Claudia am 01. Juni 2006 —

König Alkohol: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust

Wenn es mir zu intim wäre, könne ich den Text auch gern per Mail ganz privat schicken, schreibt mir der Leser, der sich dieses Thema gewünscht und es auch „gesponsert“ hat. (Danke!). Zu intim? Wikipedia zählt 4,3 Millionen Alkoholkranke in Deutschland, über 40.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich in Folge übermäßigen Alkoholkonsums und etwa zwölf Prozent der Bundesbürger pflegen einen „riskanten Umgang“ mit Alkohol. Die Droge Nr.1 wird von Wissenschaftlern mittlerweile zu Recht als „harte Droge“ eingestuft, ebenso gefährlich wie Heroin & Co., obgleich legal.

Es gibt also gute Gründe, das Thema nicht „ganz privat“ zu behandeln. Zumal ich in Sachen Alkohol immerhin Erfolge vorweisen kann, die mir bezüglich des Rauchens einfach nicht gelingen wollen. Gelingen? Das klingt nach Bemühen, nach Selbstdisziplin und Anstrengung, die dann verdientermaßen von Erfolgen gekrönt ist – nichts wäre falscher! Gegen keine Droge, kein Fehlverhalten, keine andere Sucht hab‘ ich so ausschweifend „gekämpft“ wie gegen den Alkohol, doch solange ich das tat, solange ich glaubte, ich könne die Sache „in den Griff bekommen“ rutschte ich immer tiefer in die Sucht. Ganz allgemein ist es ein deutliches Anzeichen, dass man schon mitten auf dem Weg in den Abgrund ist, wenn man beginnt, das Trinken reglementieren zu wollen: Nur nach 18 Uhr, nur Bier und Wein, nur am Wochenende – mag sein, dass das eine Zeit lang funktioniert, doch wird es dabei mit großer Sicherheit nicht bleiben.

Alkohol? Ich doch nicht!

Etwa zehn Jahre hab‘ ich gebraucht, um mich in einen ordentlichen Alkoholismus zu saufen: erst mit 24 begann ich damit, regelmäßig Bier zu trinken, da eine neue Liebe gerne die Nachmittage in Mainzer Biergärten verbrachte. Bis dahin hatte ich Alkoholisches wegen des Geschmacks nicht gemocht und ansonsten die „Volksdroge“ mit Verachtung gestraft: mein Vater war Quartalsalkoholiker, war cholerisch und unberechenbar, soff sich phasenweise in extreme Zustände, in denen er dann die Familie terrorisierte: Nachts um drei nachhause kommen, Kinder aus dem Bett holen und die mitgebrachten Brathähnchen verspeisen lassen, einen drauf machen wollen – es war der reine Horror! Wir lebten während seiner Trinkphasen in ständiger Angst: wann wird er kommen? In welchem Zustand? Wird er wieder toben, rumbrüllen, auch mal zuschlagen – oder wird er weinerlich drauf sein, uns das Blaue vom Himmel versprechen, nach Bier und Schnaps und Rauch stinkend um Verzeihung für seine Schandtaten bitten?

Ich hatte eine ganze Kindheit und Jugend lang ausreichend Gelegenheit, hautnah zu erleben, was Alkohol aus einem Menschen macht. Nie würde ich dieser Droge verfallen, da war ich mir sicher! Meine Generation hatte Besseres, wir rauchten Haschisch und nahmen LSD, erweiterten unser Bewusstsein, erlebten echte Abenteuer des Geistes – aber selten und stark ritualisiert, in „geschützter Umgebung“, mit dem nötigen Respekt und viel utopischer Ideologie im Kopf. Timothy Leary hätte gerne LSD im Trinkwasser verteilt, um den Frieden auf Erden zu befördern – ich schweige lieber von all den Absurditäten, die ich in jungen Jahren so toll und revolutionär fand! All diese Experimente brachten mir tatsächlich neue philosophische Einsichten ins Geheimnis der Weltwahrnehmung: wenn die Filter des Geistes ausgeschaltet waren und alles an Informationen unsortiert herein kam, erlebte ich so manches Abenteuer, das ich nicht missen wollte! Zu häufiger Wiederholung drängte das allerdings nicht: zu heftig, kein Rauschpotenzial, kein Suchtfaktor.

