Claudia am 16. August 2020 —

Ein „grusliger Einblick“ – wirklich alles Antifeministen?

Auf Piqd ist gestern die Kurzrezension eines Tagesspiegel-Artikels erschienen, der mich zu einem ungewöhnlich kantigen Kommentar inspiriert hat. Da schreibt Meike Leopold:

Ein tiefer und gruseliger Einblick in die Szene der „Antifeministen“

Es gibt Artikel, da bleibt einem das ungläubige Lachen schnell im Halse stecken. Dieser gehört definitiv dazu. Es ist ein Blick in Abgründe, die frau nicht für möglich gehalten hatte. Ein Blick in die hermetisch abgeriegelte und mit Verschwörungsmythen durchsetzte Gedankenwelt der sogenannten Antifeministen, die mit Argumenten oder Fakten sicher nicht mehr erreichbar sind. Viele ihrer Protagonisten wollten bezeichnenderweise nicht mit dem Verfasser dieses Beitrags sprechen.

Gerne verbrämen diese Männer ihren tiefsitzenden Frauenhass, indem sie sich als Männerrechtler bezeichnen. Sie stellen ihre gefährlichen Thesen quasi als Notwehr gegen die angebliche Übermacht der Frauen dar. Sie behaupten zum Beispiel, Frauen seien gar keine Opfer häuslicher Gewalt. Sie meinen allen Ernstes, dass jetzt endlich die Reihe an ihnen sein sollte. Sie haben sogar Einfluss in einer Partei wie der FDP (!) und werden als „Experten“ angehört…..

Weiter auf Piqd.

Der Artikel, um den es geht, stammt von Sebastian Leber und ist getitelt: Das Netzwerk der Antifeministen: Wenn fragile Männlichkeit gefährlich wird. Geziert mit dem Gesicht des widerlichen Attentäters B., damit auch gleich der „richtige“ Eindruck entsteht:

Tagesspiegel-Artikel

Man sollte dieses Stück Journalismus vielleicht gelesen haben, um den Ärger zu verstehen, der mich veranlasst hat, zu schreiben:

„Ich finde diese „Zusammenfassende Einleitung“ unterirdisch! Und dann auch gleich noch die Fratze von Breivik als Illu, damit auch gleich klar ist, wie all diese Männerbewegten einzuschätzen sind.

Natürlich ist auch der beworbene Artikel eine maximal feindselige Art der Darstellung einer sehr differenzierten Szene, die rechte, linke, sozialdemokratische, liberale, konservative – und ja, auch radikale Frauenhasser umfasst. Dem Artikel merkt man phasenweise stark an, wie schwer es letztlich fällt, mal eben so alle in denselben bösartigen Topf zu stecken: alles Frauenfeinde, in ihrer Männlichkeit Verunsichert, womöglich Gewaltbereite Dumpfbacken („Terroristen“ kommt gleich im Untertitel, in der eine einzelne Aussage mal eben auf „sie“ nämlich ALLE bezogen wird).

Und dann auch noch die Verlinkung! Normalerweise verlinkt man bei indirekten Zitaten zu den Quellen – hier dagegen wird nicht etwa die jeweilige Argumentation zum Nachlesen (und sich selbst eine Meinung bilden) verlinkt, sondern Artikel, die die „herrschende Meinung“ wiedergeben. Kann man machen, wirkt aber manipulativ: offenbar soll Frau davor bewahrt werden, die Argumente der anderen Seite auch nur mal zur Kenntnis zu nehmen.

Mich ärgert diese Art feministischer Populismus, der an einer ernsthaften Debatte über diverse Anliegen der Männerblogger gar nicht interessiert ist – und das auf genau diese Art auch immer wieder zeigt!

Ich komme auf das Thema, weil ich schon seit Jahren in meiner Blogroll feministische und männerrechtliche Blogs mit ihren jeweilig letzten Beiträgen erfasse und punktuell auch mitlese. Dabei ist mir aufgefallen, dass es in der Männerszene durchaus einige Anliegen gibt, die ich für berechtigt halte, auf jeden Fall einer fairen Debatte wert! Und ich habe auch mitbekommen, dass diese von feministischen Blogs nie in irgend einer Form zur Kenntnis genommen werden, bzw. nie darauf reagiert wird (kundigen Widerspruch hätte ich erwartet) – ganz egal, wie sachlich, hassfrei und gut belegt sie daher kommen.

Als Mitlesende drängt sich nach einiger Zeit der Eindruck auf, dass es unausgesprochene Gründe gibt, diesen Anliegen lieber nicht durch Befassung mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen: es könnte ja sein, dass es Themen und Bereiche gibt, wo die sprichwörtlichen „billig und gerecht Denkenden“ (ein juristischer Terminus für das spontane Empfinden von Gerechtigkeit der Allgemeinheit) mit diesen Anliegen durchaus sympathisiert.

Bisher hab‘ ich mich da weit gehend raus gehalten, aber dass solche Artikel noch immer derart undifferenziert „drauf hauen“ motiviert mich, künftig mal einige dieser Männerblogs und Anliegen selbst in meinem Mischthemenblog (Digital Diary) zu rezensieren.“

Meike hält mir nun entgegen:

„Danke für deine Meinung. Ich habe das überhaupt nicht so empfunden. Zumal es in dem Artikel nicht um Männerrechtler ging, die sich mit dem Thema Männlichkeit in einem konstruktiven Sinne befassen, sondern ausdrücklich um solche, die dieses Label nutzen, um gegen Feministinnen zu agitieren. „

Nun, auch ich hege keinerlei Sympathien für „Antifeministen“, die als „ewig Gestrige“ die Errungenschaften der Frauenbewegung als Beleidigung ihrer Männlichkeit empfinden und einfach aus Frauenhass alles Feministische bekämpfen, beschimpfen und verunglimpfen.

