Claudia am 22. März 2019 —

Katastrophale Urheberrechtsreform: Abstimmung am Dienstag im Europaparlament

Die ganze Diskussion um die unsäglichen Regelungen, die in der sogenannten „Reform“ des Urheberrechts enthalten sind, bedeutet für mich als „Netzurgestein“ ein ständiges Wechselbad zwischen Wut und Deprimiert-Sein- immer wenn ich da reinlese, zuhöre, mich damit befasse bzw. auch nur daran denke.

1. Mit der „Linksteuer“ Kommunikation & Meinungsfreiheit gefährden

Es widert mich hochgradig an, weil es schon lange nicht mehr um Argumente geht. Schon bei der Einführung des absurden „Leistungsschutzrechts“ in Deutschland war schnell klar, dass sich die Verlagsvertreter, allen voran Springer, nicht um die „Kollateralschäden“ scheren, die ihr wahnsinniges Unterfangen anrichten könnte, wenn – ja WENN es tatsächlich zur Wirkung käme. Wenn nämlich tatsächlich „kleinste Textabschnitte“ kostenpflichtig würden, ohne die die Verlinkung und Empfehlung in Blogs, auf Twitter et al doch gar nicht möglich ist. Diese krasse Folge war ihnen einfach egal, Hauptsache, sie haben ihr „Leistungsschutzrecht“, das allerdings bisher nur Kosten verursacht hat und nicht etwa relevante Einnahmen brachte.

Und jetzt soll dieses irre Konstrukt also per Artikel 11 europaweit eingeführt werden! Dabei weiß jeder, dass es nicht funktionieren kann, wie die Verleger es sich wünschen, wohl aber wird es allen schaden, da sich massenweise Leute nicht mehr trauen werden, etwas zu zitieren oder zu verlinken, gar Empfehlungslisten (wie sie auch in diesem Blog vorkommen) zu verfassen.
Lest dazu den aktuellen Kommentar auf tn3:

„Leistungsschutzrecht: Warum es beim neuen Gesetz nur Verlierer gibt“

Dass „die Verleger“ (bzw. etliche, nicht alle) daran festhalten, OBWOHL sie doch wissen und erlebt haben, dass sie Google nicht zwingen können, für die Suchergebnisse und News-Links zu bezahlen (über die die Medienseiten immerhin einen Großteil ihrer Besucher bekommen!) zeugt von so großen Blindheit und Verbortheit, wie ich sie eigentlich nicht für möglich gehalten habe. Auf den Google-News ist nicht mal Werbung… ach, das alles ist schon 1001 mal gesagt, genug davon!

2. Weiter gehts: Mit Artikel 13 Uploads erschweren, verzögern, verhindern

Um diese Scheusslichkeit zu erläutern, zitiere ich am besten Henning Tillmann, der auf ntv Artikel 13 und seine üblen Folgen prägnant auf den Punkt bringt:

„Einfach zusammengefasst fordert er fast alle Anbieter von Websites, auf denen man urheberrechtlich geschützte Werke hochladen kann (und wie am Anfang geschrieben, wir sind alle Urheberinnen und Urheber), mit quasi allen Lizenzanbietern von Inhalten Verträge abzuschließen. Da dies in der Praxis unmöglich zu leisten ist, muss dann sichergestellt werden, dass urheberrechtlich geschütztes Material nicht hochgeladen und veröffentlicht werden kann. Dies kann technisch nur durch eine Filterung sichergestellt werden. Diese Filterung betrifft aber nicht nur große Anbieter wie YouTube oder Vimeo, sondern auch Koch-Websites, Datingportale oder kleinere Foren.

Eben jene kleinen Anbieter können weder Lizenzverhandlungen mit allen Inhalteanbietern abschließen und erst recht keine technisch aufwändigen Uploadfilter programmieren. Google könnte hingegen seine Uploadfilter, die sie bereits unter dem Namen Content-ID mehr schlecht als recht auf YouTube einsetzen, gewinnbringend lizenzieren und damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Kontrolle über die Inhalte und dessen Filterung gewinnen und gleichzeitig massive Geldeinnahmen von kleineren und mittelgroßen Plattformen generieren. Die wenigen Starken würden so noch stärker und der Rest noch schwächer.“

Ja, das wird eine schöne neue Internet-Welt – so richtig nach dem Geschmack der Big Player, denen all das vielfältige Gewusel so vieler kleiner Publisher sowieso nur unliebsame Konkurrenz ist!

