Claudia am 02. April 1999 —

Freudige Arbeit braucht Eigeninitative

Gestern und vorgestern hat mich ein Tagesspiegel-Redakteur interviewt, eine Menge Fragen gestellt über meine Netzaktivitäten, über Netlife und Real Life und vieles mehr. Seit 1997 meide ich das Vorkommen in Printmedien, umso mehr, je näher sie an meinem räumlichen Ort erscheinen. Wenn man nämlich nichts konkretes verkaufen will und auch nicht unbedingt „viele Zugriffe“ auf eine Webseite braucht, ist das persönliche Erscheinen als „Content“ in traditionellen Medien nur eine Last. Es zieht allerlei Anfragen nach sich, auch andere wollen dann kostenlos mit Inhalten beliefert werden – man hat Arbeit und Termine und immer wundert man sich, was letzlich in den Artikeln steht!

Diesmal hab‘ ich dennoch zugesagt, nachdem der Journalist bereit war, es als Mail-Interview abzuwickeln und daraus dann seinen Artikel zu machen. Vielleicht, weil ich die Zeitung selber lese, dem eigenen Morgenblatt sagt man ungern nein. Andrerseits möchte ich schon gern Leuten, die dem Netz eher fern stehen, etwas sagen, etwas erzählen über die großartigen Möglichkeiten, die dieses neue Medium für uns alle, für jeden Einzelnen bietet. Ob im Artikel davon etwas übrig bleiben wird? Morgen abend kommt er heraus, ich bin gespannt, aber auch skeptisch. Vielleicht stell ich hier dann auch mal die Fragen & Antworten aus, zum Vergleich…

Unter www.claudia-klinger.de hab‘ ich die Leitseite erneuert. Es ist meine erste eigene Homepage auf weissem Grund, bin ganz glücklich damit! So einen weissen Raum ansprechend zu gestalten, ist viel schwieriger als mit schwarzem oder sehr dunklem Grund, wo alles, was man darauf schreibt oder abbildet, schon wunderbar strahlt.

Zur Zeit arbeite ich sehr viel, es sind interessante Aufträge von angenehmen Leuten, die auch gut bezahlt werden, es gibt nichts zu meckern. Doch ich grüble oft darüber nach, warum es wohl immer so ist, daß die einen zu viel und die anderen zu wenig Arbeit haben. Es gibt solche, die etwas können, bzw. sich das fehlende schnell beibringen (die sind dann schnell überlastet) – und solche, die keinen eigenständigen Zugang zur Welt der Arbeit finden, die in ungeliebten ABM-Stellen hängen oder in ihrer Arbeitslosigkeit unglücklich sind. Wie gerne würde ich dazu beitragen, daß andere im Netz Arbeit finden, die ihnen gefällt und die sie ohne großen Organisationsaufwand von zuhause erledigen können. Es hakt aber oft daran, daß ein psychisches Problem darin besteht, wirklich eigene Inititative zu entwickeln, die Verantwortung für das eigene Fortkommen selbst zu übernehmen – ohne auf ein Amt oder einen Arbeitgeber zu zählen.

Sich selbst etwas beibringen ist das A und O und noch nie war es so leicht wie heute, wo es im Netz überall Orte gibt, wo man fragen kann und Infos findet. Natürlich ist das aus dem Nichts heraus nicht ganz einfach. Ich vermisse deshalb Förderinitiativen, die Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln, so eine Art ambulantes ABM. Stattdessen gibt es diese öden ABM-Jobs mit „Rundum-Betreuung“, nach denen die Leute in der Regel genauso da stehen wie vorher: geeicht auf einen 9to5-Job mit einem Eintrag mehr im Lebenslauf. Schön und gut, aber wer will denn heute noch Leute ANSTELLEN?

Würde ich verschiedene Ideen verwirklichen, könnte ich tatsächlich einige Leute an der Arbeit beteiligen – aber ich könnte die Ideen nicht umsetzen, wenn jeder von ihnen sehr viel Anleitung braucht. Und ich sehe keinen Grund, eine Firma zu gründen und Leute ANZUSTELLEN. Dann bin ich nämlich gefangen in der Verantwortung, jeden Monat so viel Aufträge reinzuholen, daß auch alle versorgt und die immensen Arbeitskosten bezahlt sind. Es gibt wirklich NICHTS, was mich dazu motivieren könnte, mich in diese Zwangsjacke zu begeben. Alles Geld der Welt kann den Stress und die Unfreiheit nicht gutmachen, die ein Arbeitgeber-Dasein mit sich bringt.

Sorgt aber jeder für sich, bildet sich weiter, versichert sich selbst, kann man sich je nach Laune zu mehr oder weniger Projekten zusammenschließen – und danach wieder auseinandergehen. Zeigt sich jemand als dem Zusammenhang nicht dienlich, braucht es so keinen Kündigungsprozess und kein Mobbing. Ich bin wirklich überzeugt, daß DAS die Arbeit der Zukunft ist – und man sollte nicht darüber jammern, sondern es als Chance sehen, die mehr und mehr Leute in die Situation versetzt, Dinge zu tun, die sie wirklich mögen. 

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