Ich bin zu Zeiten der 2.Frauenbewegung sozialisiert und stehe auch heute zu diesen Werten. Das hält mich nicht davon ab, Männerblogs zu lesen, denn „mein Feminismus“ war und ist immer schon ein Humanimus. Gerechtigkeit, Zuhören, Antisexismus (gegenüber allen Geschlechtern), ehrliche Debatten und Argument-gestütztes Verhandeln unterschiedlicher Interessen gehören dazu.

Sebastian Leber lässt allerdings in seinem Artikel keine Zweifel aufkommen, was von den „Männerrechtlern“ zu halten ist. Er benennt und zitiert die bekannten Extremisten und Rechtsaußen der Szene, tut dann aber alles, um den Eindruck zu erwecken, auch alle anderen seien lediglich aus strategisch-taktischen Gründen um ein seriöses Mäntelchen bemüht. Auch sie gehören aus seiner Sicht zum „Netzwerk der Antifeministen“, das auch bekannte Frauen hassende Terroristen umfasse, denen er dann breiten Raum in seinem Artikel einräumt.

Wer hat nach einem solchen Rundumschlag noch Lust, sich mit männerrechtlichen Positionen zu befassen? Lebers Artikel ist nur ein Beispiel für viele Publikationen, denen man leicht anmerkt, dass sie keineswegs an ehrlicher Auseinandersetzung interessiert sind. Ganz im Gegenteil werden Feminismus-kritische Blogger entweder ignoriert oder als lächerlich, unglaubwürdig bzw. krass frauenfeindlich dargestellt.

Dass dieser Eindruck bei weitem nicht auf alle männerbewegten Blogger und alle von ihnen vertretenen Positionen zutrifft, hat mir meine Lektüre der „Geschlechterblogs“ [Aufruf dauert] über die Jahre gezeigt. Ich erwarte dort auch nicht vornehmlich, dass sie sich „mit dem Thema Männlichkeit in einem konstruktiven Sinne befassen“, denn es geht ihnen um Anliegen, die aus ihrer Sicht vom derzeitigen Feminismus übergangen, ignoriert oder geleugnet werden. Sie sind also tatsächlich „Feminismus-kritisch“ und dürfen das auch sein. Frau kann ja widersprechen, was ich hier und dort auch getan habe (übrigens ohne gelöscht zu werden wie in manchen feministischen Blogs). Der Begriff „Antifeminist“ wird allzu gerne auch allen angehangen, die sich Feminismus-kritisch äußern. Er fungiert somit als Kampfbegriff, der Voreingenommenheiten erzeugt und ernsthafte Debatten verhindert.

Weil dieser kleine „Schlagabtausch“ auf Piqd (ein lesenswertes, nützliches Portal mit vielerlei Themenbereichen!) in der Sache notwendigerweise recht verallgemeinernd bleiben musste, will ich meinem Aufruf zur Differenzierung nun auch folgen.

Anders als hier sonst üblich, lade ich nicht zu Kommentaren ein, sondern werde in nächster Zeit Einzelfälle rezensieren, an deren Beispiel man dann inhaltlich debattieren kann. Welches „Männerblog“ es als erstes sein wird, weiß ich noch nicht, sondern schwanke zwischen drei möglichen Kandidaten aus der Blogroll „Geschlechterblogs“, in deren Intro es aus Gründen heißt:

„….Mit der Aufnahme in diese Blogroll ist keinerlei Wertung oder Stellungnahme meinerseits zu den jeweiligen Inhalten verbunden!“

“‘

Update 18.8.:

Offenbar hat es ein Missverständnis gegeben, meine Formulierung

„Er benennt und zitiert die bekannten Extremisten und Rechtsaußen der Szene, tut dann aber alles, um den Eindruck zu erwecken, auch alle anderen seien lediglich aus strategisch-taktischen Gründen um ein seriöses Mäntelchen bemüht. Auch sie gehören aus seiner Sicht zum „Netzwerk der Antifeministen“

lässt denken, dass ich den ebenfalls zitierten Männerrechtler Matthias Enderle zu den „Rechtsaußen der Szene“ zähle. Das war nicht meine Absicht, sorry! Er gehört für mich zu den gemeinten „Anderen“. Das Statement des ebenfalls von Enderle zitierten Publizisten Gunnar Kunz zum Feminismus als „größte Bedrohung der Demokratie“ gibt jedoch durchaus Anlass, ihn als rechts-außen wahrzunehmen.

Update 19.8.:

Mittlerweile hat sich Gunnar Kunz zum Tagesspiegel-Artikel geäußert und einen offenen Brief an den Autor Leber veröffentlicht. Darin distanziert er sich deutlich von „extremistischen Außenseiterpostitionen“, die in der Männerbewegung aus seiner Sicht keine Rolle spielen. Im übrigen nimmt er Lebers Artikel noch viel detaillierter auseinander als ich es in meinem kurzen Rant tat. Durchaus lesenswert!

Auch der sozialliberale Männerrechler Uepsilonniks widmet sich ausführlich dem mangelhaften Journalismus vom Tagesspiegel. Absatz für Absatz setzt er sich mit den Behauptungen, Zitaten und Schlussfolgerungen Lebers auseinander und vermittelt dabei jede Menge Positionen, Argumente und Belege männerpolitischer Akteure. (Um eine Meinung über ihre Berechtigung zu bilden, sollte mensch sie zumindest kennen!)