Claudia am 30. April 2011 —

Partnersuche online: Sich selbst zur Ware machen

Auf das Thema bin ich heut‘ früh gestoßen, weil grade mal wieder ein „revolutionär anderes“ Dating-Portal seine virtuellen Tore öffnet. Das Berliner Startup „Loverty“ wirbt mit einem voll nutzbaren, kostenlosen Basis-Account, der im Unterschied zu anderen Anbietern alle nötigen Features für die Partnersuche ohne Zwang zum Premium-Upgrade ermöglichen soll.

Ok, ich finde es immer sympathisch, wenn jemand eine ganze Branche mit eingefahrenen Gewohnheiten (wie etwa das möglichst hochpreisige Abkassieren suchender Singles) aufmischen will. Deshalb die Erwähnung und der Link. Viel Glück den Machern und allen, die da suchen!

Bis zu sieben Millionen Menschen sollen es sein, die sich in DE in die Niederungen der Dating-Sites begeben, um dort einen Partner fürs Leben, für eine Affäre oder einen Seitensprung suchen, andere Quellen zählen 15 Millionen registrierte Nutzer. Zusammen bescheren sie den Portalen einen Umsatz von 179,5 Millionen Euro – eine stattliche Summe.

Was mich bezüglich der expliziten „Partnersuche im Internet“ immer schon wundert, ist die Bereitschaft der vielen, sich wie eine Ware per Profil anzupreisen und auch selber in solchen „Profil-Katalogen“ zu stöbern, in der Hoffnung, man finde so „den Richtigen“. Auch das „Matching“ per Programm über anzugebende Vorlieben und Anforderungen verschärft den Warentausch-Charakter eigentlich nur noch: dies und das habe ich zu bieten, jenes will ich dafür haben. Wie erfolgreich sind wohl solche „passgenauen“ Suchvorgänge? Darüber gibt es leider keine Zahlen.

Prüfendes Abchecken statt Flirten

Obwohl ich ein „Internet-Urgestein“ bin und seit 1996 im Web publiziere und kommuniziere, hat mich die Partnersuche im Netz nie gereizt. Für mich ist es der Tod der Erotik bzw. die Verunmöglichung echten Flirtens, wenn ich ganz genau weiß: der Andere ist auf der Suche und checkt mich jetzt ab, ob ich auch ins Beuteschema passe. Da fühl‘ ich mich – mal angenommen, der „gedatete“ Mann würde mir auf den ersten Blick gefallen – eher wie bei einer Prüfung oder in einem Bewerbungsgespräch als in einem unverhofft (!) in aufregendes Flirten übergehenden Normalkontakt. Und im sehr viel wahrscheinlicheren Fall des Nicht-Gefallens wär es öde und peinlich, dies dem Aspiranten höflich beizubringen…

Wie aussagekräftig sind schon ein paar Daten und ein gefotoshoptes Bild? Wieviel Lebenszeit müsste ich auf Treffen mit Interessenten verschwenden, die vielleicht daten-technisch „passen“, mich aber leider „per Chemie“ so gar nicht reizen? Es wäre ungefähr so wahrscheinlich, so einen Partner zu finden, wie wenn ich in die Berliner S-Bahn steige und mir alle im passenden Alter anschaue: normalerweise ist da keiner dabei, der in Betracht käme.

Der Richtige ist oft ganz anders als man denkt

Wenn ich auf die mehrjährigen glücklichen Beziehungen in meinem Leben zurück schaue, muss ich auch feststellen: Über ein „Matching“ hätte ich keinen dieser Männer freiwillig kontaktet! Falsches Studium, falscher Beruf, falsche Körpergröße, unpassende Hobbys und Musik-Vorlieben, konträre bzw. gewöhnungsbedürftige Ansichten und Weltbilder, falsches Alter, falsches Gewicht – nicht einer davon hätte Gnade vor meinen virtuellen Ansprüchen gefunden! Welch ein Glück, dass ich nicht übers Netz suchen musste…

Eine Suche über den Abgleich der „Beuteschemata“ ist die konsequente Ausdehnung technisch-wissenschaftlichen Machbarkeitsdenkens auf das letzte intime Refugium menschlichen Miteinanders. Das Unverfügbare plötzlich herein brechende Begehren und Verlieben soll verfügbar gemacht und in den Griff genommen werden – und immer mehr Menschen finden das normal und in Ordnung. Stellt sich heraus, dass der Erwählte doch nicht so toll ist, gibts ja noch viele andere, die besser passen könnten. Man entwickelt sich nicht aufeinander zu, sondern tauscht halt um.

