Wann wird Merz endlich konsequent sein und eine Mauer um Deutschland herum fordern? Diese müsste allerdings streng bewacht und mit Bewegungssensoren und Alarmanlagen ausgerüstet werden, um halbwegs effektiv zu sein – ganz ebenso wie einst DIE MAUER, die Deutschland geteilt und viele Leben gekostet hat. Denn was hindert Ankömmlinge, die unbefestigten grünen Grenzen zu nutzen, wenn nur an ein paar Hauptstraßen „zurückgewiesen“ wird?
Was für Folgen es hat, wenn man in diese Richtung geht, kann man anhand der polnischen Grenze zu Belarus besichtigen: 50 Kilometer lange LKW-Staus, bis 7 Tage Wartezeiten, massive Pleiten und Entlassungen im grenznahen Bereich. Erik Marquart, Grüner Abgeordneter im EU-Parlament, sagt dazu, Polen mache an der belarussischen Grenze genau das, was Merz an der deutsch-polnischen Grenze wolle. „Es führt nur nicht dazu, dass weniger Menschen kommen.“ (Siehe auch: Statistik Asylbewerber in Polen im Zeitraum Juni 2023 bis Juni 2024 , wobei viele dort vermutlich gar nicht erst Asyl beantragen).
Mehrere hundert Übertrittsversuche pro Tag werden gezählt, 20.000 in diesem Jahr, das sind deutlich mehr als 2023. Offiziell haben auch diese Flüchtlinge das Recht, in Polen Asyl zu verlangen, jedoch sieht die Realität der Grenzschützer anders aus: Illegale Pushbacks, zunehmende Gewalt – auch von Seiten (vermeintlicher) Flüchtlinge, die von russischer Seite absichtsvoll an die Grenze verbracht werden. Es ist mittlerweile eine hoch gerüstetete EU-Außengrenze, an der das EU-Asylrecht nicht mehr beachtet wird, auch wenn das offiziell niemand zugibt. (Schaut euch mal diesen eindrücklichen Bericht von der Grenze an!). Mittlerweile gibt es dort auch schon eine zwei Kilometer breite „Sperrzone“, die niemand ohne Genehmigung betreten darf.
Aus „Festung Europa“ eine „Festung Deutschland“ machen?
Was an den Außengrenzen der EU schon nicht wirklich effektiv funktioniert, wollen das Merz, Söder, Lindner u.a. allen Ernstes auch an den Grenzen zu unseren vielen Nachbarländern sehen? Migrationsrouten verändern sich schnell, Schlepper passen ihre Vorgehensweisen zügig an die jeweiligen Gegebenheiten an – man müsste Deutschland doch zu einer richtigen Festung machen, um dem rein physisch und zur Not mit Gewalt zu begegnen. Wer will das wirklich? Und wer das jetzt mal so locker bejaht: Denken diejenigen auch an die immensen Kosten, den Personalbedarf, die wirtschaftlichen Folgen und die Einschränkungen der eigenen Bewegungsfreiheit, die das am Ende auch bedeuten würde?
Ich male das alles so deutlich aus, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass irgend jemand ernsthaft eine solche Mauer um Deutschland haben will, nicht mal Merz. Deshalb halte ich das Bestehen auf „Zurückweisungen an der Grenze“ für reines Wahlkampfgetöse, absurde Symbolpolitik, abseits realistischer Chancen auf Eindämmung der Einreisen.
