Claudia am 19. Mai 2020 —

Corona-Detox: Konsum ist wie Zucker, Salz und Fett zusammen

Der Aufbruch ins „neue Normal“ hat noch nicht viel Ähnlichkeit mit der Vor-Corona-Zeit. Dass die Restaurants bis 22 Uhr öffnen dürfen, hat ihnen keinen Ansturm beschert, Berlin ohne Touristen füllt nicht einmal die Außengastronomie, die derzeit – mit Abstandsregel – wieder offen hat.Noch immer kein Kino, keine Kneipen und Clubs, keine Straßenfeste, keine Konzerte und Großveranstaltungen. Es fehlt so vieles, das für Unterhaltung sorgte, auch das „Shopping“, das manche als „Hobby“ angeben, fühlt sich mit Maske und Abstand bei weitem nicht so gut an wie früher.

Statt dessen treibt viele die nackte Existenzangst um, auch Menschen, die es bisher ganz gut durch die Krise geschafft haben. Die wirtschaftlichen Prognosen könnten schlechter nicht sein und alle Routinen, die einst für Entlastung sorgten, sind so nicht mehr möglich. Was es für manche bedeutet, sich Monate lang nicht mehr in der Kneipe treffen zu können, um unter Einnahme geistiger Getränke über die Zumutungen der Welt im kleinen Kreis ordentlich abzulästern, stellt sich wohl niemand so richtig vor!

Abgesehen von Schulen, Kitas und anderen Bildungseinrichtungen ist es vor allem der Konsum, der wegen Corona weggefallen bzw. in reduzierte, weniger befriedigende Online-Alternativen verdrängt worden ist. Wenn wir ausgehen und verreisen, konsumieren wir Unterhaltung, Entspannung und Ablenkung von allerlei kleinen und größeren Problemen des Alltags. Mit dem Einkaufen über den Grundbedarf hinaus verschaffen wir uns gute Gefühle, Belohnungen, Möglichkeiten – die Nutzung der gekauften Dinge ist oft zweitrangig. Wer hat nicht schon mal Ausstattung gekauft für Aktivitäten, die dann doch nur ein- zweimal stattgefunden haben? Wieviele Klamotten und Schuhe stehen in Schränken und werden nie getragen? Wie viele Küchengeräte, Werkzeugmaschinen und Gadjets nie genutzt?

Der Wegfall der gewohnten Routinen schmerzt, macht ungeduldig und unleidlich. Die gewonnene Zeit nutzen nicht wenige, um im Netz nach Linderungen und Ventilen für den angestauten Frust zu suchen. Und sie werden fündig, es gibt genug „alternative Medien“, die auf sie warten, sie bestätigen, und auf 1001 Weise den „Widerstand“ zu organisieren trachten. Widerstand gegen alles, was nervt, zuvorderst die Corona-Maßnahmen, dann die Politik, den Staat, die Demokratie, die es angeblich nicht mehr gibt, den „Mainstream“, die „Lügenpresse“, die „Schlafschafe“ und vieles mehr. Bösewichte werden gefunden und angeprangert, Weltverschwörungen aufgedeckt, símple Erklärungen vertreiben das Unbehagen an Unsicherheit und Komplexität.

Eine Gesellschaft im Konsum-Detox ist kein Spaß!  Konsum ist für das Leben im Kapitalismus so wichtig wie Zucker, Salz und Fett in der Ernährung. Fällt er weg, fehlt das Hauptschmiermittel unserer friedlichen Verbrauchergesellschaft – für manche jetzt Anlass, den Frieden aufzukündigen.

Seltsamerweise findet das umso mehr statt, je mehr „Lockerungen“ auf den Weg gebracht werden. Vielleicht, weil sich nun auch jene zu den Unzufriedenen gesellen, die ihre letzte, gefühlte Sicherheit durch die Lockerungen in Gefahr sehen. Menschen, die wirklich Angst vor Ansteckung haben. Die gehen zwar nicht zu Hygiene-Demos, tragen aber in den sozialen Medien zur Verschärfung der sowieso schon unterirdischen Debattenkultur bei.

