Thema: Weltgeschehen

Claudia am 18. September 2004 — 4 Kommentare

Im Griff des Virus – droht „sozusagen“ das Ende der Kommunikation?

Ich habe schon gar keine Lust mehr, mit meinen Mitmenschen in Sprechkontakt zu treten: spätestens im zweiten Satz werde ich erwischt, sozusagen aufgestört durch den ekelhaften Sprachvirus, von dem die deutschsprachige Bevölkerung befallen, sozusagen restlos infiziert ist. Sagt tatsächlich mal jemand einen ganzen Satz ohne das UNWORT, kann ich sozusagen sicher sein, dass es im nächsten dann gleich zwei oder sogar dreimal vorkommt. Niemand scheint es zu stören, dass die Rede mit sozusagen affenartiger Geschwindigkeit zum Radebrechen und Stottern verkommt. Ja, ich wage, es tatsächlich zu sagen, es ist eine Krankheit, sozusagen eine Epidemie!

Nachdem die neue Rechtschreibung das intuitive richtig Schreiben sozusagen „wegrasiert“ hat und niemand mehr sicher weiß, was groß und klein, auseinander und zusammen geschrieben wird, greift der neue Virus nun die Lautsprache an, die bisher noch problemlos funktioniert hat.

Woher er kommt? Ich weiß es nicht, aber wenn ich den Fernseher anschalte, was ich aus sozusagen guten Gründen selten tue, springt mich der Virus sofort aus allen Kanälen an. Sobald jemand nicht direkt vom Blatt oder Lauftext abliest, ist alles zu spät. Moderatoren und Gäste, Politiker und empörte Montagsdemonstranten, Interviewer und Befragte – sie alle wollen etwas sagen, wollen es SO sagen, aber nicht wirklich (auch so eine Krampf-Wendung!) darauf festgenagelt werden. Selbst Menschen, die ein gutes Sprachgefühl haben und komplett überflüssige Füllwörter nicht über die Lippen bringen, entgehen der Krankheit nicht. Sie verwenden das Unwort KORREKT, aber inflationär, spicken ihre Rede mit Vergleichen und Metaphern, als gelte es, einen Lyrik-Preis zu gewinnen, doch in Wahrheit hält nur der Virus sie fest im Griff. Es gibt keine Rettung vor Ansteckung, auch nicht für den, der sich „der Gesellschaft“ weitgehend entzieht oder sie in Grund und Boden kritisiert. Vielleicht haben Gehörlose eine echte Chance, ich beneide sie!

*

Ein Virus kann nur einen Wirtskörper befallen, dessen Immunsystem es nicht mehr schafft, den Eindringling abzuwehren. Erschreckend, dass sich praktisch niemand mehr als immun erweist! Vom Harz-Opfer bis zum Top-Manager, vom C4-Professor bis zum Parkbank-Penner: alle sind infiziert, wagen es nicht mehr, frischfröhlich etwas zu meinen und auch zu sagen, müssen trotzdem etwas sagen und tun es sozusagen „als ob“. Der kommunikative Stress der Informationsgesellschaft hat uns geschwächt und ausgelaugt: stets informiert sein (=mal googeln…), stets im Stande sein, zu allem und jedem „Stellung zu nehmen“, immer am Ball, immer auf Draht. Der real existierende Mitmensch wird zum Angstgegner: steht er doch einfach so da und fordert Antwort, will meine „Sicht der Dinge“, aber die Dinge sind derart viele geworden, dass ich mit dem Meinen gar nicht mehr nach komme.

Was folgt, ist ein innerer Zusammenbruch. Das Individuum muss erkennen, dass das traditionelle Denken nicht mehr funktioniert: Eine Sache von allen Seiten betrachten, sie analysieren, bewerten und Schlüsse ziehen, die orientierend wirken in Rede und Handlung – wer hätte denn dafür noch Zeit! Besonders betroffen sind Politiker, die man bereits früh um sechs aus den Federn reißt, damit sie Äußerungen anderer kommentieren, die es noch zeitiger erwischt hat. Das ist halt die Kehrseite der Macht, mögen wir meinen und uns auf der sicheren Seite wähnen: Irrtum, wir werden fortwährend kommunikativ angegriffen! Der Mann an der Wohnungstür, der niemals gleich zugibt, für die Firma ARCOR unterwegs zu sein, will meine Telefonrechnungen sehen und prüfen, ob ich nicht zuviel bezahle. Meine Zahnärztin schaut mit gerunzelter Stirn auf den Abdruck, den sie gerade genommen hat und meint: „Da werden Sie sich aber von einigen Zähnen trennen müssen. Wir wollen doch eine langfristige Lösung!“. Die Süddeutsche Klassenlotterie ruft an und fragt, ob ich Günther Jauch kenne, und die Süddeutsche Zeitung will nach zwei Wochen Geschenk-Abo wissen, wie ich das Blatt finde. „Zu dick“, sage ich, „nicht zu schaffen. Aber gut, dass es sie gibt!“

Um in der Welt zu bestehen, muss ich Bescheid wissen, die Kasse im Auge des Anderen klingeln sehen, muss wissen, was droht, und darf mich nicht bequatschen lassen, jetzt „noch mehr zu sparen“. Wenn ich nebenbei noch Wert darauf lege, zu den Guten zu gehören, bin ich zehntausendfach in der Pflicht, das Richtige zu meinen und auch zu sagen: Rechtzeitig zu sagen, nicht erst dann, wenn alles zu spät ist, wie die neuen Kämpfer für die alte Schreibung.

Aber was ist richtig? Was ist GUT? In Thailand ist es der Regierung endlich gelungen, das großflächige Abholzen der Wälder zu stoppen: Natur wird geschützt und die Arbeitselefanten müssen nicht mehr schuften. Gut so? Was die Umweltschützerin und den Tierfreund freut, belastet das soziale Gewissen: Hunderttausende sind arbeitslos, auch die Elefanten. Die ziehen jetzt mit ihren Besitzern bettelnd durchs nächtliche Bangkok, von niemandem gefordert, geschweige denn gefördert – gut so?

Ich weiß, dass ich nichts weiß – griechische Philosophen konnten mit solchen Weisheiten noch punkten, wir dagegen wissen, dass wir wissen könnten und sollten (…mal googeln), aber nie genug Zeit haben werden, einer Sache auf den Grund zu gehen. Schlimmer noch: es gibt gar keinen Grund, belehren uns Denker und Weise unserer Zeit. Der Beobachter verändert das Beobachtete, nach meinem Glauben wird mir geschehen, das Ding an sich ist sowieso unerkennbar, Überzeugungen schaffen Erfahrungen – und wie bitte soll ich mich noch trauen, etwas zu sagen, wenn jemand fragt?

„Sie kennen doch Günther Jauch?“ So eine Frage will mich mit dem guten Gefühl ködern, das entsteht, wenn ich einfach mal „ja“ sagen kann, ein schlichtes JA ohne wenn und aber. Aber es funktioniert nicht, die Absicht ist zu offenkundig und überhaupt: KENNE ich denn Günther Jauch? Ich kenne ihn sozusagen nur aus dem Fernsehen und zappe dann immer gleich weiter. Gilt das?

