Claudia am 26. März 2020 —

Raus zum Arbeitseinsatz auf den Feldern!

Die Corona-Krise hat nun doch Folgen für die Versorgung mit Lebensmitteln. Insbesondere bei Obst und Gemüse gibt es Probleme, da aufgrund der Ein- und Ausreiseverbote viele Tausend Erntehelfer aus Osteuropa fehlen. Dabei geht es nicht nur um den Spargel, der jetzt gestochen werden muss: Die Erdbeerernte danach benötigt noch viel mehr Helfer, zudem muss gesäät und gepflanzt werden, sonst fällt die Ernte auch bei Gemüse und Salaten aus.

So wird endlich mal richtig deutlich, wem wir es verdanken, dass unser Obst- und Gemüseangebot – normalerweise – so vielfältig und verlässlich zur Verfügung steht. Dabei ist die heimische Landwirtschaft nicht mal der Hauptzulieferer: nur 40% des Angebots werden von Betrieben in Deutschland angebaut, der Rest kommt aus der EU und dem Ausland.

Ein ganz erheblicher Teil wird in „Europas Gärten“ Almeria und Huelva (Spanien) erzeugt. Dort fehlen wiederum die Arbeiter/innen aus Marokko, das am 13.März seine Grenzen geschlossen hat. Selbst die Helfer, die noch kommen können, haben kaum Möglichkeiten, die Felder zu erreichen, da Autofahrten mit mehr als einer Person verboten sind. Und das sind nur Beispiele, viel Obst kommt normalerweise auch aus Italien, Griechenland, Türkei – ob und wie da noch genug geliefert werden wird, steht in den Sternen.

Studierende, Kurzarbeiter, Rentner und „Personalverschiebungen“ sollen helfen

Um zumindest die heimische Produktion zu retten, verkündete Bundesagrarministerin Julia Klöckner ungewöhnliche Maßnahmen:

  • Studierende bekommen Zuverdienste auf dem Acker nicht aufs Bafög angerechnet
  • Bezieher von Kurzarbeitergeld dürfen bis zur Höhe ihres bisherigen Lohns ohne Abzüge hinzu verdienen.
  • Die Zuverdienstgrenze für Vorruheständler ist aufgehoben.
  • Arbeitnehmerüberlassungen (z.B. von der Autoindustrie in die Landwirtschaft) sind erlaubnisfrei möglich.

Zu alledem wird die gesamte Lebensmittelbranche als „systemrelevante Infrastruktur“ anerkannt, sprich: Betriebsschließungen durch Quarantänemaßnahmen werden so verhindert.

Einiges davon klingt schon fast nach Zwangsarbeit! Ich weiß ja nicht, was die kurz bzw. gar nicht arbeitenden Autobauer dazu sagen, wenn sie nun einfach einem Landwirt als Arbeitskräfte „überlassen“ werden sollen. Sofern es noch mit vor-corona rechten Dingen zugeht, darf man das verweigern. Aber wer weiß, wie lange noch?

Freiwillige vor!

Für alle, die jetzt in der Landwirtschaft helfen wollen, gibt es die neue Plattform daslandhilft.de für Angebote und Gesuche (seltsamer Name, das Land braucht doch Hilfe!). Schon über 20000 Hilfswillige sollen sich gemeldet haben, einige arbeiten bereits bei den Bauern. Reichen wird das allerdings nicht, denn die Bauern beschäftigen übers Jahr normalerweise ca. 300.000 Saisonarbeiter.

Ob die Freiwilligen die Arbeit überhaupt schaffen, die da gefordert ist, ist noch eine andere Frage. Versuche, Arbeitslose einzusetzen, waren bisher nicht erfolgreich. Bauern berichten, das von zehn deutschen Helfern neun gleich wieder weg waren – zu anstrengend!  Da die vermutlich nicht ganz freiwillig zum Arbeitseinsatz auf dem Feld angetreten sind, wird es jetzt mit Freiwilligen sicher etwas besser laufen – aber natürlich nicht so gut, wie mit Menschen, die körperliche Arbeit gewohnt sind.

