Thema: Lebenskunst, Philosophisches

Reflexionen über Wesentliches

Claudia am 12. Januar 2004 — Kommentare deaktiviert für Bedürftigkeit: Schlimmer als Mundgeruch

Bedürftigkeit: Schlimmer als Mundgeruch

Jahr um Jahr immer voll da, meistens kreativ und nie um einen Rat verlegen, wenn mich jemand fragt. Mit allen Behörden im Reinen, keine Leichen im Keller, keine Inkasso-Unternehmen auf den Fersen, keine Ratenkredite, und selbst das Finanzamt hat nichts zu meckern. Konto immer nur FAST, aber nie tatsächlich überzogen. Praktisch nie krank gewesen, die Paradontose rechtzeitig zum Stillstand gebracht, immer mal auftretendes Übergewicht locker wieder abgebaut. Optisch unauffällig, für an die 50 ganz gut erhalten. Beruflich selbständig, was denn sonst? Aktiv, ideenreich, meistens fröhlich und guter Dinge, selbstverständlich kommunikationsfähig auf allen Kanälen.

Nie verärgert. Erwartungen hegen schafft Leiden und Enttäuschung – abgewöhnt! Gelassenheit bringt Gelingen. Sieger ist, wer nicht erst kämpfen muss. Im Zweifel auf den Atem konzentriert lässt sich alles wegstecken. In der Ruhe liegt die Kraft. Lächelnd erschaffe ich meine gute Laune selbst, brauche dazu niemanden sonst. Unabhängig, selbständig, eigendynamisch, weitgehend kompatibel zu allem, was muss. Probleme sind schludriger Sprachgebrauch, kein Teil der Realität.

Was ich brauche? Gelegentlich einen Programmierer. Alles andere bietet die städtische Infrastruktur, der Markt, das Netz – Google. Ich blinzle in die kalte Wintersonne, dankbar für alles, was ist. Mehr wollen wäre von Übel. Bedürftigkeit ist schlimmer als Mundgeruch. Als Bewohnerin der Leere, die die Fülle ist, verschone ich Andere vor mir. Und wenn ich selber mal ausgelaugt und ausgesaugt bin, stecke ich einfach die Finger in die Steckdose und lade mich wieder auf.

Vor mir muss man sich also nicht fürchten. Ich bleibe bis zum Ende höflich, verfasse erbauliche Texte und langweile nicht.

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Claudia am 14. November 2003 — Kommentare deaktiviert für November: Zeit zum krank sein

November: Zeit zum krank sein

„Ich deliriere. Fieber 40 plus. Eine heiße Sache ;-)“ Die SMS des fernen Geliebten erreicht mich just in dem Augenblick, als ich den Zahn, der mir gerade aus der Brücke links oben gebrochen ist, wehmütig betrachte. Eine Schweinerei! Zwei Jahre war das Teil erst alt, wogegen die Aufbauten, die ich seit über 25 Jahren zum Kauen benutze, erst in letzter Zeit ihre Erneuerungsbedürftigkeit spüren lassen. Das war noch Wertarbeit, nachhaltig, nicht mit Blick auf baldiges „Update“ ins Werk gesetzt!

„Und mir ist gerade ein Zahn heraus gebrochen“ simse ich zurück. Es wird ihn erheitern, denk ich mir. Denke dann daran, dass ich jetzt also wirklich zum Zahnarzt muss, was für ein Aufwand! Ganz zu Schweigen von den Kosten. Ob ich nach Polen fahren soll? Noch größerer Aufwand, kommt nicht in Frage! Wo ich doch noch immer nicht gesund bin, grade mal auf dem Weg dahin. Erkältung, Bronchitis – mein Fitness-Center hat die Sauna wegen Bauarbeiten still gelegt. Seither geh ich nicht mehr hin und handle mir prompt die erste richtige Krankheit seit vielen Jahren ein. Kein Wunder.

Ich telefoniere mit meiner Mutter, die vor zwei Tagen operiert wurde. Wenn der Krebs noch nicht gestreut hat, kann sie noch zehn Jahre leben, heißt es. „Mir geht’s gut“, sagt sie, und dass ihr das keiner glaubt. Auch ich sage, dass ich es nicht glaube – und merke, dass ich dabei bin, mich von der Wahrheit des Herzens zu entfernen. Ich will ihr Gelegenheit geben, ihr Leiden auszudrücken, wenn sie das möchte – aber ich weiß, sie will das nicht und wird es auch nie wollen. Und ehrlich gesagt, ich finde das gut so. Ich bin genau wie sie.
Ich?

Am Anfang war das Wort, und Gott war das Wort, und das Wort war bei Gott. Das gewaltige Mantra aus der Bibel tritt mir ins Bewusstsein. Es verweist auf die Tatsache, dass wir die Dinge schöpferisch zu Realitäten formen, indem wir sie benennen. Sie dadurch vom großen Ganzen abtrennen und zum „Objekt“ machen. Bewusstsein entsteht, wenn uns ein Gegenstand entgegen steht: ein Hindernis, ein Leiden, eine Krankheit, eine Gefahr. Damit etwas in diesem Sinne „entgegen stehen“ kann, muss ich zuvor beschließen, wo ich MICH verorte. Was bin ICH? Antworte ich „dieser Körper!“, dann werde ich mit diesem Körper leiden, verzweifeln und untergehen. Und daraus ein Riesendrama machen, für mich und für andere.

Das habe ich nicht vor. Ich werde den Teufel tun und mich so (oder anders) definieren, mich mit irgend etwas identifizieren. Ich bin nicht der Körper, sondern finde ihn vor. Ich erlebe ihn und kann ihn betrachten. Die Tatsache, dass ich z.B. den Arm heben kann, also aus dem Willen eine physische Wirkung verursachen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser ganze Mechanismus „Gedanke-Wille-Aktion-Wirkung“ ICH bin. Denn ich kann ihn ja beobachten.

WER beobachtet? Habe „ich“ einen Zahn verloren? Das erinnert mich an die jedem geläufige Szene, wenn man mit einem Auto-Besitzer losgeht, um irgendwohin zu fahren. „Ich stehe da drüben“, sagt er. Das ist genau dasselbe: Er hat seine Ich-Definition so ausgedehnt, dass sie das Auto mit umfasst.

Kann man machen, warum nicht? Aber den Preis muss man immer bezahlen. Jede Selbst-Identifikation bringt Nutzen und Aktionsspielräume, aber auch Kosten: Leiden an Verlust und Vergänglichkeit.

Damit man mich nicht missversteht: Ich GLAUBE nichts! Weder an wandernde Seelen noch an einen Geist ohne Materie, und auch nicht an das Leben als Lehr-Anstalt, in dem wir Lern-Erfahrungen machen, um uns zu „entwickeln“ und eines Tages ins Nirvana oder Paradies einzugehen. Ebenso wenig glaube ich das Gegenteil, bin keine Anhängerin des wissenschaftlichen Weltbilds mit all seinen Stoffen und Prozessen, schwarzen Löchern, wechselnden Modellen vom Kosmos und seiner großen geistigen Leere. Auch Atheismus ist ein Glaube.

Fortschritt bedeutet für mich, nicht mehr zu glauben, das Nicht-Wissen auszuhalten und es dabei zu belassen. Wenn man den Verstand mal daran gewöhnt hat, dass er nicht für alles und jedes zuständig ist, wird das Leben sehr viel angenehmer.
Einfach da sein

Nun bin ich ja wirklich schwer abgehoben! Eigentlich wollte ich über das Krank-Sein schreiben, denn zur Zeit sind so viele um mich herum krank, genau wie ich. Der Programmierer von schreibimpulse.de kämpft seit Wochen mit einer schweren Erkältung, ein Kursteilnehmer kann nicht mehr in den Monitor sehen, ohne dass sich die Augen entzünden. Mein Ex-Lebensgefährte ist gerade erst dabei, wieder fit zu werden – ich sag mir einfach: es ist November! Zeit zum krank sein. Alle Natur stirbt und auch wir kränkeln halt so mit, denn wir sind Teil davon. Nichts besonderes.

Mehr und mehr fällt mir auf, was für ein Krieg an all diesen Fronten geführt wird, um das Unvermeidliche mit allen Mitteln zu bekämpfen. Sowohl die herrschende Medizin als auch die alternativen Lehren und Systeme sind sich in einem einig: Wir müssen gesund werden, möglichst lange gesund bleiben, und wenn das nicht mehr geht, dann ist zumindest das Ende so lange wie möglich hinaus zu schieben. Warum hat man meine 96-jährige Großtante noch mit Reanimationsversuchen belästigt? Sie ist gestorben, als ihr klar wurde, dass sie aus dem Krankenhaus nicht mehr zurück in ihre Wohnung, sondern in ein Pflegeheim kommen wird. Ist daran irgend etwas falsch? Hätte man sie lieber noch ein paar Jahre neben die anderen final Siechenden gelegt und mit dem Dekubitus gekämpft?

Oder bleiben wir beim ganz normalen Alltag: Warum sollen wir denn fortlaufend funktionieren? Das tun nicht mal die Computer, denen wir die Organisation unserer Welt mehr und mehr überlassen. Den Stress, immer fit, schön und gesund zu sein, brocken wir uns selber ein – warum eigentlich?

