Claudia am 25. November 2014 — 25 Kommentare

Wie Hamster im Rad – eine Warnung von Juli Zeh

Anlässlich einer Krankenversicherung, die günstigere Beiträge für sich selbst überwachende und Daten übermittelnde Kunden anbietet, führte Karin Janker in der Süddeutschen ein Gespräch mit Juli Zeh, das es in sich hat und weit über das Thema „Versicherung“ hinaus reicht. Zitat:

„Die Menschen haben Angst. Wir haben noch immer nicht gelernt, mit der persönlichen Freiheit umzugehen, die uns die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts beschert hat. Je mehr Möglichkeiten uns das Leben bietet, desto lauter klingt uns der Imperativ der Leistungsgesellschaft in den Ohren: Mach bloß keinen Fehler! Sei fit! Jung! Hübsch! Gesund! Leistungsfähig! Dann bekommst du Vorteile – Schnäppchen-Preise bei der Krankenkasse, vielleicht eine Beförderung im Job, ein längeres Leben. Als sei „Glück“ ein Ziel, das sich erreichen lässt, wenn man sich nur an die Regeln hält. Die Leute merken gar nicht, dass sie sich verhalten wie ein Hamster im Rad.“

und

„Menschen ändern automatisch ihr Verhalten, wenn sie überwacht werden. Jeder kann das an sich selbst beobachten. Es reicht, wenn ein Auto anzeigt, wie viel Sprit es gerade verbraucht – schon fahren wir schonender. Steht ein Mensch vor einer Kamera, versucht er, ein liebenswertes oder cooles Gesicht zu machen. Der Mensch ist ein Sozialtier, und soziale Ordnungen beruhen immer auf Hierarchien, also Rankings. Je mehr wir „vermessen“ werden, desto mehr werden wir verglichen. Und desto stärker gehorchen wir Mechanismen, die wir in Wahrheit nicht selbst kontrollieren, weil sie von Krankenkassen, Arbeitgebern, Schulen oder Sicherheitsbehörden entwickelt und angewendet werden.“

Aus: „Wir werden manipulierbar und unfrei“, SZ, 24.11.14

“‘
Schade, dass Kommentare bei der SZ fast ganz abgeschafft bzw. in Mini-Reservate verdrängt und auf vorgegebene, nicht unbedingt tages-brisante Themen eingedampft wurden. Unter diesem Gespräch hätte ich gerne Leserkommentare durchgesehen!

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Claudia am 13. November 2014 — 9 Kommentare

TV-Überraschung: Altersglühen – Speed-Dating 70plus, frei improvisiert

Gestern lief ein Film im Ersten, der qualitativ alles überragte, was sonst so an TV-Produktionen zur Primetime zu sehen ist. Rein zufällig war ich beim „Altersglühen“ hängen geblieben: ein Speed-Dating mit sieben Frauen und sechs Männern über 70, gespielt von bekannten Schauspielern, die ihre Rollen frei improvisierten (das hab‘ ich allerdings erst danach gelesen). Nicht mal Senta Berger, die ich ansonsten kaum ertrage, konnte mich abschrecken, da sie eine „passend unsympathische“ Geschäftsfrau spielte, die aus ihrer Überheblichkeit einfach nicht heraus findet.

Sehr unterschiedliche Persönlichkeiten treffen hier aufeinander, alle auf der Suche nach einem Partner, nach Nähe, Sex, Zärtlichkeit, Ergänzung. Ihre jeweiligen „Dates“ dauern sieben Minuten, ausgeschenkt wird nur Wasser, was einige bald sichtlich stresst. Die Problematik, sich im vorgerückten Alter als extrem individualisierte Person noch auf ganz andere Menschen einzulassen, wird in diesem wunderbaren Film beeindruckend deutlich. Die Szenen wurden mit 19 Kameras an allen Tischen gleichzeitig gedreht – ganz ohne Drehbuch! Weiter → (TV-Überraschung: Altersglühen – Speed-Dating 70plus, frei improvisiert)

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Claudia am 06. November 2014 — 16 Kommentare

Lokführerstreik, Lobbyismus und #MeinFeminismus

Es geht nicht, ich kann mich nicht lesend und schreibend auf ausschließlich „Positives“ oder gar „Selfcare“ beschränken! Wenn ich unter Netzfrust, bzw. am täglichen Blick auf die vielen üblen Nachrichten aus aller Welt leide, muss ich eben für mehr Ausgleich sorgen. Parzielle Nachrichten-Abstinenz kann dazu gehören, ist aber kein Dauerzustand. Weiter → (Lokführerstreik, Lobbyismus und #MeinFeminismus)