Wer auf Gesetze verweist, wird zum Hassobjekt
Bei alledem hab‘ ich die rechtliche Situation noch gar nicht erwähnt, nach der es nun mal ungemein kompliziert und wenig aussichtsreich ist, Flüchtlinge an den Grenzen zurückweisen zu dürfen. Die juristische Lage in all ihren Feinheiten auf den verschiedenen Ebenen kann man im Verfassungsblog in aller Ausführlichkeit nachlesen, das speziell den Merz-Plan „nationale Notlage“ untersucht:
Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer „Notlage“
Demnach ist es nicht gänzlich unmöglich, sich auf eine nationale Notlange zu berufen, um sich aus dem EU-Asylrecht zeitweise (es muss befristet sein!) auszuklinken und an der Grenze zurückzuweisen. Aber:
„Allerdings unterliegt jede Aktivierung der Ausnahmeklausel der gerichtlichen Kontrolle. Das bekräftigte der EuGH immer wieder (hier, Rn. 148-153). Bisher scheiterten alle Versuche der Mitgliedstaaten, sich vor dem EuGH auf eine Notlage zu berufen. Häufig handelte es sich um bloße Schutzbehauptungen, die die Regierungen weder juristisch noch tatsächlich substantiiert hatten.“
Es würde also zumindest sehr sehr schwierig, wäre nur temporär machbar und womöglich nicht gerichtsfest (EuGH ist immer zuständig!). Aber klar: Merz und Lindner bashen wieder mal heftig DIE GRÜNEN, weil die sich auch jetzt noch heraus nehmen, Lösungen einzufordern, die mit EU-Recht vereinbar sind. Wie böse ist DAS denn???
Man stelle sich vor…
…so viel Energie, wie derzeit ins Abweisen, Abschieben und Verhetzen von Flüchtlingen fließt, würde in echte, wirksame Maßnahmen investiert, die einerseits die „Pull-Faktoren“ vermindern und andrerseits den Gemeinden helfen, sie besser zu integrieren (und sei es nur auf Zeit)?
Horst Schulte schreibt in einem Kommentar auf seinen Seiten:
Selbst in Nachbarstädten wird das Bild von kleinen und größeren Gruppen junger Männer geprägt. Das vermittelt keine Sicherheit, sondern ein ungutes Gefühl.„
Dem hätte man SCHON LÄNGST entgegen treten können, indem man sie beschäftigt! Es sollte eigentlich Allgemeinwissen sein: Junge Männer, egal welcher Herkunft, machen häufig Ärger, wenn sie nichts zu tun haben und nur herum lungern. Würde auf allen Ebenen in konsequentes Beschäftigen (Arbeitserlaubnis ohne erst BAMF-OK einholen zu müssen, Zuweisung in gemeinnützige Maßnahmen, die die Gemeinden brauchen können“) investiert, würde sich das überall herum sprechen und zumindest kämen jene nicht mehr, die – wie vielfach behauptet – es nur darauf anlegen, „in unsere Sozialsysteme einzuwandern“ um Geld fürs Nichtstun zu kassieren.
Man tut aber kaum etwas in dieser Richtung, sondern verstärkt die Hetze von Rechtsaußen, indem man ihre Agenda zu Teilen übernimmt. Und doch wählen die Leute das Original…
Auch zum Thema:
- Die Wiederkehr der Zurückweisung (TAZ)
Die aktuelle Migrationsdebatte in Deutschland wärmt alte Ideen auf. So lässt sie innereuropäische Konflikte wieder aufleben. (Mit Bericht zu sämtlichen bisherigen Versuchen, sehr interessant!) - Migrationsforscher: Abweisungen an Grenze rechtlich und praktisch nicht umsetzbar (MDR)
„…. Das ist ja eine direkt gegen Tschechien, die Schweiz, Österreich und Polen gerichtete Politik. Denn dorthin werden die Leute ja geschoben. Und das sind alles Länder, wenn sie die ukrainischen Flüchtlinge dazuzählen, die mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als Deutschland. „. - Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer „Notlage“
Autor: Prof. Dr. Daniel Thym, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz.
„Der Begriff der Notlage erinnert an einen Ausnahmezustand frei nach dem Motto „Not kennt kein Gebot“.“ - Lage in Deutschland: Schlimm, schlimmer, am allerschlimmsten – Katastrophenrhetorik überall, Interview mit dem Kognitionspsychologen Christian Stöcker („Wissenschaftl. Konsens: Wenn Parteien Rhetorik und Themen von populistischer Parteien übernehmen, profitieren Letztere davon – wie auch die Wahlergebnisse jetzt wieder zeigen“).
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11 Kommentare zu „Zurückweisungen an der Grenze: Will Merz eine Mauer um Deutschland bauen?“.