Claudia am 20. August 2011 —

Drei Brillen und das Glück

[Achtung, jetzt folgt eine langweilige und belanglose Statusmeldung aus erster Lebenshand]

Schon mindestens zwei Jahre hatte ich es vor mir her geschoben: Brillen besorgen, und zwar für jede Entfernung, nicht mehr nur fürs Computern und Lesen wie bisher.

Ein Augenleiden, das meine Sehkraft im einen Auge schwanken lässt, war mir berechtigte Ausrede, das ganze Vorhaben zu vertagen. Doch nicht allein die Schwierigkeit mit den „richtigen Werten“ schreckte mich. Die letzten Versuche, vor riesigen Brillenregalen etwas Passendes zu finden, waren trotz ‚zig Anproben vor dem Spiegel frustrierend ergebnislos gescheitert: ich weiß einfach nicht, mit was für einer Brille ich gut, weniger gut oder beschissen aussehe, und es nervt, mich plötzlich dafür interessieren zu müssen. Dass ich aber auch nicht einfach mit „irgendwas“ auf der Nase aus dem Laden gehen kann, wirft einen Blick auf die gleichwohl vorhandene Eitelkeit. Alles in allem ein Elend, dessen Wiederholung ich gern auf den St.Nimmerleinstag verschoben hätte, wenn, ja wenn ich nicht wirklich langsam mehr Brille im Leben bräuchte.

Und woher nehmen?

Die Frage nach dem Optiker meiner Wahl hatte ich auch vor mir her geschoben. Beim bekannten Billigheimer war ich schon gewesen, zu Zeiten schwankender „Werte“. Stundenlanges Rumprobieren vor den Regalen, Brillengestelle ab null Euro, in jeder Preislage vielerlei Modelle… das übliche Elend halt. Und sinnlos, denn aus heutiger Sicht sind die damals gekauften Brillen meiner Wahl stinklangweilig – und gut sehen konnte ich mit ihnen auch nie. Ich hab‘ die alte Brille weiter benutzt.

Die aber kam von einem kleinen feinen teuren Einzelhandelsoptiker, der schräg gegenüber jenes Massenbetriebs tatsächlich überleben kann. Gestelle für Null Euro gibt es da nicht und im Schaufenster fangen die Preise bei 140 Euro an. Als ich damals dort war, hatte ich mir auf dem Flohmarkt ein Gestell für 10 Euro gekauft. Bezüglich der Gläser hat mir ein lieber Stammleser, der auch mal Optiker war, dankenswerterweise im Detail gemailt, welche „Ausstattung“ der Gläser für meinen Bedarf ausreicht, damit ich nicht für unnötigen Schnickschnack Unsummen zahle.

So bin ich damals zu einer preiswerten, gut aussehenden Brille gekommen, ohne dass mich das gefühlte Preisniveau des Ladens tangiert hätte. Der Service war klasse, niemand mokierte sich über mein mitgebrachtes Gestell und meine genauen Vorgaben – super! Da wollte ich wieder hin…

Aber ich wollte auch nie und nimmer ein teures Brillengestell. Eher spende ich für laufende Katastrophen oder bedenke die nächsten zehn Bettler mit fürstlichen Summen, als dass ich so ein Teil auf der Nase so wichtig nähme, um dafür hunderte Euro auszugeben.

Weniger ist mehr

Dass ich am PC immer schlechter lesen konnte, ließ mich dann aber doch die Gunst der Stunde nützen: Vor zwei Wochen hatte ich in der Nähe des teuren Optikers zu tun, eine Stunde Wartezeit war zu überbrücken. Ich überlegte nicht lange, sondern betrat den Laden, wo mich sogleich eine Mitarbeiterin nach meinen Wünschen fragte.

