Claudia am 19. März 2016 —

Ein neuer Schreibtischstuhl muss her

Gestern war es soweit: von meinem super-ergonomischen Haider Bioswing-Stuhl ist die linke Armstütze endgültig abgebrochen. Kein Wunder, denn ich neige dazu, mich mittels der Armstützen „anzuheben“ und in eine Schneidersitzposition zu hieven. Was total absurd ist auf einem Stuhl, der dafür gebaut ist, zig gesunde Sitzpositionen einzunehmen, sich beim (normalen!) Sitzen mitzubewegen und was weiß ich noch alles! Jedes Mal, wenn ich an diesem Stuhl was verstellen wollte, hab ich mir erstmal die Bedienungsanleitung neu herunter geladen, um wieder zu lernen, welcher der vielen Hebel für was ist.

Einstellmöglichkeiten

Zum Glück kam das nicht oft vor, denn meine Sitzweise ist komplett verrückt und konterkariert sowieso alles, wofür der Stuhl gut ist!
Der Bioswing ist nebenbei gesagt mittlerweile uralt und sowieso verschlissen. 2003 hat er 1500 Euro gekostet, eine Summe, die ich nie im Leben selbst für einen Stuhl ausgegeben hätte. Es war das Geschenk eines großzügigen Freundes, der es gut mir mir meinte. Leider war ich zum wirklich „gesunden Sitzen“ schon nicht mehr in der Lage. Wenn ich mich normal auf so einen Schreibtischstuhl setze, geht das vielleicht ein paar Minuten gut, aber sobald ich mich aufs Arbeiten konzentriere, hieve ich mich – ganz ohne dran zu denken – quasi automatisch wieder in die Schneidersitzposition. Ab und an wechsle ich in den Langsitz, wofür ich einen Papierkorb unter dem Schreibtisch stehen habe, auf dem zwei feste Kissen liegen.

Langzeitsitzen schadet, ich weiß!

Dass meine „Sitzkultur“ sich so abseitig entwickelt hat, liegt am Jahrzehnte langen Sitzen. Ich stehe morgens auf, gehe kurz ins Bad, mache mir ein Kanne Kaffee und muss nicht weit gehen bis zum Arbeitsplatz im Homebüro. Ich setze mich hin und bleibe da, ab und an unterbrochen durch menschliche Bedürfnisse oder das Klingeln an der Tür, wenn der Lieferdienst etwas bringt – für mich oder die Nachbarn, für die ich eine Art „Poststelle“ bin. Hätte ich nicht seit 2005 einen Garten, der mich vom Stuhl weglockt, wäre ich vermutlich schon auf dem Stuhl verfault!

Als Folgeschaden dieses Fehlverhaltens (das mir andrerseits jede Menge gefühlte Vorteile bringt!) leide ich an der sogenannten „Jeanskrankheit“ – so zumindest die letzte Diagnose der letzten Neurologin. Irgendwas mit geklemmten, gestörten Nerven, wechselnd intensive Taubheiten im Oberschenkel, bei längerem Gehen Schmerzen wie Feuer & Eis – wobei ich wirklich nie zu enge Jeans trage, sondern zuhause in Leggins rumsitze. Eigentlich bin ich reif für den Behinderteinausweis Kennzeichen G, aber ich hätte ja keine Vorteile dadurch, hab‘ mich also bisher nicht drum gekümmert. (Dass der Schaden ein Sitzschaden ist, wollte übrigens bisher kein Arzt bestätigen – als wäre es ein Tabu, zuzugeben, dass unsere Haupt-Erwerbshaltung schlicht krank macht).

Selbstoptimierungsversuche

Gegen die ungesunde Existenzweise auf dem Stuhl kämpfe ich natürlich immer wieder an. Mein Wohn/Schlafzimmer sieht zur Hälfte aus wie ein Fitness-Center: Sprossenwand, Schwingstab, Langhantel, Theraband, Bosu – und über diesen Winter hab ich mir sogar einen „persönlichen Trainer“ gegönnt, der mir Kraftraining näher brachte. Da ich mir den aber nicht dauerhaft leisten kann, bin ich nun wieder in einem Fitness-Center. Hört sich alles toll an, aber letztlich sind das immer nur phasenweise, punktuelle Aktivitäten – und insgesamt nie genug. Noch immer bin ich weit entfernt von einem gesunden Lebensstil mit DEUTLICH MEHR BEWEGUNG. Trotz Garten, trotz Fahrrad für den Weg dorthin.

