Claudia am 24. August 2020 —

Maskenstreit: Vom Gesicht des Anderen

Einige Corona-Masken-Kritisierende und -Verweigernde (ok so?) kommen mit dem Argument, eine Maske verhindere das Erkennen der Mimik der Mitmenschen. Recht haben sie, das ist wirklich ätzend! Es ist mir immer schon gegen den Strich gegangen, egal in welcher Form die Vermummung daher kommt.

Dass ich zur kollektiven Abwehr einer relevanten Gefahr bereit bin, mir dieses Stück dreilagiges Papier (= viel angenehmer als all das aus edlen Stoffen gewebte Commnity-Zeugs) vors Gesicht zu schnallen, heißt nicht, dass ich es mag! Zum Glück trifft mich die Maskenpflicht nur beim Einkaufen und beim Aufsuchen öffentlicher Orte (Arzt, Behörde, Supermärkte) – also nicht wirklich oft und auch nicht lange. Eine mehrstündige Zugreise hab ich allerdings auch schon hinter mir. Es war recht erträglich in einem noch nicht übervollen Zug.

Was ich sagen will: Ich nehme Euch das Argument nicht ab! Nicht weil es nicht stimmen würde, sondern weil Ihr es als bloßes Argumentationsmaterial zweckentfremdet. Erzählt mir doch nicht, Ihr würdet die Mitmenschen, die Euch im Alltag begegnen, wirklich anschauen! Ihnen ins Gesicht sehen, was ja – wenn beide gleichzeitig schauen – bedeutet, dass mensch vom Gegenüber weiß: hat mich gesehen und weiß, dass ich ihn/sie/es (?) auch gesehen habe.

Bei meinem Urteil über Mitmenschen, gehe ich immer zuerst von mir selber aus. Und von mir weiß ich, dass ich meist in Gedanken bin, wenn ich so durch die Welt laufe, versunken ins Nachdenken über Vergangenes oder über nächste Aktivitäten. (Dabei hat mich mal einer umgehauen, einfach so..)

Geht der Geliebte oder gute Freund an meiner Seite, kann ich die Wahrnehmung meiner Mitwelt besonders weit herunter fahren, denn auf Männer projiziere ich die Fähigkeit, vor allem aber die Willigkeit (!), die Außenwelt im Auge zu behalten und die Orientierung für uns beide zu übernehmen. Stimmt meistens, allerdings hab ich auch schon erlebt, dass Mann-an-meiner-Seite „uns“ verirrt hat. Shit happens! Da hat dann meine weibliche Bereitschaft, Anwohner um Orientierungshilfe zu bitten, weiter geholfen :-)).

Kurzum: ich glaube nicht, dass Euch der Gesichtsausdruck des jeweiliegen Gegenübers fehlt. Dass ihr euch das leisten könnt wie wir alle, ist nicht mal ein Bug, sondern ein Feature! Ein Feature des Produkts „Zivilisation“, das wir nicht in den Müll entsorgen, sondern schützen sollten!

Der einzige Grund, warum es durchaus wichtig ist, die je eigene Umwelt aufmerksam im Auge zu behalten, ist die Möglichkeit des Kriegs, die potentielle Gefahr, die vom Mitmenschen ausgehen könnte – nicht ausgehen muss, aber könnte.

Zivilisiert leben bedeutet: in Frieden sein, als Privatmensch im Alltag nicht ständig damit rechnen müssen, wegen irgendwas von XYZ angegriffen zu werden. Es bedeutet, in Ruhe den eigenen Gedanken nachhängen zu können, eine Basisfreíheit, die heute zu wenig geschätzt wird. Nebenbei bedeutet es auch, im Kontakt-Fall nicht gleich in Schubladen gesteckt und abgehakt zu werden – aber das ist schon eine Weiterung, eine höhere Friedfertigkeit, die kaum mehr jemand aufbringen will.

Soweit für jetzt. Es ist spät.

Update 24.8.:

Das FAZIT hat gefehlt, ich war gestern zu müde für einen „runden“ Artikel. Alsdenn: Diese Überlegungen sind vom „Maskenstreit“ auf Twitter inspiriert. Mein Grundgefühl, dass es weiterhin möglich ist, zivisiliert miteinander umzugehen, nimmt dort Schaden, wenn ich immer wieder lese, wie EGAL den „Skeptikern“ die Anderen sind. Hauptsache ICH, meine FREIHEIT, keine Maske zu tragen – sie schützt ja sowieso nicht, wiederholen sie bis zum Abwinken. Dabei schützt sie sehr wohl, ein wenig die Träger/innen, aber vor allem die Anderen.

Und weil gerade wieder herum gereicht wird, dass laut einem Meinungsbeitrag in der Apothekerzeitung viele Community-Masken aus Stoff womöglich ein gutes Biotop für Bakterien seien: Ich hab mir auf Ebay einen 50ger-Pack Papiermasken gekauft. Nicht so schick, aber besser! Im übrigen schreibt auch der skeptische Autor:

„Masken helfen nur dann, wenn es ein Risiko gibt, dass sich Infizierte und Nicht-Infizierte begegnen.“

Na, dafür sind sie ja da, oder?

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
29 Kommentare zu „Maskenstreit: Vom Gesicht des Anderen“.

  1. Es scheint bei der Maske eigentlich darum zu gehen, überhaupt keine Beschränkungen auf sich nehmen zu müssen.
    Wie wird es denn aussehen, wenn uns die Klimakrise noch stärker packt?
    Als das Klimapaket letztes Jahr beschlossen wurde, hörte ich so manchen auf Strasse und im Zug murren. Weniger Indvidualverkehr, das geht nun mal nicht.
    Man will das tun können, was man immer tat und kein bisschen weniger.

  2. @Gerhard: Ja, und deshalb sind wir auf „gutem Weg“ ins WorstCase-Szenario. Bin froh, dass ich schon so alt bin…

  3. Diese Damen und Herren wollen ihre Freiheit nicht eingeschränkt bekommen. Es geht darum, dass alles, was diese Regierung sagt oder tut, Mist ist. Kommt halt von Merkel und ihren […]

    Sie sind ohne weiteres dazu bereit, ihren Mitmenschen eine ordentliche Last des Virus ins Gesicht zu blasen oder es andersherum zu inhalieren. Dass es ihnen so völlig egal ist, ob sie Menschen anstecken, die ihnen wichtig sind und die vielleicht besonders gefährdet sein könnten, macht mich wirklich mürbe. Ich kann verstehen, wenn man was gegen Masken hat. Es ist unangenehm sie zu tragen. Kürzlich habe ich meine Schwester zum Arzt nach Köln gefahren. Dort sind wir in den 3. Stock zu Fuß gelaufen (mit Masken). Ich habe echt gedacht, ich muss hier raus… Einkaufen macht so kein Vergnügen. Ich geh nur in irgendwelche Geschäfte, wenn ich es wirklich nicht umgehen kann. Aber dieses Privileg haben viele Leute nicht. Trotzdem glaube ich, dass die Masken wichtig und deshalb die Pflicht sie zu tragen richtig ist.