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Claudia am 31. Oktober 2014 — 3 Kommentare

Selfcare: In der Sauna

Mal wieder in die Sauna, das war einer der Punkte auf meiner Liste der Strategien gegen den Netzfrust. Im Unterschied zu den anderen ist dieser Vorsatz immerhin leicht umzusetzen. In Friedrichshain gibt es zudem eine wundervolle Kiezsauna. Da war ich also heute wieder mal – sogar ohne Eintritt zu bezahlen, denn ich hatte noch ein voll gestempeltes Bonusheft.

finnische Sauna

Es gibt da ein Dampfbad, eine Bio-Sauna und eine große „Finnische“. Wie immer war ich zuerst im Dampfbad, das grade mal so groß ist, dass vier Leute gemütlich und sechs deutlich zu eng sitzend rein passen. Zwei Frauen waren schon drin, so Twentysomethings, die sich laut unterhielten und damit auch nicht aufhörten, als ich mich dazu setzte – möglichst weit in die Ecke und gleich in eine „versunkene“ Haltung verfallend, damit ich sie nur nicht störe. Ich schloss die Augen, machte auf „dösend“ und lauschte ihrem Geplauder, das ich auch bei bestem Bemühen in dem kleinen Raum nicht hätte ausblenden können. Weiter → (Selfcare: In der Sauna)

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Claudia am 30. Oktober 2014 — 32 Kommentare

Zersplitterte Aufmerksamkeit, hektisches Surfen – wir ignorieren das menschliche Maß

In Resonanz auf meinen „Netzfrust“ und die angedachten Strategien, dem zu entgehen, schrieb Markus in den Kommentaren:

„Mir selbst hat das Netz die Aufmerksamkeit versaut. Ich kann nicht mehr lesen. Das Mäandern durch alle Angebote auch und gerade sozialer Netzwerke und Möglichkeiten hat mich zu einem Psychowrack gemacht, das sich nicht mehr konzentrieren und bei einer Sache bleiben kann. Insofern wäre eine Diät auch für mich hilfreich – mit dem Ziel, nur eine Sache auf einmal zu tun. Wenn ich lese, den PC ausgeschaltet zu lassen. Und wenn er an ist, einem Plan zu folgen, einer to-do-Liste, die man abarbeitet, um den Rechner danach wieder auszuschalten und vielleicht so wieder ein wenig Ordnung in den Umgang mit all den Angeboten und Inhalten zu schaffen.“

Das ist eine sehr drastische Beschreibung des Zustands, in dem ich mich auch oft vorfinde. Und ich habe festgestellt, dass das sogar Angst macht. Eine unbestimmte, hintergründige, kaum fassbare Angst ohne konkreten Grund, wie ich sie einst als letzte, nurmehr „feingeistige“ Folge eines veritablen Katers kannte. Schwierig, sie wirklich zu Bewusstsein kommen zu lassen. Man glaubt lange, es läge allein an den Inhalten, die beim Surfen durch unzählige Medien zwangsläufig erfasst werden: soviel Elend, Hass, Lügen, Ignoranz, Kriegstreiberei, total verrückte Weltsichten, ständige Crash-Prophezeiungen – welche Psyche soll das aushalten?
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Claudia am 29. Oktober 2014 — 6 Kommentare

Mehr Freude – Strategien gegen den Netzfrust

Die liebevollen Kommentare zu meinem „Netzfrust“ raten mehrheitlich zur Web-Diät: nicht mehr so viele schlechte Nachrichten aus aller Welt konsumieren, die doch nur die Laune verderben, ohne dass man wirklich etwas gegen all den Mist tun könnte. Ja, Ihr habt ja so recht! Ich brauche mehr Freude im Alltag und sollte nicht soviel Zeit darauf verwenden, das Üble zu sichten, zu selektieren und weiter zu reichen. Die Idee, zumindest durch diese „Kuratierung“ der Bad News etwas zum Wohl der Welt beizutragen, ist vielleicht nicht ganz falsch, wird aber kontraproduktiv, wenn ich selber dabei tief in den psychischen Keller aus Wut, Angst und Trauer steige.