*

Gibt es Rettung? Eine Heilung des Immunsystems, auf dass es dem Virus sozusagen den Garaus mache? Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich mich dabei erwische, wie mir das schreckliche Füllsel über die Lippen kommt, sich sozusagen den Raum erzwingt, den ich ihm freiwillig nicht geben will. Wiederstand scheint zwecklos: ich werde assimiliert. Heute morgen fand ich im Artikel eines Autors, den ich wegen seiner ansonsten glasklaren genauen Sprache schätze, viermal „sozusagen“! Es greift also schon auf Geschriebenes über – was können wir tun?

Vielleicht hat ja Thomas Gottschalk mit seinem „Ich will es gar nicht wissen, sondern nur weitersagen!“ hellsichtig den Weg aus der Krankheit gewiesen. Denken, verstehen wollen, einen Sinn sehen und diesen verwirklichen – weg damit auf den Müllhaufen der Geschichte! Wer diesen Ballast des Humanen, diese Ausschwitzung einer hypertrophierten Großhirnrinde restlos entsorgt hat, kann aufatmen und locker auf Knopfdruck sprechen. Der kann ALLES sagen, kann Mitmensch und Medien bis zum Abwinken mit klaren Antworten beliefern, gerade so, wie sie in den Kopf einfallen. Wer wird denn Ordnung schaffen wollen, wo das Chaos regiert? Ich gebe zu, diese Lösung gefällt mir nicht. Zu sehr bin ich dem alten Denken verhaftet, das unverdrossen an der Suche nach dem Guten, Wahren und Schönen klebt. Doch die andere Möglichkeit, dem Virus den Boden zu entziehen, ist fast noch verstörender: wir könnten schweigen, einfach nichts mehr sagen, sämtliche Meinungs- und Kommunikationsfronten dauerhaft bestreiken. Still sein, in die Sonne blinzeln, ein paar Schritte gehen…

Eine furchtbare Vision, nicht? Egal – ich probier das jetzt einfach mal aus, halte den Mund, verlasse die Tastatur und geh‘ in die Sauna: gemeinsam schweigen ist besser als alleine, da bin ich mir sozusagen fast sicher.

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Claudia am 04. April 2004 — Kommentare deaktiviert für Berlin – so wunderbar?

Berlin – so wunderbar?

Jedes Mal, wenn ich die paar Minuten zur U-Bahn gehe, laufe ich durch die Oberbaum-City. Historische Backstein-Fabriken, vollendet restauriert und modernisiert. Ein großes Schild „In Visionen leben“ gibt den Anspruch vor, mit dem hier mittels viel Geld nach der Wende ein „aufstrebendes Geschäftsviertel“ erbaut werden sollte. Die ganze Gegend hat man auch gleich glasfaserverkabelt – schlecht, denn wenig später kam das Internet, kam DSL, das nun mal die alten Kupferkabel benötigt.

Hof Oberbaum-CityGegen Abend wird die Oberbaumcity mit ihren vielen leeren Läden und Büro-Etagen gänzlich zur Geisterstadt. Der Wachschutz patroulliert, um Vandalismus zu verhindern – aber hierher verschlägt es kaum einen Vandalen. Allenfalls, wenn das MATRIX unter der U-Bahn Freitags und Samstags Jugendliche in Massen anzieht, könnte manch einer die Brunnen-geschmückten Innenhöfe als stilles Örtchen missbrauchen.

Alle reden vom Aufschwung – doch in der Oberbaum-City macht der einzige Italiener dicht, die letzten Büros im Erdgeschoss sind nicht mehr besetzt, Schilder weisen darauf hin, dass man die Möbel preiswert erwerben kann. Pixelpark, das ehemalige Vorzeige-Start-Up, ist zu Fast-Nichts zusammen geschrumpft – was für ein Niedergang eines großen Wurfs!

Laufe ich in die andere Richtung und überquere die Spree auf der Elsener Brücke, bin ich in einer Viertelstunde im Treptower Park. Am Ufer entlang kann man – noch! – eineinhalb Stunden wandern, ein idyllischer Waldweg säumt den Plänterwald, das wichtigste Naherholungsgebiet weit und breit. Mitten hinein plant der Senat, einen Mega-Vergnügungspark errichten zu lassen, der „die Attraktivität Berlins“ steigert. Ein TIVOLI, eine 150-Millionen-Investition, die viele Arbeitsplätze schaffen soll. Zum „Spreepark“, der seit drei Jahren still liegt, weil der Betreiber sich völlig überschuldet nach Peru abgesetzt hat, wird sich das Tivoli, sollte es denn kommen, verhalten wie ein Fußballstadion zum Bolzplatz um die Ecke. Aus mit Ruhe, Naturschutz, Wanderweg, Waldspaziergang. 2000 Parkplätze müssen irgendwohin, der Lärm wird den Wohnwert der ebenfalls als Zukunftsprojekt errichteten „Wasserstadt“ an der nahe gelegenen Rummelsburger Bucht drastisch senken – und natürlich auch der Wohnviertel rundum, aber das interessiert ja sowieso kaum jemanden, der dort nicht lebt.

Etwas dagegen tun?

Soll ich mich da engagieren? Es gibt eine Bürgerinitiative, die sich seit zwei Jahren in Sachen „Vergnügungspark“ für eine umwelt- und umfeldverträgliche Variante einsetzt. Sie scheinen noch nicht mal eine Website zu haben, unglaublich! Ich sehe nur manchmal kleine Zettel an den Bäumen, die zu Spaziergängen einladen, auf denen die Aktiven dem Volk zeigen, was, wenn das Tivoli mal steht, hier alles nicht mehr möglich sein wird.

Der Tivoli-Plan ist eine reine Verzweiflungstat. Wo immer sich die Chance aufs „Klotzen“ zeigt, denkt Peter Strieder, Bausenator und (noch) SPD-Chef in Berlin, nicht groß nach, sondern ist dafür. Andere Investoren, die es ein paar Nummern kleiner vorhaben, werden gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Die Touristenströme, die so ein Disneyland an der Spree anziehen könnte, erscheinen als „das Rettende“. Sie bringen Geld in die Stadt, und darauf kommt es alleine an. „Rein Lokale Interessen können hier nicht den Ausschlag geben“, heißt es im Senat.

Grad hab‘ ich eine E-Mail an die PDS Treptow geschickt, und um eine Ansprechadresse der Initiative gebeten. Soviel ich sehe, sind die Initiatoren eng mit der PDS verflochten, die ja in Berlin auch mitregiert. Ich will mich informieren, wie der aktuelle Stand der Dinge ist – aber so richtig kann ich mir mich in einer „BI“ nicht mehr vorstellen.

Denn vor Zeiten, in den bewegten 80gern, war ich – damals zwischen 25 und 35 Jahre alt – in zig Stadtteilinitiativen aktiv: für eine mieterfreundliche Sanierung, für Verkehrsberuhigung, für ein Jugend- und Kulturzentrum, gegen Bauspekulanten und Luxusmodernisierung, gegen Dachgeschoss-Ausbau und die Aufteilung der Häuser in Eigentumswohnungen. Es waren wilde Jahre und ich lernte, meine Ellenbogen „für die Sache“ einzusetzen, was zunächst immer bedeutete, in den eigenen Reihen die Machtfrage zu eigenen Gunsten zu entscheiden. Dabei war ich erstaunlich erfolgreich, aber es hat mich über die Jahre auch fertig gemacht. Als Multifunktionärin rund um die Uhr landete ich letztlich in einer großformatigen Midlife-Crisis, rotierte noch ein Jahr als Wirtin einer Kiezkneipe um den Tresen (heute davor, morgen dahinter), und erreichte mit 36 endlich mein ganz persönliches Tief. Ich hatte mich selbst verloren, wusste gar nicht mehr, was das eigentlich ist.