Ich habe meine Krankheit genossen. Endlich mal sagen können: Ich kann nicht! Ich pack das jetzt nicht, bin wie in Trance, kann mich nicht konzentrieren, muss mich hinlegen, kann zumindest nicht so ranklotzen wie sonst – wunderbar! Wenn das mal alle mitbekommen haben und die Welt trotzdem nicht einfällt, erlebt man eine ganz neue Art von Entspannung und Gelassenheit. Die Lizenz zum nutzlosen und irrationalen Einfach-nur-da-sein. Auf einmal ist Zeit und Muße da, um „in sich zu gehen“, bzw. zu erforschen, was diese Worte wohl bedeuten. Das Bewusstsein weitet sich: die Welt des alltäglichen Funktionierens mit seinen Zielen und Zwecken ist plötzlich nur ein kleiner, unwichtig gewordener Aspekt des Ganzen. Neue Räume des Erlebens tun sich auf, alle Dinge und Tätigkeiten zeigen sich in einem andern Licht – wer jetzt mental daran kleben bleibt, sofort gesunden zu sollen oder trotz Krankheit weiter zu funktionieren, versäumt etwas!

Nun ja, mag man denken, so eine kleine Erkältung, was ist das schon? Bekomm du mal deine „tödliche Diagnose“, dann sehen wir weiter! Ja, darauf bin ich auch gespannt. Aber nicht so sehr, dass ich ständig zum Arzt gehe, ohne krank zu sein, nur so als eine Art TÜV. Der Scheckheft-gepflegte Mensch, immer in Erwartung der bösartig veränderten Zelle, der sich schließenden Herz-Ader – das ist ein Trend, der ohne mich auskommen (und Kasse machen) muss. Meine Krankheit gehört mir, auch die letzte.

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Claudia am 02. Oktober 2003 — Kommentare deaktiviert für Das Problem mit dem Glück

Das Problem mit dem Glück

Endlich wieder ein leerer Kühlschrank! Naja, nicht ganz, aber übersichtlich: Aprikosen- und „Waldbeeren“-Marmelade, Butter, drei Eier, im Gemüsefach fünf Zwiebeln, in der Tür Gewürzgurken, zweimal Artischockenherzen in ÖÖl und ein Rest H-Milch, fettarm, der noch für einmal Kaffee reicht. Die Leere gefällt mir so gut, dass ich sogar Lust zum Putzen verspüre, aber ich bezähme mich. Man muss ja nicht allen Lüsten immer gleich folgen.

Glück. Immer öfter fällt mir auf, wie in völlig banalen Situationen, die nichts derartiges erwarten lassen, Glücksgefühle auftreten. Grundlos. Oder, wenn ich schon darauf bestehe, einen Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen gleichzeitig existierenden Erscheinungen herzustellen: aus den seltsamsten Gründen! Ein fast leerer, leicht verdreckter Kühlschrank macht mich glücklich, voll ekelt er mich an.

* * *

Glück. Es überfällt mich aus heiterem Himmel und ich komme schlecht damit zurecht. Da trete ich zum Beispiel in mein Arbeitszimmer, gehe bis in die Zimmermitte, wo mir auffällt, dass ich ja jetzt nicht – wie immer – nach rechts gehen werde, Richtung Cockpit. Hab mich ja grad erst erfolgreich losgerissen, ohne Bedauern, aber auch ohne Freude (Real Life ist schon auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig!). Ich stehe also in der Zimmermitte und schaue mich um. Von hier aus kann ich die ganze Wohnung einsehen, durch die Flügeltür vor mir übersehe ich das Wohn-Schlafzimmer, durch die andere blicke ich über den kaum mehr als einen Quadratmeter großen Flur in Bad und Küche – na ja, in der Küche seh ich nicht weit, aber immerhin. Und wenn ich mich umdrehe, schaue ich durch die Balkontüren auf das immer noch grüne obere Drittel einiger Bäume auf dem Rudolfplatz. Darüber Himmel.

Nichts Besonderes also. Und plötzlich: Glück! Eine Welle aus Wärme, Licht und Leichtigkeit, die Erdenschwere scheint weniger zu werden. Dafür erhöht das Herz seine Temperatur (Liebe brennt, im Moment ist es ein warmes, angenehmes Glühen), während ich – weder schwebend noch nicht schwebend – ein wenig umher gehe. Im Gehen ist die Leichtigkeit noch weit präsenter, jede Zelle freut sich, nicht so schwer zu sein. Ich registriere, dass ich erstaunlich enspannt bin, obwohl doch ein typischer Sitztag ohne gesunde Pausen hinter mir liegt.
Prompt wundert sich etwas, ein Fragen will anheben – aber ich kann mich noch mal bezähmen und schaue in die verschiedenen Räume, ohne etwas Bestimmtes ins Auge zu fassen. Freue mich einfach über die Ein- und Überblicke, die Helligkeit überall.

Mein Körpergefühl nähert sich dem Optimum und ich registriere nun auch die innere Ruhe. Keine Angst. Kein Sehnen. Wie wunderbar! Der Atem vertieft sich, wodurch das Empfinden auf allen Ebenen intensiver wird. Noch mehr Wärme, Licht und Leichtigkeit, noch mehr Gefühl im Herzen – ich gehe wieder in die Küche und wasche mir die Hände mit kaltem Wasser, gehe sogar aufs Klo, aber es ändert sich nichts. Stabiles Glück, kaum aushaltbar!

Es steigert sich, indem ich es bemerke. Doch gleichzeitig setzt sich das Fragen durch: Wieso fühl ich mich jetzt so? Gibt es einen Grund? Was soll ich jetzt damit machen? Wohin mit dem Glück? Ist es teilbar, mitteilbar, übertragbar? Es gelüstet mich nach einem Akt der Liebe, ein Verlangen, mich zu verströmen setzt ein. Geliebte Menschen kommen mir in den Sinn, doch mein Geist lehnt sie als potenzielle Adressaten für den Moment ab. Sie sind zu wenig bedürftig, ich will doch nicht Eulen nach Athen tragen! Also weiter. Wie ein Suchscheinwerfer leuchtet mein Denken die Ebenen des Seins aus, um eine Anwendung, eine Augabe, einen Auftrag zu erkennen. Das ist der Moment der Projektideen, mehrere gleichzeitig strengen sich jetzt redlich an, den Augenblick des Glücks für ihre Wiedervorlage zu nutzen. Wenn ich mich zu einer von ihnen bekenne, fällt mir jetzt ein, werde ich gleich nach rechts Richtung Schreibtisch gehen und mich wieder auf den Stuhl vor den Monitor setzen. Meine „Grundeinstellung“, Klinger default. Bei aller Liebe, dazu hab‘ ich grad keine Lust!

Was also tun? Ich gehe weiter umher, ziehe auch mal größere Kreise durch alle Räume – soll ich vielleicht raus gehen, einen Spaziergang machen? Ich trete auf den Balkon und sehe hinunter auf die Straße. Es dämmert, der Abend ist kühl und feucht, der Himmel wolkenverhangen. Nichts zieht mich dorthin. Aber wie wunderbar, dass ich von hier aus so weit sehen kann! Der unverstellte Blick in alle Richtungen war ein wichtiger Grund, diese Wohnung zu nehmen. Mein momentanes Befinden kann daher allerdings nicht rühren. Schließlich hab ich diesen Ausblick immer, nicht aber dieses Glücksgefühl.

Habe ich es denn? Nein, es hat mich. Ich kann mich nur wundern und dumme Fragen stellen, nach Ursachen forschen und mögliche Wirkungen abwägen – ich? Warum sage ich zu den Gedanken, die unabweislich von selber kommen, „ich“, wogegen das Gefühl und die Empfindungen als ein „Zustand“ betrachtet werden?

Tu ich ja nicht! In dem Moment, in dem es gelingt, diese Gedanken loszulassen, BIN ich es. Bin dieses innere Brennen, diese Wärme, Helligkeit und Leichtigkeit. Bemerke es, es intensiviert sich, der Atem vertieft sich, ich gehe weiter umher. Unruhiger jetzt. Will teilen, mich verströmen, vielleicht hinaus gehen, irgendwohin, wo Menschen sind. Doch gleichzeitig will ich auch nicht. Es gibt ja nichts zu sagen. Ich weiß keinen „Weg“ zu diesem Glück, es hat mich überfallen. Aber sie würden versuchen, mich in ihre aktuellen Klagen einzubeziehen und wären sauer, wenn das nicht gelingt. Mit Liebe kann die Welt nicht viel anfangen.

Soll ich etwas schreiben? Nein!!! ICH WILL NICHT vor dem PC sitzen, jetzt nicht. Ich gehe weiter umher. Scanne meinen Körper und spüre nach, was eigentlich mit meinen drei chronischen Zipperlein los ist, aber oh Wunder, nichts nervt! Nicht, dass ich plötzlich gesundet wäre, aber irgendwie ist alles gut, wie es ist. Die Entspannung und Wärme überstrahlen bei weitem die kleinen Reste gewohnter Missempfindungen, ich muss richtig nach ihnen suchen – bin ich eigentlich verrückt? Warum SUCHE ich das Unangenehme, warum stelle ich das Glück laufend in Frage?

Mein Denken beginnt, mir auf den Keks zugehen. Soll ich es überschreiben? Etwas lesen? Eine Zeitung – oder vielleicht eine Mailingliste? Dafür müsste ich an den PC, das fällt also aus. Doch auch nach Gedrucktem gelüstet es mich nicht, wie ich merke. Ich will jetzt nichts wissen, meine Stimmung braucht nicht weiter gehoben zu werden, ich brauche keine Infos und muss nicht erbaut werden. Auf Geschichten aus fremden Leben, echten oder erdachten, hab ich erst Recht keine Lust – allenfalls könnte ich jetzt so was wie „die Meißelschrift vom Glauben an den Geist“ lesen, aber auch sie interessiert mich im Moment nicht. Ich brauche keinen mentalen Input, will eigentlich nur, dass die bereits vorhandenen Gedanken mit ihrem langweiligen Fragen und Rechnen, ihrem Suchen nach Gefahr und Widrigkeiten, nach Aufgaben und Gründen endlich aufhören.