    Was wohl passieren wird, wenn die Infektionszahlen weiter steigen und wir schlimmstenfalls in eine exponentielle Wachstumphase geraten? Diesmal werden viele den Ansagen der politisch Verantwortlichen nicht mehr folgen, auch nicht den Medizinern, die ja ihrer Meinung nach alle entweder fremdgesteuert, bescheuert oder beides sind. Das bedeutet, dass es richtigen Krach geben könnte. Das Klima verhärtet sich immer mehr und es gibt solche absoluten Idioten wie die Altherrenriege von Indubio (Achgut-Ableger), die ständig an allem herumnörgeln, das von der Regierung oder dem Robert-Koch-Institut kommt. Und die Zustimmung für solche Kerle wächst scheinbar immer schneller. Ne, ist nicht mehr schön. Mich erinnert das an diesen abgestandenen Autobahn-Witz. Da hört ein Autofahrer, dass auf seiner Autobahn ein Geisterfahrer unterwegs ist. Er quittiert die Meldung mit der Feststellung: Einer? Hunderte!

  4. @Horst: gute Zusammenfassung, es wird finsterer werden…
    Was mich weiterhin interessiert, sozusagen psycho-soziologisch: Wie kann man nur so drauf kommen? Sicher ist es nicht nur eine Ursache, aber es muss Hintergründe geben, dass Menschen soviel Aggressivität und Energie einbringen, um „gegen alles“ zu sein…

  5. @Claudia, der Der Psychologe Stephan Grünewald hat beim Spiegel einiges dazu geschrieben. Er meint sinngemäss, daß Ohnmachtsterfahrung gegenüber der numinosen Bedrohung dazu führt, daß Leute Sündeböcke suchen, speziell eben die Regierung.

  6. So eine Maske ist schon eine effektiver Schutz. Gestern ging ich in den Praxiswarteraum meiner Hausärztin und ein älterer Herr nickte mir jovial zu, sprach mich aber nicht an. Als er dann aufstand und das Zimmer verlassen wollte, erkannte ich meinen Vater.

  7. Ich grüsse Euch Alle.
    Leider kann ich mich in Euren Einschätzungen nicht wiederfinden. Ich will aber gar nicht argumentieren und Debatten führen. Ich bin es müde. Und ich bin geradezu entsetzt, erschlagen und entmutigt, wie harsch im Netz Streitfragen wie das Maskentragen ausgetragen werden.
    Nun, ich weigere mich, als Freiheitsfanatiker abgestempelt zu werden. Ich bin auch nicht gegen alles, was die Regierung sagt. Ich bin Asthmatiker. Und nahe an der Altersgruppe, die erhöhtes Risiko hat. Dennoch sage ich: Die so weit gehende Maskenpflicht kann ich nicht verstehen. Maske beim Einkaufen ist eine Schau – einen Nutzen hat sie kaum. Noch hat mir niemand belegen können, dass eine Ansteckung in einem Ladengeschäft hätte nachgewiesen werden können. Dafür haben unzählige Detailhandelsangestellte nun sehr erschwerte Arbeitsbedingungen – und ganz viele Läden und Kleinbetriebe noch mehr Umsatzeinbussen – und das wohl noch sehr lange. Wo soll das noch hinführen?
    Und ich denke an ganz viele Menschen, für welche die Angst vor dem Virus längst zum Alltag gehört und jeden Tag Stress macht.
    Es tut mir leid. Aber mich haben die Autoritäten irgendwo auf dem Coronaweg verloren und ich traue ihnen die massvolle, richtige Vorgehensweise nicht mehr zu. Und ich glaube, dass unser Umgang mit der „relevanten Gefahr“ eine Art modernen Kolonisierungsschaden in den armen Regionen dieser Welt auslöst – dort haben die wirtschaftlichen Folgen unseres Vorgehens für hunderte von Millionen von Menschen existenzielle Konsequenzen von für uns unvorstellbarem Ausmass.
    Wie gesagt: Ich weiss nicht mehr weiter. Und ich bin zutiefst traurig über das Klima, das wir geschaffen haben. Ja, wir. Denn wenn wir die Gegenseite schlicht als Idioten bezeichnen, sind wir nicht besser als jene, die wir als Verweigerer ausmachen. Wir reden nicht mehr miteinander. Aber wir geben uns ja auch nicht mehr die Hand.

  8. @Thinkabaout: danke für deinen ausführlichen Kommentar! Du schreibst, du wolltest nicht argumentieren, tust es dann aber doch… :-) Warum auch nicht, ich schätze alle Meinungsäußerungen, so lange sie zivilisiert vorgetragen werden und Argumente bringen, nicht nur Glaubenssätze und Polemiken.

    Dass die erhöhte Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen nicht nachgewiesen sei, halte ich angesichts der Erfahrungen und Berichte über Ausbrüche und ihre Ursachen in letzter Zeit für falsch. Nur kann man private Feiern nicht erfolgreich regulieren, Geschäfte aber schon. (Du als Astmatiker bekämst vermutlich ein Attest und müsstest keine Maske tragen.)
    Noch immer ist eine Mehrheit FÜR die Schutzmaßnahmen, ein Teil dieser Mehrheit wünscht sich sogar mehr davon.

    Deutlich knapper fällt die Zustimmung zur Maske am Arbeitsplatz aus:

    Manchmal denke ich auch: Was würde wohl geschehen, würden die Regierenden sagen: ok, wir lassen das alles, canceln alle Corona-Regeln – aber beschwert Euch nicht, wenn die Krankenhäuser dann bald überlastet sind…
    Wie würde die mehrheitlich den Maßnahmen zustimmende Bevölkerung wohl reagieren? Wäre dann auf einmal wieder „alles normal“ – oder ganz im Gegenteil noch mehr Aufruhr?

    Die Schäden, die Corona wirtschaftlich verursacht sind Fakt. Mich betrübt daran besonders, dass das „weniger produzieren, weniger konsumieren“ doch eigentlich das ist, was angesichts der Klimakrise dringend angesagt wäre. Nur weiß niemand, wie ein entsprechender Umbau der Wirtschaft geleistet werden könnte, der Wachstumszwang hält uns alle im Griff – es kommt mir vor wie im Circle of Death der Ameisen!

