Claudia am 29. Januar 2009 —

Morgendlicher Rundblick durchs Web

Wenn ich morgens zwischen acht und neun mit einem heißen Kaffee vor dem Monitor sitze, genieße ich erstmal das Gefühl der Freiheit, mir für eine nicht genau definierte Zeitspanne aussuchen zu können, was ich jetzt mache. Meist gilt der erste Blick dem Diary, dann schau ich nach „draußen“ in die Blogosphäre. Das, was angeblich am meisten bewegt, listet der „Meme-Tracker“ RIVA eigendynamisch auf: bewertet nach der Anzahl der Links, die ein Beitrag binnen kurzer Zeit auf sich vereinigen kann. Es ist leicht, Riva „hinterher zu schreiben“ und dann unter den „Reaktionen“ zu erscheinen, doch um dort mit einem eigenen Thema aufzuscheinen, muss es wohl viel „Buzz“ haben – wie etwa der Bericht eines führenden Bloggers aus den USA, der bei einer Konferenz in München angespuckt wurde – ja, sowas ist ja auch ungemein spannend…

Dass das Handelsblatt jetzt auch Blogs verlinkt und Thorsten Schäfer Gümbel seine 140 Zeichen bei Twitter vielleicht doch ghostwriten lässt, rangiert dort ebenfalls unter den Top-Meldungen. Immerhin auf Platz 6 schafft es die Aktion „Mich kümmert es“, die von einer krebskranken Frau handelt, der eine Bloggerin online „begegnet“ ist. Der Clash of Cultures zwischen Swinging Online und wirklich widrigem realen Lebe war so heftig, dass nun einige Bloggende voller Mitgefühl Fotos hochladen, auf denen sie Zettel mit der Aufschrift „mich kümmert es!“ in Händen halten. Die Intention ist schon ok, aber ist das nicht ein bisschen mager, wenn es darum geht, die Möglichkeiten des „Social Web“ angesichts echter Probleme wirkungsmächtig werden zu lassen? Warum werden nicht Leute gesucht, die in der Nähe wohnen und dieser Frau ganz konkret helfen? Sie schafft ihren Alltag mit Kindern nicht mehr und institutionell wird ihr offensichtlich NICHT geholfen.

Auf Yigg.de werden die Nachrichten von den Surfern „gevotet“ und damit auf die Startseite gebracht. Früher gab es hier fast nur Technik-News, das scheint sich gebessert zu haben. Jetzt gerade führt das Uralt-Thema „Übersetzungsfehler machte Maria zur Jungfrau“ die Liste an – dass das noch so bewegt, hätte ich nicht gedacht. Voll konform gehe ich allerdings mit der Empörung über eine Folge deutscher Gesetzgebung, die Arbeitnehmer völlig rechtens zu monatelanger unbezahlter Arbeit zwingt: Wer bei Lohnzahlungs-Verzögerung nicht sofort kündigt, wird bestraft, berichtet Heise – und die zuständige Ministerin Zypries will das nur „beobachten“!

Seit wenigen Tagen gibt es als neuen Anlaufpunkt auch die „Lesercharts“ – anders als der Name glauben macht, werden hier Blogs anhand ihrer Feedburner-Abos aufgelistet. Es können sich also nur Blogs beteiligen, die diesen Dienst zur Zählung und Auswertung ihrer Newsfeeds nutzen, was noch gar nichts darüber aussagt, wieviel LESER ein Blog tatsächlich hat. Dennoch ist es eine nette Liste, um neue Blogs zu entdecken – zumindest, wenn der Server nicht grad wieder „down“ ist. dort entdeckte ich gestern ein philosophisches Blog mit einem interessanten, zu Widerspruch reizenden Artikel „Die neue Google-Heiterkeit“. Leider verweigert sich der Autor einem Kommentargespräch, was aus meiner Sicht das Blog zu einem gewöhnlichen Medium mit „Theaterdiskurs“ (= einer an viele) der altertümlichen Art macht. Schade!

Der allzu vielen Infos, News und Artikel müde, kehre ich zu meiner altmodischen Startseite ins Netz zurück und schau nochmal kurz, was ein paar Freunde und Bekannte geschrieben haben. Lese Wolf Schneiders Gedanken über die Midlife-Krise, dann die selbstreflexiven Überlegungen von Götz auf Einschau, die mir immer wieder deutlich machen, wie anders ich mit mir „selber“ umgehe – und dass das gut so ist.

Es klingelt…. reales Leben droht! :-) Und die morgendliche Zerstreuung reicht auch für heute!

Diskussion

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3 Kommentare zu „Morgendlicher Rundblick durchs Web“.

  1. „Warum werden nicht Leute gesucht, die in der Nähe wohnen und dieser Frau ganz konkret helfen?“
    Weil wir noch nicht so weit sind. Hier geht es um schnelle Hilfe um zu zeigen, dass man nicht alleine ist. Wir sind im Kontakt und haben auch schon Menschen gefunden, die vor Ort was machen wollen.
    Aber danke für den Hinweis!

  2. Also was Heise da schreibt, klingt für mich irgendwie unfassbar. Ich hab selbst in mehreren Firmen gearbeitet, die in Insolvenz gegangen sind. Die letzten drei Monate kam kein Cent an Geld mehr, danach musste man kündigen, allerdings bekam man Insolvenzgeld nur, wenn auch tatsächlich eine Insolvenz vorlag. Dass eine Rückforderung von vorher ausgezahlten Löhnen kam, habe ich aber noch nie gehört, zumal m. E. die Forderungen der Mitarbeiter auf Lohnzahlung den ersten Rang bei den Forderungen einnehmen. Sollte sich das Gesetz in den letzten paar Jahren so geändert haben? Das ist echt unfassbar.

  3. So ähnlich schaut mein morgendlicher Rundblick durch das Web auch aus. Mit dem Unterschied, dass ich mir nicht gestatte, „für eine nicht genau definierte Zeitspanne aussuchen zu können, was ich jetzt mache.“ Sonst ist der Tag schneller vorbei, als er begonnen hat. ;-)