Ich will nicht denken, sondern leben. Aber was heißt das – jetzt zum Beispiel?

*

All das kann ich nicht lange ertragen. Das Befinden neigt dazu, in Ekstase und Euphorie überzugehen, bei steigender Unruhe. Ich tue dann in der Regel etwas Drastisches, um die Situation zu verändern, koche mir was und esse zuviel, oder lege mich in die heiße Badewanne. Oder ich gehe wirklich raus, vielleicht einkaufen, vielleicht einen Besuch machen, Leute treffen (womöglich das Glück in ein paar Glas Wein ertränken…) – was immer ich tue, es ist eine Art Scheitern, ein unangemessener Umgang mit etwas, mit dem ich nicht zurecht komme, obwohl es doch das Allerwundervollste ist.
Glück eben.

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Claudia am 17. September 2003 — Kommentare deaktiviert für Frei vom Anderen, frei vom „Damals“

Frei vom Anderen, frei vom „Damals“

Seit ich alleine wohne, verändert sich mein Leben in staunenswerter Geschwindigkeit. Die Einheit zwischen Leben, Arbeiten, Geld verdienen und über all das schreiben, die über lange Zeit Bestand hatte, gibt es nicht mehr: ich hab sie einfach auseinander fallen lassen, mich sogar begeistert an der Demontage beteiligt. Nun liegen alle Teile unverbunden herum, neue sind hinzu gekommen und ich bin gespannt, welche neue Gestalt das alles noch annehmen wird.

Gespannt? Ja, schon, aber es ist nicht mehr so, dass ich einfach nur zusehe, was „sich ergibt“. Im Frühjahr hab ich beschlossen, in Zukunft mit dem, was mir am meisten Freude macht, auch Geld zu verdienen. Ich will nicht mehr (bzw. immer weniger) Brotarbeit leisten, um freie Zeit für „das Eigentliche“ zu haben, wobei das „Eigentliche“ recht formlos und spontan bleibt und selten zu dem Niveau heran reift wie meine bezahlten Dienstleistungen.

„Im Auftrag“ zu arbeiten, so richtig mit Termin und konkretem Ziel, bedeutet innere Sammlung, Konzentration, Mobilisierung aller Fähigkeiten und natürlich Anstrengung. Dieser Anstrengung entspricht am Ende die Freude über das Werk und das verdiente Geld. Warum sollte diese „High Performance“ immer nur im Dienste Anderer stehen, deren Aktivitäten unterstützen, fremden Werken und Unternehmungen dienen? Womit ich nicht sagen will, dass ich keine Lust zum Dienen hätte, im Gegenteil: gerade das fühlt sich am stimmigsten und glückbringendsten an, wenn man das „Ureigene“ als Beitrag in die Welt setzt und es tatsächlich Menschen gibt, die etwas davon haben und denen es etwas wert ist.

Gedacht hab‘ ich das lange schon, aber nichts gemacht. Dazu brauchte es tatsächlich das alleine Wohnen: es bewirkt eine radikalere Art, auch innerlich mit sich alleine zu sein. Nicht mehr „der Andere“ steht stets bereit, zu sagen, was gut und richtig, was angesagt und überflüssig ist, sondern ich muss es selber tun. Das ist keine nachträgliche Kritik an meinem Ex-Lebensgefährten, denn JEDER Andere sagt bereitwillig diese Dinge. Jeder Mensch gibt das je Eigene nach außen und vertritt es als das Richtige. Und es ist ja so leicht, da zuzuhören, die eigenen Impulse nicht ganz ernst zu nehmen! Der konkrete Andere ist „die Welt“, er begegnet mir als Realität, als Tatsache, wogegen ich mir selber immer als „unfertig“ vorkomme, ständig im Fluss. Ich kann jederzeit umdenken, stelle mich selber ständig in Frage, springe von Idee zu Idee, von Verlangen zu Verlangen, von Meinung zu Meinung, wogegen der Andere einfach so sagt, was Sache ist. Er mag innerlich ebenso unsicher sein wie ich, allein der existenzielle Unterschied zwischen „Ich“ und „Du“ bedingt dieses Erleben.

Nun sind alle „Anderen“ gleich weit von mir entfernt, zumindest empfinde ich das im Alltag so. Ich kann mich sammeln, bleibe automatisch länger bei meinen jeweiligen Ideen und Vorhaben und erlebe, wie es ist, alle Entscheidungen alleine zu treffen und zu verantworten. Dabei ist mir erst richtig bewusst geworden, wie sehr ich das im bisherigen Leben vermieden habe! Zwar war ich immer schon recht aktiv und unternehmungslustig, aber ich brauchte Andere, die gemeinsam das Entscheiden besorgten. In einer Gruppe habe ich kein Problem, meine „Sicht der Dinge“ durchzusetzen, bzw. dies zumindest zu versuchen. Wenn es gelingt, wenn das, was ursprünglich allein meine Idee war, sich als Gruppenbeschluss durchsetzt, gibt’s auch kein „Problem“ mehr: sie haben es geprüft und für gut befunden, jetzt muss ich es nicht mehr alleine verantworten, mir mögliche negative Folgen und schlechte Ergebnisse nicht alleine ans Bein binden.

Die Gruppen hatte ich lange schon hinter mir gelassen, doch zumindest brauchte ich EIN Gegenüber! Einen Auftraggeber, der weiß, was er will. Einen Co-Worker pro Projekt, der mit mir entscheidet, was wir jetzt machen. Und im Privatleben EINEN Gefährten, sicherheitshalber einen, der „im Prinzip nichts will“, denn schließlich wollte ich frei sein, mich nicht groß anpassen müssen, gar einem fremden Willen unterwerfen. Eine Illusion, wie ich im Nachhinein sehe, denn ich habe mich ans „Nichts -Wollen“ angepasst.

All das hab‘ ich gewählt, weil ich es brauchte, weil ich es so wollte, ohne mir ganz klar zu sein, aus welchen Antrieben oder Verweigerungen heraus es geschah.

Und jetzt bin ich also allein! Folge meinen Impulsen, treffe Entscheidungen, mache wieder Pläne, setze um, was ich für gut und erfolgsversprechend halte und tatsächlich: es geht! Es macht sogar ungeheuer Spaß, wenn ich mich auch immer wieder frage: Ist das jetzt richtig? Darf ich das? Sollte ich das? Kann ich das?

Ich kann, darf und sollte auf jeden Fall weit mehr, als ich bisher glaubte. Da mögen Rückschläge kommen, Misserfolge und mancher Ärger: im eigenen Leben sitze ich nicht nur in der ersten Reihe, ich gestalte auch das Stück selber, das gespielt wird. Eigentlich eine verdammt banale Erkenntnis, aber wie langwierig, sie auch wirklich zu leben!

Die Last der Vergangenheit abwerfen

Ebenso schwierig wie die Befreiung vom „schützenden Anderen“ ist die Loslösung vom eigenen „Meinen“. Ich bemerke einen ungeheuren Wust von Meinungen über mich selbst, die ich in etlichen Jahrzehnten angesammelt habe. Die sind zustande gekommen aus Situationen heraus, aus leid- oder freudvollen Erfahrungen, in denen ich mich so oder anders verhielt und daraus dann meine Schlüsse zog, ein Selbstbild aufbaute. Ich will jetzt nicht mit Beispielen langweilen, nehme nur eine typische Schiene, die viele kennen und selber erleben: der Blick in die Kindheit. Immer wieder höre ich Menschen sagen „Ich bin so, weil…“, und dann folgt irgend eine Traumatisierung oder andere, weniger drastische Formungserlebnisse, die als Erklärung für das „Jetzt“ dienen soll, bzw. als Rechtfertigung für eine Einschränkung im Heute.

Nichts dagegen, das alles anzuschauen! Es ist erhellend, die Traumatisierungen, Indoktrinierungen und Konditionierungen zu erkennen, seien sie aus der Kindheit, der Jugend oder der heutigen Gesellschaft. Aber muss das heißen, daran kleben zu bleiben? Bin ich denn ein Stein, von Bildhauern geformt, mit denen sich nicht diskutieren ließ, und heute „fertig“, unveränderbar, leider SO und nicht anders geworden? War ich denn nicht auch schon „damals“ durch mein Denken und Meinen an der Art beteiligt, WIE ich die Realität erlebte? In welcher WEISE zwingt mich Vergangenheit JETZT? Inwiefern ist sie heute „real“, wirk-lich, wirksam?

Sie ist „da“ als mein Gedanke, als Erinnerung, die sich sogar fortlaufend verändert, je älter ich werde, denn meine Einsicht und meine Bewertungen ändern sich. Und sie wirkt fort im Körper: bestimmte Erlebens- und Verhaltensweisen bedingen bestimmte Muskelverspannungen und Körperhaltungen, die dazu neigen „chronisch“ zu werden. Der eine geht dann gebückt durchs Leben, der andere läuft besenstilartig gerade umher und kann das Becken kaum mehr bewegen. Irgendwann entwickeln sich dann die dem entsprechenden „Krankheiten“.

Müssen wir wirklich immer weiter „an der Vergangenheit kranken“??? Zwölf Jahre Yoga haben mir gezeigt, dass die psychophysische Ebene wieder in ihr natürliches, spontanes Zusammenwirken zurückgeführt werden kann (die heftigsten Veränderungen und Lockerungen spürte ich bereits nach einem halben Jahr!). Aber das alleine reicht nicht, auch im Geist muss ich bereit sein, meine Vorstellungen loszulassen. Endlich damit aufhören, mir immer wieder vorzusagen: Ich bin SO, weil..

