Claudia am 27. Januar 2019 —

#Auschwitz #niewieder # #Holocaustgedenktag

Zitat
vie @szmagazin

Ich musste auch erst ziemlich erwachsen werden, um das zu verstehen! Als Jugendliche war ich der Meinung: „Was hab‘ ich mit den Verbrechen meiner Vorfahren zu tun? Nichts!“

Oberflächlich gesehen und nur mit Blick auf die „Schuld“ stimmt das. Aber tatsächlich hatten und haben wir viel „damit“ zu tun. Allein schon das Schweigen der Väter, Mütter und Großeltern über das „1000-jährige Reich“, das soviel Grauen und Unglück über die Welt brachte, hatte ja Wirkung: Aufwachsen mit blinden Flecken, die man nicht einmal bemerkt, die aber umso un-heimlicher ihre subtile Wirkung im familiären Geschehen entfalteten.

Dann die – individuell unverdiente – Teilhabe an einem gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Aufbruch, der sich (zumindest im politischen Arm der Bewegung) aus der Auflehnung gegen dieses Schweigen der Kriegsgeneration speiste: Was habt Ihr da bloß angerichtet? Und ausgerechnet Euch sollen wir noch irgend etwas glauben oder abnehmen?

Später dann die Einsicht, was damit gemeint war, als Kohl von der „Gnade der späten Geburt“ sprach: Hätte man selbst widerstanden? Sich gar in Gefahr gebracht durch Proteste und Aktionen? Sich ganz gewiss niemals bereichert an den ans Volk verteilten Habseligkeiten der nach Ausschwitz in die Vernichtungslager abtransportierten Juden?

Fragen über Fragen – und eine Wirklichkeit, in der es eine AFD gibt, deren Vorsitzender den Holocaust als „Fliegenschiss“ bezeichnet und deren Thüringer Fraktionsvorsitzender Höcke von einer kommenden Wendezeit schreibt: „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen,“ und „menschliche Härte und unschöne Szenen werden sich nicht immer vermeiden lassen“. (Aus: „Nie zweimal in denselben Fluss“).

Mich gruselt! Und ja, es ist jetzt unsere Verantwortung, zu verhindern, dass solche Volksverführer erneut an die Macht kommen. Die sie zweifellos dazu nutzen werden, alle zu beseitigen, die ihnen nicht in den Kram passen. Wie damals.

#Niewieder!

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Diskussion

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8 Kommentare zu „#Auschwitz #niewieder # #Holocaustgedenktag“.

  1. Das sehe ich genauso wie Du.

    Es mag eine Gnade sein, nicht zwischen ’33 und ’45 gelebt zu haben und damit auch nicht im Konflikt über die Frage gewesen zu sein, ob man Widerstand leisten kann oder nicht – aber wir Kinder dieser Generation haben nun ein Erbe, dass wir nicht abschütteln können:
    Wir wissen was gesehen ist und dürfen uns unserer Verantwortung nicht entziehen, dafür zu sorgen, dass sowas nicht wieder passiert.
    Dazu gehört auch, aufzuzeigen wohin es sich entwickeln könnte, wenn man die Gaulands und Höckes unwidersprochen lässt.

  2. Nun gut, dein Ansinnen in Ehren. Und wo ist nun dein Engagement gegen die Antisemiten, welche (zumeist) aus dem arabischen Raum kommen und wo steht deine Auflehnung gegen diese Vollverschleierten, welche Juden bespucken oder als männlicher Part gleich die Kippa vom Kopf hauen?

    Wem nützt diese, deine Form der Selbstkasteiung, welche wohl ein paar Jahrzehnte zu spät kommt und übrigens niemanden dieser armen Menschen in den KZs hilft? Oder hat die tägliche Dosis NS-Schuld der Deutschen in sämtlichen Medien von Arte bis ZDF Info nun endlich sein Ziel erreicht?

    Nichts für ungut, aber ich kann es nicht mehr hören. Dieses Opfer-Täter-Gehabe zeigt niemand auf der Welt. Weder die Roten Khmer aus Vietnam/Kambodscha, noch die Einwohner des Massenmörders Mao und erst recht nicht die Russen, welche die Säuberungen und millionenfache Menschenrechtsverletzungen eines Stalins mitgemacht haben und dennoch an seinem Grab entlang pilgerten.

    Wenn du also partout etwas tun willst, dann stell dich vor einen Juden, so er von Muslims bedrängt, beleidigt und verprügelt wird. Das würde meinen Respekt verdienen – alles Andere erscheint mir eher als „Salon-Betroffenheit“.

    Und nein, das meine ich nicht persönlich, Claudia, da ich deinen Pluralismus schätze, wenn ich auch nicht immer einer Meinung bin.

