Am Ende des Quartals geht nichts mehr in deutschen Arztpraxen: was das „gedeckelte Budget“ für schwer kranke Menschen bedeutet, hat der gestrige Tatort „Edel sei der Mensch, hilfreich und gesund“ in Form einer berührenden Krimi-Handlung den Fernsehzuschauern präsentiert.
Ein Mädchen mit Mukoviszidose bekommt das einzig helfende Inhalationsmittel nicht, weil es zu teuer ist: 800 Euro im Monat plus nochmal 900 für das Inhalationsgerät. Statt dessen stirbt es fast an der allergischen Reaktion auf ein billiges Antibiotikum. Eine alte Frau kann die Hand nicht mehr bewegen und leidet große Schmerzen, doch sie soll drei Wochen warten, denn erst im nächsten Quartal kann ihr das wirksame Medikament wieder verschrieben werden.
Ein GUTER Arzt muss das System betrügen
Der mitfühlende alte Arzt unterläuft das System per Abrechnungsbetrug: den Privatpatienten berechnet er mehr als sie bekommen haben, um so die NOT-wendigen Mittel für die Kranken zu finanzieren, die von der Kasse nicht bezahlt werden. Denn nur das billigste Medikament darf verschrieben werden, auch wenn das lange nicht so gut hilft wie neuere, die jedoch schweineteuer sind.
Opfer dieses soviel Not ignorierenden Systems und der menschenfreundlichen Versuche, es auszutricksen, ist dann ein Morbus Crohn-Patient, der erste Tote in diesem Tatort. „Unter der Hand“ hatte er vom alten Arzt die teure, aber wirksame Infusion erhalten (Kosten: 8000 Euro!). Dazu dann aber auch noch das Billig-Mittel von der neuen, geschäftstüchtigen und systemkonformen Ärztin, die die Praxis übernehmen will und davon nichts wusste. Pech, dass die Medikamente in Kombination tödlich wirken!
Dass die Karriere-geile Ärztin dann ebenfalls zu Tode kommt, wird kaum ein Zuschauer bedauert haben. Am Ende stellt sich heraus, dass die Mutter des Mukoviszidose-kranken Kindes sie erschlagen hat, weil sie dabei war, den Patienten-freundlichen Betrug in der Praxis aufzudecken und zu beenden. Und nicht mal die Kommissare haben richtig Lust auf die anstehende Verhaftung…
Ist dieses Elend änderbar?
Ich finde es toll, dass der Tatort immer wieder solche brisanten Themen aufgreift: Gute Unterhaltung plus optimale Wahrnehmung des öffentlich rechtlichen „Bildungsauftrags“. Viele Noch-Gesunde haben ja keine Ahnung, was mittlerweile in Sachen Krankheit hierzulange abgeht! Viele denken, nur das billigste Mittel zu verschreiben, bedeute lediglich eine Wahl unter gleich wirksamen Medikamenten – also etwa ein preiswertes, wirkstoffgleiches Generikum anstatt des teuren Markenprodukts. Dass dem NICHT so ist, hat der Film drastisch klar gemacht!
Was ich vermisst habe, war die Kritik an der Pharma-Industrie. Lediglich die Preise einiger Medikamente wurden genannt und gaben zum Staunen Anlass. Dass wir hierzulande deutlich mehr für Medikamente bezahlen als in anderen EU-Ländern üblich, kam leider nicht zur Sprache. Aber das hätte den Krimi dann wohl doch zu sehr überfrachtet.
Die Deutschen gehen zu oft zum Arzt, heißt es. Ich vermeide das soweit möglich, doch der TATORT hat mir gezeigt: man müsste eigentlich einmal pro Quartal möglichst viele Ärzte aufsuchen, gerade als Gesunder. Dann würde nur ein einmaliges Patientengespräch das Budget belasten, der Rest könnte für wirklich Not-leidende Patienten verbraucht werden. 65 Euro pro Patient und Quartal sind das übrigens nur – ich nehme an, die im Krimi genannten Zahlen stimmen.
Weitere Ideen? Wozu brauchen wir hundertundweißnichtwieviel Krankenkassen? Die Leistungen sind doch sowieso gsetzlich bis an die Kante reglementiert. Nur EINE Kasse für alle würde eine Menge Verwaltung einsparen!
Ja, es gäbe viel zu reformieren… aber irgendwie scheint das Thema „Gesundheitssystem“ die Massen nicht oft nachhaltig zu bewegen. Vielleicht, weil wir Krankheit so lange es geht lieber verdrängen?
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21 Kommentare zu „Tatort: Unser krankes Gesundheitssystem“.