Claudia am 09. Juni 2020 —

Sehenswerte Doku: Woher kommt der Rassismus?

Habt Ihr Euch auch schon mal gefragt, wie es eigentlich sein kann, dass Europa so stolz auf „christlich-abendländische“ Werte ist, diese aber im Umgang mit den Menschen in weniger entwickelten „Zulieferländern“ kaum eine Rolle spielen? Menschenrechte, soziale Mindeststandards, Gesundheitschutz – von all diesen schönen Errungenschaften der Aufklärung haben jene, die dort für unseren Wohlstand schuften, oft wenig bis nichts.

Dass uns das fast normal vorkommt, dass wir uns für „die Zustände“ dort trotz massiven ökonomischen Verflechtungen (!) so gar nicht verantwortlich fühlen, hat eine krasse Geschichte: Wie die Axt im Walde haben sich die Kolonialmachthaber im Rest der Welt aufgeführt, mehrere hundert Jahre lang. Millionen wurden umgebracht, vertrieben, ausgebeutet, versklavt, während gleichzeitig in Europa der Ständestaat abgeschafft, die Kirchen zu Gunsten der Wissenschaft entmachtet und die neuen Werte der französischen Revolution etabliert wurden: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – für alle Menschen!

Für alle? Eben nicht, sondern nur für Weiße! Wie konnte das gelingen? Wenn alle Menschen „gleich“ sein sollten, gab es nur eine Lösung: Man musste die Andersfarbigen, die Ausgebeuteten und Geknechteten als Nicht-Menschen, als Halb-Menschen, als „Missing Link“ zwischen Affe und Mensch, zumindest aber als „minderwertige Rasse“ ansehen.

wissenschaftsgestützter Rassismus
Rassismus als neue Ideologie war die Lösung für ein Problem, dass mit den Werten der Aufklärung entstanden war. Dem Volk musste erklärt werden, warum „gleiche Rechte“ für schwarze Menschen nicht gelten konnten, denn anders hätte man sie nicht weiter versklaven, beherrschen und ausbeuten können. Die Vordenker der neuen Werte lieferten bereitwillig, was die ökonomische Realität der Sklaverei (ein globalisiertes Mega-Geschäft, ebenso wie der Handel mit „Kolonialwaren“) erforderte: eine Rassenlehre, die es rechtfertigte, dass man schwarze Menschen wie Vieh behandelte.

„Die Menscheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die gelben Indianer (=Asiaten“) haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften“.

aus: Von den unterschiedlichen Rassen der Menschen – Immanuel Kant.

Auch Naturwissenschaftler, die neuen Helden objektiver Wahrheit, gaben ihr Bestes, um mit vermeintlich wissenschaftlichen Methoden die Lehre von den minderwertigen Rassen zu untermauern.

Die ZDF-Doku „Rassismus – Die Geschichte eines Wahns“ von Marius Jung erzählt diese Geschichte auf eindrückliche Weise. Ich zitiere die Beschreibung aus der Homepage von Marius, der sich mittels der Doku auf die Suche nach den Wurzeln des Rassismus begibt:

„Seit seiner Kindheit kennt der 54-jährige, leibliche Sohn eines schwarzen US-Soldaten die Frage zur Genüge, woher er „eigentlich“ komme oder auch die ausgrenzende Floskel: „Solche, wie ihr“. In seinem Bühnenprogramm greift Marius Jung auf satirische Weise den alltäglichen Rassismus auf, spricht an Schulen oder in Bildungsstätten über Respekt.

Für „ZDF-History“ fragt er Historiker sowie Natur- und Sozialwissenschaftler, wie und wieso das Denken in Rassenkategorien entstanden ist. Er geht den Folgen des Sklavenhandels in der Kolonialzeit und dem Einfluss moderner Naturwissenschaften auf die „Rassenlehre“ nach, die in den nationalsozialistischen Vernichtungswahn führte.

Theodor Wonja Michael, Berliner mit afrikanischem Vater, berichtet, wie er die Rassenverfolgung dank seiner Komparsenrollen in NS-Propagandafilmen überlebte.

Wie sehr begleitet uns rassistisches Denken – gewollt oder unbewusst – noch heute? Auch dieser Frage widmet sich die Sendung.“

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Rassismus – Die Geschichte eines Wahns
ZDF-Mediathek, 44 min, 08.05.2020
Video verfügbar bis 24.08.2020