Claudia am 24. November 2009 —

Wir kaufen nicht genug und belasten die Wirtschaft

„Verbraucher erweisen sich als Belastung für die Wirtschaft“, schreibt die Financial Times Deutschland. Nach dem Wegfall der Abwrackprämie sparen sich viele größere Anschaffungen, was angesichts der Lage ja nicht unvernünftig ist. Und doch wird man mit einem solchen Verhalten „zum Hemmschuh für die Erholung der Wirtschaft“.

Im dritten Quartal haben wir sage und schreibe 0,9 Prozent weniger konsumiert als im zweiten. Während alle anderen Faktoren, aus denen sich das BIP (Bruttoinlandsprodukt) zusammen setzt, wieder wachsen, ist das Individuum unbelehrbar störrisch und übt „Kaufzurückhaltung“.

Wenn ich mal in die Prospekte und Kataloge schaue, die mir so ins Haus flattern, sehe ich fast nur minimale Monatsraten statt der Gesamtpreise. Mit allen Tricks wollen uns die Anbieter zum „kaufe heute, zahle irgendwann“ verführen, also genau das Verhalten, das in den USA die Krise auf dem Häusermarkt ausgelöst hat.

„2010 dürfte der Konsum als Konjunkturstütze ausfallen“, sagte Ralph Solveen von der Commerzbank. Die Firmen kämen um Entlassungen nicht herum, wenn die Wirtschaft im kommenden Jahr nur um 1,5 Prozent wachse, meinte Dekabank-Ökonom Sebastian Wanke.“ (FTD)

Klar, wir sind dann auch selber schuld an der Arbeitslosigkeit! Dabei könnte man doch eigentlich denken: wenn insgesamt die zu leistende Arbeit mangels Bedarf drastisch sinkt, warum senkt man dann nicht auch die Arbeitszeit und verteilt sie auf die Arbeitnehmer? Ich meine: OHNE weitere Zuzahlungen bzw. Lohnausgleich (denn woher sollte der kommen?). Hatten wir nicht VOR der Krise eine Situation, in der unglaublich viele Überstunden quasi „normal“ waren? Warum dieser Hang zur Schufterei? Warum nicht lieber den Lebensstandard etwas herunter fahren? Das spart Ressourcen und Energie und schützt das Klima.

Ich höre von einigen, dass ihnen die Kurzarbeit gut gefällt. Wundert mich nicht, denn es gibt ja wirklich noch andere Dinge im Leben, mit denen man die Zeit füllen kann. Wenn ich zurück denke, fällt mir sogar ein, dass es einst die Vorstellung gab, sich mittels automatisierter Prozesse von der Arbeit zu „befreien“ – wahnsinn, wie sich die Wunschvorstellungen ändern!

Na, ich werde das vertrackte KOAN unserer Zeit jetzt hier nicht lösen, nur immer mal wieder sagen, dass ich es ziemlich irre finde, dass wir „mehr verbrauchen“ sollen und gleichzeitig das Klima schützen.

Im Greenpeace-Magazin ist dazu ein guter Artikel erschienen, in dem es u.a. heißt:

„Verkürzung der (Lohn-)Arbeitszeit zur Steigerung der Eigenversorgung, Community-Gärten, Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkmärkte, Einrichtungen zur Gemeinschaftsnutzung von Geräten/Werkzeugen – all dies würde zu einer graduellen De-Globalisierung verhelfen und am Ende auch weniger Energie und Ressourcen verbrauchen. Salopp gesagt: Wir müssen Produkte länger nutzen, sie reparieren und pflegen und sie lieber gebraucht kaufen als neu. Wir müssen Knöpfe selber annähen und Fahrräder eigenhändig reparieren – und wieso soll das eigentlich keinen Spaß machen?“

Tja, da erkenne ich mich gleich als „bei den Bösen“, denn Fahrrad reparieren macht mir keinen Spass. Ich gebe es in den Fahrradladen (was verdammt preiswert ist!) und zahle mit Geld, das ich z.B. bei einem Versender attraktiver Blumenkübel verdiene, der diese in China produzieren lässt. Wo die Leute FROH sind über die Jobs, die so entstehen. Immerhin kommen die Kübel mit Schiffen und nicht mit dem Flugzeug, aber das ist letztlich kein Gegenargument.