  9. Ich bekäme als Asthmatiker ein Attest? Das würde ich mir dann am besten gut lesbar an die Brust heften, damit ich mich nicht immer wieder erklären muss… und die Art, in der ich „befragt“ würde, möchte ich mir angesichts der aufgeladenen Stimmung auf Dauer lieber nicht vorstellen…

    Der Begriff „geschlossene Räume“ müsste noch näher definiert werden… ein Club mit hunderten von Tanzenden ist wahrscheinlich ein wenig etwas Anderes als ein grosser Lebensmittelladen mit der üblichen Zahl an Kunden – oder der Bäckerei, die darum bittet, dass nur zwei Kunden aufs Mal in den Laden kommen. Wir sollten uns einfach an das halten, was erklärbar ist und logisch bleibt.

    Deine Was-wäre-wenn-Frage ist rhetorisch: Längst nicht alle Maskengegner sind komplette Massnahmenverweigerer. Es geht doch gar nicht darum, dass die Politik gar nichts mehr tun soll. Es geht um Nachvollziehbarkeit.

    Zu den wirtschaftlichen Problemen kommt noch die Bildungsfrage: Aktuell geht auch hier die Schere gerade noch viel weiter auseinander – zwischen den Kindern, welche in den neuen Unterrichtsformen die Unterstützung und den Support ihres Umfelds haben und jenen, die dabei komplett allein sind.
    Ach ja… von Schweden spricht niemand mehr… Ein Land, das scheinbar so unverantwortlich mit der Pandemie umgegangen ist, aber – zum Beispiel – die schulische Betreuung der Kinder durch alle Monate hindurch prinzipiell aufrecht erhalten hat. Was und wer wie sehr oder wie wenig verantwortungsvoll gehandelt hat – ich wäre da mit der Antwort sehr vorsichtig…

  10. Danke auch für den Link auf den Beitrag in der Deutschen Apothekerzeitung, in welcher der relative Schutz eigentlich aller Masken gegen Corona thematisiert wird. Da kann man auch dies hier lesen:

    „Die mangelhafte Schutzwirkung von Alltagsmasken (und auch von chirurgischen Masken) als Schutz vor Infektionen mit Viren ist in der wissenschaftlichen Welt basierend auf den bisher vorliegenden Daten unstrittig. Das wissen auch unsere Politiker und das RKI, deshalb wurde auch zunächst von der Verwendung von Masken abgeraten. Warum es zu einer Änderung in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit kam und einem Zwang, Masken in bestimmten Situationen zu tragen, da­rüber kann man nur spekulieren – ­zumal das zu einem Zeitpunkt passierte, als der Infektionsdruck bereits am Abklingen war.

  11. @Thinkabout, ich kann Dich nicht verstehen. Bei den Alltagsmasken geht es zunächst einzig um den Schutz ANDERER, nicht des Makenträgers selbst.
    Wenn Du auf Masken (und vielleicht auch auf Abstand )verzichten möchtest, dann hiesse das, daß es keine Gefahr gibt?!
    Du schreibst auch: „Es geht um Nachvollziehbarkeit. „.
    Eine etwas unwirkliche, numinose Gefahr kann man eben schwer konkretisieren und demzufolge harte nachvollziehbare Kriterien schwer entwerfen.
    Dieser Virus kann offenbar unterschiedliche Schäden bewirken, bei manchen Mitmenschen dagegen keine. Was gilt also nun?

  12. @thinkabout: ich nehme dich gerade als (vermutlich) „frisch im Kampfmodus“ wahr, wogegen ich diese Debatten gefühlte 1001 Mal hinter mir habe, wenns reicht…

    Bin davon etwas ermüdet, was nicht heißt, dass ich nicht bereit wäre, mit einem lange bekannten Stammleser und Bloggerkollegen, dessen Sicht der Dinge ich durchaus vermisst habe, erneut „die Klingen zu kreuzen“… lach… ein Scherz!

    Jedenfalls war meine Frage nicht rhetorisch, sondern der Versuch, einem Gedankenspiel zum Thema („Maskenstreit“) immer mal wieder einen neuen, zumindest für mich interessanten Dreh abzugewinnen. Damit ich nicht vollends in den Überdruss gerate… eben deshalb kam ich dahin:

    Was, wenn einfach Schluss gemacht würde mit jeglichen Maßnahmen? Wenn alle, die da etwas zu bestimmen haben, zum Schluss kämen: Das ist es nicht wert! Besser, es sterben ein paar mehr als sonst an Corona und einige bekommen bedauerliche Langzeitschäden – aber dafür haben wir wieder Frieden! Naja, den von vorher, der auch nur auf recht viel Ignoranz füreinander bestanden hat – aber immerhin!
    Wenn sie das dann so verkünden würden – wie würden „alle“ reagieren?

    Aber gut, ich will nicht lang mit Herumphilosophieren langweilen: Ich habe Verständnis für die Politik und die Geschichte der Maßnahmen. Die Anforderungen, die im Nachhinein und auch jetzt noch an die Regierenden gestellt werden, sind einfach zu gigantisch – immerhin gab es keinen Präzedenzfall!

    Es gab in Berlin diese Diskussion, wie viele Hundert Quadratmeter ein Möbelhaus oder anderes Großkaufhaus in Betrieb nehmen darf – schon beim diesem Versuch stellte sich heraus, dass das nicht funktioniert. Die Idee, „nach und nach“ die Lockerungen einzuführen, um vorsichtig zu schauen, was passiert, hat sich als nicht machbar heraus gestellt. Sie war nicht gerichtsfest, denn diese Strategie geht nicht ohne „Ungerechtigkeit“: Warum dürfen die schon und wir nicht? Etc. usw.

    Das nur als Verweis auf die Schwierigkeiten der Konkretisierung, die du ja einforderst mit deinen Beispielen.

    Hinzu kommt das Verhalten der Leute: Als einziger oder eine von ganz wenigen mochte kaum jemand Maske aufziehen, auch wenns schon Pflicht war… jetzt sehe ich in Supermärkten nur selten Maskenlose, in den Berliner Spätis (Abendkioske in Erdgeschossläden) sind Maskentragende nicht die Mehrheit. Je zersplitterter das Regelwerk, desto unwahrscheinlicher wäre es. dass eine relevante Mehrheit in Läden Masken trägt.