All das steht mir wieder vor Augen, wenn ich an „Bürgerinitiative“ denke. Mal angenommen, ich gehe dahin, dann ja gewiss nicht, um nur einfach mit herumzusitzen und mich zu entrüsten. Ich würde versuchen, meine Ideen, Erfahrungen und Fähigkeiten einzusetzen, würde Vorschläge machen, was man noch tun könnte – und allein damit eckt man natürlicherweise immer gleich an. Denn alles Neue, bisher so noch nicht Gemachte, kann von denen, die schon länger dabei sind, als Kritik verstanden werden. Sie müssen sich ja fragen, und womöglich vor sich selber und vor der Gruppe rechtfertigen, warum sie dies oder jenes bisher nicht SO gemacht haben – und das führt in der Regel dazu, dass man erst mal „dagegen“ ist: gegen neue Ideen, gegen neue LEUTE, die mehr tun wollen, als nur das Vorhandene mit Applaus zu belobigen und brav die vorhandenen Zettel an noch mehr Bäume zu kleben.

Früher hat mich das nicht gestört, im Gegenteil, der „Kampf“ beflügelte mein wachsendes und sich selbst entdeckendes Ego. Entweder ich setzte mich argumentativ durch, oder ich brachte mehr Leute gleichen Geistes in die Initiative, die bei Gelegenheit die etablierten Betonköpfe einfach überstimmten – schließlich haben wir Demokratie!

Auf all diese „Menscheleien“ hab‘ ich heute nicht mehr die geringste Lust. Noch dazu unter den verschärften Bedingungen einer „Ost-Initiative“: da wäre ich ja auch noch die zugezogene Wessi-Frau!

Vielleicht geh‘ ich ja mal hin und schau mir die Leute an. Genau wie beim Kind, das sich die Finger am Feuer verbrannte, ist da so ein Verlangen, das, woran ich trotz aller äußeren Erfolge persönlich gescheitert bin, noch einmal aufzusuchen. Ich glaube allerdings nicht an ein „anderes Engagement“, sehe keinerlei Alternative: entweder ich bleibe draußen, leiste allenfalls mal eine Unterschrift oder spende ein paar Euro, ODER ich geh‘ da rein, engagiere mich und bin binnen kurzem wieder mitten drin in dem, wovon die, die es immer nur von außen sehen, sagen: Politik ist ein schmutziges Geschäft.

Da ich mein eigenes Fühlen und Erleben gerne verallgemeinere (wenn alle so wären, wie ich…), denke ich das zu Ende und lande dann logischerweise im Akzeptieren dessen, was ist, bzw. was mittels der Kräfte des Marktes kommen will. Hier also das Tivoli im Plänterwald. Kein idyllischer Uferwanderweg mehr, sondern 2000 Parkplätze und Lärm von früh bis spät.

Schon komisch, dass diese Aussicht mich tatsächlich weniger graust, als die Vorstellung, wieder in einer „Aktivistengruppe“ um die „richtige Linie“ zu kämpfen. Das eine sind anonyme Strukturen, ökonomische Bedingungen, die nun mal ihre leidhaften Ergebnisse zeitigen – das andere bedeutet konkrete Schläge in die Magengegend, gegen die man sich hart machen muss, will man sich „für die Sache“ durchsetzen.

Ich war schon einmal so verhärtet, dass ich fast daran zerbrach. „Do ist again, Sam“ kommt nicht wirklich in Frage. Vielleicht gibt es in Sachen Plänterwald ja auch genug Jüngere, die GERNE kämpfen – so wie ich vor zwanzig Jahren.

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Claudia am 25. November 2003 — 1 Kommentar

Das Männerspielzeug

„Nun komm, du Tier!“, genießerisch, aber vorsichtig tritt der Mann aufs Gaspedal und der flache, rote Ferrari – mehr Geschoss als Auto – setzt sich in Bewegung. Der Sound, der unter der Motorhaube hervor dringt, erinnert an Dschungel: schwarzer Panther kurz vor dem Sprung. Verzückung malt sich ins Gesicht des gut erhaltenen Endfünfzigers, noch bleibt er achtsam, testet das Verhalten des ungewohnten Fahrzeugs, das er für einen Freund in die Werkstatt fahren soll. „380 PS – die wollen beherrscht sein!“, hat der ihm als Rat und Mahnung mit auf den Weg gegeben. Und ja, er findet Gefallen daran, dieses „Wildpferd“ zu beherrschen, spürt dessen Kraft bereits als die eigene, wird zunehmend mutiger, beschleunigt ein wenig – und dann, als ein Porsche routiniert an ihm vorbei zischt, ist es um ihn geschehen!

Erregt tritt er das Gas durch, fasst das Lenkrad fester. Die Landschaft beginnt, vorbei zu fliegen, alle Nerven vom Scheitel bis zum Zeh genießen die Vibrationen. Energie, Kraft und Geschwindigkeit, Mann und Maschine sind eins und fühlen sich wunderbar! Ab und zu muss er abrupt bremsen, klebt dann wie eine wütende Hornisse hinter einem Heuwagen oder einem Traktor, man spürt die Ungeduld, das physische Leiden des Ausgebremst-Werdens – und ahhh, wie gut es tut, endlich am Hindernis vorbei und wieder frei zu sein, frei und allein mit der silbrig glänzenden Straße, die so hingegeben und bereitwillig vor ihm liegt wie eine Geliebte, sein machtvolles Eindringen sehnlichst erwartend.

Die Dramaturgie des „heiteren Fernsehfilms am Montagabend“ erfordert es, dass er nun noch „Born to be wild“ auflegt – es hätte nicht wirklich sein müssen! Und natürlich landet er mit seinem „Geschoss“ letztlich in einem Dorfteich, versinkt blubbernd im schlammigen Wasser und kann sich nur mit Mühe aus dem engen Gefährt erretten. Der Film handelt vom Altern und vom Tod, nachdenklich-amüsant in Szene gesetzt.

Ich schaue einfach zu und empfinde mit. Kein Denken und Bewerten trennen mich mehr von dem Mann, der seine Spritztour mit dem Ferrari genießt. Ich verstehe, fühle, was er fühlt, ohne mich danach zu sehnen, es ihm gleich zu tun. Solche Autos sind Männerspielzeuge, eindeutig. Aber auf einmal kann ich den Mann als Spielenden sehen und einfach lieben, seine Lust, seine Freude genießen – kann mitempfinden, was er da tut: am Lack der Zivilisation ein bisschen kratzen, auf der Suche nach dem Wilden und Grenzenlosen. Auf seine Art.

