Claudia am 08. September 2013 —

Demo Freiheit statt Angst: Endlich mal mehr Leute, aber lange nicht genug!

Die Schätzungen bezüglich der Teilnehmer gehen wie immer auseinander und schwanken zwischen anfänglichen 4800 (Polizei) bis insgesamt 20.000 (Veranstalter). Daniel Bröckerhoff schreibt auf seinem Live-Blog, das im übrigen vielerlei Bilder und kleine Filme der Demo zeigt:

„Anruf bei befreundeten Physikerin, die wir noch mit den Parametern “Teilnehmer pro Reihe”, “Schrittgeschwindigkeit”, “Abstand zwischen den Reihen” füttern mussten und die dann für uns 14.000 Teilnehmer errechnete. Der AK Vorrat gab währenddessen per Twitter 20.000 Leute bekannt, aber Veranstalterzahlen muss man ja mit Vorsicht genießen. „

Demoschilder

Wie auch immer: es waren deutlich mehr als früher, aber noch lange nicht genug!

Aufgerufen hatten immerhin 85 Organisationen: Gewerkschaften, Verbraucherverbände, Amnesty International, Reporter ohne Grenzen, Aids-Hilfe, Berufsverband der Psychologen, Chaos Computer Club, Campact und viele andere. Auch Parteien liefen mit, hatten aber eine Verabredung im Bündnis, den Protest nicht zu vereinnahmen. Neben den vielen fantasievollen Schildern gab es denn auch mittelgroße Wälder mit Partei-Fahnen und Luftballons: die Piraten dominierten in diesem Materialwettbewerb, gefolgt von den GRÜNEN und – deutlich abgeschlagen – der LINKEN. Anfänglich wurde von der Rednertribüne mal darum gebeten, mit diesen Fahnen Abstand zu halten, denn das hier sei eine Veranstaltung der Bürger. Ja, sicher, aber ich reg mich heute nicht mehr über Partei-Fahnen auf Demos auf, sondern freue mich, dass sich diese Parteien immerhin deutlich zu den Inhalten der Demo bekennen!

Piraten-Fahnen auf der Demo

Die „Mitte der Gesellschaft“ war zum Demonstrieren gekommen, so zumindest die Einschätzung der Polizei, die nicht martialisch auftrat, sondern die Veranstaltung ganz entspannt begleitete. Ich sah nicht nur junge, sondern auch viele ältere Menschen – erfreulich!

Nichts zu verbergen?

Warum allerdings hierzulande massenhafter Protest losgeht, wenn Google Hausfassaden fotografiert, wogegen die totale Überwachung und Ausspähung sämtlicher Netzkomunikation (inkl. Telefon) bei allzu vielen nur ein Schulterzucken hervorruft, ist eine Frage, die sich viele stellen. Darauf spielten denn auch etliche der Schilder und Plakate an:

Nichts zu verbergen?

Nur zur Demo aufzurufen, dann aber selber nicht zu erscheinen: damit hätte ich mich gar nicht wohl gefühlt. Es war auch wirklich eine gute Erfahrung, mal wieder richtig viele Menschen im Protest gegen die gleichen Missstände um sich zu haben: das motiviert und immunisiert gegen zynische Sprüche und die bequeme „kann-man-ja-nichts-machen“-Haltung, die ich nicht wirklich verstehe. Glaubt man denn wirklich, dass sich nichts ändern würde, wenn HUNDERTTAUSENDE auf die Straße gingen?

Es müssen MEHR werden!

Um mehr MASSEN auf die Straße zu bringen müssten allerdings alle, die solche Demos veranstalten, mal sehr intensiv im Vorfeld ausloten, ob nicht mal eine GEMEINSAME Großdemo aller potenziell in Frage kommenden gesellschaftlichen Gruppen und Intitutionen machbar wäre! Unglücklich fand ich z.B., dass nahezu gleichzeitig die Demo der IG Metall für „sichere und faire Arbeit für alle Beschäftigten“ am Brandenburger Tor stattfand. Wenig später startete die „Fuckparade 2013“, eine subkulturelle Alternative zur mittlerweile nicht mehr stattfindenden Loveparade mit ebenfalls mehreren Tausend Teilnehmern. In Kreuzberg versammelte sich ab 16 Uhr die „Lärmdemo gegen zu hohe Mieten“, gegen die auch am Mauerpartk demonstriert wurde. Alles in allem eine kontraproduktive Vielfalt, die leider der heute üblichen „jeder-macht-seins“-Mentalität punktgenau entspricht.

Ärzte-Protest gegen die Gesundheitskarte

Millarden Euro sollen bereits in die Planungen und Vorbereitungen zur Errichtung einer zentralisierten Dateninfrastruktur mit sämtlichen Gesundheitsdaten aller Bürger geflossen sein. Das kostenintensive und angesichts der Missbrauchs- und Ausspähungsmöglichkeiten absurde Vorhaben wurde von der Ärzte-Initiative „Stoppt die E-Card“ angeprangert, die zu den Mitveranstaltern der Demo gehörte.

