Claudia am 30. Oktober 2018 —

#Merkelgehtweg

Wirklich überraschend war das nicht. Für Merkel war der Montag nach der Hessenwahl der letzte Termin, um halbwegs selbstbestimmt ihren Rückzug einzuleiten. Dass sie auch gleich ankündigt, nach ihrer Kanzlerschaft kein politisches Amt mehr anzustreben, hab‘ ich so erwartet. Ich glaube, sie hat so richtig die Nase voll vom politischen Geschehen, und auch vom extrem hohen Maß an Arbeitseinsatz und Selbstdisziplin, das sie über viele Jahre bringen musste, um den eigenen Ansprüchen an die Kanzlerschaft gerecht zu werden.

Angela MerkelZweifellos hat Angela Merkel die CDU modernisiert, so sehr, dass auch Linke und Grüne sich oft genötigt sahen, sie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Nach Kohl war sie die reine Erholung, in vieler Hinsicht, ich will jetzt gar nicht in die Einzelthemen einsteigen. Ihre zurückhaltende, sachliche Art, die viele als „mangelnde Führungskraft“ brandmarkten, vermittelte auch eine Atmosphäre der Gelassenheit: ja, es gibt Probleme, aber das wird schon, wir arbeiten daran!

Dass sie damit immer weniger in das neue, härtere und streit-versessene politische Umfeld passte, war lange schon erkennbar. Wo die „Hassrede“ in 1000 Varianten immer mehr zur akzeptierten Form der Auseinandersetzung wird, setzt unabweisbar der Wunsch nach mehr Kantigkeit, mehr Durchsetzungskraft, mehr „Basta-Politik“ ein, sogar bei mir. Die letzte Chance, das Ruder in diesem Sinne herum zu reissen, wäre die Entlassung Seehofers im Sommer gewesen – inklusive des Wagnisses, die Union zu spalten und die CSU zu verlieren.

Aber derlei Aktionen sind nichts für Angela Merkel. Ich werfe es ihr nicht vor, denn niemand kann aus seiner Haut, bzw. wer es doch zu können scheint, ist alles andere als authentisch. Ihr heute immer häufiger kritisierter Politikstil hat uns allen viele Jahre lang genutzt und die „gefühlt friedliche Zeit“ sehr lange anhalten lassen. Dass das vorbei ist, liegt nicht an ihr, sondern an der Zuspitzung der Widersprüche auf allzu vielen Politikfeldern.

Angela Merkel geht. Was nach ihrer Ära kommt, ist ungewiss.
Friedlicher wird es gewiss nicht.

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Diskussion

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4 Kommentare zu „#Merkelgehtweg“.

  1. Momentan gehts der Wirtschaft gut, die Steuereinnahmen sprudeln, die Krankenkassen können nicht klagen. Und in Berlin ein Gezerre um alles Mögliche. Was wird wohl bei der nächsten Rezession passieren? Und selbst erfolgreiche Politik ist kein Garant für Stabilität. Die Hessen-CDU wurde trotz Zufriedenheit auf Landesebene abgestraft. Auf die nächste Bundestagswahl bin ich tatsächlich gespannt. Vermutlich wird es ohne 3-Parteien-Koalitionen nicht mehr gehen. Die Entscheidungsfindung wird noch komplizierter, was den Souverän noch mehr verärgern / verwirren wird. In Ungarn werden Obdachlose inkriminiert. Es sind so unfaßbare Ereignisse in den letzten Jahren, daß man nur mühsam seine Kotze zurückhalten kann. Entschuldigung. Aber beschaulich wird die Zukunft nicht. Mich würde nicht wundern, wenn eine Finanzkrise der Anlaß für Verwerfungen und Prozesse sein wird, derer wir nicht mehr wie 2008 Herr werden können. Ansonsten mag man noch meinen heutigen Tagebucheintrag lesen. Selbes Lied, ähnliche Strophe.

  2. Schöner und wohlwollender Kommentar, liebe Claudia. Wahrscheinlich erkennst du in meinen Beiträgen ebenfalls eine gewisse Sympathie für die Politikerin Angela Merkel.

    Leider hat sich Frau Merkel als gute Moderatorin aber als schlechte Gestalterin erwiesen. Ich mache es an dem Thema fest, dass immer mit ihrer Kanzlerschaft bleiben dürfte und zwar nicht im positiven Sinne. Sie hat es fahrlässigerweise den Medien überlassen, ihre Flüchtlingspolitik zu erklären. Unbewusst aber mit weitreichenden Folgen. Sie hat in fahrlässiger Weise die Dinge treiben lassen. Das war vermutlich nur deshalb möglich, weil ihr und ihren engsten Berater das Gefühl mehr für die Lebenswirklichkeit der Menschen im Land abhanden gekommen ist.