Wie? Einfach so. Wenn der Gedanke kommt, glatt ignorieren! Ich staune selbst, wie erfolgreich das ist, aber eigentlich wundert es nicht: So ein Gedanke erhält und mästet sich durch meine Aufmerksamkeit, meine innere Resonanz, mein stetes „darauf Eingehen“. Wenn das ausbleibt, kommt er immer seltener und dann gar nicht mehr. Dafür braucht man keinen Therapeuten und spart jede Menge Geld. Das Einzige, was nötig ist, ist die Entscheidung, es für wahr zu halten, dass das SO funktioniert. Mir persönlich hat schon gereicht, es für möglich zu halten – den Rest besorgt die Erfahrung des Erfolgs.

Der Gedanke allerdings, dass ich jetzt (es ist schon halb elf!) dringlich „was Richtiges arbeiten“ muss, lässt sich nicht wegschicken. Das wird sich erst ändern, wenn auch das Digital Diary einen größeren Anteil an meinem Einkommen generiert – aber keine Sorge, das Lesen wird hier immer kostenlos bleiben!

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Claudia am 12. September 2003 — 1 Kommentar

Bondage, die Kunst des erotischen Fesselns – ein Workshop

„Ich beiße nicht“, sagt der alte Mann mit den schneeweißen Haaren, und rückt seinen wuchtigen Leib ein wenig mehr in die rechte Ecke des Zweisitzersofas, um mir Platz zu machen. „Ich auch nicht“, sag ich, setze mich neben ihn und schaue in die Runde. Ein Paar um die 40 nestelt kundig an diversen orangenen, weißen und grünen Seilbündeln, die beiden dröseln die Stricke sorgfältig auf, messen die Längen mit den Armen, und wickeln sie wieder ordentlich zusammen. Wir sind jetzt zu acht, drei Männer, fünf Frauen, die Ladeninhaberin mitgezählt, Stühle und Sofa stehen im Kreis. Es ist hell und gemütlich im RauslinkLa Luna, dem „Frauenerotiklanden, in dem auch Männer willkommen sind“. Warme Farben dominieren, an den Wänden stehen Regale mit Büchern und jeder Menge erotischer Objekte, im Hintergrund ein Kleiderständer mit Dessous. Ein prominent platziertes riesiges Ganzschalenkorsett fällt mir auf, die Walküren-Ausmaße signalisieren: auch dicke Frauen sind sexy!

Da der Laden ebenerdig liegt und von außen eingesehen werden kann, verhängt unsere Gastgeberin Fenster und Türen. Dann könnte es eigentlich losgehen mit „Bondage, der Kunst des erotischen Fesselns“, doch zunächst wird über die Lautstärke der Musik diskutiert. Sphärische Klänge aus dem Hintergrund, fast jeder möchte sie noch ein bisschen leiser haben – sehr sympathisch, ich mag nicht gegen Musik anreden müssen, und vermutlich wird hier mehr geredet als „geübt“. So zumindest lässt es der Artikel im Stadtmagazin erwarten, der mich hergelockt hat.

Helena Esprie, die 52-Jährige Kursleiterin, ist leider verhindert, erfahren wir jetzt. An ihrer Stelle werden uns Maya und Ingo (das kundige Paar) in die Kunst einführen, FAST richtige Profis, die seit Jahren miteinander Seilspiele praktizieren und zweimal im Monat in einschlägigen Clubs Performances geben. Maya beginnt mit einer einführenden Rede, erzählt von sich, von ihren Erfahrungen mit vielerlei Spielarten erotischen Tuns, die nicht so ganz dem Mainstream entsprechen. Es geht ihr darum, die Zuhörenden zu lockern, mögliche Unsicherheiten zu besänftigen, doch so, wie hier alle neugierig und interessiert zusehen, ist Schüchternheit eher nicht das Problem. Allenfalls die übliche, zögerliche Konsumhaltung: man erwartet einen professionellen „Input“ und dann klare Anweisungen, welche Art der Beteiligung gewünscht wird. Maya „lockert“ indes weiter, verliest uns eine minutenlange erotische Fantasie, eine Geschichte, die einzig davon handelt, was einer alles denkt, der seine Freundin erstmalig erfolgreich gefesselt hat und nun zu Taten schreiten will. Er denkt viel, sehr viel, und ich denk bei mir: das ist ein Fehler!

Wann werden wir endlich selber reden, miteinander ins Gespräch kommen? Es wirkt fast ein wenig absurd, alle sehen so aus, als würden sie gerne reden, aber niemand mag anfangen. Auch ich nicht, hab‘ ich doch gelernt, meine Löwennatur nicht mehr immer und überall in den Vordergrund zu drängen und das Wort zu ergreifen, wenn die anderen sich nicht trauen. Maya „droht“ schließlich mit einem Assoziationsspiel, was gottlob von einer der Frauen abgelehnt wird: „Ich bin besser im Erzählen, als in Assoziationsspielen“, sagt sie, und alle atmen erleichtert auf. Elke (ich nenne sie mal so) berichtet, dass sie auf Anregung ihres Freundes einige passive Erfahrungen gemacht hat und dabei feststellte, dass sie lieber selber aktiv sein möchte, selber fesseln! Dafür sucht sie nun Tipps und Tricks. Auch Andrea und Birgit wollen ihren Horizont erweitern, Andrea ist stark, kräftig, mächtig und immer aktiv, es reizt sie, die Macht abzugeben und einfach mal „machen zu lassen“. Birgit ist mit einer Hure befreundet, von der sie sich seit zwei Jahren Geschichten erzählen lässt, spannende Geschichten aus deren Berufsleben, doch jetzt will Birgit mal „selber was erleben“.

Andy, der junge Mann auf dem Stuhl rechts neben mir, hat seit vier Wochen eine neue Freundin, die ganz nebenbei erwähnt hat, dass sie „so was“ mag – und da sitzt er nun und will sich informieren, ganz auf die Schnelle, denn morgen schon wird sie wieder kommen. Auch Hermann, mein Sofa-Nachbar, hält nun seine Vorstellungsrede: „Wenn Fantasien da sind“, sagt er, „dann neigt man schon dazu, ihnen in der Beziehung auch mal Gestalt zu geben!“. Alle nicken. Und alle sind erstaunt, als er weiter erzählt, er habe ein einziges Mal, so ungefähr vor dreißig Jahren (!), seiner Frau ganz locker die Hände gefesselt. Das habe, für beide völlig unerwartet, eine Panik-Attacke zur Folge gehabt, weswegen es dann nie wieder zu derlei Experimenten gekommen sei. Und nun hätte er gerade zufällig vor diesem Laden gestanden, hätte die Workshop-Ankündigung gelesen, und da sei er nun!

Ich bewundere innerlich seinen Mut, mit 70+ hier so locker in der Runde zu sitzen. Auch in mir ist offensichtlich die diskriminierende Vorstellung lebendig, im vorgerückten Alter käme allenfalls noch das Gartenzwerge-Aufstellen in der Kleingartenkolonie als passendes Hobby in Betracht. Schön, dass es nicht so ist! Nach ihm bin ich selber dran, erzähle von den immer schon vorhanden gewesenen Fantasien, von den Spielen in der Kinderzeit, die mich auf mir unbekannte Weise erregt hatten; erzähle, dass es nicht möglich war, solche politisch unkorrekten Fantasien in den Beziehungen meiner ersten Lebenshälfte zu realisieren, da diese Beziehungen immer auch Machtkämpfe waren – unmöglich, mich da in eine physisch machtlose Situation einzulassen, Fantasien hin oder her. Und ich erzähle von meinem fernen Freund in B., der mich dazu inspiriert hat, mich für die Seilkünste zu interessieren – im Januar wird er mich besuchen. Bis dahin will ich nicht mehr ahnungslos sein.

Ein Hauch von Utopie…

Ach, es ist wunderbar, in dieser gemütlichen Runde zu sitzen und über erotische Träume und Aktivitäten zu reden wie über Kochrezepte und Yoga-Übungen! Warme, friedlich-fröhliche Gefühle sind im Raum, alle stehen zu sich und dem, was sie hierher geführt hat, jede und jeder ist auf je eigene Weise unterwegs zu neuen Ufern, will MEHR als das erotische Standardprogramm, ist bereit, Risiken einzugehen und sogar bereit, sich mit anderen, wildfremden Menschen darüber auszutauschen. Was für ein Unterschied zur „normalen Gesellschaft“, wo niemand je über das eigene praktische Liebesleben spricht, aber die Speise-Eis-Werbung in drastisch aufgeilender Bildersprache daher kommt. Wo man täglich mit unzähligen medial vermittelten erotischen Reizen konfrontiert wird, immer mit der Aufforderung verbunden, irgend etwas zu kaufen, was nichts, aber auch gar nichts mit Sex zu tun hat. Was würde aus dieser Kommerzwelt werden, wenn sich die Menschen einfach nähmen, was sie suchen? Ohne Umwege über nutzlose Produkte, einfach so, sich einander zuwendend???