Plakat gegen Gesundheitskarte

Viele bunte Fotos…

Natürlich hab‘ ich auch fotografiert, wie Ihr ja seht. Dass zudem jeder damit rechnen muss, auf Demos von der Polizei bzw. allgegenwärtigen Überwachungskameras aufgenommen zu werden, ist auch lange bekannt. Trotzdem wirkt die Geste des Fotografierens im Zusammenspiel mit Stop-Watching-Us-Plakaten schon ein wenig absurd!

Stop watching, aber...

Und sonst…

…fand ich ein Plakat mit der Aufschrift „Bei der STASI gab es wenigstens ARBEITSPLÄTZE!“ ziemlich witzig. Überhaupt gab es eine Menge zu hören und zu sehen, das es wert ist, berichtet zu werden – deshalb hier eine kleine Sammlung:

  • Freiheit statt Angst: Der Tag der 20.000 Geheimdienstkontrolleure – Maritta Strasser auf BlogCAMPACT zeigt viele gute Bilder und berichtet detailliert von der Demo; Sehr sehenswert!
  • Live-Blog: Freiheit statt Angst ’13 – ebenfalls schöne Eindrücke und Details von der Demo, auch per Panorama-Video.
  • “Der Kaiser ist nackt” – Freiheit statt Angst 2013 – Rede von Anne Roth als Video und Text;
  • 20.000 auf der #fsa13 – SPREE-BLICK fragt nach neuen Formen zivilen Ungehorsams:
    „Es wird sich erst etwas ändern, wenn es weh tut. Den Unternehmen, den Regierenden, den Kontrolleuren. Ich habe leider noch keine Idee, wie ziviler Ungehorsam im Netz und offline aussehen muss, damit die Proteste gegen Totalüberwachung die Aufmerksamkeit erhalten, die sie brauchen. Aber ich bin hoffnungsvoll, dass sich Kreativität und Ausdauer bezahlt machen wird. Und so gilt für mich nach dem heutigen Tag: Weitermachen und noch lauter werden. „

***

Fassbrause der GRÜNEN

Mehr?

Weil es gerade passt, hier noch ein paar neue Artikel zur Sache, die ich heute besonders empfehle:

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
3 Kommentare zu „Demo Freiheit statt Angst: Endlich mal mehr Leute, aber lange nicht genug!“.

  1. alsoooo,es geht nicht um“lärm gegen hohe mieten“ bei der fuckparade.
    es ging zuerst um die kommerzialisierung der kunst- bzw. kulturszenen.es war nicht nur alternativ zur-,sondern ausdrücklich alls gegendemo zur loveparade gestartet,weil für die musik und tv industrie,die hardcoretechnoszene einfach nicht massentauglich genug vermarkten konnte,worauf hin man die teilnahme an der loveparade nicht mehr zuliess seit 1997.
    die themen heute sind natürlich weitergefasst.
    schwerpunkte sind protest gegen die staatliche schutzgeldmafia,die gema.zudem geht es um protest gegen gentrifizierung berlins.
    der protest richtet sich quasi gegen den tot von berlins kultureller seele.durch die gentrifizierung stirbt genau der teil berlins der die leute anlockt, für welche selbige durchgeführt wird.
    ohne das kulturelle,doch eben nicht reiche,oder angepasste leben,wird von dem „arm aber sexy“-image bald nichts mehr bleiben.dann kann man gern mal versuchen mit „noch ärmer aber hässlich“ interessant zu bleiben.

    zum datum sei gesagt,dass es leider nicht genemigt wurde zum gewünschten termin.gewöhnlich ist das ja schon in der zweiten augusthälfte.es ist ja auch für die teilnehmer der fupa nachteilig,sich den tag mit 6 demos zu teilen.

    persöhnlich finde ich alledings auch,dass die „freiheit statt angst“-demo thematisch wirklich sehr gut zur fuckparade passen würde.in der gentrifizierten stadt lässt sich eine überwachungs-infrastruktur sicher besser einrichten und aufrecht erhalten,als in einem blühenden djungel,oftmals ungenehmigten,spontanen subkulturellen treibens aller art.

  2. […] Claudia Klinger schreibt: „Die “Mitte der Gesellschaft” war zum Demonstrieren gekommen, so zumindest die Einschätzung der Polizei, die nicht martialisch auftrat, sondern die Veranstaltung ganz entspannt begleitete. Ich sah nicht nur junge, sondern auch viele ältere Menschen – erfreulich!“ […]

  3. […] Demo Freiheit statt Angst: Endlich mal mehr Leute, aber lange nicht genug! […]