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Claudia am 20. November 2003 — Kommentare deaktiviert für Aus dem Gleichgewicht

Aus dem Gleichgewicht

Von wegen Zahnarzt! Da hab‘ ich mich endlich überwunden, die Praxis drei Häuser weiter aufzusuchen, um das „Schließen der Lücke“ ernsthaft anzugehen, muss aber erfahren, dass ich erst nächstes Jahr einen Termin bekommen kann. „Alles dicht“, sagt die Zahnarzthelferin in diesem beflissen-abweisenden Ton, und schon ist sie wieder davon geeilt!

Oh ja, auf einmal erinnere ich mich: das sind jetzt all die panischen Last-Minute-Patienten, die, voller Angst vor 10 Euro Zuzahlung im Vierteljahr, noch eben mal die Praxen stürmen und sich die Kauleiste runderneuern lassen. Zwar wird in den Medien immer wieder beruhigend gemeldet., dass die „Reformen“ in Sachen Zahnersatz erst 2005 zuschlagen werden, aber wer hört da schon noch hin und glaubt noch irgend etwas. Was ich im Mund habe, kann nicht mehr teurer werden, denkt das Volk, und ich mit meinem „ernsthaften Bedarf“ hab‘ eben Pech gehabt.

Nicht aufregen. Darin bin ich doch geübt! Wenn ich nicht grad breit grinse, sieht man die Lücke nicht. Und WER sollte sie auch sehen? Alle, die mir physisch nahe kommen, mögen mich auch mit Lücke – ich kann also getrost den Jahreswechsel abwarten. So richtig Lust auf Zahnarzt hab‘ ich sowieso nicht. Alles ist gut, wie es ist!

Seit ich einen Fernseher habe, zappe ich des öfteren quer durch die Programme und bekomme die Welt mit, wie sie das TV zeigt. Dabei fällt mir auf, was für einen Stellenwert der medizinisch-industrielle Komplex mittlerweile hat! Unzählige Arzt- und Krankenhaus-Serien werden gezeigt, grünbekittelte, ernst blickende Männer mit Mundschutz operieren und transplantieren, das Reanimieren wird so oft vorgeführt, dass es schon bald jeder Do-it-Yourselfer auch könnte, hätte er die geeigneten Gerätschaften. Der Blick auf die Monitore mit der Herzkurve, die plötzlich in eine gerade Linie übergeht: Exitus! Bzw. doch nicht, denn dann geht diese Wiederbelebungshektik los: Komm schon, komm schon… ich zappe weg und lande in einer Sendung über Schönheitschirurgie: Falten glätten, Fett absaugen, Brust vergrößern – eine der wenigen Wachstumsbranchen in Deutschland, deren Umsatz sich in den letzten Jahren verdreifacht hat.

Ein voluminöser Mittfünfziger liegt auf dem Tisch, ganz entspannt im Dämmerschlaf, während drei Operateure gleichzeitig große Kanülen in Bauch Schenkel und Waden stechen, unter der Haut herum stochern und das eiterfarbene Fett teils abschaben, teils wegsaugen. Widerlich! Dann dasselbe Spiel mit einer wunderschönen schlanken Frau um die zwanzig, sie strebt nach letzter Perfektion und lässt sich die Oberschenkel bearbeiten – was glaubt sie, zu gewinnen? Eine fröhliche Frau in meinem Alter mit ein paar wenigen Mimikfalten verliert eben diese unter der Einspritzung von Eigenfett, dass zuvor am Hintern entnommen wird – ich finde, sie sieht jetzt NICHT besser aus, im Gegenteil, ihr Gesicht wirkt auf einmal langweilig, nichtssagend. Eine Expertin kommt zu Wort, Stirn und Wangen so glatt wie ein Kinderpo. Doch Hals und Hände lassen keinen Zweifel, dass dieser Körper weit älter ist, als es das Gesicht vermuten lässt. Es wirkt wie „hineingestellt“ in ein Ganzes, das durch den glattgestrafften „Fremdkörper“ regelrecht konterkariert wird. Nicht einmal wenn sie lächelt, bilden sich die üblichen Lachfalten zwischen Nasenflügel und Mundwinkel. Statt dessen so ein komisches Zucken – irritierend!

Der Mensch ist ein Ort, wo Krankheit entsteht

Ich zappe weiter, ein Gesundheitsmagazin belehrt über Gallensteine und ihre Entstehung. Jemand spült Geschirr ab und eine Stimme aus dem Off erläutert, dass es dazu ein Spülmittel mit fettlösenden Substanzen braucht. Diesen Job hat im Körper das Gallensekret – aha! Dann werden allerlei Gallensteine gezeigt, eingegossen in Epoxydharz. Hübsch anzusehen. Wer sich allzu fett ernährt, bringt da etwas aus dem Gleichgewicht. Das Spülmittel reicht nicht mehr aus, doch es wird vom Körper immer mehr „angefordert“ – die Galle gerät aus dem Lot, Stoffe kristallisieren, Steine entstehen. Die Moderatorin fragt die anwesende Frau Professor-Doktor: „Warum muss eigentlich immer gleich die ganze Gallenblase entfernt werden? Kann man nicht die Steine heraus operieren und sie belassen?“ Da wir Fernsehzuschauer gerade gelernt haben, dass die Galle kein nutzloser Kropf ist, bin ich gespannt auf die Antwort: „Nun ja,“ sagt Frau Prof. Dr., „zunächst einmal ist die Gallenblase ja der Ort, wo solche Steine entstehen. Wenn wir sie belassen, können sie wieder kommen“. Ah ja! Mir rieselt es kalt den Rücken herunter: Ist mein Körper nicht insgesamt ein „Ort, an dem Krankheiten entstehen“? Sollte man da nicht gleich vorbeugend zu radikalen Maßnahmen schreiten? Warum beim Rausoperieren von Galle, Gebärmutter, Mandeln und anderer Einzelteile stehen bleiben? Vielleicht ist der Mensch etwas, das man besser insgesamt verhüten sollte?

Nächstes Jahr werde ich fünfzig und schon länger spüre ich den sich verstärkenden „Sog“ des medizinisch-industriellen Komplexes. Vielfach wird mir kommuniziert: du bist in einem „kritischen Alter“, du musst jetzt endlich mal zum Arzt gehen und dich durchchecken lassen. „Du gehst doch hoffentlich zur Vorsorge?“, werde ich öfter gefragt, und wenn ich verneine, ernte ich irritierte Blicke, Nachfragen, Vorwürfe, Mahnungen. Bisher war es meine Strategie, diesen Konformitätsdruck einfach zu ignorieren: Fühle ich mich doch, abgesehen von der Erkältung und meinen diversen „Sitz-Schäden“, völlig gesund und denke erst dann daran, einen Arzt aufzusuchen, wenn dem nicht mehr so ist. Wobei, ich erinnere mich gut, mir die letzten Arztbesuche vor etwa zehn Jahren absolut nichts gebracht haben: Sie wollten mich nur auf gut Glück medikamentieren oder „Schmerzen wegspritzen“, ohne mir sagen zu können, was ich eigentlich für eine Störung habe und woher sie kommt. „Da lebe ich doch lieber mit meinen Symptomen“, hab ich gesagt. „Die kann ich beobachten und dann komm ich ja vielleicht noch drauf“. Erstaunte Blicke – und tschüss!