Welcher Schreibtischstuhl?

Schon eine kurze Netzrecherche ergibt ein weites, unübersichtliches Feld. Schiere Massen an Schreibtischstühlen und „Chefsesseln“, mittlerweise mehrheitlich mit ziemlich vielen Features, sogar bei den billigen. Die Preisspanne reicht von 80 bis 5000 Euro, gelegentlich steht eine „empfohlene Nutzungsdauer“ dabei. Es gibt auch 24-Stunden-Stühle für den Dauereinsatz, aus besonders robusten Materialien – eigentlich wär das ideal, ist mir aber zu teuer.

Und ich überlege auch: Für hochwertige Features zum gesunden, bewegten Sitzen nochmal viel Geld ausgeben? Damit ich mich dann doch wieder in den Schneidersitz schwinge? Das ganze komplexe Bioswing-Gedöhns war ja im Grunde für die Katz! Eine Rückenlehne und ein Sitz, der meinen Bewegungen folgt? Ich stell ihn ja doch bald auf statisch, damit das nicht nervt. Schließlich will ich arbeiten und nicht „sitzen üben“.

Tja, es ist ein Elend! Ein sehr gemütliches allerdings, wenn man bedenkt, woran andere Menschen kranken.

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
16 Kommentare zu „Ein neuer Schreibtischstuhl muss her“.

  1. Pezzi- oder Gymnastik- oder einen anderen Sitzball. Natürlich einen ohne Fußgestell oder Rückenlehne. Kein Schneidersitz mehr möglich, auch kein anderes gemütliches Rumlümmeln. Aber gesund ist er, zwingt dich zu einer aufrechten Haltung und hält dich gleichzeitig immer (minimal) in Bewegung. Und günstig ist er auch noch. Wobei: bei deinen Vorschäden würde ich mich erst schlau machen, ob der das Leiden nicht verschlimmert.

  2. @Brendan: ich besitze einen Swopper, nutze ihn aber nicht. :-) Und: ich sitze ja nicht nur ’ne Stunde auf dem Stuhl…

    Ich erwarte hier nicht den Mega-Tipp, den gibts eh nicht! Sitz-Erfahrungen teilen ist mehr so mein Impuls gewesen.. aber DANKE!!

    Hab‘ jetzt doch mal wieder den Swopper in Betrieb genommen – mal sehen, wie lange ich es aushalte bei ständigem „Rückensport“.

    Update: ca. 45 Minuten – und „gemütliches Arbeiten“ ist das nicht…

  3. Wie wäre es mit einem Sekretär, an dem Du vlt. solange im stehen arbeitest, wie es geht?

  4. Ich sitze privat auf einem gefühlt aus dem vorigen Jahrtausend stammenden Modell und beruflich auf einem neueren Modell (2012?) eines Stuhls mit dem schönen Namen ‚Capisco‘ (Hersteller HÅG, hier im Netz).

    Das Ding ist schier unverwüstlich, hat nur die wichtigen Verstellmöglichkeiten (hoch-runter, Lehne beweglich oder fest, vertikale und horizontale Position von Lehne zu Sitzfläche), um es anfangs einmal der Körpergröße anzupassen, besitzt eine sehr harte, mit der Zeit nicht weicher werdende Federung für die Rückenlehne, so daß das alberne Herumgeschaukele gar nicht erst passiert, das mir zumindest auf anderen Stühlen schnell den Nerv raubt, und rollt dank breiter Roollen auf Teppich, Laminat und Dielen gleichermaßen leicht hin und her.

    Die Sitzfläche und die Lehne sind wie 4-blättrige Kleeblätter geformt, was auf die Hüftgelenke unter Umständen etwas Druck ausübt, weil du automatisch mit leicht gespreizten Beinen darauf sitzt. Für den Rücken aber scheint der Stuhl einiges an Entlastung zu bringen, und du kannst dich auch rittlings darauf hocken, die Brust gegen die Lehne und die Arme in deren Einkerbungen aufgestützt, eine sehr entspannte Alternativhaltung.