  3. @Emannzer: ich sehe nicht wirklich den Grund, warum du mich hier so ankofferst! Aber ok, es ist dir vermutlich ein Bedürfnis, den Frust am „Gedenken“ irgendwo zu formulieren, wo die Chance eines Gesprächs besteht. Alsdenn:

    Den Gedenktag – und speziell dieses Banner von der SZ – hab ich zum Anlass genommen, meinen persönlichen Bezug zum Mega-Verbrechen der deutschen Geschichte in aller Kürze darzustellen, entlang an der eigenen Lebensgeschichte bzw. im Lauf des älter werdens.

    Wobei sich meine Sicht der Dinge wie geschildert geändert hat. Und ich habe nicht das geringste Gefühl einer „Selbstkasteiung“, denn ich war doch noch gar nicht auf der Welt, als all das Schreckliche passierte. Die Selbstbefragung, wie ich denn wohl gewesen wäre, wenn…. war und ist nie eine Kasteiung, sondern hatte den guten Sinn bzw. die Folge, nicht allzu selbstgerecht auf alle damals Erwachsenen zu schauen und sie (= die Eltern und Großeltern) samt und sonders als Versager und Schlechtmenschen zu verdammen. (Das sieht man aber erst, wenn auch das Selbstbild nicht mehr so jugendlich unbefleckt und „immer bei den Guten“ ist).

    Als „Engagement“ gegen Rechtsaußen hab ich mir kürzlich das Höcke-Buch gekauft (aus dem die oben zitierten Sprüche stammen), um zu lesen, „wie der Feind denkt“ (obwohl ich sonst gar nicht mehr Print lese). Und ich finde es fürchtbar, dass so jemand in einem deutschen Landesparlament sitzt – ebenso schlimm, dass Leute die AFD wählen, obwohl sie wissen, dass da ernsthaft rechtsradikales Denken verbreitet wird – da sind Hemmschwellen nicht mehr vorhanden, die ich lange für selbstverständlich hielt. Deshalb finde ich es wichtig, die Gefährlichkeit dieser Tendenzen in der AFD anzusprechen und dagegen zu halten – ich bin nämlich nicht der Meinung, dass alle gleich Nazis sind, die mal AFD wählen.

    In meinem Lebensalltag komme ich nicht in Kontakt mit Situationen, die du ansprichst – und es wäre schon ein wenig lächerlich, wenn ausgerecht ich ältere Frau ernsthaft nach Gelegenheiten suchen sollte, um ganz physisch „Juden zu schützen“! Nicht dein Ernst!

    Auf dem Feld bin ich eher dabei, mir immer mal wieder eine aktualisierte Meinung zu bilden, wo die „Israelkritik“ aufhört und der „Antisemitismus“ anfängt – auch so ein Metier, wo ich in der wilden Jugendzeit schlicht nicht selbst nachgedacht, sondern einfach nachgemacht habe: Palästinensertuch um und beim Bezahlen was in die Spendenbüchse „Waffen für Nicaragua“ – hach, war die Welt damals einfach…

  4. @Emannzer
    Ich lese Claudia hier seit vielen, vielen Jahren und habe immer ihr großes Sozialengagement bewundert. Und meiner besonderen Hochachtung gilt, das sie dies auch in Taten umsetzt. Da sind nicht viele in der bloggerwelt, die das ebenfalls von sich behaupten können.
    Und so wie ich Claudia kenne, würde sie sich auch vor einen Juden stellen, wenn er nicht von einem Muslim bedrängt wird, sondern auch von einem Deutschen, Engländer oder Inder. Soweit, zu unserer unterschiedlichen Einschätzung von Claudia.

    Ebenfalls verstehe ich die Botschaft dieses Beitrages ganz anders. Es geht hier nicht darum, wer, warum und wieso Schuld hat, sondern: Sich nicht wieder schuldig zu machen.

    Mich gruselt es auch, Claudia. Und in Anlehnung an deinen vorherigen Beitrag „Kommentare“, nee…., so wie oben,- da bleib ich mittlerweile lieber Offline.

  5. Max Mannheimer (und andere) beschrieben ja auch, wie es ihnen NACH dem Holocaust ging. Er beschrieb u.a. , daß ihn jemand in einem Kaufhaus beleidigte und er sich sogar dann für ihn einsetzte, daß dieser seine Stelle nicht verlor.
    Erstaunlicherweise empfand Mannheimer keinen Groll oder Vergeltungswünsche für das, was ihm im Lager passiert war.

    Ich finde, das Gedenken an diese Zeit darf in der Intensität nicht nachlassen.
    In einer Kultursendung wurde etwa ein Hologram in einem Museum vorgestellt. Dieses speiste sich aus zig Interviews mit einer sehr betagten Überlebenden. Dieses Hologram kann auf entsprechende Fragen entsprechende Antworten geben.
    Eine erstaunliche Initiative.