„Haben Sie auch preiswerte Brillengestelle?“ Es hatte mich doch etwas Überwindung gekostet, das so schnörkellos zu fragen, doch zeigte sich mein Gegenüber in keiner Weise irritiert.
„Aber selbstverständlich!“ Ich wurde ganz nach hinten geleitet, wo die Mitarbeiterin aus einem Schrank ganz weit unten drei Gestelle zu Tage förderte. Zeitlose Modelle zu 13, 15 und 19 Euro – ich fand die gar nicht so schlecht, merkte aber an, dass „preiswert“ für mich schon so bis 80 Euro gehe. Worauf sie drei weitere Brillengestelle hervor kramte – ein klein wenig modischere, wie mir schien (aber ich hab‘ nicht wirklich Ahnung!).

Und JETZT kommts endlich: das GLÜCK aus der Überschrift!

Ich probierte binnen weniger Minuten vier der sechs Brillen an und konnte mich sofort für drei Gestelle entscheiden. Ohne Zögern, ohne Zweifeln, ohne ewiges Hin- und Her… wow!!

Zusammen mit den Sehtests und der kurzen Verhandlung der „Ausstattung“ dauerte das Ganze keine Stunde. Ich hatte drei Brillen mit Gestellen und Gläsern beauftragt und sogar Mengenrabatt gefordert und bekommen – Ende der Jahre langen Prokrastination in Sachen Brille.

Wie glücklich könnten wir doch sein, wenn es von der jeweils gesuchten Ware nicht hunderte Varianten, sondern nur ein paar wenige gäbe! Welcher Zeitgewinn, welche Befreiung von all den leidigen Recherchen…

Dass das keine Spinnerei ist, haben Forschungen bestätigt, die – wenn ich mich recht erinnere – von Supermärkten in Auftrag gegeben wurden. Bis sieben verschiedene Marmeladen zur Wahl führen zu MEHR Käufen als wenn dort MEHR Varianten stehen. Mehr Möglichkeiten stürzen die Menschen in die Qual der Wahl und lassen manche gar nicht erst zugreifen.

Warum hab‘ ich das jetzt gebloggt?
Vielleicht, um den Moment zu feiern, an dem WENIGER fühlbar MEHR war.
Vielleicht auch einfach nur so. :-)

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Drei Brillen und das Glück“.

  1. Das erinnert mich an Bill Bryson, der schrieb, in den USA gäbe es von allen Lebensmitteln unzählige Varianten, er hatte Schwierigkeiten die Unterschiede zu erkennen, etwas zu wählen und alles schmeckte gleich schlecht.

    Mich schreckt eine große Auswahl eher ab, außer ich erkenne ohne viel Zeitaufwand, worin die Unterschiede bestehen und wofür sich was besser eignet (Kann es sein, eine „zu“ große Auswahl entmachtet, verleiht das Gefühl der Hilflosigkeit? Zumindest weiß ich eines sofort: Ich benötige mehr Zeit und das verringert die Wahrscheinlichkeit eines Kaufs.).

    Ich benutze eine Brille mit Gleitsichtgläsern, für’s Lesen habe ich eine separate, die im Nahbereich „angenehmer“ ist als jene mit Gleitsichtgläsern.

  2. Ein Grund, warum ich mir meine Kleidung sehr weit uniformiert habe (Langweilerset aus Jeans, T- und Sewatshirt, Jacke mit Taschen und hey, drei verschiedene Hüte für Regen, Sonne und dazwischen.)

    Bei Brillengestellen habe ich auch nie kapiert, warum die soooo teuer sein müssen. Bei bestimmten anderen, auch gerne Luxusartikel, seh ich das ja ein, aber Brillen und, ähem, Uhrenarmbandbändern finde ich das immer arg übertrieben. Nun hab ich auch da zum Glück unscheinbare Langweilergestelle, zwei mit identischen Gläsestärken, nur einmal selbsttönend als Ersatzbrille. (Naja, und eine Schwimmchlortauchbrille, aber die zieh ich ja draussen eher seltener an…)

    Doch ein Gang zum Augenarzt steht wohl auch bei mir mal wieder an, ich argwöhne ja, das ich mich der „eingeschliffenen Gläser“-Fraktion nähere.