Den Landwirten wäre zu raten, ebenfalls flexibel zu sein, auch was die Arbeitsabläufe angeht. Mehr Pausen, vielleicht sogar ein 2-Schichtbetrieb wären sicher hilfreich, um die Freiwilligen nicht gleich wieder zu verlieren.

Selbstversorgung aus dem Garten?

„100 kg Obst auf 100 m² Kleingartenland!“ – das ist eine alte Parole aus der DDR, die aufgrund wachsender Versorgungschwierigkeiten ab den 70gern die Kleingärten gefördert hat. Noch heute haben Kleingärtner in den neuen Bundesländern dadurch Vorteile, denn die Gärten sind üblicherweise ans Stromnetz angeschlossen, haben individuelle Wasseranschlüsse und sind besser ausgestattet. Vorteile, die in vielen westlichen Kleingärten nicht selbstverständlich sind, da das Bundeskleingartengesetz eine eher spartanische Ausstattung vorschreibt.

Zur Begrüßung im vereinigten Deutschland allen Kleingärtnern erstmal den Stromanschluss wegzunehmen und die Wasserleitungen aus den Datschen zu reissen, hätte viel Ärger gegeben. Also hat man darauf verzichtet, was eine weise Entscheidung war! Gleichwohl gilt bundesweit die Pflicht zur „kleingärtnerischen Nutzung“, insbesondere zum Obst-  und Gemüseanbau. Viele empfinden das heute nurmehr als nervige Last, da sie lieber einen reinen Erholungs- oder Ziergarten hätten. (Schließlich kann man doch alles im Supermarkt günstig kaufen und hat keine Arbeit damit!) Weil aber die Privilegierung der Kleingärten (geringe Pacht, Kündigungsschutz) an die kleingärtnerische Nutzung gebunden ist, MÜSSEN sich alle mit Gemüseanbau befassen.

Jüngere Kleingärtner, die in letzter Zeit wieder verstärkt Gärten nachfragen, befassen sich gerne mit dem Bio-Anbau im Garten. Die Kinder sehen, wie das Gemüse wächst und man kann Sorten anbauen, die im Supermarkt nicht zu haben sind.

Vielleicht gewinnt im Zuge der Corona-Krise der selbstversorgerische Anteil im Kleingarten wieder an Bedeutung? Dieser Tage haben mein Liebster und ich wieder mit der Anzucht angefangen: 10 Sorten Tomaten, Mangold, Schwarzkohl, Salat, demnächst kommen Zucchini dazu. Auch Kartoffeln (besondere Sorten) werden wir anpflanzen und Amaranth, den man auch als spinatartiges Gemüse essen kann. Wurzelgemüse kommt im sandigen Boden nicht so gut, auf Kürbisse haben wir dieses Jahr keine Lust.

Ich rechne damit, dass es in den Supermärkten über den Sommer Teurungen und Lücken im Supermarktangebot geben wird. Und fürchte keinesfalls mehr, im Garten ZUVIEL ernten zu müssen!

 

 

 

 

Diskussion

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13 Kommentare zu „Raus zum Arbeitseinsatz auf den Feldern!“.

  1. Liebe Claudia,
    Engelbert und vor allem ich, haben ja schon jede Menge Bückarbeit geleistet. Hoffen wir, dass es nicht so schlimm wird mit dem Dornröschenschlaf. Aber etwas, das ich dir schon lang schreiben wollte; es heißt Saat und säen, kein h.