    Natürlich ersetzt so ein Stuhl nicht das A&O des Sitzens: niemals zu lange zu sitzen! Ich jedenfalls laufe nach Möglichkeit alle halbe Stunde einmal eien Treppe auf und ab. Wer keine Treppe hat, ist da sicherlich im Nachteil. Aber auch andere (ältere) Menschen haben schon ohne Spätfolgen mächtig lang dauernde Sitzungen auf diesen Stühlen verbracht. Vielleicht eine für Dich bedenkenswerte Wahl.

  5. Ich habe seit ca. 40 Jahren den selben Schreibtisch (bin 47). Ein Schul-Schreibtisch von Flötotto mit schräger Arbeitsplatte, ideal für die Tastatur. Höhenverstellbar für Kinder der 1. bis 4. Klasse. Abschließbarer Kasten für den Schulranzen.
    So einen

  6. P.S.
    Es gibt übrigens auch eine Version (capisco 8126), lese ich gerade beim Stöbern nach Bezügen, die sich besonders für das Sitzen im Schneidersitz eignet.

    Und nein, ich kriege keine Provision ;-)

    @Arnd
    Und auch genau so einen Stuhl???!!!???

    Btw: auf Pezzi-Bällen ohne Bodenhalterung solltest du einen Sturzhelm tragen, da ist mancher schon rücklings herunter gepurzelt!

  7. „langsitz“ heißt das also, was ich auch schon seit jahren praktiziere – allerdings (dadurch) schmerzfrei, sonst würde das blut ja ständig in die beine sacken, und immer mit abgeknickten beinen sitzen, so dass kein rückfluss möglich ist, klingt auch nicht gesund. ich nehme dazu einen zweiten stuhl zu hilfe und komme dadurch prima klar mit meinem kleinen dauphin-bürostuhl ohne armlehnen und mit kurzer rückenlehne von 1991. im job haben wir super 24-stunden-stühle, die pro stück um die 2100 eur kosten und von der hälfte der mitarbeiter als unbequem empfunden werden, nicht zuletzt wahrscheinlich auch wegen der 1000 einstellmöglichkeiten: je mehr möglichkeiten, desto mehr fehlerquellen. ich kriege darin lws-schmerzen, im neueren modell nicht mehr, aber noch besser saß ich auf einem „billigeren“, leichteren stuhl mit starrer sitzfläche und flexibler rückenlehne, den die kollegen inzwischen leider aufgearbeitet haben.

    was ist mit einem höhenverstellbaren tisch, an dem du wenigstens phasenweise im stehen arbeiten kannst? das ist eigentlich immer noch das, was arbeitsmediziner als letzten schrei propagieren.

  8. Und auch genau so einen Stuhl?

    Nein, der wäre mir eine Nummer zu klein. Aber der dazugehörige Stuhl steht noch bei meiner Mutter in Bremen.

    Habe erst jetzt rausgefunden, dass der von Colani ist und gebraucht für 400€+ gehandelt wird. Schade dass meiner schon ramponiert ist.

  9. Claudia, vielleicht wäre der Schneidersitz ja weniger ungesund, wenn Du ihn auf einem dafür geeigneten Sitzmöbel praktizieren würdest. Wie Du wahrscheinlich zu Recht vermutest, ist dieser „Bioswing“ für die Sitzposition nicht konzipiert.

  10. Hm, gemütlich ist so ein Ball vielleicht nicht. Allerdings hast du durch das gemütliche Sitzen während der Arbeit nicht ganz unerhebliche gesundheitliche Probleme. An „Stehen“ habe ich auch schon gedacht. Wenn das schmerzfrei klappt, probiere das doch mal.

    Ich habe keinen besonderen Stuhl; irgendein luftgefedertes Drehrollding mit Armlehnen. Länger als 30 Minuten am Stück sitze ich aber auch selten.

  11. Ich hab den Bioswing auch seit einiger Zeit und bin sehr zufrieden. Ich hab einen mit weniger Hebeln. Aber das Schwingen scheint bei meinem Problem geholfen zu haben.