Im Diary hab‘ ich Themen rund um Krankheit und Gesundheit bisher eher vermieden. Jetzt denke ich um: Ignorieren ist auf Dauer keine Lösung. Mich ärgert die Art und Weise, wie sich viele entmündigen lassen, wie sie vom eigenen Körper, dem eigenen Gespür für Befindlichkeiten, für gesunde und kranke Zustände, total entfremdet werden. Und es auch noch für ganz normal halten, sich mit Medikamenten vollzuknallen, nur weil „Laborwerte“ einen „Mangel“ oder „Überschuss“ von diesem oder jenem Stöffchen im Blut festgestellt haben. Erhöhte Cholesterinwerte, zu hoher oder niedriger Blutdruck, Eisenmangel, zuwenig B-Vitamine – da haben wir doch was! (Damit machen wir unsere Milliardenumsätze…)

Dass im Jahre 2003 der Mensch noch immer als ein Chemiebaukasten angesehen wird, wo es nur darum geht, im Reagenzglas die richtige Mischung herzustellen, empfinde ich als ziemlich krass! Man wechselt doch auch nicht die Birne aus, die am Armaturenbrett rot blinkt, sondern schaut unter die Motorhaube, was im System eventuell aus dem Gleichgewicht ist.

Das Gesundheitssystem jedenfalls ist mehr als „aus dem Gleichgewicht“! Und noch kein Politiker hat es geschafft, sich gegen die Lobbys auch nur ansatzweise durchzusetzen. Diese, bzw. der gesamte medizinisch-industrielle Komplex, sind aber nur die Hälfte der Macht: die andere Hälfte sind wir alle, die wir es in der Hand haben, ob wir uns diesem geistlos-mechanistischem Denken anschließen, das unzählige Opfer fordert und riesige Profite bringt. Gut, dass es zur Zeit knirscht! Wenn die Verantwortung des Einzelnen in Gestalt von drastisch steigenden Zuzahlungen von außen erzwungen wird, ist das vielleicht mal Anreiz genug, ein bisschen wacher zu werden – und mit dem Selber-Denken anzufangen.

(Ich fange mit den Büchern an, die ich für einen Kunden auf Rauslink dieser Seite zusammengestellt habe. Wow, ist das spannend..!)

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Claudia am 29. März 2003 — Kommentare deaktiviert für Verstummen oder anecken

Verstummen oder anecken

Ilona Duerkop schreibt in ihrem *Kriegstagebuch davon, wie es sie erschüttert, die Menschen zu erleben, die in den Internet-Cafes sitzen und ihre Urlaubsberichte nach Hause mailen – als wäre nichts, als gehe alles seinen normalen Gang.

So ist Krieg. Jede Lebensäußerung wird zum Statement, ganz egal, ob derjenige davon weiß oder es so meint. Wenn die Zugriffszahlen in Kriegszeiten steigen, dann weiß ich: jetzt wollen einige wissen, was Claudia DAZU sagt. Und schon ist sie da, die Schreibblockade: Muss ich jetzt? Soll ich? Und was? Was ganz besonders „Ausgewogenes“, das in dieser emotional aufgeladenen Situation gewiss nicht aneckt?

Solange es so ist, schreib ich dann lieber gar nicht. Bis es von selber kommt, bis ich nach etlichen Tagen der inneren Verarbeitung einen Beitrag zum Krieg schreiben kann, weil er jetzt eben da ist und überall wahrnehmbar. Eindrücke, die zum Ausdruck drängen, einschließlich der durch sie angestoßenen Gedanken – mehr nicht.

Und dann? Ich surfe zur Tagesschau: Wieder 50 Menschen auf einem Marktplatz zerbombt – kann ich da noch davon schreiben, wie ich 7 Kilo abgenommen habe? Über Konsum-Hemmungen, Allein-Leben oder Rauchen? Absurd! Alle Themen, die keinen Kriegsbezug haben, sind tot.

So greift das Verstummen um sich. In einigen Mailinglisten ist die Frequenz der Beiträge schon gegen Null gesunken. Dafür wächst die Zahl der Webseiten zum Krieg: Infos, Links, sorgfältig ausformulierte politische Stellungnahmen. Und Gedichte, Kriegsprosa. Die Personen verschwinden hinter dem Krieg, haben Rüstungen angelegt und zeigen metallisch-glänzende Oberflächen – oder tragen Trauergewänder, durch die kein Licht mehr dringt.

Ich kann das nicht. Will es auch nicht und halte deshalb möglichst Abstand zu den Medien. Die Menschen, die ich in meinem Alltag treffe – hier im „Real Life“ – sind zum Glück ganz ähnlich verfasst: der Krieg ist durchaus Thema, aber nicht das einzige. Auf meine Frage, was es Neues gebe von der Front, berichtete mir ein alter Freund gestern von seinen Problemen mit gewissen Auftraggebern. Ich war ein wenig irritiert – es zeigte mir aber beispielhaft, welch anderes Bild von „den Anderen“ die geschriebene Netzkommunikation vermittelt, verglichen zu den Alltagsbegegnungen offline.

Heute Abend treff‘ ich ein paar Leute aus der seit 1996 bestehenden Netzliteratur-Szene. In einem wunderschönen Thai-Restaurant in Berlin Mitte, wo sich „essbare Skulpturen“ auf den Tellern finden sollen, werden wir vermutlich über den Krieg und seine Wahrnehmung über das Netz sprechen – aber auch von neuen Projekten, von den Technologien, die wir dafür brauchen und von den Schwierigkeiten, im Mainstream der 0815-Portale und Shops nicht unterzugehen. Ich freu mich drauf!

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Claudia am 27. März 2003 — Kommentare deaktiviert für Im Krieg

Im Krieg

Eher zufällig fällt der IRAK-Krieg in die Zeit meiner fast totalen Medienabstinenz. Das Radio, dass ich mir auf dem Flohmarkt dann doch noch gekauft hatte, hat beim zweiten Anschalten den Geist aufgegeben. Der Minifernseher, den ich schon vor einem Monat mehr aus Jux mitgehen ließ, war ebenfalls ein Flop. Die tägliche Berliner Zeitung schaffe ich nicht jeden Tag. Ungelesen stapeln sie sich vor der Tür. Um nicht völlig auf dem Schlauch zu stehen, surfe ich einmal täglich zur Tagesschau, frag auch mal einen Freund, was es Neues gibt „von der Front“.

Soviel Neues ist da nicht. Mir entgeht nichts Wichtiges, mir entgeht nur das Eintauchen in die kollektiven Gefühlsozeane, die sich durch die fortlaufende Kriegsberichterstattung jedem mitteilen, der sich dem aussetzt.

Um die Ecke hängt ein Transparent von einem Balkon, auf dem steht: „Fickt mal richtig, damit Ihr nicht so zornig/deprimiert seid, dass Ihr morden müsst!“. Erinnert irgendwie an: „Make love, not war!“. (Möge die Leserin und der Leser entscheiden, welche Generation die besseren Slogans für sich verbuchen kann.).

Erschüttert…

Ich erlebe Mailinglisten, in denen ist die fortdauernde Klage über den Krieg dominierender Inhalt geworden. Viele zeigen große Wut, Trauer und Betroffenheit, sind sich einig gegen den Krieg (die Frage nach den Saddam-Opfern ist mancherorts schon „not-PC“, von meinem Gefühl her)…

Es geht ihnen schlecht, sie können aber auch nichts machen. Nützt es, tagelang vor der Glotze zu stehen und erschüttert zu sein?