Maya reicht jetzt Materialien herum – Tücher, Seile, gepolsterte und ungepolsterte Leder-Manschetten – und erzählt, was man alles damit anstellen könne. Sabine, die Ladeninhaberin, die „eher vom Tantra her kommt“ und erotische Massage-Wochenenden anbietet, verweist auf Federn, Handschuhe, Fell und Eiswürfel für neue Erfahrungen auf gelangweilter Haut. Dann beginnt endlich der praktische Teil: Ingo fesselt Maya! Sie ist klein und sehr schlank, trägt enge schwarze Jeans und einen entsprechenden Body – das orangene Seil, mit dem er sie kunstvoll verschnürt, sieht auf dem dunklen Stoff spitze aus. Die beiden erwähnen, dass in ihren Performances diese Seile schon mal im Schwarzlicht leuchten – hm, ich bekomme Lust, mir das mal anzugucken! Ob ich mich hintrauen werde? Es ist in Kreuzberg, meiner alten Heimat – na, mal sehen…

Danach sind wir dran. Wer mag, darf jetzt experimentieren, sich auf einen Stuhl fesseln lassen oder einfach Knoten üben – ich frag mich einen Moment, ob ich Hermann ermuntern soll, mir die Hände zu fesseln. Wer dreißig Jahre davon träumt, sollte vielleicht hier zum Zuge kommen – aber da steht schon Ingo vor mir. Er sieht aus wie ein Musketier, was Haare und Bart angeht, eine fast romantische Gestalt. Nichts dagegen, mich von ihm fesseln zu lassen! Ich schäle mich aus meinem Rock, unter dem ich eine dunkle, blickdichte Strumpfhose trage – detailliert erklärt er mir, was er macht: eine sehr einfach umzusetzende Seilführung mit diversen Knoten, einmal längs um mich herum, dann werden die Seilenden von hinten nach vorne und wieder zurück geführt. Am Ende sieht das auch an mir richtig toll aus – ich spüre die dicken Schnüre, doch meine Bewegungsfreiheit ist nur minimal eingeschränkt. Das Seil ist zu kurz für Weiterungen, es müsste ein zweites her – aber na ja, wir sind hier ja nur, um erste Anregungen zu bekommen.

Alle üben jetzt irgend etwas, Ingo vertieft sich in Anleitungen für einfache und kompliziertere Knoten – es hat jetzt was von einem Segel-Workshop. Maya steht in einer anderen Ecke und erzählt der Gastgeberin und Hermann, was es in Berlin für Clubs gibt und was dort im Einzelnen geboten wird, bzw. erlebt werden kann. Neuerdings hat sogar ein Restaurant eröffnet, in das man „im Outfit“ gehen kann. Nun ja, essen gehen ist nicht das, was ich in diesem Kontext suche!

Andy, der ja gleich morgen in die Praxis einsteigen will, fragt noch in die sich auflösende Runde, was mann eigentlich tun solle, wenn das Kunstwerk vollendet sei. Wer es gehört hat, muss lächeln: ist es nicht witzig, dass diesem gut aussehenden Twentysomething dazu nichts einfällt?

Versehen mit allerlei Infomaterial und Adressen strebe ich schließlich beschwingt in Richtung U-Bahn, fest entschlossen, Ingo und Maya wieder zu sehen, dann aber „voll in Action“. Es gibt sie also wirklich, ganz real und nicht nur im Internet: eine freizügige erotische Kultur, allein der Lust verpflichtet, voller Respekt und Achtung vor dem Anderen. Ich bin entzückt – und gewiss werde ich weiter forschen. Das Knoten-knüpfen übe ich aber besser erst mal allein daheim mit einem Buch.

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Claudia am 11. September 2003 — Kommentare deaktiviert für Sich veröffentlichen: Vom Schreiben und vom NICHT schreiben

Sich veröffentlichen: Vom Schreiben und vom NICHT schreiben

Ein Webtagebuch ist keine “technische Weiterentwicklung” eines traditionellen Tagebuchs. So manche fragend-kritisch hochgezogene Augenbraue (”Ach, du führst ein Tagebuch im Web??”) erklärt sich aus dieser schlichten Verwechslung: für die Schublade schreiben, womöglich noch in eines dieser “abschließbaren” Poesie-Alben-artigen Leerbücher, wie es viele zu Teeny-Zeiten praktizierten, ist etwas gänzlich Anderes, als sich mit persönlichen Texten einer unüberschaubaren Öffentlichkeit auszusetzen. Das gilt selbst dann, wenn im Einzelfall die Inhalte dieselben sein mögen: Im “geheimen Tagebuch” will sich der Schreibende verbergen, im Webtagebuch will ich mich zeigen.

Sich zeigen??

Wer vor den Zeiten der Ich-AG sozialisiert wurde, empfindet bei der Vorstellung, sich zu zeigen, einen gewissen Schauer von Sündhaftigkeit. Allerlei frühe Konditionierungen schlagen zu: Wer bin ich, dass ich von mir so ein “Aufhebens” machen sollte? Was habe ich schon zu sagen? Bescheidenheit, Zurückhaltung, Sich-nicht-vordrängeln, nicht “angeben”, das Persönliche hinter das Allgemeine zurück stellen – eine ganze Lawine von “Du-sollst” bzw. “Du-sollst-nicht”-Geboten purzelt aus den Schränken des Unbewussten und ergibt eine Gemengelage, deren Entwirrung sich viele lieber nicht zumuten. Der Exhibitionismus-Vorwurf droht, die Welt der Massenmedien, die ja “für die Allgemeinheit” bzw. große Zielgruppen gemacht werden, tradiert beiläufig eine Art gesellschaftliches Tabu gegenüber dem Persönlichen: Erst mal zehn erfolgreiche Romane schreiben, dann darf der Autor auch eine Autobiografie wagen! Oder Außenminister werden, und dann über den “Langen Lauf zu mir selbst” berichten.. Als veröffentlichungswürdig gilt nur das möglichst objektive Allgemeine, bzw. Verallgemeinerbare, aber weil es so schön Quote bringt, Tabus auch wieder zu brechen, werden Menschen andrerseits dazu benutzt, ihr möglichst exotisches Intimleben in unsäglichen Talkshows zum Besten zu geben. Nicht gerade förderlich, um ein entspanntes Verhältnis zum “Sich-Veröffentlichen” zu gewinnen!

Eines der ersten Webtagebücher, das ich zu Gesicht bekam, war untertitelt mit dem Satz “Diese Seite dient allein der eitlen Selbstdarstellung – was sonst?” Die Autorin hatte die “Rezeptionsproblematik” voll erkannt und sich entschlossen, den Stier mutig bei den Hörnern zu packen. Sie zeigte möglichen Kritikern lächelnd den Stinkefinger und schrieb, was sie schreiben wollte – natürlich nicht nur “eitle Selbstdarstellung”. Sie schrieb über alles, was sie beeindruckte und zum Ausdruck drängte, und war damit vielen Ermunterung und Beispiel, es ihr nachzutun.

Die Frage “Was soll ich schreiben?” ist damit im Grunde beantwortet: Wir bringen das, was uns beeindruckt, zum Ausdruck. Bereits die Eindrücke – seien es Sinneswahrnehmungen, Alltagserlebnisse, Medien-Inhalte oder Beobachtungen im Rahmen einer Introspektion – sind ganz persönlich, individuell völlig unterschiedlich. Der Schnee, der vom Himmel fällt, ist nicht für jede und jeden gleich kalt. Vom Liebsten verlassen zu werden oder eine Arbeit zu verlieren, berührt jedes Individuum anders – und das ist interessant! Indem wir uns zu lesen geben, wie wir die Eindrücke verarbeiten, was wir mit den Beglückungen und Katastrophen anfangen, die von allen Seiten täglich über uns herein stürzen, zeigen wir uns gegenseitig echte Alternativen auf. Egal, ob es sich um Großereignisse oder “Banalitäten” handelt: Wenn ich beschreibe, wie es mir damit ergeht, und zwar ohne bewusste Schönung oder sonstige Verfälschung, gibt es immer jemanden, der verwundert denkt: Ach, so geht das also auch, so kann das auch erlebt werden!

“Von sich schreiben” ist im besten Fall zweckfrei, aber deshalb nicht nutzlos. Jedes “andere Erleben”, das mir glaubwürdig und echt erscheint, obwohl es nicht das meine ist, erweitert den Raum dessen, was ich “für möglich halte” – und damit den Raum meiner Freiheit. Das je Eigene zum Ausdruck bringen ist also eine natürliche, lebensfreundliche, sowohl den Schreibenden als auch den Lesenden dienende Aktivität. Wer dazu Lust hat, ist gut beraten, die oben genannten “moralischen Vorhaltungen” locker zu ignorieren – sie treffen einfach nicht den Punkt.

Die Freiheit, NICHT zu schreiben

Wenn ich von mir schreibe, schreibe ich die Wahrheit – MEINE Wahrheit, soweit ich sie in diesem Moment erkennen bzw. überblicken kann. Manchmal ist völlig klar, über was ich schreiben werde, wenn ich mir die Zeit dafür nehme: etwas hat mich so beeindruckt, dass alle anderen Themen nicht in Frage kommen. Oft ist es auch so, dass ich mich hinsetze und warte, in mich hinein lausche und dabei regelrecht beobachten kann, wie mehrere Themen miteinander “konkurrieren” – das sitze ich dann aus, bis sich ein Inhalt erfolgreich durchgesetzt hat und ich mit dem ersten Absatz beginnen kann.

Diese Haltung zum Inhalt, der sich ausdrücken will, ist passiv, ist eher ein “Hören” als ein “Machen”. Es klappt nur, wenn ich mich unter keinerlei Druck gesetzt fühle, weder von außen, noch von einem selbst geschaffenen “Du sollst”. Es war immer gut für mich, mir in jedem Moment bewusst zu sein, dass ich auf meiner Website Königin bin: Was ich nicht zeigen will, kommt da auch nicht hin. Nichts und niemand auf dieser Welt zwingt mich, von dieser Haltung auch nur einen Millimeter abzurücken, gar wegen ihr Schuldgefühle zu empfinden! Ja, sie ist mir Voraussetzung, mich immer weiter vorzuwagen zu Themen, die bisher vielleicht “unschreibbar” wirkten, zumindest in einem öffentlichen Webdiary. Eindrücke drängen zum Ausdruck – das ist “Druck” genug!