Können wir aber einfach „regional“ werden und damit nicht nur selber viel Verzicht üben (was schon schwer genug ist), sondern auch deutlich ärmeren Bevölkerungen in China und anderen Ländern jede Hoffnung auf schelle Hebung ihres Lebensstandards nehmen? So nach dem Motto: sollen sie doch alle Bauern bleiben, das ist doch ein idyllisches, naturnahes Leben?

So nicht – anders aber auch nicht. Ein KOAN eben.

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Diskussion

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8 Kommentare zu „Wir kaufen nicht genug und belasten die Wirtschaft“.

  1. Das ist der Kapitalismus-Wahn: alles muß immer mehr werden, alles muß wachsen, sonst ist es nicht gut genug. Dass das Wachstum irgendwo her kommen muß und zu Lasten von irgendwem anders geht, wird dann gerne verschwiegen.

    Der Konsum-Wahn trägt seinen Teil dazu bei: alles muß immer wieder neu sein und zu Mode und zu den Hypes passen. Und leider schlägt sich das manches mal auch auf die Produktqualität nieder: da ja alles billiger werden muß, damit man mehr verkaufen kann, und das immer wieder, halten die Produkte nicht mehr so lange.

    So wie wir einen Trend im Lebensmittelbereich zu nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Produkten haben, brauchen wir diesen Trend auch in anderen Bereichen.

    Den Tipp von Greenpeace, doch lieber Klamotten und Fahrräder selber zu reparieren finde ich verfehlt. Produkte müssen wieder hochwertiger werden und länger genutzt werden. Aber warum soll nicht auch die Näherin um die Ecke mal ein paar Euro 50 verdienen, damit sie jemanden einen Knopf annäht oder eine Hose ändert?

    Wirtschaft, Verkaufen und Konsum sind an sich nicht gut oder schlecht. Es hängt einzig und allein davon ab, was man daraus macht, wie man es gestaltet.

  2. ich werde auch nie verstehen, warum viele firmen UND arbeitnehmer teilzeit scheuen wie der teufel das weihwasser. obwohl längst erwiesen ist, dass teilzeitkräfte eine höhere produktivität pro stunde haben (das kann ich aus eigener erfahrung bestätigen – ich habe jahrelang vollzeit UND teilzeit gearbeitet und kenne beide seiten). es würde viele probleme auf einmal lösen: mehr leute hätten arbeit, und mehr leute könnten sich wieder besser um ihre familien und freunde kümmern und gesünder leben. vielleicht fällt der groschen ja doch noch.

    und auch mit dem geld haut es hin – wenn die bezahlung einigermaßen anständig ist. denn von jedem euro, der ab einem gewissen grundgehalt zusätzlich verdient wird, bleiben dem arbeitnehmer nach abzügen ja nur noch 50 cent. dafür sind aber die berufsbedingten ausgaben höher, weil z. b. mehr dienstleistungen eingekauft werden müssen, weil man selbst keine zeit hat, sie zu erledigen. (z. b. die mir bekannte chefsekretärin, die zwar extrem gut verdiente, dafür aber fast nur noch restaurantessen zu sich nahm, weil wegen der regelmäßigen überstunden bis in den abend die zeit zum selbst einkaufen und kochen nicht mehr reichte.) — nachtrag: was nicht heißt, dass man den schneidern oder fahrradreparaturwerkstätten keine arbeit mehr geben sollte, aber ein bisschen mehr balance wäre der chefsekretärin recht gewesen, d. h.: ab und zu essen gehen, aber eben auch die chance haben, was selbst zu machen, und sich nicht in einer „monokultur“ aufzureiben.

    oft heißt es „aber reicht es denn für die rente, mit nur teilzeit“ – dabei wird übersehen, dass die höhe des gehalts entscheidend ist und nicht die höhe der abgeleisteten arbeitszeit. in der frei gestaltbaren zeit gibt es ja durchaus möglichkeiten, auch noch geld zu verdienen, wenn man das möchte, und ein zweites standbein verringert das risiko, ohne versorgung dazustehen, wenn eine säule wegbricht. warum in der arbeit nicht beherzigen, was sich für geldanlagen schon längst bewährt hat?

