Claudia am 18. Juli 2021 —

Wie berechtigt ist die panische Angst vor Wohlstandsverlusten?

1992/93 war ich Projektleiterin in Sachen „Klimakampagne“: Mieter/innen zum Stromsparen bewegen mit allerlei Anreizen. Das war sehr erfolgreich, doch bin ich mir nahezu sicher, dass der Effekt wieder abflachte, sobald keine Anreize und kein „Challenge“-Gefühl mehr da waren.

In dieser Zeit hab‘ ich auch über BTX eine Umfrage in einem großen Forum gestartet mit der Frage

„Wieviel Prozent Eures Einkommens könntet Ihr sparen, wenn Ihr nur das kauft, was Ihr wirklich braucht?“

Die Ergebnisse lagen zwischen 20 und 80%! Man müsste mal heute so eine Umfrage machen, ich wette es kämen noch immer viele Einsparpotenziale heraus!

Die große Sorge um „unseren Wohlstand“ kann ich allenfalls bei Menschen verstehen, die sehr wenig Einkommen haben und für die Lebenshaltung nahezu alles ausgeben müssen. Beim großen Rest ist doch sehr viel Puffer da, der aktuell für Luxus, Bequemlichkeiten und allerlei leicht Verzichtbares ausgegeben wird.

Zu hohe Strompreise? Strom ist bei mir, die ich ganztags den PC nutze und danach auch viel TV, ein recht kleiner Posten mit ca. 30 / Monat. Der Verbrauch ist gesunken, seit ich einen Anbieter nutze (e-wie-einfach.de), der mich mal mit erheblichen Umzugsprämien gelockt hat. Das alleine hätte nicht gereicht, das machen ja viele, aber: Bei diesem Anbieter (Öko-Strom und Gas) gibts Tarife, die ohne Grundgebühr sind: man zahlt lediglich pro verbrauchtes KW!! Das führte dazu, dass ich tatsächlich sehr schnell Routinen änderte und nun automatisch z.B. überall Licht ausschalte, den PC bei Nichtgebrauch runter fahre und manches mehr.

Kurzum: ich denke, da ist noch viel „Wohlstandsspeck“ bei vielen vorhanden, die kaum etwas vermissen würden, wenn sie ihren Nice-to-Have-Konsum und ihr Energieverbrauchsverhalten etwas ändern müssten.

Die ständig von den Medien hoch gepuschte Angst vor Wohlstandsverlusten kann ich also nicht wirklich nachvollziehen. Mit etwas weniger ginge es den meisten von uns doch immer noch gut.

***

Dieser Text entstand als spontaner Kommentar auf Horst Schultes Blogpost Der ultimative Zeitpunkt zum Wechsel der Prioritäten. Mir ist durchaus klar, dass meine höchst persönliche Lebenserfahrung statistisch nur ein Einzelfall ist, doch gibt es auch Daten, die zeigen, wie unglaublich das Geldvermögen in Deutschland während der Pandemie gestiegen ist. (7 Billionen Sparvermögen Ende 2020 = Rekordwert). Nun wünsche ich uns natürlich auf Dauer kein Leben ohne Urlaub, Essen gehen, Kultur-Events, ABER: etwas weniger Konsum wäre sicher möglich, ohne dass die gefühlte Lebensqualität wirklich in den Keller fällt.

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
8 Kommentare zu „Wie berechtigt ist die panische Angst vor Wohlstandsverlusten?“.

  1. „etwas weniger Konsum wäre sicher möglich, ohne dass die gefühlte Lebensqualität wirklich in den Keller fällt.“

    Exakt. Ich hatte mal einen Freund, der hat immer im Flur das Licht brennen gehabt, den ganzen Abend. Auf die Frage, warum er das macht, antwortete er: „das sind LEDs, die verbrauchen nicht viel.“ Was für ein Unfug! Das Licht war wirklich zu nichts nütze! Wozu mache ich etwas, das keinen Nutzen bringt?

    Ich denke auch, dass man keinen Wohlstandsverlust hat, wenn man über die sinnvolle Nutzung von Elektrizität, Nahrung und Verkehrsmittel nachdenkt und auch so handelt.

    Ich habe letztens gehört, dass man 80 % aller weltweiten CO2-Emissionen sparen könnte, wenn keine Nahrungsmittel mehr weggeworfen werden! 80 %!!

    Es ist unfassbar, wie viel man, ohne dass einem etwas fehlen würde, tun kann, wenn man einfach nur mal ein bisschen nachdenkt. Aber mit dem Nachdenken ist es ja bei manchen Mitmenschen so eine Sache. Die schreien lieber „Ökoterrorismus!!1elf!!“ und würden am liebsten im Garten erst mal ein Fass Schweröl anzünden, wie Frau von Storch es ja seinerzeit propagiert hat, als sie auf Greta angesprochen wurde.