    Wenn ich einmal vor der Qual der Wahl stehe, zumeist bei Luxusdingen wie „eine neue Kamera“ oder „Urlaubsplanung“, dann schaue ich mich zwar um, bin ich aber dann von „etwas“ angetan, ignoriere ich die Möglichkeit, doch noch etwas besseres oder passenderes zu finden. Und ich habe im letzten Jahrzehnt einfach Glück gehabt, ich war immer zufrieden mit meiner Wahl. Wusste ja nicht, das es eine Ecke weiter etwas „noch“ tolleres gegeben hätte. Unwissend aber glücklich sozusagen. ;-)

  3. Hallo liebe Schwester, diese Erfahrung ist mal wieder ein Beweis dafür, dass Prof. Barry Schwarz mit seinem „Paradox of Choice“ (Mehr ist Weniger) recht hat! Den Vortrag dazu auf der von mir sehr geliebten TED Seite: https://plainmath.me/barry-schwartz-the-paradox-of-choice/
    Und dann gibts da noch Brille 24 im Internet, mein Vermieter schwört drauf. Für 40 € werde ich das auch mal riskieren.
    Liebe Grüße Doris

  4. „Ein Augenleiden, das meine Sehkraft im einen Auge schwanken lässt, war mir berechtigte Ausrede, das ganze Vorhaben zu vertagen. Doch nicht allein die Schwierigkeit mit den “richtigen Werten” schreckte mich.“
    Und „Schon mindestens zwei Jahre hatte ich es vor mir her geschoben: “

    @Claudia: Aus Zeitmangel habe ich auch meinen Kommentar seit fast 2 Monaten vor mir her geschoben, aber ich muss ihn noch anbringen. Die Suche nach dem Schnäppchen ist individuell gesehen immer Okay und ober das Brillengestell 20 oder 2000 Euro kostet ist mir auch wurscht und keinen Kommentar Wert. Dagegen ist es fahrlässig – mit oder ohne Augenleiden – wenn man den Besuch beim Augenarzt über Jahre hinweg unterlässt. Der Optiker kann sehr gut die „richtigen Werte“ einstellen, aber der Optiker untersucht das Auge nicht auf seinen gesundheitlichen, medizinischen Kein Augendruck wird gemessen, weder Anfang noch Fortschritt von Grauem Star oder Grünem Star, plus andere Augenleiden die eine Behandlung erfordern und bei einem rechtzeigen Eingriff mit besseren Erfolgschancen angepackt werden können.

    Es ist hochriskant die Gratisdienstleistung vom Optiker als genügenden Ersatz für den Besuch beim Augenarzt anzusehen. Betrachte es als wichtig diese Feststellung auf diesem vielgelesenen Blog zu posten.

  5. @Relax-Senf: danke für deine Fürsorge! Aber das ist ein Missverständnis. Natürlich war ich beim Augenarzt, oft sogar. (Bis heute hat dieser und auch der nächste nichts Grundsätzliches an diesem Leiden – laut Arzt 1 eine Regenbogenhautentzündung, mittlerweile chronisch/in Schüben – ändern können, nur über die Beschreibung gibts ab und an ne neue Vermutung).
    Ich hab die Sache mit der neuen Brille „vor mir her geschoben“, weil ich einerseits noch Hoffnung auf volle Genesung hatte, und weil andrerseits „die Werte“ tatsächlich schwankten – je nachdem, wie akut das Leiden grade ist. Die Brillen, die ich mir maximal preiswert dann TROTZ so eines „Schubs“ machen ließ, waren natürlich kurze Zeit später schon nicht mehr brauchbar.. klar!

  6. @Claudia: Dein Artikel war der Auslöser und im Vordergrund meiner Fürsorge stehst du. Aber betrachte es als geeigneten Ort um weitere Leser darauf aufmerksam zu machen. Auslöser, ich kenne persönlich Leute, die durch „nur“ Besuche beim Optiker schwer geschädigt wurden. Ohne Verschulden vom Optiker, der nicht für medizinische Betreuung zuständig ist.

    Benütze seit der ersten Netzhaut-OP immer noch die gleiche Brille. Die ständig wechselnden Korrekturwerte – bedingt durch das Silikonöl – lassen keine brauchbare Bestimmung des Korrekturwertes zu. Das „alte“ Glas wirkt sich aber negativ auf die Sehstärke aus.