Das Bloggen übers Weltgeschehen, das ich seit Längerem fast ausschließlich betreibe, scheint jedenfalls nicht so zu befriedigen wie das frühere, sehr viel persönlichere Bloggen. Denn die Einträge sind deutlich seltener, was micht nicht wirklich wundert. Schließlich reicht es oft schon, einen Tweet raus zu hauen. Wenn „alle“ über diesselben drei Aufreger schreiben, muss ich ja nicht auch noch was dazu verlautbaren. So originell sind meine Meinungen nicht.

Es stellt sich mal wieder die Frage nach dem Sinn des Bloggens – nur dieses mal sehr persönlich.

Diskussion

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10 Kommentare zu „Bin ich mir zu langweilig geworden?“.

  1. „Oder hindert mich das so stark veränderte Netz?“
    Das würde ich als erstes annehmen.
    Ich war zwar nie bei den asozialen Netzwerken, habe mich aber früher recht unbefangen in diversen Foren unterhalten. Heute nicht mehr.

  2. Deine Frage, @Claudia, habe ich mir auch oft gestellt und ich bin zu der Meinung gekommen, dass ich zu vielen wichtigen Fragen eine Antwort oder einen eigenen Standpunkt gefunden habe. Hinterfragen tue ich sie ab und zu immer noch, überprüfe und revidiere auch,- manchmal, aber das ist nicht mehr das gro. Nicht selten beinhaltet eine für mich gefundene Antwort auch andere offene Fragen, was ich oft erst viel später erkenne.

    Darüber hinaus findet mein verbleibender Wunsch zum Austausch dazu mittlerweile auch auf diversen Plattformen statt und fokussiert sich nicht mehr auf meinen oder den „einen“ Blog.

    Ich denke, dass die Reduktion dieser eigenen und sehr persönlichen Fragen eher ein Hinweis darauf ist, dass ich mit einigen Dingen mittlerweile ins „Reine“ mit mir gekommen bin. Dazu gehört für mich auch, dass ich auf vieles vielleicht nie eine Antwort finden werde. Allerdings bleibe ich auf kleiner Flamme immer noch an den kleinen und großen Fragen dran, in Geduld und in der Hoffnung, dass mich jetzt einmal auch die eine oder andere Antwort finden möge.

  3. Ich erinnere mich an die früheren Jahre, an das Nichtrauchertagebuch, dein Landleben usw. Und ja, ich bin eher ein Freund des persönlichen als des politisch-gesellschaftlichen Bloggens. Mir selbst ist vieles abhanden gekommen, was ich ehedem mit Begeisterung betrieben habe. Verschiebungen einfach durch das Leben, veränderte Prioritäten, zunehmendes Alter? Wie Holly habe ich mit Hingabe in Foren diskutiert. Bei mir reicht die Energie nicht mehr, ich bin froh, wenn ich so über den Tag komme. Solange es dir keinen Leidensdruck verursacht, würde ich denken, daß alles in Ordnung ist. Ich bewundere die Menschen, die sich aufraffen und kontinuierlich Tagebuchbloggen wie Herr Buddenbohm, Frau Kaltmamsell oder Frau Kroitzsch mit ihrem fantastischen LandLebenBlog. Deren Lektüre ist Nektar in meinem Alltag. Noch viele schöner wäre es allerdings, wenn wir alle nah beieinander wohnten und eine Art Salonkultur ins Leben brächten mit einem Jour fixe, an dem man sowohl Persönliches als auch Themen der Politik, Umwelt, Gesellschaft diskutieren könnte.

  4. @Holly: „unbefangen“ im strengen Sinn war ich nie. Immer schon hab ich im Bewusstsein geschrieben, dass das Geschriebene überall landen kann und evtl. nicht mehr zu löschen ist. (FAKTISCH ist es ja eher so, dass es Anstrengungen kostet, überhaupt bemerkt zu werden).