    Dann bedenke (ich weiß nicht genau, wie das bei Euch in der Schweiz ist), was für Irritationen allein schon die föderale Struktur bei den Leuten bewirkt. Warum sind die Regeln andere, wenn ich ins Nachbarland fahre? Wie kann es sein, dass auf Corona in Schulen hier ganz anders reagiert wird als in Schulen dort? Warum gibt es keine bundesweite Software fürs Homeschooling? Die mangelnde Einsicht in die Basics unseres Staatswesens führt auch zum Hass-erfüllten „Merkel muss weg!“, oft von Menschen gefordert, die offenbar glauben, Merkel sei eine Art „Königin von Deutschland“ – erschreckend!

    Schweden hatte nicht etwa „keine Maßnahmen“, sondern setzte auf Empfehlungen, die auch weithin befolgt wurden (was bei uns ja vielfach nicht geklappt hat). Bis die Zahlen so sehr anstiegen (auch die der Toten), dass dann doch weitere Maßnahmen beschlossen haben. In Summa sind in Schweden deutlich mehr Alte und Pflegebedürftige gestorben als bei uns und in den Nachbarländern. Selbst der Chefvirologe hat mittlerweile Fehler zugegeben.
    Ihre Wirtschaft ist trotdem eingebrochen, nämlich um 8,5% (DE 9,7%, Schweiz 8,2/10,2).
    Schweden ist im übrigen ein sehr anderes Land – nur 10 Mio Einwohner, da kennt ja fast jeder jeden… :-))) Da lässt sich jedenfalls leichter Konsens herstellen, sie sind auch noch viel „gleicher“ als wir.

    Soweit für jetzt, bin ein wenig ausgeufert! :-)

  13. „…Dass es ihnen so völlig egal ist, ob sie Menschen anstecken, die ihnen wichtig sind und die vielleicht besonders gefährdet sein könnten……“

    Hallo @Horst, ich lebe hier in Leipzig, in einer Hochburg der Impfgegner und sogen. Corona-Leugner. Das überfordert mich nicht selten total. Trotzdem würde ich den Menschen die von dir geäußerte o.g. Perspektive nicht zuschreiben. Für die, für die Corona nicht in diesem lebensbedrohlichen Szenario existiert, warum auch immer, existiert es einfach so nicht. Daher sind sie fest der Meinung, niemanden zu schaden. Das nehme ich ihnen ohne Zweifel ab.

    Worauf gründet die Annahme, dass mir, dir und vielen Anderen,- die Corona-Einschätzung die wir haben,- die einzig Richtige ist?
    Worauf?
    Gibt es darauf eine kurze, schnelle Antwort?

    Eine Antwort darauf ist z.Z. für mich jedenfalls keiner der mittlerweile 1.3000.000 weiterführender LINK`s zu Corona, der untermauern soll, dass man mit seiner Einschätzung genau richtig liegt. Kappes.

    “ Dieser Virus kann offenbar unterschiedliche Schäden bewirken, bei manchen Mitmenschen dagegen keine. Was gilt also nun?“ Genau. @Horst.

    Ich war heute in „Nova Eventis“, einem der größten Einkaufscentren hier im Leipziger Umland. Ganze Einkaufspassagen darin, die mittlerweile nicht mehr existieren. Gravierende und katastrophale Folgen, die m.E. nicht allein dem Lockdown zuzuschreiben sind, sondern auch der erzeugten Stimmung im Lande.
    Ich denke schon, dass man da mal die Frage stellen darf, ist das jetzt noch alles angemessen?

    Und ob in dieser aufgeheizten Pro- und Contra-Stimmung die heutigen wieder verschärften Bestimmungen und Bußgelder das richtige Signal waren, – dieser Meinung bin ich nicht.

  14. Ich denke, @Claudia, es geht bei alledem nicht um Corona.

    Worum geht es wirklich?

  15. @Mendel: danke auch dir für die umfangreiche Einlassung!

    Ob das alles noch angemessen ist? Immerhin haben wir noch Staaten vor Augen, die – weitgehend ohne Maßnahmen – krass viele Erkrankungen und auch Todesfälle verzeichnen. Dann spielt wohl auch das Sicherheitsbedürfnis vieler eine große Rolle, das hierzulande offenbar recht groß ist.

    „Worum geht es wirklich?“, fragst du. Ein weites Feld für Spekulationen und sicher ist da nicht nur eine Ursache wirksam. Dass im Osten besonders viele jede Art von Staatsverdrossenheit kultivieren (Rechtsaußen-Trends, AFD wählen, Impfgegnerschaft, Corona-Skepsis…), hat vermutlich immer noch damit zu tun, dass der alte „Kümmerer-Staat“ seit 30 Jahren weg ist. Es war eine andere, wärmere Form des Kümmerns (inkl. Überwachung), wogegen unser Sozialstaat eher kühler agiert – man muss seine Rechte kennen und auch wahrnehmen. Wirtschaftlich ist man viel mehr auf sich selbst gestellt, muss Eigeninitiative zeigen, nicht nur tun, was irgendwelche Zuständigen ansagen. Kann sein, dass das ein Vorurteil ist, aber ich denke, dieser Aspekt spielt bei einem Teil der Leute durchaus noch hintergründig eine Rolle: als Quelle der Unzufriedenheit und Wut auf „die da oben“. Dass man meint, die heutigen Institutionen nicht anerkennen zu müssen und gar zu glauben, es könne eine neue „Wende“ geben, weil doch „damals“ die friedliche Revolution so erfolgreich war – das basiert auf mangelndem Geschichtsbewusstsein, denn es waren ja nicht nur die Proteste, die DDR war schlicht pleite und die Stütze Sowjetunion war weggefallen.
    Du bist vor Ort – was meinst du dazu?

    Ansonsten gibt es im Westen und deutschlandweit mehr finanzielle und kulturelle „Verlierer“: Menschen, die mit vielen Neuerungen nichts anfangen können und sich überfordert fühlen – also zu Gegnern des Bestehenden werden. Die Verödung auf dem Land spielt dabei auch eine Rolle, die ja nicht böswillig von irgendwelchen Herrschenden so gewollt ist, sondern eine weltweite Entwicklung ist. Wenn immer mehr in die Stadt ziehen, wird Infrastruktur auf dem Land zunehmend unfinanzierbar.
    Die neuen Aspekte modernen Stadtlebens (Zuzüge von überall, etnische Durchmischung, andere Lebens- und Liebesformen, zunehmende Digitalisierung…) werden dann abgelehnt und eine Vergangenheit herbei gesehnt, die so nicht wieder kommen wird (und auch nicht so schön war, wie es in der Rückschau scheint).
    Auf alledem kochen dann allerlei Rechte ihr Süppchen, die – ohne dass es ihr Gefolge merkt – eigentlich den Abbau des Sozialstaats, des Rechtsstaats, der Demokratie wollen.