Leider weiß ich nicht mehr, wer gesagt hat: „Der Kapitalismus lebt von Beständen, die er selbst nicht schafft“. Vielleicht ist das die große gemeinsame Ursache der Genervtheit von dem, was ist: das Sinndefizit, das eine bloß Konsum-orientierte Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt. Deshalb auch der größere Protest in den „neuen“ Bundesländern: da wirkt noch eine andere Gesellschaftsordnung nach, in der das „Kollektiv“ große Bedeutung hatte und die Einzelnen nicht so sehr zu Wettbewerb und Konkurrenz erzogen wurden. Was immer bedeutet, dass es viele Verlierer gibt und Abstiegsängste bei vielen, denen es gar nicht so schlecht geht.

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Diskussion

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8 Kommentare zu „Corona-Detox: Konsum ist wie Zucker, Salz und Fett zusammen“.

  1. @Claudia:
    Du bist m.E. eine sehr genaue Beobachterin der aktuellen Lage und analysierst sie auch treffend. Ein paar Gedanken und Bemerkungen will ich dazu aber doch noch schreiben…

    …símple Erklärungen vertreiben das Unbehagen an Unsicherheit und Komplexität.

    Das ist, wie du vermutlich weißt, eines meiner Lieblingsthemen – und zwar das „Unbehagen an Unsicherheit und Komplexität“. Ich denke, dass es dieses Unbehagen nur deshalb gibt, weil die meisten Menschen verdrängen, dass wir in jedem Moment vor einer unsicheren und komplexen Situation stehen. Wir glauben nur, dass es nicht so ist, aber in Wahrheit kann jederzeit jedem etwas passieren, ob er das wahrhaben will oder nicht.

    Genau so glauben wir nur, dass wir alles „ordentlich“ im Griff haben und „ordentlich“ steuern können. Dem ist aber nicht so. Wir können nicht einmal steuern, was der Nachbar nebenan macht und haben oft das eigene Leben so gar nicht „im Griff“.

    Erstaunlich ist natürlich, dass (weltweit) trotzdem so vieles schon so lange relativ gut funktioniert, obwohl es so viele Akteure gibt wie noch nie, die alle (meist) eigene Ziele verfolgen und „nur“ ihren Hausverstand einsetzen, den ich übrigens sehr schätze und auf den sogenannte „Intellektuelle“ meist eher herablassend blicken.

    Eine Gesellschaft im Konsum-Detox ist kein Spaß!

    Nein, ist es wahrscheinlich nicht. Aber ein heilsamer Prozess ist es m.E. allemal, der so entstehen kann.

    Konsum ist für das Leben im Kapitalismus so wichtig wie Zucker, Salz und Fett in der Ernährung. Fällt er weg, fehlt das Hauptschmiermittel unserer friedlichen Verbrauchergesellschaft – für manche jetzt Anlass, den Frieden aufzukündigen.

    Mir ist nicht ganz klar, was du mit „Frieden aufkündigen“ meinst und vor allem weiß ich nicht, wen du konkret meinst, aber m.E. ist unreflektierter Konsum das Hauptübel für vieles in der unserer Gesellschaft – von weltweiter Umweltzerstörung und Klimakrise angefangen bis zu wahnwitzigen Auswüchsen z.B. bei schnelllebiger Mode, Freizeit und Technik.

    Aber mir ist völlig bewusst, dass es nicht viel bringt, hier dagegen anzuschreiben, weil der weltweite Motor des derzeitigen Wirtschaftssystems noch lange weiter brummen wird, solange er darf und kann (und wer sollte das schon verbieten?). Außerdem habe ich keine alternative Patentlösung, die ich anbieten könnte – das kann ich unmöglich haben und wahrscheinlich auch sonst keiner.

    Ich finde soundso, dass sich viele kluge und einflussreiche Köpfe total überschätzen, wenn sie über weltweite Probleme und „absolute“ Lösungen nachdenken (dazu zählte vermutlich auch schon Karl Marx!). Und diejenigen, die m.E. wirklich kluge Sachen gesagt haben, wie z.B. die neoliberalen Vordenker im 20. Jahrhundert (Friedrich von Hayek, Ludwig von Mises u.a.), werden heute von vielen Kapitalismuskritikern verteufelt, die meinen, dass diese Vordenker den „bösen“ Neoliberalismus erfunden haben und der jetzt in geheimen und dubiosen „Think Tanks“ von irgendwelchen „Eliten“ am Leben erhalten wird.