  3. Ja, ein Koan:

    Ein Mann fragte Tao-hsin „Ist Geld und Besitz erstrebenswert?“

    Tao-hsin antwortete: „Einigen gehört die ganze Welt, anderen nur ein Teil davon.“

  4. … warum soll ich eine Filterkaffeemaschine fuer CHF 50 kaufen, wenn ich nebenan eine fuer CHF 19 kriege und weiss, dass diese mindestens zwei Jahre haelt? Dann werde ich sie durch eine neue, inzwischen wohl mit neuerer Technik ersetzen. So frag ich mich, was den Konsum mehr stuetzt, ab und zu was Billigeres zu kaufen, oder an einem Produkt, nur weil es teurer war, festzuhalten. Man kann mir deswegen amerikanisches Verhalten vorwerfen. Mit Recht, wenn die Entsorgung und Weiterverarbeitung der Abfallstoffe nicht gesichert ist.

    Was uns allen fehlt, ist ganzheitliches Denken. Wir lernen es auch nicht mehr … ich hab mal einen Vortrag zum Thema Hirnforschung angehoert. Gemaess diesem Referenten verfuegt meine aeltere Generation noch ueber das Althirn. Diese Gattung Mensch verfuege noch ueber ganzheitliches Denken. Dann folgt mit den Sechziger-Jahrgaengen ein verbessertes Althirn … und die neue Generation ueber das Neuhirn. Jenes sei darauf trainiert eine weit groessere Fuelle in viel kuerzerer Zeit aufzunehmen und auch entsprechend zu verarbeiten. Was ihm abgehe, sei ganzheitliches Denken. Also das Neuhirn fegt mit ueber 160 Sachen ueber die Autobahn zu einer 200km entfernten Demonstration. Der Besitzer dieses Neuhirns hat in diesem Fall seine Aufgaben bestens erfuellt. Er hat sich auf schnellst effektivem Weg zum Ort des Geschehens begeben und an Ort sich vollumfaenglich gegen die Umweltverschmutzung eingesetzt. Beide Aufgaben kann er befriedigend abhaken. Der Zusammenhang Benzinverbrauch und Umweltverschmutzung gehoert nicht in seinen Einsatzbereich.

    Ich hab hier etwas ausgeholt, weil mir auffaellt, dass so viele Dinge rund um uns genau diesen Weg gehen. Die Baenkler haben von der Krise ueberhaupt nichts gelernt. Sie verteilen wieder ihre Boni. Empfangen mit der linken Hand Hilfe vom Steuerzahler, hueten sich dieses Geld in seine Unternehmen zu riskieren, bauen sich ihr eigenes Schloss auf und nennen das Sicherheit.

    Und aus Politik und Wirtschaft lauscht man dem alten Lied von Wachstum. Himmel, wir koennen doch nicht immer nur wachsen? Wir muessen irgendwann imstande sein, diesen Kreislauf zu konsolidieren. Wachstum ja, aber piano-piano und dann stimme ich mit dem Qualtiaetsdenken ueberein. Zum Wohl unserer Weltgemeinschaft! Es kann nicht weiter angehen, dass wir in den Industriestaaten voll auf Wachstum machen, waehrenddessen die Drittweltlaender weiter verarmen. Wir muessen die Gegensaetze der Voelker, der Gesellschaften ausbalancieren.

    Es waere nun doch die Chance da, unser Dasein neu zu sehen und was Besseres zu tun, als was wir hatten.