    Corona-Maßnahmen mit all ihren Widersprüchen, Ungerechtigkeiten und Unsicherheiten werden dann zum Symbol und Ventil der Unzufriedenheit. Hinzu kommt das Gemeinschaftsgefühl, das so eine „Bewegung“ erzeugt. Viele, die in ihrem realen Leben recht isoliert waren, erleben nun eine Zugehörigkeit, die garantiert euphorisierend wirkt – und oft auch den Rest Verstand vernebelt („Sturm auf Berlin“).

  16. @Mendel und @Claudia:
    bezugnehmend auf

    Ich denke, @Claudia, es geht bei alledem nicht um Corona.

    Worum geht es wirklich?

    hatte ich weiter oben einen Hinweis auf Grünewald gegeben.
    https://www.spiegel.de/kultur/politisierung-in-corona-zeiten-psychologe-ueber-proteste-und-die-krise-a-b5ae49ae-175b-42d7-bd5d-ed922311c59a
    Da beschreibt Grünewald,beginnend mit

    Wir haben derzeit ein gesteigertes Wutpotenzial in der Bevölkerung.

    worin die psychischen SWirkmechanismen liegen könnten.

  17. @Gerhard: Hab ich gelesen und finde, er bleibt irgendwie an der Oberfläche, berichtet von „Sensibilisierung für Ungleichheiten“ und kommt dann zum Wutpotenzial:

    „Angefangen vom Homeschooling bis hin zu den Wohnverhältnissen wurde klar, dass es deutliche Klassenunterschiede in Deutschland gibt. Wer zu Hause bleiben soll und da ausreichend Quadratmeter hat oder einen Garten, der ist ganz anders aufgestellt als jemand, der mit einer mehrköpfigen Familie in einer Zwei-Zimmer-Mietwohnung auskommen muss. Wir haben durch Studien festgestellt, dass es in dieser Phase zu einer enormen Spreizung der Lebenswirklichkeit gekommen ist. Für die einen bedeutet Corona eine existenzielle Verunsicherung, weil sie das Gefühl haben, überfordert zu sein und zu kollabieren. Die anderen haben es sich in einer Biedermeier-Gemütlichkeit eingerichtet und genießen die Entschleunigung.“

    und:

    „Wir haben derzeit ein gesteigertes Wutpotenzial in der Bevölkerung. Corona ist eine fremde und unfassbare Bedrohung, die der Einzelne nicht wahrnehmen kann und gegen die er nichts ausrichten kann. Eine solche Ohnmachtserfahrung ist schwer aushaltbar. Von daher steigt seit Corona die Gefahr, dass die Bedrohung und das damit verbundene Befremden vermenschlicht wird. Die Sehnsucht nach einem sichtbaren Feind oder Sündenbock wächst, den man bekämpfen kann. Das ist der Nährboden für Alltagsrassismus und Verschwörungstheorien, die ja letztendlich auch Versuche sind, einen Schuldigen zu definieren, gegen den man vorgehen kann. Manche haben die Schuld auch vom Virus auf den Staat verlagert, der die Freiheitsrechte einschränkt und gegen den sie trotzig aufbegehren. „

    Sind es wirklich die oben genannten Verunsicherten, die den Großteil der Protestler ausmachen? Ich habe eher den Eindruck, es sind viele allein stehende junge und alte Männer, die sich am PC radikalisieren… aber belegen kann ich das natürlich auch nicht.

    Dann die „Ohnmachtserfahrung“ – ist es eher die Ohnmacht gegenüber dem Virus oder jene gegenüber den Einschränkungen und Veränderungen? Viele glauben ja wirklich nicht an die Gefährlichkeit (für sie selbst)…

    Zur Einordnung/Transparenz: ich gehöre zu jenen, deren Leben sich kein Stück geändert hat, außer dass ich im Laden eine Maske aufsetze. Zwar lebe ich bescheiden, selbstständig und immer prekär (=ohne Vertragsbindungen), aber das ist nicht neu und gefällt mir so. Hab‘ einfach Glück gehabt, dass meine Auftraggeber im Sektor „Haus & Garten“ aktiv sind und sich vor Bestellungen kaum retten können ->Krisengewinnler, denn wer mehr zuhause bleibt, macht sich das gerne schön und gemütlich.

  18. @Claudia:
    Die Analyse von Grünewald ist für mich auch nur ein Baustein zum Verstehen des Ganzen. Ich führte ihn an wegen deiner Frage an Horst und weil ich ihn erinnerte.
    Gänzlich verstehen lassen sich m.E. gesellschaftliche Phänomen und Entwicklungen sehr schwer. Das muß man eigentlich fahren lassen.
    Das, was Grünewald erwähnte, lies mich an die kleine Eiszeit zurückdenken, in der man für die Missernten und furchtbaren Winter Schuldige suchte. Nun wird ein solcher Vergleich nicht richtig sein, aber als Laie klingelte da halt etwas in mir an.

    Sind es wirklich die oben genannten Verunsicherten, die den Großteil der Protestler ausmachen? Ich habe eher den Eindruck, es sind viele allein stehende junge und alte Männer, die sich am PC radikalisieren… aber belegen kann ich das natürlich auch nicht.

    Das wird wohl so in der Breite nicht stimmen …können.
    Ich könnte mir vorstellen, daß viele 2015er hier mitlaufen und mitagieren.
    Ich sah auch Ehepaare und ältere Frauen, alle Schichten praktisch.
    Einzelne natürlich auch. Etwa: Ein Keramiker (etwa 50) und Familienvater, der jetzt wenig verdient, wie viele Keramiker, lief mit und wollte einfach gesehen werden und schauen, was da abgeht.
    Die Musiker, die ich kenne, kann ich mir schwerlich an solchen Demonstrationen vorstellen, aber wer weiß? Was mein Gegenüber denkt, weiß ich eh nicht.

    Ich denke auch, daß manche Protestler sind schon seit vielen Jahren aktiv sind und nicht erst durch Corona aktiv geworden sind. Eine soziologische Analyse könnte so etwas auffächern. Wahrscheinlich gibt es sie schon längst.