    Was immer solche „Eliten“, falls es sie überhaupt gibt, heute denken mögen, am Leben wird der weltweite Kapitalismus m.E. ausschließlich von den unzähligen Akteuren gehalten, die meist gute Gründe und Eigeninteressen dafür haben. Und das sind Unternehmer UND deren Mitarbeiter (und dann gibt es ja noch die vielen Selbständigen, die beides zugleich sind). Die einen gehen eher ein Risiko ein und die anderen wollen eher Sicherheit. Aber sie sitzen alle im selben Boot, das vielleicht in den Untergang segelt – vielleicht aber auch nicht.

  2. Ganz unabhängig von den Verdrossenen, die sich mit unterschiedlichen Zielen auf denselben Demos treffen, stelle ich für mich fest, daß ich definitiv NICHT mit Maske shoppen gehen werde. Auch nicht ins Restaurant, Cafe, Kino oder sonstwas. Eingekauft wird nach wie vor nur das Allernötigste – das nervt schon genug, besten Dank.

    Zumal ich auch noch coronabedingt entlassen wurde und mir deshalb ganz sicher keinen Kopf darüber mache, wo im Ausland ich meinen Urlaub mache und mit welchem neuen Auto ich dahin fahre. Solange manche ernsthaft solche Sorgen haben, kann es ja nicht so schlecht sein…

    Sorry für die Ironie, aber ich kann das Gejammer von Einzelhandel, Gastronomie und Autoherstellern usw. NICHT MEHR HÖREN! In welchem Paralelluniversum leben die? Wer jetzt entlassen wurde, kauft bestimmt kein neues Auto, geht nicht shoppen, Urlaub macht man zuhause und Restaurants sind auch erstmal gestrichen. Und daß der Ansatz der Wirtschaft, einen Haufen Zeug zu produzieren, das keiner braucht und das nach kurzer Zeit dann schon (gewollt) Müll ist, falsch ist, wäre ja eine Erkenntnis, auf die man in diesen Wochen mal hätte kommen können. Stattdessen macht man weiter wie vor Corona. War mir schon vor Wochen klar (ich glaube, das steht sogar hier irgendwo in den Kommentaren).

    Wenn mir die wochenlange Isolation eines gezeigt hat, dann hauptsächlich, was ich alles NICHT brauche. Ich bin kein Minimalist, aber ich überlege nun bei jedem Stück abseits des Notwendigen, ob ich es brauche, ob es mich glücklich macht, was es in der Umwelt anrichtet usw. – und entscheide mich in 95 % dagegen. Auch ohne die Tatsache, daß ich momentan ohne Job dastehe, was die Stimmung eher nicht hebt…

  3. publikumsschelte, der pastikmuell der plasticpeople
    https://youtu.be/7SVAAwIhkRQ
    WIR sollten uns mal wirklich intensiv an die eigene Nase
    fassen. wir sollten uns ab und zu mal den ‚Inhalt unserer Muelltonnen
    genauer ansehen.
    … eigentlich habe ich keinen grund mehr,
    hier weiterhin auch nur einen einzigen bit
    zu hinterlassen.
    es ist für mich eine gewisse, mit etwas wehmut verknüpfte
    erfahrung, dass eingefahrene meinungen nicht
    an der Garderobe aufgehängt werden können.
    seis drum:
    ein videokommentar, von mir.
    ohne Corona, ohne „schwindel“
    ganz und gar ohne alles.
    Goetterdämmerung, also ich red jetzt mal von
    handwerker zu handwerker.
    https://youtu.be/9jqSM7JNH8U
    mir reichts, es ist genug.
    hau wech und gut.
    prost.

  4. Herzlichen Dank für Eure Kommentare!

    @Günther: Ja, das Leben ist immer unsicher, nur fallen in Corona-Zeiten eben die üblichen und durchaus erfolgreichen Verdrängungsmechanismen weg. Dass wir nicht ständig „im Bewusstsein der Unsicherheit“ leben können, sehe ich als unvermeidlich an. Ich kann nicht rumgehen und ständig daran denken, dass sich von einem Balkon ein Blumentopf lösen und mir auf den Kopf fallen könnte – nur als banales Beispiel für vieles.