Was fehlt – vielleicht kommt es später – ist eine Rückschau auf die ganze Geschichte: Bis nach dem 11. September, als die USA langsam anfingen, sich auf IRAK einzuschießen, hat niemanden groß interessiert, was dieser Saddam da macht. Auch die Europäer nicht.

Es genügte den Funktionären und Politikern, Sanktionen zu verhängen, die – und das hätte man weit früher thematisieren und ändern (!) müssen, nur das Volk trafen und die Saddam-Clique noch mächtiger machten. Hätte man den Irak wirtschaftlich nicht bis zur Perspektivlosigkeit ausgegrenzt, hätte ein Mittelstand sich entwickeln und stärker werden können, der letztlich zu einem Regimewechsel in der Lage gewesen wäre – meinetwegen auch mit Unterstützung von außen (aber unter eigener Regie).

So dagegen hat das kontraproduktive Vorgehen den Boden bereitet, auf dem die USA dann zu agieren begannen. (Die an der schwächsten Stelle ein Bein auf den Boden bekommen wollen, dort, wo der wesentlich von Saudi Arabien finanzierte Terrorismus herkommt, damit – neben dessen Eindämmung – der Zugang zu den ÖÖlquellen erhalten bleibt)

Was ich auch nicht ganz „stimmig“ finde ist der Hinweis darauf, dass man mit verlängerten Inspektoren-Aktivitäten noch mehr hätte erreichen können. Das kann gut sein, aber wer hat sich denn freiwillig gemeldet und bereit erklärt, den Aufbau und „verlängerten Verbleib“ der Droh-Streitmacht
MITZUBEZAHLEN. die es überhaupt erst ermöglichte, dass Saddam Zugeständnisse machte?

Womit ich keinesfalls die USA rechtfertigen will. Ich meine nur, alle Seiten haben Dreck am Stecken. Da gäbe es für die Zukunft manches zu lernen und zu ändern. Wenn man es ernst meint. Wenn man wirklich eine andere Weltordnung will als diejenige, die gerade aus Amerika aufgeherrscht wird.

Draußen auf dem Platz vor meinem Haus stehen Kreuze für die Toten des Irak-Kriegs – ja, das finde ich gut! Emotional aber stehe ich dem nicht anders gegenüber als all den anderen Toten: aus dem Sudan,
aus Sierra Leone, Tschetschenien und all den vergessenen Kriegen, die Jahrzehnte dauern und tausende Tote fordern, und kein Schwein interessiert sich.

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Claudia am 14. März 2003 — Kommentare deaktiviert für Am Rudolfplatz – ein Blitzlicht

Am Rudolfplatz – ein Blitzlicht

Meine Vormieterin hat mir eine Mail mit der Frage geschickt, wie es mir denn nun am Rudolfplatz gefalle. Immerhin lebe ich jetzt schon eineinhalb Monate hier. So wenig? Es kommt mir länger vor, obwohl ich doch erst seit etwa einer Woche die Küche richtig nutzen kann. Ein Teil der Dielen wurde erneuert, das Ergebnis schreit mich täglich an: Nun mach aber auch den Rest, das sieht ja grausig aus!! Ohhhh, Dielen abschleifen, wann hab ich das zum letzten Mal gemacht? Sind zwar nur etwa drei Quadratmeter, aber man braucht diese brachiale Maschine, es staubt wie in der Wüste Gobi und das Versiegeln ist auch noch mal eine klebrige und stinkige Angelegenheit. So eine kleine Fläche zu beauftragen, würde sich andrerseits auch für den Handwerker nicht lohnen – also warte ich einfach ab, bis mich der große Frühlingselan packt und hoffe das beste.

Dies ist das erste Mal, dass ich meinen Wohnort ganz alleine aussuchte. Unbeeinflusst von einem Mitbewohner, mit dem ich mich einigen musste, unbeeinflusst auch von diesen alten Ängsten, die nahe legen, lieber dort zu wohnen, wo man sich auskennt., wo alte Freunde leben und alles bekannt ist. Bisher habe ich es keinen Tag bereut! Ich schaue aus dem Fenster und sehe über den Platz, über das (noch) ungenutze Gewerbegelände auf der anderen Seite bis hin zu den Bahngleisen und den Häuserblöcken dahinter. Züge fahren hin und her – ich sehe sie, höre sie aber nicht, dazu sind sie zu weit weg. Schön! Die Lage im dritten Stock bringt es außerdem mit sich, immer sehr viel Himmel im Blick zu haben, auch das tut meiner Seele gut, ich liebe die Weite, es macht mich auch innerlich weiter – bilde ich mir zumindest ein.

Zur U-Bahn gehe ich drei Minuten durch die Oberbaum-City, ein aus den alten Glühlampen-Fabriken herausrestauriertes und edel modernisiertes Geschäftsviertel, das abends und wochenends völlig tot ist. „Visionen leben“ steht auf großen Plakaten und Fahnen wehen, wer genauer hin sieht, bemerkt den hohen Leerstand: Büromieten um 30 Euro, wer zahlt das schon derzeit? In den toten Zeiten laufen Wachschutzleute in blauen Parkas mit Taschenlampen herum und erhöhen die „gefühlte Sicherheit“. Eine Münchnerin, die mich neulich besuchte, grauste es richtig beim nächtlichen Gang durch diese menschenleeren Straßen, aber ich versicherte ihr, „die Bösen“ seien eher im Kneipenviertel auf der anderen Seite der Geleise zu gange – wer läuft schon nachts durch die Oberbaumcity, da ist ja nichts!

Der Rudolfplatz mit Kirche, Schule, Kita, Grünanlage und Gründerzeitbauten bietet dann die angenehme Wohnlichkeit, die ich nicht missen möchte. Und binnen weniger Minuten kann ich Stadtlandschaften erreichen, die spektakuläre Ausblicke bieten: keine Postkartenidyllen, sondern die Schründe und Widersprüche, das Unfertige und Kaputte zusammen mit dem Schicken und Größenwahnsinnigen – so gerne will ich dazu eine Bilderseite machen, wenn ich mal richtig Zeit finde!

Und im Haus? Kaum war ich eingezogen, fingen Bauarbeiten an: Über mir, unter mir, Wohnungen werden ausgebaut, immer mal wieder Gas und Wasser abgedreht, die Decken erzittern, Bohrer heulen auf, Staub rieselt im Bad auf das schöne Schlammgrau. Der Bauleiter hat mir eine Flasche Wein vorbei gebracht und gut Wetter gemacht: wir müssen mal eben ein Wasserrohr in Ihrer Toilette rausreißen… Ich verlangte, dass sie das neue dann wenigstens wieder streichen, doch bisher geschah nichts. Auch in der Decke blieb ein Loch, es soll wohl noch verputzt werden.

Dies alles mindert kaum je mein Wohlbefinden, schließlich bin ich Sanierungs-gestählt: in Kreuzberg zu Beginn der 80ger waren die Baustellen andere und der Umgang weit rauher, keine Weinflaschen sondern Drohungen, keinerlei Ankündigungen, aber plötzlich war das Klo weg – das hier ist dagegen ein Kinderspiel!