Wenn ich zum Beispiel befürchten muss, dass etwas, das ich gerne schreiben würde, eine nahe stehende Person verletzt, dann lasse ich es. Oder wenn mich Bedenken überfallen, dass mein Auftraggeber X. bei der kirchlichen Einrichtung XY das jetzt mitlesen könnte und mich vielleicht nie wieder beauftragen wird, dann lasse ich es auch. Es bringt mir und auch niemand Anderem etwas, wenn ich mich da zugunsten einer “Offenheit” vergewaltige, die nicht WIRKLICH Tatsache ist! Die ich nicht tatsächlich spüre als vollständige Gelassenheit in Bezug auf das “Befürchtete”, sondern die ich mir sozusagen “verordne” – etwa, weil das meiner Bewusstheit und Selbsterkenntnis dienlich sei. Es ist gut, immer zu wissen, dass ich zu meiner Freude schreibe, nicht um mich unter einen “spirituellen Entwicklungsstress” zu setzen. Es genügt, wenn ich hinsehe, wenn ich zusehe, wie die Inhalte sich entfalten wollen und WARUM es an manchen Stellen hakt – dann ent-wickelt sich alles von selbst.

Es wird zum Beispiel dahin kommen, dass ich mich von der Person, die mich in Bezug auf gewisse Themen “im Ausdruck behindert” soweit entferne, dass keine Verletzungen mehr drohen. Oder ich entwickle eine andere Art, mein ökonomisches Überleben zu sichern, das mich weniger abhängig von einzelnen Auftraggebern macht. Die Impulse WIRKEN ja im Leben weiter, auch wenn ich nicht alles schreibe, weil ich dafür noch nicht frei genug bin. Bewusstheit und Selbsterkenntnis gewinne ich, indem ich all das bemerke und beobachte – und Schreiben ist ein wunderbares Mittel, da immer am Ball zu bleiben. Wenn ich FÜHLE, wie sich etwas ausdrücken will, was ich aber leider nicht “raus lassen” kann, aus welchen Gründen auch immer, dann versetzt mich das in Bewegung: wie ein Bach, der sich an einem Hindernis staut, wird der (immanente, nicht äußere!) Druck irgendwann so groß, dass ich in meinem Leben etwas verändere.

Deshalb: Auch “nicht schreiben” ist nützlich – aber nur für den, der “normalerweise” alles schreibt und auch veröffentlicht.

***

Da heute der 11.September ist, las ich mal wieder meinen ersten Diary-Eintrag nach dem Ereignis – tagelang war ich verstummt, beobachtete in mir teils erschreckend abgründige Gefühle, schnell wechselnde Meinungen, verstörende Empfindungen. Anders als sonst wusste ich, dass ich dem Thema nicht einfach ausweichen können würde. Doch während sich aller Orten die Leute mittels “spontaner Statements” in regelrechte “Flame-Wars” verstrickten, Foren schlossen, Freundschaften zerbrachen und Stockhausen ein Engagement verlor, weil er den Anschlag “Kunst” genannt hatte, schrieb ich keine Zeile. Ich wartete ab, bis ich etwas ruhiger geworden war, setzte mich dann hin und ließ heraus, was ‘raus wollte – auch die verstörenden Gefühle, mein “Gefallen” an der Katastrophe. Ich vertiefte mich solange in den “Abgrund”, bis ich durch den Boden desselben in sein Gegenteil fiel – alles zusammen konnte ich dann schreiben und rundum dazu stehen.

* Digital Diary, 18.09.01: Vom Glück mitten im Grauen

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Claudia am 29. August 2003 — Kommentare deaktiviert für Gefühle, Gedanken – und GLÜCK

Gefühle, Gedanken – und GLÜCK

Haben Gefühle einen Grund? Üblicherweise glauben wir das, sind so fest davon überzeugt, dass die Frage niemals aufkommt und wir immer nur in der Betrachtung möglicher Gründe kreisen: Ich ärgere mich – woran liegt das? Wer ist schuld? Ist es der Andere, der mich da gerade nervt, oder bin ich es selbst in meiner ganzen Daseinsgefräßigkeit ? Ist mein Gefühl berechtigt oder anmaßend? Was sagt es über mich aus, dass ich in dieser oder jener Situation ausgerechnet dieses Gefühl habe?

Welchen Sinn haben solche Überlegungen? Ich kenne zwei große Gründe, sich in derlei Spekulationen zu vertiefen, um das Gefühl denkend zu be-greifen: die Suche nach Macht und die Suche nach Wahrheit. Im Dienste der Macht will ich den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang verstehen, um bei nächster Gelegenheit etwas „anders zu machen“, die Dinge anders zu betrachten, mich anders zu verhalten, um etwa ein „übles Gefühl“ gar nicht mehr aufkommen zu lassen. Im Dienste der Wahrheit geht es einzig darum, „zu sehen, was ist“, ohne Rücksicht auf die eigene Person. Die Macht, das eigene Leben in den Griff zu bekommen, und die Wahrheit „jenseits des Ich“ werden als oberste Werte dabei nicht weiter hinterfragt. Sie sind Dreh- und Angelpunkte, um die alles andere kreist.

Aber zurück zur Frage: haben Gefühle Gründe? Und wenn, können wir sie erkennen, in Worten dingfest machen, sie erklären? Wenn ich einen Nagel in die Wand schlagen will, nehm‘ ich mir den Hammer, also ein Werkzeug, das die Aufgabe, um die es geht, auch zustande bringen kann. Ist das Denken ein solches Werkzeug, um damit Gefühle zu erklären? Können Gefühle überhaupt „erklärt“ werden – und bringt diese Erklärung das Gesuchte: Macht oder Wahrheit?

Finden oder erfinden?

Jemand rempelt mich auf der Straße an: augenblicklich kocht ein Schwall aus Wut und Ärger hoch. Ich könnte, wäre ich nicht zivilisatorisch gehemmt, sofort zuschlagen. Klare Sache, oder? Doch ein andermal schaue ich nur kurz auf, bemerke, dass mich da jemand in seiner weltvergessenen Beschäftigtheit zufällig touchiert hat, und gehe weiter meinen Gedanken und Beobachtungen nach. Gänzlich unberührt. Doch damit nicht genug: An einem anderen Tag, als mich wieder einmal jemand fast umrennt, sehe ich mir den Anderen an, gewahre seine Eile, seine Gehetztheit, sein Ausgeliefert-Sein an Dinge, die nicht aus ihm selber kommen – und fühle mit, empfinde Liebe, Wärme und Traurigkeit, weil ich ihm nicht helfen kann.

In jedem einzelnen der beschriebenen Fälle lassen sich Gründe für die jeweilige Gefühlsreaktion (er-)finden, sogar mehr als genug. Es ist eine Eigenschaft des menschlichen Geistes, in allem über kurz oder lang Ordnungen und Gesetze zu erkennen, selbst im größten Chaos. Ob aber die gefundenen Erklärungen „stimmen“, dafür gibt es KEINE Beweismöglichkeit – Gefühle sind etwas völlig anderes als Gedanken, sie lassen sich nicht auf Gedanken zurück führen. (Das ist so absurd wie gewisse Bildinterpretationen: Was will uns der Künstler damit sagen? Hätte er etwas SAGEN wollen, hätte er geschrieben, nicht gemalt.)

Vernetzte Impulse

Haben Gefühle also KEINE Gründe? Stehen sie völlig isoliert in der Welt wie Meteore aus unbekanntem Gestein von fernen Galaxien? Das nicht. Natürlich haben Gefühle Ursachen, und zwar jede Menge! Diese Ursachen reichen vom Mückenstich, der mich gerade belästigt, über Charaktereigenschaften, die mir eigen sind, bis hin zu allgemeinen, nur abstrakt formulierbaren Gegebenheiten der Welt, in der ich lebe, vom Klima bis zum Kapitalismus.

Ein Gefühl, wenn ich es schon in Worte fassen soll, ist für mich vergleichbar dem, was man sieht, wenn in einem bildgebenden Verfahren ein „aktiviertes Hirnareal“ sichtbar gemacht wird. Vernetzte Impulse, ein Energieschub bringt allerlei Drähte zum Glühen, und zwar quer durch verschiedene Seinsdimensionen. Der Impuls breitet sich aus, verzweigt sich vielfach, gibt Anstöße und erzeugt Reaktionen – dann beruhigt sich alles wieder und schon gleich geht es anderswo los.

Die „Drähte“, ihre Kontakte und Verzweigungen, also die Kommunikationswege in diesem Bild, sind immer sowohl Grund als auch Wirkung – und alles ist organisch gewachsen, nicht etwa nach einem Plan vorab entworfen oder entstanden, der uns Orientierung ermöglichen würde, könnten wir ihn nur endlich erkennen. Dennoch kann ich einzelne „Drähte“ und Kontakte ansehen, und sehe immer „einen Grund“, bzw. „eine Wirkung“. Diese zu verabsolutieren wäre allerdings völliger Unsinn. Sie gänzlich zu negieren ebenso.

In dem, was ich gerade betrachte, gibt es selbstredend keine scharfe Kante zwischen INNEN und AUSSEN, zwischen „ich“ und „Welt“ – das macht die Sache für den Zugriff des Verstandes noch einmal un-begreiflicher. Denn dieser braucht die scharfe Scheidung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten, sonst gibt er den Löffel ab und zeigt den Blue Screen, ganz wie Windows nach dem Absturz.

..ein bisschen erkennen, ein bisschen leben..