  6. @Menachem: danke für deine Wertschätzung, die du mit diesem Kommentar zum Ausdruck bringst. Nur dem letzten Satz kann ich – für mich! – nicht zustimmen (sonst würde ich ja selbst gar nicht schreiben und kommentieren). Ich finde es gut, wenn konträre Meinungen in Blogkommentaren formuliert werden – und Emannzer hat sogar deutlich ausgedrückt, dass er es „nicht persönlich meint“.

    Die Welt wird nicht besser, wenn wir nicht miteinander reden und alle nur immer in den „eigenen“ Medien ihren Frust mit diesem und jenem ablassen. Grade den Frust über die bundesdeutsche „Erinnerungskultur“, die viele als Zwangsbeglückung in der Schule erfahren und so erstmal keine positive Haltung dazu entwickeln können, kann ich nachvollziehen – und finde es deshalb lohnend, darüber zu diskutieren.

    Als Teeny erlebte ich im Italienurlaub der Endsechziger, dass mich in meiner italienischen Peergroup Leute mit Hitlergruß grüßten – und sogar zur Gitarre zwecks Anbaggern ein selbst gedichtetes „Liebeslied“ intonierten, das in Ausschwitz spielte. Meine Gefühle schwankten zwischen Frust (Ist das nicht langsam recht lange her?), Ärger (Was fällt denen ein, was hab ich damit zu tun?) und heftiger Irritation, weil sie es offenbar WITZIG und gar nicht verurteilend meinten.
    Lange lange wäre mir jede Art „Schlussstrich-Politik“ sehr recht gewesen! Das aber funktioniert nicht, egal was wir anstellen, dafür haben unsere Vorfahren gesorgt. Also ist es besser, sich alledem zu stellen und offensiv damit umzugehen (wie peinlich sind etwa Länder wie die Türkei, die ihren Genozid an den Armeniern partout leugnen). Am Ende ist es auch persönlich ertragreicher als im Frust zu verharren.

    Ich denke, man muss erstmal davon wegkommen, sich höchst persönlich (zu Unrecht) „beschuldigt“ zu fühlen, bevor ein echtes Interesse daran entstehen kann, was da eigentlich passiert ist, wie es dazu kommen konnte und wie es im Detail ablief. Der gefühlsmäßige Automatismus (der den Schlussstrich will) rührt aus der Identifikation mit dem eigenen Land, dem eigenen Staat her – das Reservoire, aus dem jeder Nationalismus schöpft. Man möchte Bürger eines GUTEN Landes sein…. aber das geht in DE nun einmal nicht ohne „Aufarbeitung“, die auch zu einer persönlich stimmigen Haltung führt.

    Es sind für mich auch keine erstarrten Gedenkrituale (sonst wär hier jedes Jahr was zum Gedenken, ist aber nicht!). Tatsächlich ist die Befassung ja auch interessant:

    Nach und nach kommen sogar immer wieder neue Inhalte und sichtweisen zum Vorschein, die ich so noch gar nicht kannte. So zum Beispiel gestern gesehen:

    Buchenwald – Heldenmythos und Lagerwirklichkeit (MDR)
    .
    „Die Doku zeigt eine andere Seite des Konzentrationslagers Buchenwald. Sie entfernt sich von der Heldensaga und dem Mythos, der in „Nackt unter Wölfen“ zementiert wurde und rekonstruiert eine andere Lagerwirklichkeit.“

    ***

    @Gerhard: dass er keinen Groll mehr hatte, wundert nicht soooo sehr. In Groll und Hass zu verweilen, würde das Grauen ja in alle (persönliche) Ewigkeit fortschreiben. Er hat statt dessen eine andere Haltung dazu gewonnen, die einen positiven Umgang mit der Vergangenheit ermöglicht.

    Ich habe gesucht, hier mehr zum Museum mit den Hologrammen der Überlebenden. (Wär toll, wenn du bei so etwas einen Link mitbringen könntest).

    ***

  7. Hier noch ein Video über das Hologramm mit den Überlebenden, die Fragen beantworten:

  8. Danke Claudia.
    Ich hatte meinen Kommentar ganz schnell vor dem Zubettgehen verschickt, daher kein Link.
    Zu Max Mannheimer: Er empfand laut Aussage in seinem Buch, das ich gelesen hatte, nie Groll.
    Und das ist schwer zu verstehen.
    Wieso das bei ihm so war, lässt sich nicht beantworten.

    Was ich AUCH schrieb, war, daß nicht nachlassende Intensität nötig ist, um zu warnen. Das bloße Nie-wieder wird nicht reichen.
    Man sehe nur das Milgram-Experiment von 1961, das kürzlich wiederholt wurde, mit dem gleichen obrigkeits gehorchenden Ergebnis.