    Einerseits unterstützte ich ihre Haltung zu Beginn der Flüchtlingskrise. Wie wenig diese noch in Einklang mit dem zu bringen ist, was die Regierung daraus durch viele neue und geänderte Gesetze und Regeln gemacht hat, hat mit ihrer humanitäre Großtat im September 2015 überhaupt nichts mehr zu tun. Ich finde es seltsam, dass sie und die Regierung lediglich von den ganz Linken dafür kritisiert wurde. Inwieweit dafür auch die von ihren Gegnern gern ins Spiel gebrachte „asymmetrische Demobilisierung“ verantwortlich gemacht werden kann, weiß ich nicht. Es gehört unbedingt zum Repertoire der Kanzlerin, wenn sie Kritik ohne Antwort im Raum stehen lässt. Manchmal fand ich das bewundernswürdig, manchmal aber auch fatal.

    Merkel hat allerdings meiner Meinung nach nicht die Verantwortung für die Großen Koalitionen seit 2005 zu tragen. Die waren es jedoch, die unser Land hauptsächlich in die Lage manövriert haben, in der wir jetzt stecken. Ich wage die Behauptung, dass es ohne die GroKo die vor allem von rechtsnationalen Kräften beklagte „Entmachtung des Parlamentes“ nicht gegeben hätte. Merkel hat mithilfe von Kauder und Struck/Steinmeier/Oppermann/Nahles „durchregiert“. Zu oft ohne Parlament. Auch das hat die SPD an ihr Ende geführt.

    Merkel hat eine offene und zugewandte Art. Das habe ich in manchen Sendungen so empfunden. Ihre Stärke ist es, Menschen im persönlichen Gespräch auf Augenhöhe zu begegnen und sie oft auch für sich einzunehmen. Aber sie hat es nie verstanden, die großen Linien ihrer Politik einem großen Forum zu vermitteln. Sie ist eine außerordentlich schlechte Rednerin.

    Ich bin heilfroh, wenn Merkel demnächst nicht mehr Kanzlerin sein wird. Mir ist egal, dass sie davor ihren Parteivorsitz abgibt, es ist – da hat Lindner (FDP) mal recht – das falsche Amt. Sie hätte vielleicht die Vertrauensfrage stellen sollen, nachdem Kauder als Fraktionschef abgewählt worden war. Aber sie klebt, wie übrigens auch ihre männlichen Pendants, an ihrem Posten. Überhaupt wäre es ein lohnendes Thema, einmal darüber zu diskutieren, was die langjährige Politik einer Kanzlerin eigentlich Spezifisches aufzuweisen hatte. Was hat sie als Frau besser gemacht, was schlechter?

    Es ist bedauerlich aber auch ein Stück weit normal, dass die strategische Bedeutung des Wechsels in der CDU von der Opposition und vielen Medien äußerst kritisch begleitet wird. Was mir aber gar nicht gefällt (Egoismus meinerseits!) ist, dass sich das Stimmungsbild zulasten von Merz bereits leicht zugunsten von AKK zu drehen scheint. Das hat zum einen mit dem merkwürdigen zeitlichen Zusammenfallen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Blackrock zu tun wie mit der kampagnenartigen Offensive mancher Medien, die offensichtlich Merz verhindern wollen. Wenn AKK gewinnt – so meine Meinung – können wir auch Merkel behalten. Merz würde unserer Demokratie gut tun. Er würde, mehr noch als Spahn!, der AfD viele Wähler rauben. Aber leider denken die Leute nicht an die SPD (ich schon), sondern glauben einen neoliberalen Fürsten der Unterwelt partout verhindern zu müssen. Ich fände es schade.

  3. Ha, das ist aber wirklich schwer „über Bande“ argumentiert: Weil Merz ein viel drastischerer Schritt nach rechts wäre als AKK und die SPD sich gegen ihn stärker profilieren könnte, denkst du, wir sollten den „Fürst der Unterwelt“ halt ertragen? Nun ja…. wenn man von #SPDerneuern als oberstem Wert ausgeht, könnte das passen. Aber ansonsten? Wer weiß, was der Merz gegen #unten so alles unternehmen wird!

  4. Ist über Bande argumentiert :-) Aber wenns der SPD Demokratie dient. :lol: Merz macht nicht mehr und auch nicht weniger als Merkel. Aber es wird jedenfalls den Anschein haben. Die AfD würde an Anziehungskraft verlieren, und zwar beinahe zwangsläufig. Merz muss nur die Änderungen mit Nachdruck in der Öffentlichkeit wach halten, die die GroKo seit 2015 schon auf dem Feld der Migration vorgenommen hat. Das hat die Öffentlichkeit nämlich noch gar nicht mitbekommen. Vor allem deshalb, weil Angela Merkel ungern darüber redet. Bisschen Strategieplanung musst du mir halt auch gönnen. Was passiert, liegt ohnehin in anderen Händen.