    Bei uns ist noch alles im grünen Bereich, ein bisschen Lethargie. Am 1.4. wird ein Biografienforum eröffnet, ein Nachfahre der Dokumentationen „Was für ein Leben!“ Ich mehme teil, und betrachtete mein wohl 80 Jahre bewusst erfahrenes Leben. Dabei wurde mir klar, dass es einen Plan für mein ganzes Leben gibt. Es sind unzählige Ereignisse, wo ich wie eine Marionette an einen bestimmten Platz, in eine bestimmte Situation gezogen oder geschoben worden bin. Wo bestimmte Geschehnisse sich erst fünf bis zehn Jahre später auf mein Leben auswirkten. Augenblicklich erfasste mich eine Zuversicht, dass mir nichts geschehen wird, was mir nicht vorbestimmt ist. Meine Angst davor, meinen Liebsten zu verlassen oder von ihm verlassen zu werden, ist verschwunden. Ich bin ganz ruhig und gelassen. Diese Gewissheit lässst mich diesen Text schreiben, ohne dass ich fürchte, es könnte vergebens sein. Das bedeutet nicht, dass ich alles auf mich zukommen lasse, oft handle ich spontan, wenn ich das Gefühl habe, es stimmt. Manchmal zaudere ich, und das erweist sich als richtig, wenn die Sache noch nicht spruchreif war.

  2. Liebe Nila: danke, hab ich gleich korrigiert! Schön, dass du so mit dir im Reinen bist – dass du vor Verlassen und Verlassen werden Angst hattest, wundert mich ein wenig.
    Wenn das Forum eröffnet, schick mir gerne einen Link!
    Was meinst du mit „Dornröschenschlaf“? Die „Kontaktsperre“?? Sehr poetisch!

  3. Liebe Claudia,
    mit Dornröschenschlaf meine ich die Leere, die Stille und den Stillstand überall.
    Mein astrologisches Thema ist: Lass mich nicht allein, also die Verlassensangst.
    Von Kindheit an, mich zu verlaufen, verloren zu gehen. Vielleicht schon im Mutterleib, als meine Mutter allein 7 km vom Bahnhof in das Dorf und das Haus ihrer Schwiegereltern lief und erst im falschen Dorf ankam.
    Liebe Grüße
    Nila

  4. Nila, solche Prägungen wie Du sie erfahren hast, mag es viel öfters geben.

    Meine Grossmutter mütterlicherseits hatte ein sehr schweres Leben. 11 Kinder und als einzige Erleichterung der Gang zur Kirche am frühen Morgen und abends.
    Dass Leben unsäglich schwer sei, erlebte sie symptomatisch auch in einer kolportierten Geschichte: Sie wollte, hochschwanger, eine Abkürzung nachhause wählen und verfing sich in einem grossen Rohr, das unter einem Bahnübergang durchging. Irgendwie schaffte sie es doch. Welchen meiner Onkel oder Tanten sie danach gebar oder ob es meine Mutter war: Ich weiß es nicht.

  5. Ich bekam gerade die Meldung:
    „Du schreibst die Kommentare zu schnell…“

    Vielleicht wollte mich etwas zurückhalten, diese Geschichte zu erzählen…

  6. Lieber Gerhard,
    noch schnell, ehe ich dusche und tense, lieben Dank für deine Antwort. In die Kirche gehe ich schon seit Langem nicht mehr. In einer fast fundamentalistisch geprägten Familie aufgewachsen, fühle ich mich eher im Schoß des Universums geborgen. Es ist schon so lang her, hast du bei einem der Onlinekurse von Claudia mitgeschrieben?
    Bleib gesund
    Nila
    (Falls dir langweilig wird: Bei Bin oder Ecosia findest du mich unter Nila E. Sebastian.)

  7. Nila, ich war bei keinem Online-Schreibkurs…und langweilig ist mir auch nicht. :-)
    Danke!

  8. @Gerhard: die Meldung hatte ich auch. Denke mal, das kommt, wenn man 2 Kommentare hintereinander schreibt. Kannts ich bisher auch nicht… bisschen später posten klappt dann.

  9. „Den Landwirten wäre zu raten, ebenfalls flexibel zu sein, auch was die Arbeitsabläufe angeht. Mehr Pausen, vielleicht sogar ein 2-Schichtbetrieb wären sicher hilfreich, um die Freiwilligen nicht gleich wieder zu verlieren.“

    Genau das ist der Punkt. Das großkotzige Geschwätz in der Vergangenheit, daß die (ungeübten) Erntehelfer nix taugen – ja wie denn auch? Die kommen oft aus anderen Bereichen und hatten mit körperlicher Arbeit oft noch nicht zu tun. Und dann soll alles sofort klappen. Kann man vergessen.