Was folgt aus alledem? Wie steht es mit der „Macht“ und mit der „Wahrheit“? Komme ich diesen Zielen näher, indem ich über mögliche Ursachen von Gefühlen grüble und versuche, ein möglichst großes Stück der jeweiligen Zusammenhänge in den Blick zu bekommen? (Wohl wissend, das ich das Ganze nicht erkennen kann, denn „ich“ gehöre ja dazu, bin auf unabgrenzbare Weise überall hinein verwoben.)

Man könnte denken: Absolut gesehen bringt es nichts, aber „ein Stück weit“ kann man sich doch annähern: Je mehr ich überblicke und interpretieren kann, desto besser kann ich navigieren, kann mir meine Welt zu eigen machen. Und je mehr ich sehe, desto näher bin ich der „Wahrheit“, wenn ich dort auch (denkend…) niemals ankomme.

Ungefähr so hab‘ ich jahrelang gelebt und gedacht. Glaubte, das sei alles, was zu erreichen, zu erkennen, zu erleben sei. Jetzt aber bemerke ich eine grundstürzende Veränderung – und zwar eine, die sich über das Erleben von GLÜCK ins Bewusstsein drängt, nicht über Leiden, wie alles bisherige. Ein Glück, das ich fortlaufend in mir spüre, ohne dass es einen definierbaren Grund hätte – insofern ist das, was ich hier hinschreibe, natürlich auch nur wieder eine denkende Spekulation.

Macht und Wahrheit

Ich grüble nicht mehr über Gründe, sondern ich generiere Glück. Wenn es unübersichtlich viele Zusammenhänge zwischen allem und jedem gibt, wenn es eine Eigenschaft meines Denkens ist, Ordnungen im Chaos zu sehen, dann kann ich diese ebenso gut selbst auswählen und setzen. Kann selbst den Dingen DIE Bedeutung zuordnen, die aus meiner Gesamtsicht, aus meinem gesamten Erleben jetzt das Glück vermehrt und nicht das Leid. Nicht nur „mein Glück“ oder „dein Glück“ – aber auch!

„Jetzt“ ist das Stichwort: Die ZEIT verunmöglicht es grundsätzlich, mittels spekulierendem Denken zu wirklicher Macht, zur ganzen Wahrheit, oder gar zum Glück zu kommen. Im oben beschriebenen Beispiel aus dem Alltag wird ja klar: Alle drei Möglichkeiten der Gefühlsresonanz kann ich erleben, mal bin ich SO, dann wieder ganz anders. Was also könnte ich aus einer einzelnen Reaktion Sinnvolles folgern? Alle drei Varianten legen eine andere Antwort nahe auf die Frage „Was kann ich tun?“ und/oder auf die Frage „wer bin ich?“. Wenn ich eine dieser Antworten ergreife, ihr Wahrheit und Bedeutung zugestehe, mich also damit identifiziere, dann zahle ich auch den entsprechenden Preis! Ich schränke mich selber ein, indem ich begrenzte Vorstellungen von mir hege, die wiederum Folgen für mein Verhalten und meine Selbstwertschätzung haben.

Mit Staunen bemerke ich, was ich alles schon über mich glaubte! Da wirken Gedanken fort, deren Ursachen und Kontexte, in denen sie einmal entstanden sind, seit zwanzig, dreißig Jahren keinerlei Bedeutung mehr haben. Ja, die ich manchmal sogar gänzlich vergessen habe – aber DAMALS hatte ich eine zum aktuellen Geschehen passende Antwort auf die Frage „Wer/wie bin ich?“ gegeben – und das Verhalten, das Denken und Fühlen, das sich daraus (logisch-folgerichtig) entwickelte, hängt mir noch heute um die Seele wie der sprichwörtliche „Muff von 1000 Jahren“!

Dies alles rück-abzuwickeln ist müßig, bringt vielleicht allerlei interessante Einsichten, aber keine Veränderung. Was die Frage nach der Macht angeht, führt das Analysieren, Folgern und Planen zu einem „Leben vom grünen Tisch“ des Verstandes aus. Ich lebe dann nicht mehr aus dem Jetzt, sondern im Blick auf meinen Plan von der Zukunft, von einem besseren Verhalten und daraus sich vielleicht einmal ergebenden besseren Leben. So richtig „Leben“ ist das aber nicht, nur ein grauer, krampfiger Versuch, sich mangels Alternative irgendwie durchzuwursteln.

Was die Wahrheitsfindung angeht, führt die forcierte Selbstbespiegelung zwangsläufig irgendwann in die desolate Situation des Tausendfüßlers, der sich zu fragen beginnt, wie er das Laufen eigentlich bewerkstelligt. Die Bauchlandung ist programmiert: da liegt er nun auf dem Boden, kann nicht mehr gehen, nicht mehr leben, nicht mehr blühen und das Glück des Daseins fühlen, glaubt sich aber auf dem Grund aller Dinge angekommen: seine „Wahrheit“ hat ihn kalt erwischt!
Glück!

Der Knoten des „ergründen-wollenden Denkens“ ist nicht „in der Zeit“ zu entwirren, sondern nur im Augenblick zu durchschlagen. Ich bin NICHT Ergebnis und Opfer meiner Vergangenheit oder irgendwelcher „Verhältnisse“ – ich bin Opfer meines Denkens darüber, was das alles „zu bedeuten hat“ und was daraus folgt.

Das zu erkennen – und sich immer wieder daran zu erinnern, wenn eigene oder fremde Deutungen „zuschlagen – macht nicht nur frei von jeder Menge leidvoller Altlasten, sondern eröffnet auch die bis dahin ungekannte, weil nicht „für möglich gehaltene“ Möglichkeit, SELBST zu deuten, selbst Bedeutung (und damit Wirk-lichkeit) zu erschaffen und als ureigenen Beitrag in die Welt zu entlassen. Nicht mehr stets nur am „Bestehenden“ leiden, die Welt und mich selbst in Grund und Boden kritisieren, rechthaberisch im Elend kreisen – sondern etwas erschaffen: aus Liebe, Freude und Lust.

In diesem Diary und anderswo sprach ich oft davon, dass ich nicht viel grüble, sondern meistens „den Impulsen folge“. Jetzt erlebe ich, dass ich nicht nur Impulsen folgen, sondern sie auch GEBEN kann – sie setzen, aus mir selbst erschaffen.
Einmal angefangen, werd‘ ich gewiss nicht wieder damit aufhören. Es bringt riesengroße Freude, ist immer neu und abenteuerlich – ja, es macht einfach glücklich!

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Claudia am 18. Juni 2003 — Kommentare deaktiviert für Weiblich und männlich – Alles und Nichts

Weiblich und männlich – Alles und Nichts

Wenn die Schubladen verschwinden:

Wenn die Bäume sich im Getöse der „orkanartigen Bö“ ungewohnt weit zur Seite neigen, wenn der Sturm mit Knall und Geschepper Gegenstände von den Baugerüsten reißt, Staubwolken, Pappe, Blätter und herab gestürzte Äste durch die Straßen treibt, wenn der Himmel sich verdunkelt, Blitze durch die Wolken zucken, und in den Sekunden danach sich die Zeit in Erwartung des Donnergrollens regelrecht zu dehnen scheint: wenn dann manche einfach vor den Kneipen sitzen bleiben und interessiert zusehen, als liefe ein Naturfilm im Fernsehen, bis der knapp vor den eigenen Füßen zerschellende Blumenkübel aus dem 4.Stock doch aufmerken lässt – ja, dann fühl‘ ich mich seltsam glücklich!

Jetzt scheint die Sonne, nur ein paar sanfte Schönwetterwolken segeln am Horizont daher. Ein vermutlich gemeinnütziger Arbeiter gießt den frisch eingesähten Rasen rund um das neue Schachspielfeld auf dem Rudolfplatz – am kollektiven Freizeitpark wird weiter gebaut, auch in Zeiten dramatisch leerer Kassen. Schach hab ich auch mal gespielt, fällt mir da ein, Anfang 20, Regionalliga Hessen Süd: Sonntags vier bis fünf Stunden gezittert, geschwankt zwischen einer Art Mordlust und der Angst, zu verlieren, mich zu blamieren, wo sie – alles Männer! – doch sowieso dazu neigten, mich erst mal für die Bedienung zu halten. Schweißausbrüche, extreme Spannung, heiße und kalte Schauer über den Rücken, wenn der Gegner endlich den falschen Zug machte. Die Aufregung versetzte den Körper in gänzlich unbekannte Alarmzustände – ohhhhhhh, der Adrenalinrausch hatte mich fest im Griff, während Freund und Feind des eigenen und gegnerischen Vereins ums Brett herum standen und kibitzten, wie „das Mädel sich wohl schlägt“, dabei mit entsprechenden Bemerkungen nicht sparend. Als dann in allen Vereinen endlich klar war: neben der 70jährigen Frau J. gibt’s jetzt NOCH EINE FRAU, die auch nicht schlecht spielt, war dann aber bald die Luft raus. Schach war mir nur Mittel bzw. Waffe gewesen, nicht Selbstzweck. Ohne es mir ganz bewusst zu machen, kämpfte ich darum, als Frau „ernst genommen“ zu werden, und das konnte nur geschehen, indem ich die Herren der Schöpfung in ihren traditionell angestammten Domänen aufsuchte, heraus forderte und – wenn immer möglich – auch besiegte.

Kämpfen, siegen oder verlieren: meine Liebesbeziehungen waren lange Zeit Arenen einer fortlaufenden Auseinandersetzung über alles und jedes. Für Männer mit einer starken oder gar übermächtigen Mutter war ich die Richtige, um ihren eigenen Kampf weiter zu führen – so hatten beide Seiten, was sie brauchten. Nur schade, dass diese Phase so lange dauern musste! Bis Mitte dreißig währte mein ganz persönlicher Beziehungskrieg mit wechselnden Gegnern, dann hatte ich endlich geschnallt, dass das „Siegen“ gleichzeitig ein Verlieren ist. Ich hatte „meinen Mann gestanden“, um als Frau geliebt zu werden, wie absurd!