    Mit „Frieden aufkündigen“ meine ich verbal oder tatsächlich Gewaltbereite, die sich jenen anschließen, die auf einen Bürgerkrieg hinarbeiten – oder als Einzelne den martialischen Kämpfer geben (Hildmann!). Mit Abstrichen auch Menschen, die nicht mehr argumentativ erreichbar sind und nur noch auf alles Bestehende hetzen, die Politik insgesamt verdammen und völlig undifferenziert beschimpfen etc.

    Ansonsten bin ich ganz bei dir: die Konsumgesellschaft und der globale Kapitalismus werden sich nicht grundstürzend ändern – es sind ja nicht nur Unternehmer und Arbeitnehmer, sondern die Käufer bzw. „Verbraucher“, die die Konsumangebote gerne wahrnehmen. Es hat auch kein anderes System so viel Wohlstand erzeugt und so viel wirtschaftliche Freiheit gewährleistet: Kommt eine Kritik am Bestehenden auf (z.B. Fleischkonsum), entsteht sofort eine ganze Produktpalette, das „vegane Marktsegment“.

    @Holly: voll nachvollziehbar, was du schreibst! Wer echte Verluste und Existenzprobleme hat, wird jetzt nicht loskonsumieren. Die Klagen der von Corona lahm gelegten Unternehmen verstehe ich aber auch, denn auch da sind jede Menge Menschen, denen nun das Einkommen fehlt – plus die Sorge um die Aufrechterhaltung der Strukturen für „danach“, falls es das je geben wird. Die Autohersteller nehme ich da aus, nach allem, was ich lese, sind die durchaus liquide, geben Dividende aus und haben Rücklagen – kein Grund also, sie zu betrauern oder mit Kaufprämien zu beglücken.

    @Ingo: freut mich, dass du trotzdem kommentierst! :-) Das erste Video habe ich angeschaut, aber leider versteht man es teilweise schlecht, auch bei mehrmaligem Versuch. Soweit ich es mitbekomme, bist du zu spät gekommen und nutzt den Tag für ein Video, in dem du zur Vermeidung von Plastik und Mikroplastik aufrufst. Ich versuche das, leider nicht genügend konsequent, denn das ist gar nicht so einfach.
    Das zweite Video guck ich später – weil grade laut die Arbeit ruft!

  5. @Claudia:

    Ja, das Leben ist immer unsicher, nur fallen in Corona-Zeiten eben die üblichen und durchaus erfolgreichen Verdrängungsmechanismen weg. Dass wir nicht ständig „im Bewusstsein der Unsicherheit“ leben können, sehe ich als unvermeidlich an. Ich kann nicht rumgehen und ständig daran denken, dass sich von einem Balkon ein Blumentopf lösen und mir auf den Kopf fallen könnte – nur als banales Beispiel für vieles.

    Unser Bewusstsein ist m.E. kein „einfacher“ Computer, der nur sequentiell (wie ein Programm) Dinge abarbeiten und immer nur der Reihe nach wahrnehmen kann, sondern eher ein Hochleistungs-„Parallelcomputer“, der auch (fast) gleichzeitig Dinge denken kann (so ähnlich wie ein mehrfachbelichtetes Foto, nur halt dynamisch in Echtzeit). So musst du eher meine Aussage verstehen.

    Das „Bewusstsein der Unsicherheit“ (und noch viele andere wichtige Probleme wie z.B. die unausweichliche Klimakrise oder eben der unausweichliche eigene Tod) können wir m.E. sehr wohl ständig bewusst „im Hinterkopf“ behalten und sehr oft zwischendurch daran denken.
    Verdrängung ist eben nur ein möglicher (und sehr weit verbreiteter) Mechanismus und der ist nicht der allerbeste, denke ich. Sich möglichst viel bewusst machen und dann im Bewusstsein zu behalten, hilft m.E. viel eher, mit sich und dieser Welt zurecht zu kommen, als immer nur schön geordnet und eingekapselt zu denken. Reden und Schreiben können wir nur sequentiell, klar. Aber auch da wird das freie und spontane Assoziieren von vielen missverstanden und kritisiert.

    Ich habe z.B. nie verstanden, wie manche im Real Life interessante philosophische Gespräche führen können und dann plötzlich den inneren Schalter umlegen und z.B. vom Wetter oder Kochen weiterreden, als ob das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hätte. Da die „hohen“ Gedanken und hier der „banale“ Alltag. Ich verstehe diese „Kluft“ bis heute nicht und habe (für mich) eine ganz andere Art zu denken entwickelt, die viel befreiender und spannender ist.