Würde ich heute aus dem Leben scheiden, würde es auf Twitter garantiert nicht auffallen, dass meine Tweets über „Bemerkenswertes“ fehlen!!! Anstatt über zu wenig Resonanz in Zeiten „sozialer Medien“ zu klagen, könnte ich mich SELBST freudigerem Tun und Erleben zuwenden. Noch nie ist es mir auf diesen Spielfeldern um persönliches Glänzen mit vielen Likes, Fans, Friends, Retweets gegangen (sonst hätte ich vornehmlich Katzen-Content gepostet), aber immer wieder hat es mich sehr frustriert, wenn aus meiner Sicht WICHTIGES fast gar nicht bemerkt wird – sei es als Blogpost oder als weiter gereichter Inhalt. Das Bild vom Mitmenschen wird so definitiv verzerrt, dabei geht es zumindest vielen von ihnen vermutlich wie mir: zu viele schlechte Nachrichten bewirken Apathie, das Gefühl der Machtlosigkeit nimmt zu, das eigene Potenzial, „trotzalledem“ irgendwas Positives, Ermunterndes, Tröstliches zu schreiben nimmt drastisch ab.
Weiter → (Mehr Freude – Strategien gegen den Netzfrust)

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Claudia am 28. Oktober 2014 — 8 Kommentare

Netz-Frust

Einfach abhauen, im Netz nurmehr die Brotarbeiten erledigen und mich ansonsten auf die „Carbon-Welt“ konzentrieren – am Wochenende war ich nahe dran! Soviel Hass und Aggressivität, überall Feindseligkeiten, Häme, Schadenfreude, Jammern, Schimpfen, Anklagen, der-die-das-muss-weg-Geschreibsel. Ich verzichte auf die belegenden Links, es kotzt mich einfach nur noch an. Mache es aber selber auch nicht viel besser…

Natürlich ist es nicht „das Internet“, sondern die Welt, die sich hier einschreibt und vermittelt. Eine erste Titel-Version hieß „Netz-müde, News-müde, Blog-müde, Politik-müde – und dann…“ – wobei das im Text weiter gegangen wäre mit „…und dann ein Artikel wie dieser: Bruchreif – bestimmt der wichtigste und liebevollste, friedlichste und ehrlichste Text, den ich seit langem rund ums Thema Einwanderung/Migration/Generationen gelesen habe!

Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass ich massenhaft hochgradig frustrierende Infos aufnehme, Tag für Tag. Mehr als jemals in früheren Zeiten ausschließlichen TV-, Radio- oder Zeitungskonsums. Darunter viele beängstigende Nachrichten, die den Niedergang der Gesellschaft in Richtung Barbarei illustrieren, wie etwa die Info, dass jeder dritte Jura-Student die Todesstrafe befürwortet und jeder zweite die Folter. Mich trifft das besonders, denn ich hab‘ auch mal Jura studiert, zwar abgebrochen mit „allen Scheinen“, aber doch lange genug drin gesteckt. Schon damals waren die Kommilitonen eher konservativ, Freundschaften entstanden in diesem Studium nicht. Aber dass es mit dem Bewusstsein der künftigen Hüter des Rechts derart abwärts gehen würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Nicht bei uns in DE!
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Claudia am 28. Oktober 2014 — 5 Kommentare

Anwesenheit – wozu denn?

Auf dem Weg zur U-Bahn schließe ich langsam zu einer Frau auf, die vor mir geht. Im näher kommen wundere ich mich über ihren Gang: sie geht in Schlangenlinien, wird mal langsamer, dann wieder schneller. Fast habe ich Sorge, dass sie plötzlich vom Gehsteig auf die Straße kippt. Was ist nur mit ihr los? Eine Betrunkene? Jetzt, am frühen Nachmittag? Sie sieht nicht danach aus, ist vielleicht um die dreißig, gepflegt gekleidet, Typ „Business-Frau“, soweit ich von hinten sehe. Mit gesenktem Kopf bleibt sie nun fast stehen und ich kann sie überholen. Sehe jetzt den Grund: Sie hält vor sich ein Handy, auf das sie gebannt starrt. Ach so!

Mittlerweile begegnen mir des öfteren solche Handy-Menschen, die jeden kurzen Fußweg zur Gelegenheit nehmen, ihre Infos zu checken. Wenn ich auf der richtigen Seite des Trottoires gehe und sie wie blind auf Kollisionskurs mit mir sind, weiche ich nicht (mehr) aus. Allenfalls werde ich kurz vor dem Zusammenprall langsamer und bleibe stehen: gespannt, ob sie direkt „in mich rein laufen“ oder ob sie es noch bemerken.
Wie sie dann erschrecken, wenn sie 20 cm vor mir endlich merken, dass es mich gibt!

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