    Ich habe mal drei Wochen einen Pferdestall ausgemistet – ich bin abends noch vor der Tagesschau im Sessel eingeschlafen, so fertig war ich. Nach einer Woche wurde es dann besser und ausmisten kann ich heute noch (und Pferdebesitzer sind sehr schwer zufriedenzustellen…) Ich bin aber aus dem Büro. Und so scheiterte ich auch an Metallberufen und an Wechselschicht (die Schicht an sich war nicht mal so das Problem, aber mit dem Wechsel kam ich überhaupt nicht klar). Mit solchen Versuchen habe ich mir auch ziemlich die Gesundheit ruiniert.

  10. Ich habe in den 1970er Jahren Feldarbeit gemacht, auch davor schon. In einem Fall war es ein Praktikum, im anderen habe ich mir Urlaubsgeld dazuverdient. Es war eine intensive Erfahrung. Vor allem für meinen Rücken. Heute würde ich mir Feldarbeit nicht mehr zutrauen. Dazu wäre ich körperlich schon gar nicht mehr in der Lage. Der dicke Bauch wäre eine allzu große Behinderung beim Bücken. Aber die Initiative finde ich gut und scheinbar kommen auch viele Leute zusammen. Wir haben übrigens heute unser erstes Kilo Spargel gekauft. Bei einem hiesigen Bauern. Preis war ok.

  11. Ich hab als Teeny zweimal bei der Weinlese mitgemacht, jeweils 2 Wochen lang. Das war – damals war ich jung und fit – eine recht anstrengende, aber machbare Erfahrung, sonst hätte ich sie nicht wiederholt.
    Ungewohnt war neben der körperlichen Arbeit das soziale Drumrum: Es gab ein Mittagessen auf dem Weinberg, angefahren von den Weinbauer-Frauen, das wir alle im Picknick-Modus auf der Erde sitzend verspeisten.
    Gewöhnungsbedürftig auch die „Ermunterungen“ durch den Weinbauer: Der ging mit einer Flasche Schnaps durch die Reihen und versorgte uns Arbeitende mit „einem guten Schluck“. Auch ich (13, 14) bekam das ohne Bedenken ab und erinnere mich noch, dass ich zeitweise „auf allen Vieren“ durch die Rebenreihen gekrochen bin, so knülle war ich!

  12. Bezüglich der Feldarbeit: Im Mai/Juni 1945 waren meine Schwester und ich einige Wochen auf einem Rittergut zum Mohn- und Rübenverziehen. Von morgens um 7 bis 17 Uhr, mit einer Stunde Mittagspause. Es gab Verpflegung und 2 Liter Milch. Ab Juni 1949 bis August 1955 war ich auf einigen Bauernhöfen. Ab September habe ich dann eine landwirtschaftliche Lehre gemacht, und von September 56 bis April 57 auf einem Gut gearbeitet, wo ich das das Geflügel versorgt habe. Später war ich nochmal auf einem Gut, wo die Gartenarbeit noch einmal über den Rücken ging. Ich kann also nachvolllziehen, was schwere Arbeit bei der Ernte ist. Den Rücken spürte ich schon als Kind, später mehr oder weniger, weil ich außer dem Bücken bei der Arbeit auch noch schwer tragen musste, bis zu 50 kg.

  13. Ich sage mal vorsichtig, solange es die Erntehelfer aus dem Nachbarland mit dem deutlich geringeren Lohnniveau gab, gab es keinen Anreiz, hiesige Hilfskräfte so zu bezahlen, dass sie für harte Arbeit motiviert genug waren.
    Jetzt wird es einerseits zwar mehr Menschen geben, die bereit und fähig sind, in der Landwirtschaft zu arbeiten, andererseits wird der Lohn sich evt. trotzdem dem sonstigen Lohnniveaus anpassen, so dass nicht nur der Preis für Spargel, Erdbeeren und Wein steigen wird, sondern auch für sonstiges Essen.

    Idealerweise lehrt uns das, was die Grundversorgung kostet, wenn man „die Grenzen dicht macht“.