Erste Kontrollversuche

Und doch gab es in der Art, WIE ich zum Beispiel meinen ersten Trip erlebte, schon Hinweise darauf, um was es in Sachen Droge bei mir ging: Ich wusste, dass man per LSD die gewohnte Wahrnehmung verliert und dem gänzlich Unbekannten gegenüber steht – dass man da auch manchen Horror erleben konnte, wie mir andere berichteten. Also konzentrierte ich mich darauf, die Kontrolle zu behalten. Zwar zerfiel die Welt schon bald nach Einnahme der kleinen Pille in ihre Bestandteile und vieles mehr, was ich „nüchtern“ gar nicht bemerkte – doch gelang es mir immer wieder schnell, mich zu besinnen, die Gesamtsituation (ich bin auf einem LSD-Trip und muss aufpassen!) nicht aus dem Blick zu verlieren. Ich steuerte mich selbst mittels spontaner Affirmationen wie etwa: Wenn ich jetzt raus auf die (Außen-)toilette gehe, hört der Trip auf, wenn ich die Wohnung wieder betrete, kann es weiter gehen! Und zu meinem Staunen hat das sogar geklappt – wow, ich war und blieb „Herrin der Situation“! Ich schaffte es sogar, empört den zweiten Trip abzulehnen, den mir mein Begleiter anbot, der lieber etwas Erotisches mit mir angefangen hätte anstatt ins Philosophieren abzudriften. Ich hatte alles im Griff, trotz des Wirbels, den das LSD in meiner Birne anrichtete – und ich war entsprechend stolz auf mich, fühlte mich schwer Drogen-kompetent!

Bewegte Zeiten

Was für eine Täuschung! Mit 26 zog ich nach Berlin und lernte echtes Nachtleben kennen. Vor 23 Uhr waren die Kiezkneipen eher leer, dann aber ging die Post ab! Aber nicht nur die Nächte waren spannend, das ganze Leben geriet zum spannenden Abenteuer: die Hausbesetzerbewegung Anfang der 80ger erfasste mich, erfasste das ganze Stadtteil: ein Sanierungsgebiet in Kreuzberg mit viel Entmietung, Leerstand bei gleichzeitigem extremen Wohnungsmangel. Ich war nach Berlin gekommen, weil mich meine Heimatstadt Wiesbaden langweilte, das Jurastudium hatte ich mit allen Scheinen abgebrochen, als mir beim Lernen fürs Examen klar geworden war, dass ich nicht Juristin werden will. Eine neue Idee hatte ich allerdings auch nicht, also kam mir der Ortswechsel mit meinem damaligen Liebsten, der der Bundeswehr entgehen wollte, gerade recht.

Alles bewegt sich und schwimmt im Bier

War ich zuvor nur am anderen Geschlecht interessiert, so erlebte ich jetzt eine „bürgerliche Geburt“: mitmischen bei gesellschaftlich wichtigen Dingen, Wohnungspolitik machen, den Stadtteil mitgestalten, „immer bei den Guten“ für die Verbesserung der Welt kämpfen – ich ging voll auf im neuen Aktivisten-Lebensgefühl! Drei Jahre war ich Vollzeit-Hausbesetzerin und danach ging es in ähnlich engagierter Manier weiter. Alsbald war ich im Vorstand jedes Vereins in der Umgebung, gründete selbst neue Initiativen, gab eine Zeitung heraus, veranstaltete große Feste, bestimmte mit über den weiteren Ablauf der Sanierung, war verstrickt in vielerlei Kämpfe – und merkte gar nicht, wie ich langsam aber sicher zur Funktionärin wurde, die auf ihre „Klientel“ im Grunde herab sieht. Ein Privatleben kannte ich nicht, war „immer an der Front“, natürlich auch in den Nächten, in denen man sich in der Kneipe traf und weiter „Politik machte“. Wer da fehlte, verlor an Einfluss – ich war überall dabei, schwamm im Lebensgefühl der 80ger wie ein Fisch im Wasser. Naja, eigentlich im Bier, doch sah ich das noch lange nicht als Problem.

Zwischen 23 Uhr und vier, fünf Uhr morgens schluckte ich bald locker acht bis zwölf große Bier. Sie kamen ja quasi automatisch auf den Tisch, wenn die Gläser leer waren. Ich tat das nicht bewusst, um mich zu betrinken: es gehörte dazu, alle Mit-Aktivisten hatten einen ordentlichen Zug, mir fiel gar nicht auf, dass sich mein Alkoholkonsum kontinuierlich steigerte. Bald war es mir zu mühsam, soviel Bier trinken zu müssen, bevor die wirklich „beschwingte“ Stimmung aufkam, also kamen Schnäpse dazu, auch das war durchaus üblich. Wir waren jung, waren voller Energie, und vertrugen noch eine Menge.