  5. Neuhirnige;-) Wissenschaftler sagen: der „Klimawandel kostet 800 Milliarden!“

    Unglaublich, was man alles reinrassig ökonomisch korsettieren kann. Besitzdenken bzw. Denken in Zahlen – Hauptmerkmal einer sich breitmachenden neuen „Ratio“. Es ist für unser Menschsein bestimmt sehr bedeutend, zu wissen was ein Klimawandel, eine Supernova oder der nächste Urknall „so ausmacht“?

    Bleibt irgendwann für einige wohl nur noch die Frage: Was kostet der Sinn des Lebens?
    Auch wenn nichts Rechtes damit anzufangen ist, besser man hat ihn erst mal gekauft.

    Danke für den Beitrag und die lesenswerten Kommentare!

    Gruß
    Matthias

  6. Grüß Dich Mohnblume,

    Deine Ausführungen zu „uns allen fehlendem ganzheitlichem Denken“ interessieren mich sehr, da Du es in Zusammenhang mit der modernen Hirnforschung bringst. Ich halte das auch keineswegs für zu „weit ausgeholt“, denn wenn nicht unser Denken, was soll es dann sein, was den steten Gang in „Wahnsinn 2.0“ derart rasant auf Trab hält.

    Würdest Du bitte Quellen nennen, bzw. den Namen des Referenten zum Thema Hirnforschung, auf dessen Vortrag Du Dich beziehst?

    besten Dank und lieben Gruß,

    Hermann

  7. Hallo Hermann …

    … leider kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich hab zu diesem Thema mal in der Neuen Zuercher Zeitung einen recht ausfuehrlichen Bericht gelesen. Im Internet gibt’s zum Thema viele Informationen.

    Ich hab diese Information in bezug auf Neu- und Althirn als Beispiel genommen, um darzustellen, wieweit zwischen den Generationen unterschiedliches Denken herrscht. Inwieweit unsere Gesellschaft in diesem Sinne beeinflusst ist, lasse ich im Raum.

    Interessant ist nur, dass 1987 die Finanzwelt fast zugrunde ging, weil sie den damaligen Computerprogrammen vollstaendig vertrauten. Und ebenso interessant ist auch der letztjaehrige Crash … und erst recht der aktuelle, wenn ich eben die Nachrichten ueber Dubai sehe/hoere/lese.

    Wer hat was gelernt?

  8. @Mohnblume: ich kaufe immer diesselbe italienische Espressokanne, dieses Alu-Modell, dass man im unteren Teil mit Wasser befüllt, den Espresso in einen Siebbehälter drauf setzt und das Teil dann auf den Herd stellt. Die Kanne hat einen Griff aus Kunststoff, damit man sich die Finger nicht verbrüht – ABER der schmilzt eben auch an der Verbindung leicht weg, wenn man die Kanne mal zulange drauf lässt. Folge: ich kaufe alle Jahre eine Neue. Holzgriffe sind in der EU verboten, wegen Brandgefahr. Eine technische Lösung für das Problem sollte sich eigentlich finden lassen (immerhin wollen wir zum Mars!), doch ich nehme an, man will das nicht: dann nämlich würde die Kanne EWIG halten!

    Was das Gehirn angeht, lese ich aus den neueren Hirnfoschungen vor allem eines: es ist ungemein plastisch und anpassungsfähig, weil mehr, als wir früher dachten!
    Ich glaube, das ganzheitliche Denken ist eher eine Sache der älteren Semester, nicht der Jugend. Ganz unabhängig vom Jahrgang. Den als junger Mensch will man vor allem JEMAND WERDEN, sich einen Platz erobern, etwas erringen und sich profilieren. Da ist es mit „ganzheitlich denken“ dann nicht so weit her. Das kommt erst, wenn das unwichtiger wird, wenn die Qualitäten der Dinge wichtiger werden als Status und Neuheit, bzw. ihr „Machtpotenzial“.

    @Matthias: angesichts der Summen, die die Finanzkrise so insgesamt an „Rettungsmaßnahmen“ erfordert hat, wären die 800 Milliarden ja locker drin… ;-)