  19. @Claudia – ich will Dir keine x-te Debatte zum für Dich gleichen Thema aufbürden. Mein Kampfmodus ist nicht eigentlich frisch, mich treiben die gleichen Dinge schon lange um. Aber besonders ist eben, dass im Kanton Zürich seit Donnerstag nun auch Maskenpflicht in Einkaufsläden herrscht. Am Rande sei dazu bemerkt: Einer der Hauptgründe, welche der Regierungsrat dafür aufführte, war die Befürchtung, ohne diese Massnahme auf den Index anderer Länder / Regionen zu geraten und dadurch Nachteile zu erlangen. Also kommt die Massnahme trotz extrem tiefen Hospitalisierungen wegen Corona – aktuelle Zahlen:
    1.54 Mio Einwohner
    63 neue positive Tests
    19 in Spitalbehandlung (Total)
    davon 5 künstlich beatmet.
    Das ist einfach ein schlechter Witz.
    ___
    ich schätze Dich sehr, aber mich stört auch jetzt noch, wie Du alternative Vorgehensweisen karikierst, wenn Du schreibst:
    „Das ist es nicht wert! Besser, es sterben ein paar mehr als sonst an Corona und einige bekommen bedauerliche Langzeitschäden – aber dafür haben wir wieder Frieden! Naja, den von vorher, der auch nur auf recht viel Ignoranz füreinander bestanden hat – aber immerhin!“
    Menschenskind! Die Aufrechnung besteht doch nicht zwischen in Kauf genommenen Corona-Opfern und -Beeinträchtigten und oberflächlichem Frieden! Wenn Du schon gegenüberstellst, dann bitte so, dass Du in Rechnung stellst, dass wirtschaftliche Erholung und damit psychische Unversehrtheit oder Genesung für viele Menschen wieder und schneller möglich sein muss, dass wir ein Klima brauchen, in dem Menschen mit anderen Krankheiten sich wieder zum Arzt und in Spitalpflege getrauen, dass alte Menschen geschützt werden aber auch aktiv weiter leben können, dass Kinder und Jugendliche ihr Recht auf Entwicklung und Bildung in höchstmöglichem Mass angeboten bekommen, und zwar chancengleich.
    Ich frage daher:
    Kann irgend jemand glauben, dass wir so weiter machen können, wenn die nächste Pandemie mit ähnlicher Bedrohung folgt? Dann werden wir definitiv keinen Frieden mehr haben – weder im Land noch international.

    übrigens hat die Schweiz weniger EW als Schweden. :-)
    Tatsache ist, dass Schweden plötzlich nicht mehr so sehr als Negativbeispiel herangezogen wird. Die aktuellen Einbrüche der Wirtschaft aktuell zu vergleichen, ist wohl noch zu früh, denn wir sind erst jetzt am Knackpunkt: Wie lange behindern wir wie viel Wirtschaftsleben? Zum Beispiel. Oder: Wann haben wir wieder einen normalen Schulbetrieb? Schweden hat diesen Betrieb keinen Tag eingestellt. Ja, es brauchte auch dort nach Meinung der Fachleute Anpassungen, aber Schweden hält an moderaten Schritten fest.

  20. @Thinkabout: ich schätze dich auch sehr, das heißt aber doch nicht, dass man unterschiedliche Meinungen nicht auf den Punkt bringen darf!

    Was du meiner pointierten „Aufrechung“ entgegen stellst, ist alles durchaus wünschbar, aber es ist nun mal auch nicht wegzudiskutieren, dass dann mehr Corona-Ansteckungen mit entsprechenden Folgen auftreten. Ebenso wenig abzustreiten ist die Tatsache, dass in Schweden pro 100,000 Einwohner deutlich mehr Sterbefälle zu verzeichnen waren als in den Nachbarländern und in DE.

    Ich finde es durchaus diskussionswürdig, das Verlangen nach höchstmöglicher Sicherheit durch allerlei Beschränkungen in Beziehung zu setzen zu den Schäden durch diese, aber dazu gehört dann eben auch das In-Kauf-Nehmen von mehr direkten Corona-Schäden, mehr Betroffenen, mehr Hospitalisierungen und am Ende auch mehr Sterbefällen. Das will derzeit eine große Mehrheit in DE nicht. (Deshalb wäre auch nicht „Frieden“, wenn man alle Maßnahmen stoppen würde! Die Frage entsprang eher meiner Harmoniesehnsucht: Was, wenn über Maßnahmen nicht mehr gestritten würde, weil sie weg sind? Aber die nahe liegende Antwort ist eben nicht befriedigend, weil nicht befriedend!)

    Meine Einschätzung momentan: Seit die Infektionszahlen wieder steigen (Ende Juli, Anfang August) ist noch kein exponentieller Anstieg festzustellen, die Beatmungsfälle und Todesfälle sind auf niedrigem Niveau geblieben. Ein „zweiter Lockdown“ steht nicht an und wird vermutlich auch nicht kommen, wenn die Zahlen noch mehr steigen, weil das wirtschaftlich nicht verkraftbar wäre.

    Ob die Lage bei uns so bleiben wird, ist noch unbekannt. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob die Kurve ins Exponentielle steigt. Sorgen macht der rasante Anstieg der Neuinfektionen in Frankreich (66 Mio Einwohner) mit 7379 Neuinfektionen am Tag (Stand 29.8.). In Spanien sieht es auch nicht gut aus, trotz des megastrengen Lockdowns,den sie dort hatten.

    Zur Schweiz: da kennst du dich natürlich weit besser aus als ich, die ich nur in Medien darüber lesen kann. Demnach ist die Entwickung ähnlich wie derzeit bei uns. Mit der gleichen Ungewissheit:

    „Epidemiologin Hodcroft sagt dazu: «Die Zahlen zu Spitaleintritten sind trügerisch, weil die meisten Menschen erst zwei bis drei Wochen nach einer Ansteckung im Spital landen. Wenn die Hospitalisierungen steigen, ist es also fast schon zu spät, um gut reagieren zu können.»“

    Ich denke, Politiker richten ihr Handeln in Demokratien durchaus gerne danach, wie eine Mehrheit gerade denkt. Für die Schweiz fand ich keine aktuelle Umfrage zu Corona-Maßnahmen. Immerhin habt Ihr mit der Kultur der Volksabstimmungen doch ein starkes Mittel, für oder gegen diverse Maßnahmen zu votieren, odr?

    Bei uns wird gerade der „normale Schulbetrieb“ geprobt – mit sehr durchwachsenen Ergebnissen, ständigen Wieder-Schließungen, Quarantäne für viele Betroffene – und Eltern, die sich über alle Maßen darüber aufregen, wenn in NRW die einzige Maskenpflicht im Unterricht, die es in DE gegeben hat, wieder aufgehoben wird.