  12. Ich sitze seit 10-15 Jahren 40+ Stunden / Woche auf einem Swopper. Vorher hatte ich Rückenprobleme, seitdem kein bisschen. Am Anfang habe ich allerdings erheblich mehr Rückenschmerzen bekommen – Muskelkater. Und ich habe auch langsam angefangen und mich langsam gesteigert, bis ich einen Tag durchgehalten habe. Aber nach ein paar Wochen bis Monaten war das kein Problem mehr. Ich bin völlig entspannt auf dem Ding.
    Meine Frau hat seit ein paar Jahren auch einen und ist sehr zufriedene, sie verbringt allerdings nicht ganz so viel Zeit darauf. Sie hat einen mit Lehne, das bringts aber nicht.
    Bei meinem ist vor ein paar Jahren mal die Gas-Feder kaputt gegangen. Die hat die Firma dann für einen fairen Preis ausgetauscht. Bezug und Polsterung der Sitzfläche sind auch schon lange nicht mehr original. Mittlerweile ist ein Leder-Bezug drauf.
    Ich glaube, zusätzlich einen Steh-Arbeitsplatz einzurichten, wäre auch eine gute Idee, dazu habe ich mich aber bisher nicht aufraffen können.

  13. Herzlichen Dank allen für Eure Sitz-Erfahrungen – finde ich wirklich interssant!!
    Was die Tipps angeht: das hab ich alles schon durch. Wie bei anderen Gesundheitsempfehlungen fehlts meist nicht an der Info, sondern an der Umsetzung.

    Thorsten: Alles Achtung, du bist für mich jetzt wirklich der Sitz-Champion! Sich an den Swopper als Dower-Sitzmöbel zu gewöhnen ist wirklich keine Kleinigkeit – schaffen nicht viele!

    @Juh: Schön, dass du den Bioswing auch ausnutzen kannst – und sogar mit Gewinn!

    Susanne: sehr schick, dieser Stuhl! Aber fehlen dir da nicht die Armlehnen? Interessant, dass es auch Stühle für Schneidersitz gibt! Deine Sitz&mal-aufsteh-Kultur find ich auch toll. Ich lasse seit einiger Zeit die Kaffeekanne in der Küche stehen, dafür MUSS ich dann aufstehen.

    Limone: ha, eine Schwester im Langsitzen! :-) Sowas wie einen 24-Stunden-Stuhl hatte ich angedacht, schon aus Gründen der Nachhaltigkeit. Die sollen ja superstabil und aus sehr robusten Materialien sein. Unbequem? Ich las neulich eine Beschreibung, dass man da eher weniger Einstellmöglichkeiten verbaut, damit die wechselnde „Besatzung“ nicht viel suchen muss. Ist offenbar nicht bei allen so.

    Brendan: Glückwunsch zum Lebensstil ohne viel Sitzen! :-) Dahin werd ich nicht mehr kommen, eher hab ich mal daran gedacht, mir ein „Halbliegend-Euipment“ zu bauen. Ist aber auch nicht das Gelbe…

    Arnd: Und auf was sitzt du?

    Peter: Ich hab einen großen E-Schreibtisch, auf Knopfdruck höhenverstellbar. Hab ich vielleicht 5 x genutzt und heute kann ich sowieso nicht mehr lange stehen ohne dass meine Nerven-Symtomatik auftritt (die sich schnell beruhigt, sobald ich in den „Sitzknick“ gehe). Davon abgesehen liegt und steht auf so einem Schreibtisch bei mir einiges rum, Kabel hängen hinten runter etc. Schon von daher liegt das Verstellen nicht wirklich nahe…

    ***
    Momentan ist mein Plan, mir vorläufig einen ganz normalen, gerne gebrauchten Drehstuhl ohne viele Features zu besorgen, hier abzuholen in der Umgebung. Ein billiges Interims-Teil, auf dem ich erstmal so weiter sitzen kann wie ich sitze – ohne Unsummen zu bezahlen für gesunde Möglichkeiten, die dann doch wieder brach liegen.

  14. Und auf was sitzt du?

    Ich habe vor kurzem einen gebrauchten Schreibtischstuhl geschenkt bekommen, ein konventioneller Bürostuhl, aber besser als der, den ich vorher hatte.

    Ich glaube es ist eine gute Idee, öfter mal den Schriftzoom zu benutzen, um sich beim Lesen oder Schreiben nicht reflexartig nach vorne zu beugen und dabei den Rücken krumm zu machen.

  15. Ich habe im „richtigen“ Büro ein Stehpult und vor dem PC einen Stuhl namens Capisco von HAG (den ich übrigens nach 15 Jahren immer noch nicht kaputtgekriegt habe), den ich sehr phantastisch finde, weil er sich auf sehr unterschiedliche Arten be-sitzen läßt… Im heimischen Bastelzimmer sitze ich auf einem Swopper. Alle drei Arbeitshaltungen machen mich glücklich und ich habe kein „Rücken“. :-)