Aber was ist mit den Kreativen, den Profi-Urhebern? Keine Sorge, die bekommen auch ihr Fett weg:

3. Urheber entrechten mit Artikel 16 (ehem. Art.12)

Klar, professionell Kreative sollen für Ihre Arbeit auch entlohnt werden, wenn sie denn nachgefragt wird. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, in dieser Diskussion aber auch das angeblich schlagende Mega-Argument gegen sämtliche berechtigte Kritik an der anstehenden Urheberrechtsnovelle.

Anders als man denken soll, stehen sie sich durch die Neuerungen nicht etwa besser, sondern schlechter!  Hierzu lese man den „Offener Brief an Abgeordnete des Europäischen Parlaments bezüglich der EU-Urheberrechtsrichtlinie“ der werdenden europäische Verwertungsgesellschaft für Musik C3S (eine GEMA-Alternative). Da heißt es:

„Es versteht sich von selbst, dass uns zuvorderst die Belange der Urheber_innen am Herzen liegen. Die Richtlinie möchte europaweit zu Recht machen, dass Verlage direkt anLizenzeinnahmen beteiligt werden müssen, die eigentlich allein den Urheber_innen zustehen (ursprünglich Artikel 12, inzwischen Artikel 16). Dies war in der Vergangenheit tatsächliche Praxis, bis es von EuGH und BGH in mehreren Entscheidungen endlich für illegal erklärt wurde. Diese Urteile waren eine wirkliche Stärkung von Urheber_innen. Es ist nachgerade grotesk, dass man die automatische unrechtmäßige Schädigung von Urheber_innen nun in der ganzen EU legalisieren möchte….“.

Tja, es geht halt bei dieser ganzen „Reform“ vornehmlich und hauptsächlich um die Interessen der Big Player – der kleine Küstler, Musiker und Autor bekommt allenfalls Peanuts ab, oft  auch gar nichts. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn das EU-Parlament diesem miesen Machwerk zustimmt, sondern ganz im Gegenteil drastisch verschärft.

Ahnungslose federführend – man glaubt es kaum!

Ich war richtig geschockt, als sich in den letzten Wochen heraus stellte, wie ahnungslos ausgerechnet Axel Voss, der Verschärfer und Vorantreiber des Artikel 13, der „Vater des neuen Urheberrechts“ bezüglich der aktuellen Rechtslage im Netz tatsächlich ist! Wer mein Entsetzen teilen will, führe sich den Artikel

Das „absolute Unverständnis“ des Axel Voss

vom 19.2.19 zu Gemüte, in dem zu Recht gefragt wird:

„Wie viel Sachkenntnis braucht ein Politiker, der für mehr als 500 Millionen Menschen über eine Reform verhandelt, die die Nutzung des Internet in wichtigen Punkten umkrempeln könnte? Im Falle des CDU-Politikers Axel Voss, Berichterstatter des Europaparlaments bei der Urheberrechtsreform, ist am Dienstag deutlich geworden, dass er zentrale Punkte seines eigenen Verhandlungsergebnisses nicht verstanden hat. So verglich er den Einsatz von Uploadfiltern mit Hygienevorschriften in Restaurants und erteilte allen Privatnutzern die Erlaubnis, komplette Zeitungsartikel auf Plattformen hochzuladen.“

Es folgen dann im Detail Zitate, die ganz klar machen, dass Voss tatsächlich keine Ahnung hat, was Rechte-technisch schon immer Status Quo im Netz ist: dass man natürlich keine fremden Texte ohne Erlaubnis veröffentlichen darf, auch nicht als „Privatperson“. Und so jemand reguliert dann „federführend“ das ganze europäische Internet, ich fasse es nicht!! Das ist auch kein Einzelfall, man findet ohne Probleme Artikel aus dem Sommer 2018, die belegen, dass er schon damals seine eigenen Gesetzesvorlagen in ihrer Wirkung auf das Netz nicht verstanden hat.

Was folgt daraus?`Wenn schon ein Axel Voss, der sich qua Amt mit dem Urheberrecht im Netz immerhin über längere Zeit befassen muss. derartige Verständnislücken zeigt, wie mag es da wohl bei anderen Politikern und Politikerinnen um die Netzkompetenz stehen? Gruslig, wenn man da weiter denkt…

Am Dienstag werden wir wissen, ob die grässlichste „Reform“ aller Zeiten Gesetz wird – oder ob es doch noch genug Abgeordnete gibt, die so vernünftig sind, mit NEIN zu stimmen und das Desaster erstmal zu verhindern.

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