  2. Irgendwie kenne ich den Text :-) https://rivva.de/324596557

    Ich habe sogar ausführlich geantwortet, Claudia. Die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen ist das eine. Ich fürchte nur, dass sie kaum Auswirkungen aufs Klima haben werden. Ich halte es allerdings für möglich, dass viele Menschen auf Teile ihres Komforts verzichten würden. Allerdings werden Gerechtigkeitsfragen dann eine Rolle spielen. Vielleicht nicht beim ersten Hinfassen, auf Dauer allerdings bestimmt. Vor kurzem habe ich gelesen, dass weltweit immer noch fast eine Milliarde Menschen unter Hunger oder Mangelernährung leiden. Wenn ich dann höre, was es für die CO2 Emissionen bedeuten würde, wenn alle ihre Teller leer essen und die Rest nicht einfach wegschmeißen würden… wird mir echt anders. Wie bekommt man solch ein -Wissen ins Bewusstsein und so nachhaltig verankert, dass es in Fleisch und Blut übergeht?

  3. Danke für Eure Kommentare!

    Das mit dem Essen halte ich für übertrieben: 80% sind es doch nie und nimmer, die an CO²-Emissionen gespart werden könnten, und auch das „Teller leer essen“ als großer Hebel ist einfach nur lebensfremd.
    Ich esse selbstverständlich den Teller leer, mein Problem ist eher, dass ich mir zweimal nehme und das auch noch leer esse!
    Wie kann man das nur am „leer essen“ festmachen, normal wäre, sich nicht mehr drauf zu häufen bzw. nicht mehr zu kochen als dann auch gegessen wird.
    Wenn Leute, die bisher den Teller nicht leer essen, damit nun aus Klimaschutzgründen beginnen, werden sie nur einfach fetter – und auch das ergibt Folgekosten!

    @Horst: weil du den Text kennst, hast du nicht zu Ende gelesen und gesehen, dass ich die Herkunft erwähnt und deinen Artikel verlinkt habe. Eine kleine inhaltliche Ergänzung zum Vermögen ist auch noch dabei.

  4. @Claudia
    Die Zahl habe ich im Radio bei EinsLive gehört. Aber ich glaube, das muss man so sehen: es werden viele Millionen Tonnen Nahrungsmittel zuviel produziert, das meiste davon wird entsorgt. Durch die Erzeugung (pupsende Kühe etc.) wird eine Menge CO2 generiert, bei der Entsorgung ebenfalls. Da geht es glaube ich nicht um das Teller leer essen, sondern um die Erzeugung unsinniger Mengen an Nahrung. Und das scheinen täglich viele Millionen Tonnen zu sein.

  5. Da schuften Menschen ihr Leben lang für Haus, Hof und Garten, da kommt ein Hochwasser und alles ist – weg. Tragisch und traurig. Zeigt auch, wie fragil Hab und Gut sind. Der Klimaforscher Mojib Latif sagte, wir verlassen unsere Wohlfühlzone. Es wird in immer engeren Abständen zu Katastrophen kommen. Wir wären gut beraten, uns jetzt schon vorzubereiten, unsere Erwartungen herunterzusetzen.
    Als Minimalist braucht man mir Begrenzung nicht zu predigen. Weil ich so wenig Geld ausgebe, konnte ich meine Arbeitszeit um 40 Prozent reduzieren und arbeite nurmehr 24 Wochenstunden. Ich habe vorgesorgt und bräuchte mit meinem Lebensstil im Prinzip gar nicht mehr arbeiten. Trotzdem setze ich mich derzeit mit dem Konstrukt auseinander: Was wäre, wenn du dein Polster beispielsweise durch eine Hyperinflation verlörest? Es fällt nicht leicht, sich frei zu machen von der Hoffnung, daß dies nie und nimmer passieren würde. Ich verstehe nur nicht, wie Menschen ihr Leben lang ihr Pferd auf Materielles setzen, und dann kommt ein Feuer, ein Hochwasser und zerstört alles im Handumdrehen.
    Ich erlebe unter Kollegen, was und wieviel sie alles kaufen und bei Amazon bestellen. Aber selbst mir würde ich unvernünftigen Konsum vorwerfen. Warum kaufte ich früher so viele Bücher, die ich nie in einem Leben hätte schaffen können? Für irgendeinen Luxus ist jeder Mensch anfällig.

  6. Allein schon Eitelkeit, Statusgehabe und Dominanz werden ein gesunde Entwicklung indem Bereich verwehren. Allein Corona hat gezeigt, dass noch mehr Konsum möglich ist. Örtlich teilweise 700 % Umsatzsteigerung bei den Discountern. Wie sieht es denn dabei nun mit Ursache & Wirkung, Potenz & Tendenz aus?

  7. Zwar etwas spät, aber passend fand sich in einem anderen Blog etwas zu dem Thema:
    https://www.heise.de/hintergrund/Missing-Link-Kaufen-Sie-kein-Elektroauto-Von-falschen-Konsum-Versprechungen-6173813.html
    Ich fand es deshalb interessant, weil ich mir immer anhöre, daß ich doch das alte Auto nicht weiterfahren kann, weil Umwelt blabla usw… Ich denke aber, daß mehr gewonnen ist, wenn man verbraucht, was man hat (Autos genauso wie Elektrogeräte oder auch Handys usw.) und erst dann etwas Neues kauft, wenn tatsächlich Bedarf ist. Manche Dinge dürften sich dann auch von selbst erledigen.