    Auch Kulturveranstaltungen beginnen wieder, mit deutlich verringertem Publikum, womit sich das meist wirtschaftlich nicht rechnet. Die Frage ist, ob das ohne Auflagen wirklich anders würde. Der Flugverkehr ist derzeit nur auf einem Niveau von 30%! Da sitzen die Leute ohne Abstand mit Maske nebeneinander – und ich kenne einige persönlich, die deshalb nicht fliegen werden, so lange die Corona-Lage nicht besser ist.

    Wann das sein wird, weiß niemand, viele fürchten sich vor Herbst und Winter, wenn wieder mehr „drinnen“ stattfindet.

  21. @Gerhard: stimme zu, die Protestler sind ein sehr heterogenes Volk. Falls du (oder andere) dazu noch Analysen findest, gerne hier verlinken. Speziell Rechte und Rechtsextremisten springen auf alles auf, was irgendwie GEGEN DEN STAAT geht – so kritisieren z.B. die populistischen Schwedendemokraten den zu liberalen Kurs der Regierung!

  22. @Claudia: Kluge Analyse als Antwort auf @Thinkabout. Ich hätte meinereseits auch etwas auf @Thinkabout geschrieben , aber ich war nicht angesprochen und als Zweitkommentierer fällt man leicht untern Tisch.

    Was mir auffällt, ist, dass redlich und wiederholt vorgebrachte Evidenzen bzgl. Maskentragen durch eine jeweils einzelne gegensätzliche Haltung in den Medien (bis hin zu kleinen Mitteilungsblättern im medizinischen Bereich) wieder in Frage gestellt werden.
    Wenn zig Mal irgendetwas bewiesen wird und es taucht dann eine einzelne Gegenmeinung auf, dann sind wir bereit zu wanken. Ich meine da auch grundsätzlich mich. Wie kann es sein, daß man, unabhängig von Corona, so schwankend sein kann?

  23. @Gerhard: tja, warum? Weil Masken tragen nun mal nicht angenehm ist?
    Oft wird bei dieser Debatte auch der Schutz verwechselt, den sie bieten oder eben nicht.

    ———————————————-
    Exkurs Masken: Es ist ausreichend belegt und sogar visualisiert, dass die üblichen MNS-Masken das Gegenüber (und ein wenig auch den Träger) vor Tröpfcheninfektion schützen. Deshalb auch die Verschriften für dort, „wo Abstand nicht eingehalten werden kann“. Der Abstand bemisst sich nach der Flugweite dieser Tröpfchen, die wegen ihrer Größe bald auf den Boden sinken.

    Anders ist es mit den Aerosolen, die so winzig sind, dass sie diese Masken durchdringen, heißt es (und sie sollen lange in der Luft schweben). Ich glaube das auch deshalb, weil man in der Regel die Luft über die Ränder und gar nicht so sehr DURCH den Stoff oder das Papier einatmet. Also kann dann locker getitelt werden: „Masken bringen nichts“, doch bezieht sich das dann eben meist auf die Aerosole bzw. den Eigenschutz.

    Dass die Masken durchweg davor schützen, die Tröpfchen eines Infizierten abzubekommen (wenn er/sie denn trägt!), fällt dabei unter den Tisch. Über die Ansteckung per Aerosole ist noch nicht viel bekannt, es findet statt, aber es ist ungewiss, wie lange es braucht und wie viele Viren man abbekommen muss, um sich anzustecken.

    Die medizinischen FFP-Masken wiederum gibts in verschiedenen Schutzstufen, die auch Viren abhalten – müssen aber eng anliegend getragen werden, das Atmen wird tatsächlich erschwert. Haben sie ein Ausatem-Ventil, ist es angenehmer, schützt aber Andere gar nicht mehr. Ich würde FFP-Masken nicht tragen, bzw. nur im äußersten Notfall.
    ——————————————————

    Ich hab das nochmal beschrieben, um ein Beispiel zu haben, warum es immer wieder „gegenstrebige“ Veröffentlichungen gibt, die von den Kritikern dann gerne verbreitet werden.

    Angesichts der Vielzahl der Artikel zum Thema finde ich es auch recht krass, z.B. auf Twitter wieder und wieder bereits widerlegte Behauptungen zu lesen. Aber es ist wohl so, dass nicht wenige nur das lesen, was ihnen in den Kram passt und den Rest einfach ignorieren. Ich hatte ein paar solcher Dialoge, dabei wurde mit z.B. geantwortet: „Dem SPIEGEL glaub ich seit Relotius gar nichts mehr!“ Was kompletter Stuss ist, wenn es um Meldungen geht, die sich auf wissenschaftl. Studien beziehen oder um Äußerungen bekannter Personen und Institutionen – die erfindet der Spiegel ja nicht.

  24. Aber es ist wohl so, dass nicht wenige nur das lesen, was ihnen in den Kram passt und den Rest einfach ignorieren.

    Genau deswegen kommt man ja nicht zusammen.

    Argumente zählen eh so gut wie nichts. Über den Weg erreicht man offenbar niemand. Zumal jede „Fraktion“ auch noch eine andere Sprache benutzt.
    DAS ist die Machtlosigkeit, nicht die numinose Bedrohung durch den Virus.