Tipp für ähnlich Empfindende

Würde ich heute einen Partner suchen, würde ich überall hin gehen außer dahin, wo man EXPLIZIT Partner sucht. Also in Foren und Communities, die meinen Interessen entsprechen, seien es Hobbies oder die weite Welt meiner kreativen Arbeit. Das kann auch mal im erotischen Sektor sein: Vor ein paar Jahren hab‘ ich da mal jemanden gesucht, der mit mir „interaktiv“ erotische Geschichten schreibt. Und peng!!!! Ganz ohne weiteren Daten-Abgleich ergab sich alsbald eine spannende Affäre – prickelnd, romantisch, höchst erotisch. Und der Mann ist mir heute noch ein guter Freund.

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
8 Kommentare zu „Partnersuche online: Sich selbst zur Ware machen“.

  1. […] Partnersuche online: Sich selbst zur Ware machen […]

  2. Das geht mir genauso. Mein bester Freund hat sich eine Zeitlang, wenn auch nicht sehr intensiv, in solchen Portalen getummelt und seine nun auch schon langjährige wunderbare Freundin kennen gelernt. Ein glatter Erfolg. Dennoch: als ich ihm damals zuschaute, staunte ich, was er da alles eingab. Höchstgrösse. Tse, dachte ich… aber dann: Nichtraucherin. Hm, ja, das fand ich schon gut.

    Und dann dachte ich mir: ich lerne an einem Ort X eine Frau kennen und verliebe mich vom Fleck weg. (Gebe zu: ich kann mich laufend vom Fleck weg verlieben) – und hoho, sie nimmt meine ersten Avancen an. Und wir verbringen ein, zwei drei wunderbare Wochenenden. Und alles läuft und dann – oh jeh, zückt sie eine Packung Zigaretten… dann sag ich doch nicht tschüs. Und nach 67 Jahre glücklichen Jahren „Mist, das ich das mit dem rauchen nicht vorher gewusst habe.“ sondern doch eher „zum Glück“… So mal aus dem Bauch gedacht.

  3. „Würde ich heute einen Partner suchen, würde ich überall hin gehen außer dahin, wo man EXPLIZIT Partner sucht. Also in Foren und Communities….“

    Also würdest Du, @Claudia, garnicht in der realen Welt auf Suche gehen (eine Begegnungschance entstehen lassen)? Das erstaunt mich doch.

  4. Diese Claudia-Zeilen habe ich mal wieder richtig genossen, Herrlich beleuchtet, herrlich dargestellt. Gut für einen Geist der gerade ein Verschnaufpause braucht. : – ) .

    „Stellt sich heraus, dass der Erwählte doch nicht so toll ist, gibts ja noch viele andere, die besser passen könnten.“

    In einem anderen Analyseartikel war zu lesen, dass das anonyme Suchen, mit allenfalls raschem und vielleicht zahlreichem Echo, die Suchenden leichtfertig zu falschen Annahmen verleitet, d. h. zum Abwarten als die einzig richtige Strategie, denn bei diesem Andrang kommt sicher noch die bessere Lösung, ja findet man nach x Jahren erfolglosem Suchen endlich der/die Traumpartner/in !

    Dabei muss man kein ausgebildeter Partnerschaftsberater sein um rasch erkennen zu können, dass viele Singles ein wesentliches Defizit besitzen und kultivieren. Sie pflegen einen völlig unrealistischen Umgang mit den harten Fakten. Anfertigung eines völlig unangemessenen Wunschzettels, bei gleichzeitiger Fehlbeurteilung der eigenen Attraktivität. Gemeint sind damit pauschal alle Eigenschaften die geeignet sind um Sympathie oder Antipathie zu entwickeln.