Vor zwei Wochen dann flatterten Flugblätter der Kiez-Initiative herein: mir gegenüber auf der anderen Seite des Platzes wird die BSR (Berliner Stadtreinigung) einen Recyclinghof errichten. Natürlich ist jeder dagegen, man befürchtet Lärm, Dreck und „Gelichter“ – auch ich bin dagegen und habe als gute Bürgerin eine Einwendung gegen die Änderung des Flächennutzungsplans abgegeben. Gewiss ohne Aussicht auf Erfolg, doch war ich selber lang genug in solchen Kiez-Initiativen und unterstütze sie im gleichen Geist, wie ich mich von Marktforschern befragen lasse, wenn Zeit ist (Den Job hab ich schließlich auch mal gemacht..).

Der Rudolfplatz, ein Paradies? Gewiss nicht, aber ich fühl mich sauwohl hier. Ein Wohlgefühl, das von innen kommt, klar, doch es bedeutet viel, in einem Umfeld zu wohnen, das dieses „Innen“ nicht ständig unter Stress setzt. Und bisher stören mich die Ereignisse nicht wirklich, es kommt mir alles so bekannt vor, keiner großen Aufregung wert.

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Claudia am 18. Dezember 2002 — Kommentare deaktiviert für Weihnachten III: Vom Weihnachts-Irresein

Weihnachten III: Vom Weihnachts-Irresein

„All‘ überall auf den Seelenspitzen sehe ich blinkende Bomben sitzen, und
innen, aus dem Herzenstor, schaut‘ mit großen Augen die Neurose
hervor…“

Diesen „Weihnachtsreim“ schrieb mir ein Freund, der als Arzt mit vielen Menschen regelmäßig in Kontakt kommt. In diesen allzu heiligen Tagen spitzen sich offenbar die Dinge zu: was lang ertragen wurde, wird jetzt unaushaltbar; das bisher locker Weggesteckte tötet den letzten Nerv. Der kleine Ärger wächst sich zum Großkonflikt aus, die Beziehung kriselt, der Lehrer entläßt entnervt die unbelehrbaren Schüler – der Mitmensch ist alles in allem eine richtige Katastrophe. Zwar sind viele damit beschäftigt, Geschenke einzukaufen, doch die Gedanken an „die Anderen“ werden nicht freundlicher, im Gegenteil. Und die Festtage selbst – so erzählen zumindest immer wieder die Polizeiberichte – beinhalten Dramen und ausagierte Feindseligkeiten, die den Rest des Jahres an Häufigkeit und Intensität deutlich übertreffen.

Was ist nur los an Weihnachten, dem „Fest der Liebe“? Vielleicht – ich spekuliere mal wild drauf los – ist es der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der in diesen Tagen nicht mehr tolerierbare Ausmaße annimmt. Einerseits Friede, Freude, Lebkuchenduft und Lichterglanz, das Beschwören einer Harmonie, die auch mitten im vervielfältigten Konsumgeschehen Ziel bewußter oder unbewußter Wünsche ist; andrerseits der Blick auf die Realität, die in diesem Vergleich weit dunkler wirkt als üblicherweise: Niemand liebt. NIEMAND!

Was wir üblicherweise Liebe nennen ist ein ausgesprochen bedingtes und daher flüchtiges Erleben: Solange du meine Erwartungen zu einem gewissen Prozentsatz (der nach eigener Tagesform schwanken kann) bedienst, liebe ich dich – sobald das aufhört, erkenne ich Dich als Fremden: Himmel, was habe ich eigentlich mit dir zu tun? Und je nachdem, wie abrupt sich solche Bewußtwerdungen ereignen, umso unbehauster und verweifelter, einsamer und verlassener mag man sich dabei fühlen: ent-täuscht! Und dann?

Werden die persönlichen Welten aus Selbstbetrug und krampfhaft aufrecht erhaltenen Illusionen in Frage gestellt, reagieren viele äußerst feindselig, Wut, Ärger und Agressionen aller Art suchen ein Ventil – und in der Weihnachtszeit explodiert so mancher ganz unvermittelt, von dem man derartiges gar nicht erwartet hätte – nicht jetzt, nicht so!

Nun, das ist das „Weihnachtsirresein“ – und keiner ist davor sicher. Es ist kein wirkliches „Irre sein“ im Sinne von „ver-rückt“- im Gegenteil, es entsteht duch das Hereinbrechen des Lichts, in diesem Fall des Lichts der Erkenntnis über das, was ist. Wir sehen: aha, ich liebe nicht! Aha, auch der Andere liebt mich nicht, er schätzt es nur, wenn ich dies oder jenes ´rüber reiche: Streicheleinheiten, Vergnügen, Schutz, Anerkennung, Ermunterung, Dankbarkeit und so manches, das ich mir offensichtlich alleine nicht verschaffen kann.

Geschäftsbeziehungen sind von allen Beziehungen die ehrlichsten, denn sie formulieren üblicherweise einen Vertrag über Geben und Nehmen, über die Bedingungen des Miteinander, die sonst so gern verborgen bleiben. Je unausgesprochener und unbewusster diese „Bedingungen“, desto größer das Konfliktpotenzial, wenn das Licht darauf fällt, wenn sichtbar wird, dass sie nicht bzw. nur unbefriedigend erfüllt werden: zwischen Lebenspartnern, unter Freunden, in Familien, bei Kollegen, im Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler und selbst zwischen Autor und Publikum – wer schreibt schon gern für die Schublade?

Im christlichen Kontext des Weihnachtsfestes steht der kommende (lat: „ad-venit“) Jesus Christus für das In-die-Welt-Kommen einer bedingunglosen Liebe, einer Liebe, die nicht tauscht und berechnet: genau der Liebe eben, zu der wir nicht fähig und gewöhnlich auch nicht willens sind.

Diese große Erzählung ist von wunderbarer Symbolkraft! Jeder kann sich davon ergreifen lassen, zumindest in diesem potenziell Gemeinschaft-stiftenden Moment der Sehnsucht: Wir erkennen einander als Unzufriedene, als Sehnende nach einer Liebe, die außerhalb unseres allzu menschlichen Vermögens liegt.

Dazu muss ich nicht mal Christ sein. Religionen sind ja ganz allgemein Tröstungssysteme, Therapeutika gegen die Unbehaustheit des Menschen in einem unfassbaren Universum. Wer es schafft, die eine oder andere religiöse Tröstung zu verinnerlichen, ist im Grunde zu beneiden – wir anderen dürfen hoffen, dass der Preis nicht zu hoch ist, dass nicht gleich das Fanatische die Oberhand gewinnt, um die gewonnenen Gewißheiten gegen „Ungläubige“ durchzusetzen. „Innere Sicherheit“ der einen kann Krieg gegen die Anderen bedeuten, wie wir wissen.

Was ist aber jenseits religiöser Geisteswelten, die ja nicht mehr für alle begehbar sind, zu alledem zu sagen? Gibt es auch ohne Jesus Christus, ohne Buddha, Dharma und Sangha einen aufrechten Gang? Ein Dasein, das nicht auf Illusionen baut, aber doch auch den Bezug zu jener unbedingten Liebe – und sei sie noch so unnerreichbar – nicht einfach negiert?