    Mit „Frieden aufkündigen“ meine ich verbal oder tatsächlich Gewaltbereite, die sich jenen anschließen, die auf einen Bürgerkrieg hinarbeiten – oder als Einzelne den martialischen Kämpfer geben (Hildmann!). Mit Abstrichen auch Menschen, die nicht mehr argumentativ erreichbar sind und nur noch auf alles Bestehende hetzen, die Politik insgesamt verdammen und völlig undifferenziert beschimpfen etc.

    Also vor einen Bürgerkrieg fürchte ich mich nicht – dazu gehts den meisten Menschen hier viel zu gut. Verbal wird Vieles ausgedrückt, wenn man über alles und jedes empört oder unzufrieden ist – nur tatsächlich umgesetzt wird das Allerwenigste.
    Aber mir ist klar, es gibt auch Mörder, Kinderschänder und andere Psychopathen unter uns – zum Glück eher selten, aber eben doch.

    Inwieweit das jederzeit schlummernde Gewaltpotenzial der irrationalen „Masse“ ein Problem werden kann, darüber könnte man vorsichtig spekulieren – tun ja auch einige, die dann meinen, es reiche ein Funke, der einen Flächenbrand nach sich ziehen würde. Ich glaube das weniger, aber ausschließen kann ich das nicht.

    Und wenn wir ehrlich sind: argumentativ erreichbar sind m.E. die allerwenigsten – irgendein allgemeines wesentliches Thema wirklich zu „durchdringen“ und „fertig“ bzw. „zu Ende“ denken bzw. diskutieren, will fast keiner – ist wahrscheinlich zu anstrengend, nervig und wird oft als „gefährliche“ Verunsicherung empfunden.

    Ansonsten bin ich ganz bei dir: die Konsumgesellschaft und der globale Kapitalismus werden sich nicht grundstürzend ändern – es sind ja nicht nur Unternehmer und Arbeitnehmer, sondern die Käufer bzw. „Verbraucher“, die die Konsumangebote gerne wahrnehmen. Es hat auch kein anderes System so viel Wohlstand erzeugt und so viel wirtschaftliche Freiheit gewährleistet: Kommt eine Kritik am Bestehenden auf (z.B. Fleischkonsum), entsteht sofort eine ganze Produktpalette, das „vegane Marktsegment“.

    Ja, so sehe ich das auch. Die freie Marktwirtschaft leistet sehr viel und erzeugt weltweit immer mehr Freiheit und Wohlstand – aber leider auch globale Probleme, die ständig aufgezeigt, bewusst gemacht und irgendwie gelöst gehören. Daran wird aber, soweit ich das mitbekomme, an sehr vielen Fronten engagiert und unermüdlich gearbeitet. Das gibt mir die Hoffnung, dass es doch immer wieder Auswege gibt…

  6. Ich würde nicht von Sinndefizit sprechen. Es gibt nur keinen <iallen gemeinsamen Sinn mehr. Die einen gärtnern, die anderen lassen sich
    an einem Gummiseil festgebunden von einer Brücke fallen, dritte laufen Marathon, vierte engangieren sich politisch, fünfte wandern vom Nordkap nach Rom, wieder andere meditieren, machen Yoga, befreien Nordseestrände vom Müll. Wenn man in all dem einen gemeinsamen Nenner sucht, dann ist es vielleicht der Konsum, an dem wirklich alle teilhaben. Ob das für den einzelnen auch schon eine Erfüllung des Sinnbedürfnisses ist, mag dahingestellt sein. Ich glaube das nicht. Ich glaube, es ist eher ein schnell wirkendes Mittel gegen Langeweile.

  7. Wahrscheinlich beschäftigt (besorgt) die meisten Menschen, dass keiner weiß, welche Folgen die Krise haben wird. Dass es Auswirkungen gibt, war jedem klar. Es existieren handfeste Konsequenzen, die auch dann bedrohlich sind, wenn man nicht persönlich von ihnen betroffen ist (Holly). Meine Frau und ich sind Rentner. In unserem Fall sollte man glauben, dass neben gesundheitlichen Risiken wenig Grund für anderer (beispielsweise finanzielle) Sorgen bestehen würde. Schließlich wird die Rente weitergezahlt, Angst um unsere Arbeitsstelle müssen wir uns nicht mehr machen. Aber allein die Tatsache, dass die CDU, die phasenweise in den Umfragen schon wieder bei 40% lag, die Mindestrente am liebsten in die Schublade verfrachten würde und die SPD als Gegenpol starr bei 15 % verharrt, kann Sorgen bereiten.