    Das ganze lässt sich durchaus mit einer Bewerbung für eine Stelle vergleichen. Wer dort Fähigkeiten vorspiegelt die nicht vorhanden sind oder Freude an Arbeiten vorgibt die er/sie hasst, wird definitiv nicht glücklich im Job und sehr wahrscheinlich scheitern.

    Unehrlichkeit betreffend den Geben und Nehmen Skills, lässt Beziehungen ab dem Moment auf die Verliererstrasse einbiegen, wo der Schein aufgegeben wird.

    Die Claudia Wertung von Online Dating hat einen roten Faden mit guten Argumenten. Trotzdem, viele Vorabinformationen sind nicht schlecht für die quick and dirty Vorselektion.

    Erstaunlich finde ich, dass es trotz Facebook die vielen kostenpflichtigen Dating Portale braucht! Sehnsucht und Wunschzettel das lockere Geldausgeben zur Pflicht machen.

  5. @Gerhard: wohin sollte eine Freiberuflerin mit Homebüro denn offline gehen, wenn sie nicht EXPLIZIT wg. Partnersuche raus gehen will? Da kämen allenfalls ein paar Kurse in Betracht, wobei meine Vorlieben dann auch nicht von Männern im passenden Alter überlaufen wären…

    @Relax: Freut mich, dass dir der Beitrag gefällt! (Bin derzeit etwas nachhängend in der Kommunikation, das hat gute Gründe, bitte nicht sauer sein!)

    Die Frage betreffs Facebook hab ich mir auch gestellt! Warum noch Zahlportale, wenn es da doch so viele Menschen gibt, die man „beiläufig“ kontakten kann?

    Ich vermute, die meisten wollen gar nicht das Risiko eines „unvermuteten“ Anbaggerns auf sich nehmen. Zwar kann man auch auf Dating-Sites einen Korb bekommen, aber immerhin keinen Vorwurf a la „was fällt dir denn ein!“.
    Auch ist FB so angelegt, diejenigen zu „frienden“, die man schon kennt, sowie reale Namen zu nutzen – das ist dann gleich ein ganz anderes, sehr viel REALERES Miteinander als das anonyme Geschwurbel auf Erotik-Seiten.

  6. Nun ja, Claudia, damit beantwortest Du Dir aber doch ein paar Fragen eigentlich selbst. Wohin soll man denn gehen? Du tummelst Dich auch relativ lässig und erfahren im Internet. Für nicht wenige ist das aber doch noch sehr sehr vermintes und unbekanntes Gelände. Nun kann sich ein Partnervermissender erst mal fünf Jahre und mehr mit sozialen Techniken wie Facebook etc beschäftigen und Blognetze aufbauen oder eben… Dienste wie Partnerseiten ansteuern. Immer vorausgesetzt, sie wollen nicht, wie Du (schon für mich verständlich) EXPLIZIT wegen Partnersuche rausgehen. (wie die Restepartys Ü-XY etc….)

    Da ist doch die Ausgangslage sehr ähnlich. Wenn man nicht das Umfeld der Arbeit abgrasen will/kann/sollte und selbst der eine Verein zwar nette Leute hat, aber eben doch keinen potentiellen Partner, dann bleibt nur „rausgehen mit Suchfokusierung“ oder eben Tummelplätze im Netz. Und für diejenigen, die im Netz sich noch keine weitläufigeren Räume eröffnet haben wie vielleicht wir, ist auch da die Luft etwas dünner.

  7. Online-Dating: der Tod der Erotik und die Unmöglichkeit des Flirts?…

    Unsere Ansichten über die Liebe und die Partnerwahl sind in der Regel von eigener Erfahrung geprägt. Das hindert uns einerseits, die Liebe historisch richtig einzuschätzen und andererseits, die kulturellen Veränderungen wahrzunehmen, die gerade jetzt i…

  8. Kritik am Online-Dating: Ist der Markt etwas Schlechtes?…

    Das Schlimmste, was einem aufklärten Menschen offenbar passieren kann, ist der Weg an den Markt: „Sich wie eine Ware per Profil anzupreisen“ käme der Web-Autorin Claudia Klinger jedenfalls nicht in den Sinn. Warum nur haben so viele Menschen Furcht da…