Tja, jetzt steht sie da, diese Frage! Ich kann bis zu ihr vordringen, sie aber nicht beantworten. Sowieso bestünde eine Antwort nicht aus Worten, sondern das je eigene Leben von Augenblick zu Augenblick ist die Antwort – oder ein Versagen. Immerhin erkenne ich immer besser, dass ich die Antwort nicht üBERNEHMEN kann: nicht aus Büchern und auch nicht von lieben Freunden und Lehrern. Sie geben zwar Hinweise, machen mit ihren je eigenen Antworten VORSCHLÄGE – aber all diese Vorschläge, und seien sie noch so intelligent, großartig, gar eingebunden in große Traditionen, werden als „übernommene“ immer auch relativiert, nämlich durch das konkrete Leben ihrer Verbreiter, soweit es auch in seinen Abgründen und Verfehlungen sichtbar wird.

Von Lehre und Leben

Lothar Reschke hat unter dem Titel „Heilige“ hierzu einen interessanten Beitrag verfasst – aus der Sicht desjenigen, der die „Heiligkeit“ als eine Art Bringschuld verspürt: wer sich lebenslang mit sich selber auseinander setzt und hier und da auch von anderen als Lehrender wahrgenommen wird – hat so einer nicht die Pflicht, im Alltag mehr als nur „politisch korrekt“ zu agieren? Sprich: immer lächelnd, alles verstehend, unangreifbar, über den Dingen schwebend ??? Sich also niemals über den Lärm des Nachbarn aufregen, niemals streiten und aus der Haut fahren? Immer hübsch gelassen bleiben???

Natürlich nicht. Wie Lothar das Ganze beschreibt, wird das Absurde gut spürbar, das in der Erwartung der „Heiligkeit“ liegt. Ganz erschöpft ist das Thema damit allerdings nicht: die angeführten Beispiele sind duchweg so, dass man sie unter „gerechter Zorn“ bzw. berechtigter Ärger subsumieren könnte – wie aber würde es sich bei echten Verfehlungen darstellen? Zum Beispiel beim Guru, der seine Schülerinnen sexuell ausbeutet? Oder beim Therapeuten, der Authentizität im Hier & Jetzt lehrt, aber die Trennung von seiner ahnungslosen Frau lang im voraus plant? Und was ist von „Lebensberatern“ zu halten, die bei eigenen Konflikten erstmal die Kommunikation abbrechen und sich in den Schmollwinkel zurück ziehen?
Können sie alle trotzdem Lehrer und Helfer sein?

Und ich frage weiter: Warum sollte ich eigentlich den kompromisslosen Ansichten eines Menschen folgen, mit dessen Leben in dieser Welt ich auf keinen Fall tauschen wollen würde? Kann denn ein katholischer Priester aus seinem Zölibat heraus Ratschläge bezüglich erotischer Vertrickungen geben? Ist liebendes Mitgefühl von jemandem zu lernen, dem andere Menschen in ihrer Beschränktheit so spürbar auf die Nerven gehen? Kann ich mein Leben besser ordnen mit Hilfe der Tipps eines Ratschlagenden, dessen Dasein an dieser oder jener Stelle ein Chaos ist?

Nein! Ganz spontan sage ich dazu nein. Aber stimmt das, auf’s Ganze gesehen? Man muss vorab unterscheiden, was mit „Lernen“ gemeint ist: Ich kann natürlich durch einen Choleriker, der laufend aufbraust und mich anschreit, Gelassenheit erlernen, genauso wie ich in südlichen Ländern lerne, mit sehr viel weniger Wasser auszukommen. Ich lerne hier DURCH eine Person oder ein Phänomen, also durch Lebenserfahrung, durch Praxis. Auf diese Weise kann ich von allem übel und jedem Schurken sehr viel lernen – und doch bleibt er ein Schurke!

Etwas Anderes ist das übende Erlernen einer Lehre, einer überlieferten oder neu propagierten Weisheit oder das übernehmen einer Theorie oder Weltanschauung: HIER ist das Spielfeld der oben gestellten Fragen nach dem Verhältnis von Lehre und Leben. Kann ich jemandem folgen, der selber nicht verwirklicht, was er lehrt?

Ja und nein! Es kann genauso lange funktionieren, soweit meine EIGENE MOTIVATION trägt. Schließlich spricht nichts dagegen, dass einer in einem bestimmten begrenzten Bereich ein guter Lehrender sein kann, auch wenn er nicht alle Erwartungen, die ich (!) mit der Lehre verknüpfen mag, im eigenen Dasein verwirklicht. Diese je eigene Motivation speist sich aus zwei Quellen: aus Erleben und aus Glauben bzw. Hoffen. Um überhaupt etwas verändern zu wollen, muss es mir spürbar schlecht gehen. Ich greife zu einer Lehre, einer übung, einer anderen Praxis, Lebens- oder auch nur Denkweise, um mich bzw. meine Lage zu verbessern. Unzufriedenheit und Leiden können hier ganz subtile Formen annehmen, doch bilden sie IMMER den Motivationhintergrund. Der zweite Punkt ist die Einsicht, das Denken und Auf-die-neue-Praxis-Hoffen, gespeist durch Worte, Texte und Vorbilder (!), evtl. die Kraft einer Gruppe, allesamt eher virtuelle Aspekte, die solange tragen sollen, bis sich spürbare Ergebnisse in der Lebenswelt manifestieren.

Je nach persönlichem Temperament und kulturellem Kontext sind wir hier mehr oder weniger Warte-bereit: Christen warten seit über 2000 Jahren auf die Wiederkunft Christi, Jehovas Zeugen warten insbesondere auf das Gericht und die Rettung der 144000, Buddhisten werden eingestimmt auf unzählige Leben, die bis zum Erreichen des Nirvana oder gar der Erleuchtung aller fühlenden Wesen noch durchzuhalten sind – während ich das schreibe fällt mir auf, dass Religionen sich offensichtlich darum bemühen, unseren Erwartungshorizont ins schier Unnerreichbare zu verschieben. Warum eigentlich?

Wäre es nicht besser, wir vertrauten dem eigenen Urteil? Ich probiere etwas eine Zeit lang aus – entweder es tut mir gut und bringt mich weiter oder eben nicht. Je nachdem, wie es sich damit verhält, verwerfe ich es wieder und gehe weiter, oder baue es ganz oder in Teilen für immer in mein Leben ein. Ich könnte auch experimentieren, eigene Varianten erforschen, vielleicht selber lehren, oder ich mache kein weiteres Aufhebens, sondern sehe zu, dass MEIN Nutzen durch Tun & Handeln in dieser Welt auch zum Nutzen anderer wird. Und entdecke vielleicht über kurz oder lang wieder eine andere Art Leid, das mich motiviert, wieder nach etwas Ausschau zu halten, zu suchen – das Leben ist Bewegung, kein Verharren in Stille. Ich beschwer mich da nicht.

Der Vorbildcharakter eines Lehrers ist also alles in allem hilfreicher Aspekt, keine notwendige Bedingung. Ein Vorbild benötige ich nur, solange ich nicht selber spüre, wie gut „die Sache selbst“ ist, ein Zustand, in dem wir so kurz wie möglich verweilen sollten. Glauben und Hoffen kann Erleben nicht wirklich ersetzen – mittlerweile haben das sogar die Börsianer gemerkt und das läßt für diese Welt hoffen.

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