    @Markus: danke für deine Blog-Empfehlungen, zwei davon hab ich in meine Blogroll aufgenommen. Vielleicht inspirieren sie mich, selbst wieder mehr „von innen heraus“ zu schreiben.

    @Menachem: ja, das stimmt. Auch ich bin mit mir weitgehend im Reinen. Was nicht dasselbe ist wie „alles in Butter, finde mich super“!

  5. Hallo Claudia,

    mir ging es auch lange Zeit so, dass ich sehr viel gesellschaftliche Inhalte hatte. Das hatte mich irgendwie aufgerieben. So sehr, dass ich meinen Blog fast geschlossen hätte. Ich hab dann die Kehrtwende gemacht und mich fast nur noch mit Fachthemen beschäftigt.

    Aber bei den gesellschaftlichen Veränderungen, die anstehen, will ich mich dann doch nicht heraushalten. Also werde ich da wieder ein wenig mitmischen.

    Grundsätzlich ist aber schon die These richtig, dass die Plattformen ihren Teil dazu beitragen. Durch die Plattformen an sich ist man durchaus auch mal weniger unbefangen. Und man fragt sich: Reicht ein Posting? Oder muss es ein Blogartikel sein?

    Ich denke unterm Strich: Ein Blogartikel ist definitiv besser.

  6. Liebe Claudia,

    wie erfreulich für mich, dein Blog auch nach Jahren hier wiederzufinden. Beim Aufräumen meines Mailfaches stieß ich auf deine Post (Claudia Klinger-News 2008) und ich verspürte Lust auf ein Wiederlesen.
    Deine Bloartikel dienen mir als Denkanstoß und für Dialoge mit den Mitmenschen.

    Herzliche Grüße aus Österreich
    Monika

  7. @Henning: na klar, raushalten klappt bei mir auf Dauer auch nicht, ich such halt einen eher persönlichen Blickwinkel. Zum Beispiel reizt es mich grad gar nicht, am „Vermutungskarussel“ rund um die möglichen Koalitionen teilzunehmen. Da sind so viele Stimmen, die dasselbe sagen, was ich sagen würde – also überflüssig!
    Dieses Kriterium erscheint mir derzeit recht hilfreich als Tipp zum (Nicht-)Bloggen: Überlege, ob das, was du sagen willst, nicht schon in zig Presseartikeln und SocialMedia-Statements gesagt wurde!
    Es muss doch ein „darunter, dahinter, daneben“ geben, das die Menschen berührt – und das geht wohl eher übers Persönliche.

    @Monika: wie schön, dass du aus einem uralten Newsletter heraus das Diary wieder gefunden hast! Schreib auch gerne weiter ab und an mal einen Kommentar – würde mich freuen!

  8. @claudia
    1., weil mir das gerade aufgefallen ist: „Uralter Newsletter“ ist so ein schönes Stichwort. Wie oft wurden Newsletter für tot erklärt. Aber an der Monika sieht man ja, dass das so nicht in jedem Fall stimmt.

    2.: Danke für deine Antwort. Dazu fällt mir aus dem Stand heraus ein, dass doch die persönlichen Blickwinkel das ist, was das Bloggen mal ausgemacht hat. Nein, niemand muss von dem gleichen Sack Reis erzählen, der in China umgefallen ist. Aber manchen interessiert vielleicht die Fallgeschwindigkeit, andere vielleicht, ob der Sack beim Umfallen Staub aufgewirbelt hat oder so.

    3.: Das Vermutungskarussell (großartiges Wort) gibt es ja schon länger in der einen oder anderen Ausprägung. Das war ja auch einer der Gründe, warum ich mich aus politischen Diskursen herausgehalten habe. Aber ein bisschen werde ich mich dann doch wieder einbringen.

  9. […] ich gerade wieder mal über den Sinn des Bloggens für mich persönlich nachdenke, freue ich mich, dazu andere, auch kritische Aussagen zu finden – insbesondere […]