    Von den Grünen erwarte ich in dieser Hinsicht wenig. Sie geben sich zwar den Anstrich für die sozialen Belange im Land einzutreten, müssen das aber erst noch beweisen.

    Wenn ich Habecks Vorstoß bezüglich des Mindestpreises für Fleisch betrachte, kann ich diesen nur als unfertig bezeichnen. Ich glaube, dass er die Folgen nicht bedacht hat. Das heißt aber nicht, dass alles bleiben sollte, wie es ist.

    Ich fürchte, wir sehen zu stark auf unser Land und berücksichtigen bei vielem nicht, wie sich die Globalisierung in dieser Krise auswirkt. Es ist weniger der Lockdown, dessen Folgen wir spüren/ahnen, sondern die Unterbrechung von Lieferketten und der krasse Stillstand der weltweiten Nachfrage (s. Flugverkehr, Containerschifffahrt).

    Das ist vor allem für Deutschland problematisch, weil wir so gern Exportweltmeister waren. Viele Produktionen wurden nicht aufgrund des Lockdowns (also staatlicher Zwänge) heruntergefahren, sondern aufgrund anderer Umstände, die zwar mit Corona im Zusammenhang stehen, die aber nicht „hausgemacht“ waren. Insofern ist die Kritik, die auch bei „Hygiene-Demos“ vorgebracht werden, irreführend. Das kann man am Beispiel Schwedens gut nachvollziehen. Es gibt dort (noch) weniger Lockdown aber einen wohl ebenso großen wirtschaftlichen Schaden.

    Hoffentlich tritt nicht das nach der Krise (wann immer das ist) zutage, was Soziologen befürchten. Deutschland ist ein reiches Land. Die Mittel, die gerade für zur Bekämpfung der Krise eingesetzt werden, sprechen dafür. Aber die Vermögensverhältnisse der Menschen in diesem Land sind sehr ungleich. Die Vermögen sind viel ungleicher verteilt als in den Ländern, die von unseren Politikern abschätzig gern als „Südländer“ bezeichnet werden. Ja, wir haben im Vergleich einen gut ausgebauten Sozialstaat. Aber die Kosten dafür sind auch gigantisch. Und wenn die Wirtschaft so dramatisch einbricht, wie wir es absehen können, wird dieser Staat massive Kürzungen vornehmen. Und zwar zuerst und vor allem im Sozialbereich. Da wir uns an die lieb gewonnen staatliche Versorgung so dermaßen gewöhnt haben, wird das nicht folgenlos bleiben. Der Sinn für Eigenverantwortung ist in Deutschland verkümmert. Das wird schwerwiegend Folgen haben.

  8. @Horst: klar, es wird gespaart werden, wenn die Corona-Ausgaben-Orgie ‚rum ist. Im teuren Sozialbereich gibt es aus meiner Sicht durchaus Ausgaben, die man kürzen könnte, ohne dass sich Betroffene darüber aufregen: nämlich im Bereich „Fördern und Fordern“. Da passieren soviel sinnlose Maßnahmen, einzig und alleine dazu da, die Statistiken zu schönen – Unzählige bekommen zum Xten Mal Förderkurse, die die Basics des Lebenslauf-Schreibens und Umgang mit Standardprogrammen beinhalten. Durchgeführt von Firmen, die nur „Maßnahmenträger“ sind und die Leute oft genug einfach vor den PC setzen: nun recherchiert halt mal nach Jobs und bewerbt euch… Andrerseits bekommen Leute, die wirklich dringend wollen, bestimmte Maßnahmen, meist echte sinnvolle Weiterbildungen, NICHT – ein absurdes, bürokratisches Regime, das zu großen Teilen der Disziplinierung dient, ohne den vorgegebenen Zweck, „in den 1.Arbeitsmarkt zu bringen“ zu erfüllen.
    Derzeit ist auch diese Maschinerie durch Corona weitgehend gestoppt – bin gespannt, ob sie wieder anläuft wie gehabt!