  25. @Claudia – als harmoniesüchtig würde ich Dich nicht bezeichnen, höchstens als konsenswünschig aber gleichwohl sehr debattierfreudig.
    Ich will nicht auf alles nochmals eingehen, ich denke, die Leser haben sich ja auch ihre Meinung gemacht. Die Frage, was gegen was aufgerechnet werden kann und soll und ob die Möglichkeit zusätzlicher Todesfälle ein No Go ist und wann, bleibt persönlich. Hoffen wir einfach, dass wir gerade Erfahrungen machen, die wir bei einer nächsten Pandemie anwenden können – und die wird kommen, und wir werden anders darauf reagieren müssen, wollen wir nicht wirtschaftlich bedingte Unruhen gewärtigen. Das bedeutete NICHT, Menschen einfach dem Schicksal zu überlassen. Und Punkt.
    Was mich nervt: Die exponentielle Kurve ist immer jene der absolut gezählten neuen positiven Testergebnisse. Bis heute fehlt die Relation zu der Anzahl Tests, die überhaupt gemacht wurden. Erst wenn sich diese Prozentzahl DEUTLICH verändern würde, bin ich bereit, von einer Verschärfung der Lage zu sprechen. Es ist ein absolutes UNDING, dass dies bis heute nicht geschieht. Und selbst wenn es diese Relation gibt: Wird nach Zufälligkeit auf der Strasse getestet oder im Verdachtsfall oder je nach Berufsgruppe? Wer testet nach welchen Vorgaben? Sorry, aber all diese Zahlen sind schlicht nicht brauchbar – aber sie sind praktisch für die Begründung von Massnahmen.
    Das Argument, dass die Spitaleintritte das Ergebnis der Situation vor zwei Wochen sind, fordert doch gerade dazu auf, dass man überprüft, wie denn die Spitaleintritte seit Mitte Juli aussehen? Haben wir denn einen Anstieg? Also im Kanton Zürich gibt es den nicht. Trotz höherer positiver Testergebnisse (im nach wie vor verschwindend kleinen Bereich, der trotzdem zu gesteigerten Massnahmen führt). Und @Gerhard möchte ich antworten:
    Es ist interessant, dass Du Dich ärgerst, dass eine kritische Meldung in einem Alternativmedium wieder zu Diskussionen der Massnahmen führt – während die Gegenseite sich ärgert, dass Leitmedien viel zu unkritisch die Nachrichten der „Behörden“ übernehmen. Es verzweifeln also mittlerweile alle an allen.
    @Claudia noch dies: Ja, wir haben in der direkten Demokratie mehr Möglichkeiten. Aber eine Volksinitiative, zum Beispiel, bräuchte etwa drei Jahre, bis sie zur Abstimmung kommen könnte. Auch wir brauchen in dieser Krise eine griffige Exekutive, die mit Bedacht aber entschlossen handelt.
    In der ersten Phase hat das auch toll geklappt. Wohl nirgends wurden so schnell für Firmen und Selbständige Kredite gesprochen wie in der Schweiz. Das war sackstark. Nun aber ginge es darum, ein Mass zu finden – auch und gerade dafür, dass die Anstrengungen nicht verpuffen. So manches Restaurant, das Unterstützung bekam, hat keinen Tag kostendeckend wieder wirtschaften können – und nun wird es Herbst. Die Aussenplätze werden weg fallen und fürs Essen drinnen werden Viele von uns zuhause bleiben.

  26. @Thinkabaout:
    im Moment nur kurz, weil in Arbeit:
    Die Anzahl der Tests und die jeweils positiven Befunde ist nicht etwa geheim, sondern wird – zumindest in Deutschland – vom RKI mit allen Details heraus gegeben.
    Gesamtschau:

    Habt Ihr in der Schweiz sowas nicht?

  27. @Claudia – herzlichen Dank für die Beibringung der ausführlichen statistischen Daten, wobei Dein erster Link bei mir ins Leere führt, dafür ist der zweite um so aufschlussreicher:
    https://ars.rki.de/Docs/SARS_CoV2/Wochenberichte/20200825_wochenbericht.pdf
    Natürlich kann man auch bei uns solche Detailstatistiken einsehen. Mein Vorwurf ist ja gerade, dass jene Medien, welche für sich in Anspruch nehmen, die Bevölkerung objektiv zu informieren, nicht Gebrauch von diesen Informationen machen. Machen wir auf Grund der oben verlinkten Daten das konkrete Beispiel, indem wir nur mal Seite drei anschauen:
    Da ist zu sehen, dass die Zahl der Testungen pro Woche laufend markant ansteigt, von rund 200td in KW 26 auf rund 330td in KW 34. Der Balken für die positiven Test-Ergebnisse bleibt sehr tief.
    Aus der Aufstellung auf Seite 2 erfahre ich, dass bisher in D 4.5 Mio Tests durchgeführt sind und 2.4% davon positive Ergebnisse brachten. In der zweiten Grafik, der Kurve der Prozentzahlen der positiven Tests können wir herauslesen, dass der Wert seit KW 22 bis heute sehr stabil bleibt – in der Nähe von etwa 2%. Und diese Zahl, die tatsächlich relevante, fehlt eigentlich immer: Wir erfahren von mehr positiven Proben, aber nicht davon, dass der Anteil der positiven Tests sich praktisch nicht verändert. Damit machst Du Stimmung. Und die scheint gewollt. Denn Unruhe, Respekt, Angst des Einzelnen garantiert eher Folgsamkeit und Disziplin.
    Alle begleitenden Folgen werden in Kauf genommen.
    Damit muss aber auch in Kauf genommen werden, dass viele Menschen den Respekt vor Behörden und Institutionen verlieren, und, mit Verlaub, auch vor Medien.

  28. @Thinkabout: der erste Link ist korrigiert, ist eine Gesamtschau!

    Ja, es stimmt, die Positiv-Zahlen bleiben bei 2 bis 2,8 Prozent. Deshalb heißt es auch von Regierungsseite, die Lage sei nicht mit der im März/April vergleichbar.
    Und Spahn hat gestern gesagt, mit dem heutigen Wissen hätte man nicht so einen heftigen Lockdown gemacht, die Geschäfte nicht geschlossen…

    Andrerseits stimmt auch, dass die jetzt positiv Getesteten mit hohem Anteil Urlaubsrückkehrer sind – wären die Leute zuhause geblieben, hätten wir niedrigere Zahlen. Und: diese Infizierten sind natürlich DA und können andere anstecken. Ob das passieren wird, wird wesentlich davon abhängen, wie sich die Leute verhalten, ob per Kontakt mit den Alten neue Ansteckungen in der Risikogruppe stattfinden – oder ob alle mittlerweile klug genug sind, das zu vermeiden. Ich hoffe, dass dem so ist, dass auch die Risikogruppen selbst sich schützen, man weiß ja mittlerweile, wie der Hase läuft.

    Im Moment macht vor allem die Lage in Frankreich und Spanien Angst. Angst, dass es auch bei uns so kommen könnte: ganz plötzlich mehrere 1000 Infizierte pro Tag! (Spanien gestern 8429, Frankreich 5783).
    Wenn in den nächsten 2 – 3 Wochen keine ähnliche Entwicklung bei uns einsetzt, rechne ich mit neuen Lockerungen – und fände die auch angemessen!

  29. @Claudia – wenn wir lernen, nicht immer von absoluten Zahlen von Ansteckungen zu reden, sondern von relativen Prozentzahlen, dann können wir uns tatsächlich darauf konzentrieren, Risikosituationen zu definieren und uns damit zu beschäftigen. Du hast früher festgestellt, dass die Leute einfach zu unvernünftig wären – ich glaube, das stimmt so gar nicht. Ausreisser gibt es immer. Wir haben eh keine Wahl, als positiv einzuwirken und die Form von Achtsamkeit zu ermahnen, welche uns Gesundheit und Freiheit ermöglicht. ..
    ich sage dann mal: Amen. Finde das eine schöne Quintessenz unserer Diskussionen.