Genießen statt bekämpfen

Da ich mich nun lange schon blendend „verwirkliche“, ohne dass mir einer aufgrund seines Mann-Seins noch irgend eine Butter vom Brot nehmen könnte, kann ich’s mir mittlerweile leisten, das andere Geschlecht einfach nur zu genießen. Und zwar gerade in seiner Andersartigkeit: wenn es ums Erotische geht, liebt mein weiblicher Aspekt das Männliche im Mann. Die Polarität generiert Spannung und schlägt Funken, nicht die Gleichheit. „Als Frau“ will ich nicht diskutieren, sondern fasziniert, erobert, erkannt werden. Die erotische Ebene ist ja zum Glück KEIN Unternehmen, nicht mal ein Familienbetrieb: nicht aus dem Verstand zu gestalten und zu „bespielen“, sondern aus Gefühl und Intuition.

Gelegentlich ecke ich mit solchen Äußerungen an. Zum Beispiel wehren sich viele Frauen dagegen, bestimmte Eigenschaften dem einen oder anderen Geschlecht zuzuschreiben. Ihre feministische Seite fühlt sich verletzt, wenn ich „althergebrachte“ Zuordnungen benutze, etwa Sanftheit, Weichheit, Launenhaftigkeit dem Weiblichen zuordne. Natürlich haben sie auf eine Weise recht: auch in Männern leben diese Eigenschaften, genau wie mir – physisch und im Ausweis ohne Zweifel weiblich – auch Härte, Durchsetzungsvermögen und Konsequenz zu Gebote stehen. Wir sind eben potenziell ALLES, und gerade dieses Wissen sollte uns in die Lage versetzen, das Spiel mit den Unterschieden, die nichts als unterschiedliche, manchmal jahrtausende-alte Schwerpunktsetzungen und Ausprägungen sind, zu genießen. Die Eigenschaften, die sich jeweils nach außen zeigen, sind ja nicht etwa die einzig vorhandenen, sondern finden ihre Entsprechung, ihren Gegenpart im Inneren – UND im Anderen, im andersgeschlechtlichen Gegenüber. Wie wunderbar!

Das Selbst nicht definieren

Dass es als wunderbar erlebt werden kann, setzt allerdings ein Selbstverständnis, ein Selbst-BEWUSSTSEIN voraus, das von Definitionen völlig absieht. Wenn ich auf die Frage „Wer bin ich?“ einfach nur mit „weiblich“ antworte und es damit bewenden lasse, dann habe ich ein Problem. Dann muss „frau“ tatsächlich GLEICH sein, muss in jeder Hinsicht ebenso geartet sein wie Mann, denn nur so lässt sich Gleich-Berechtigung rational begründen – und diese ist unverzichtbar, schließlich geht es im Leben nicht nur um Liebe und Erotik, sondern auch um die weltliche Macht.

Tatsache ist aber: ich bin nicht „nur“ weiblich. Es gibt auch meinen männlichen Aspekt, der ist sogar recht ausgeprägt. Ein anderer Teil bleibt immer und ewig Kind, „zuständig“ für eine ganze Welt aus Spaß, Freude und Spontaneität, die allen verloren geht, die dieses innere Kind einkerkern und es nicht mal kennen wollen. All diese Aspekte können mal im Vordergrund stehen, mal sind sie eher versteckt – und alle können Beziehungen dominieren: meine männliche Seite kann in Beziehung zu einem Mann stehen, der vor allem seine weibliche Seite nach außen lebt – in der Regel wird das aber keine sexuelle Beziehung sein, denn dafür muss (zumindest bisher), meine „innere Frau“ sich angesprochen fühlen. Um meine Rechte, um das nicht zu vergessen, kümmere ich mich nicht „als Frau“, sondern als Bürgerin, die sich gegen jede Diskriminierung ganz selbstverständlich zur Wehr setzt, öffentlich und wenn’s sein muß auch ganz privat – wobei mir langsam die Diskriminierung „wegen Alter“ brisanter erscheint als die „als Frau“. (Nicht hauptsächlich Frauen werden entlassen bzw. früh verrentet, sondern tendenziell alle über 50!)

Frau, Mann, Kind, nicht zu vergessen die/der ALTE WEISE, ein Aspekt, der in späten Lebensjahren nach außen tritt, aber in gewisser Weise immer schon da ist: ich bin sie alle, aber damit ist noch lange nicht ALLES genannt. Es ist unmöglich, „alles“ aufzuzählen und betrachtend vor sich hin zu stellen, weil wir es eben SIND.

Zu mystisch?? Dann denk mal an dein Lieblingstier. Ist es ein Hund? Oder magst du Katzen besonders gern? Schwingst dich vielleicht gar mit den Raubvögeln in die Lüfte? WARUM glaubst du, liebst du dieses Tier so? Ist es nicht einem Teil von dir unglaublich nah? Dieser Teil WEISS, wie und was dieses Tier ist, es fühlt mit ihm, kann seine Sprache, sein Verhalten in jedem Augenblick verstehen – warum?

Ich weiß nicht, wie du diese Frage beantwortest, ob du dem überhaupt je nachgespürt hast. Spätestens, wenn wir im Zoo den Affen ein Weilchen zusehen, ergreift dich vielleicht auch das Bewusstsein, das ich hier meine: DAS sind wir AUCH!

Hetero – und sonst gar nichts?

All die Seinsaspekte, die ich so schon als Aspekte des „Ich bin….“ kennen gelernt habe, sind nun üblicherweise auch schon gleich wieder „zu Tode definiert“. Zum Beispiel: Ich bin Frau – und hetero-sexuell. Ehrlich gesagt hab ich diese Überzeugung nicht selbst entwickelt. In meinem Umfeld schien es „normal“, hetero zu sein, also war ich es auch. Kam gar nicht erst auf die Idee, Frauen als erotische Wesen anzusehen – ich meine damit nicht „für möglich zu halten“, sondern wirklich persönlich HINZUSEHEN: ihr Lächeln, ihre Haare, ihre Figur… Weil ich immer nur Männer aus diesem erotischen Blickwinkel betrachtete, hatte ich natürlich nie eine gleichgeschlechtliche Beziehung und war umso überzeugter: ich bin heterosexuell, und zwar ausschließlich.

Wer jetzt glaubt, ich hätte gerade die Frau meines Lebens getroffen und fühlte mich deshalb genötigt, meine Lebensphilosophie umzuschreiben, irrt. Es verhält sich eher anders herum: umstellt von Definitionen und Vorgaben, wie man/frau zu sein und zu leben, zu empfinden und zu denken habe, bleibt irgendwann nichts anderes mehr übrig, als all das nicht mehr zu glauben. Sämtliche Konkretisierungen, die auf „Ich bin…“ folgen, sind mir suspekt geworden. Allesamt stehen sie zur Überprüfung an, sind keinesfalls mehr in Stein gemeißelt, sondern geben sich als bloße Programme zu erkennen. Programme, die dazu neigen, den Arbeitspeicher zu verstopfen, auch dann, wenn ich sie gerade nicht benötige.

Seit ich in diesem Sinne nichts mehr glaube, wird auch die Welt, in der ich lebe, zunehmend „undefiniert“. Ich erkenne und ERLEBE, dass die Selbstdefinitionen meine Erfahrung erzeugt, geformt und ausgestaltet haben – sobald ich an der jeweiligen Definition nicht mehr klebe, sie gar in Frage stelle (also beobachtend frage: Ist das wirklich so? NUR so?), eröffnet sich mir auch „der ganze große Rest“ als eigene Möglichkeit: Auch DAS bin ich, bzw. kann ich sein – wenn ich es wähle, ihm Aufmerksamkeit schenke, meine Energie in die neue Richtung lenke.

Himmel noch mal! So hier hingeschrieben hört sich das wunderbar an und das ist es auch. Allerdings fühl ich mich angesichts der vielen Möglichkeiten und Potenziale, die sich mir plötzlich zeigen und immer noch weiter zunehmen, zeitweise etwas desorientiert: Wenn ich so vieles SEIN kann und tatsächlich auch erleben – was WILL ich denn eigentlich? Es ist vergleichsweise leicht, in einer Welt der Schubladen und „Gegebenheiten“ gegen Widerstände zu kämpfen. Kein Problem, sich irgendwie „bei den Guten“ zu fühlen oder den Weg des geringsten Widerstands zu einem ganz bestimmten persönlichen Ziel zu finden. Was aber, wenn „gut“ und „böse“ mitsamt der „Persönlichkeit“ sich im Nebel des Alles & Nichts auflösen? Will ich Heilige oder Hure, Unternehmerin oder Künstlerin, Initiatorin sozialer Netze oder Seelen-Coach für Einzelne sein – oder vielleicht doch lieber ganz „Schreibende“?

Oh, was für Fragen! Überlegen lächelnd rufe ich mir zu: Hey, das ist ein Scheinproblem! Dein Kopf macht sich wieder mal allzu selbständig, die Dinge ergeben sich, wenn es so weit ist, ganz von selbst. Jeder Tag hat seine Erfordernisse. Folge einfach den Impulsen, gib dein Bestes. Iss, wenn du hungrig bist, verteile Wasser, wenn jemand Durst hat und vergiss das sprichwörtliche Holzhacken nicht!

Klar doch. Das sag ich mir dauernd. Was auch sonst. Wenn sich etwas Neues ergeben sollte, gibt’s dann die Fortsetzung. Das Diary lass ich jedenfalls nicht im Nebel verschwinden.

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