Richtung Abgrund

Mitte dreißig änderte sich auf einmal mein Lebensgefühl – es gab keine „Bewegung“ mehr, nur noch den zunehmend mühsamen Alltag in meinen vielfältigen Funktionen. Ich merkte, dass ich zwar Bewunderer, Neider und Genossen hatte, aber eigentlich keine Freunde, bei denen ich mal den Kopf anlehnen konnte, wenn ich mich mies fühlte. Ich war ja „die Starke“, die immer alles im Griff hat – doch jetzt realisierte ich, dass etwas nicht stimmte. Was tat ich da eigentlich? Was hatten all diese Kämpfchen und Intrigen, die mir früher Spass gemacht hatten, eigentlich mit MIR zu tun? Wer war ICH – jenseits meiner Funktionen? Es begann die Zeit meiner kleinen und großen Fluchten: Rückzug aus allerlei Ämtern, Aufenthalte in der Toskana, der Versuch, im „spirituellen Sektor“ an mir zu arbeiten: z.B. mal eine dreimonatige Massage-Ausbildung in einer Heilpraktikerschule mit viel Meditation, Gruppenarbeit, Selbsterfahrung.
Alles ganz toll und für kurze Zeit faszinierend – doch immer wieder landete ich in den heimischen Kneipen: das waren meine „Wohnzimmer“, wo sollte ich auch sonst hin? Relativ deprimiert erkannte ich, dass ich nicht im Stande war, diese Umgebung länger als zwei Tage zu meiden. Allein zuhause konnte ich ja nichts mit mir anfangen, persönliche Interessen hatte ich gar nicht entwickelt – und wenn ich dann doch gegen 23 Uhr über die Straße in die Kneipe ging, brauchte es nur ein Bier und einen Schnaps und ich fühlte mich wieder „normal“! DARAUF verzichten? Unmöglich!

Es dauerte, bis ich das Ausmaß meiner Sucht erkannte! Schließlich glaubte ich immer noch, Herrin meiner selbst zu sein und für jedes Problem eine Lösung „aus dem Kopf “ zu haben, wenn es wirklich drängend wurde. Diesen „Betonkopf“ hab ich lange an die Wände schlagen müssen, bevor mir endlich aufging, wie meine Lage tatsächlich war. Ich kämpfte immer wieder gegen den Alkohol, blieb mühsam ein paar Tage abstinent, versuchte, die Schnäpse wegzulassen, aber all das hielt nur kurze Zeit. Schließlich tat ich nichts mehr außer die Nächte durchtrinken, mich tagsüber erholen und abends wieder loslegen – ich war Alkoholikerin geworden, genau wie mein Vater!! Und genau wie er soff ich mich regelmäßig in den Filmriss, in unkontrollierte Zustände, in denen ich mich verschiedentlich furchtbar aufführte. Am Tag danach erinnerte ich mich an nichts, doch war das weit schlimmer, als genau zu wissen, was man angestellt hat. Ich bestand jetzt aus zwei Personen: die, die erkannte, dass sie ein Alkoholproblem hat, und die, die zum nächsten Glas greift, wohl wissend, dass es wieder im Filmriss enden wird – Prost! Jetzt ist jetzt, Probleme lösen wir morgen, was soll schon passieren?

Kontrollverlust

Es passierte eine Menge. Ich lief gegen ein Baustellenschild, kam Blut überströmt in die Kneipe und merkte es nicht einmal. Ich ließ mehrfach etwas auf der Herdplatte stehen, schlief betrunken ein und erwachte mit dickem Kopf, weil die Feuerwehr und der Hausmeister vor meinem Bett standen. Ich trat einem Freund die Türe ein, der mich besoffen nicht einlassen wollte, ich randalierte in Treppenhäusern – es war grauenhaft, doch schaffte ich es lange, mir einzureden, dies alles sei nicht weiter schlimm. Immer gab es ja Leute, die sich noch weit weniger im Griff hatten, die nicht nur nachts, sondern auch tagsüber tranken. Absurderweise fühlte ich mich noch lange als „etwas Besseres“.

Und doch dämmerte mir jetzt die unabweisbare Erkenntnis: Ich hab‘ ein ausgewachsenes Alkoholproblem und sollte das endlich in den Griff kriegen! Es brauchte viele viele demütigende Erlebnisse, bis ich die tatsächliche Lage wirklich ins Bewusstsein dringen ließ – aber die größte Demütigung kam erst jetzt: ich schaffte es nicht, irgend etwas dagegen zu tun. Immer wieder probierte ich „Rezepte“ aus, versuchte, nüchtern zu bleiben, saß in der Kneipe vor dem Mineralwasser, während die anderen sich betranken (und amüsierte ich mich dann gar nicht mehr!). Alles sinnlos, irgendwann kam der Moment, da ich mich endlich wieder „normal“ und entspannt fühlen wollte, koste es am nächsten Tag, was es wolle.

Am Tiefpunkt ankommen

Schrecklich dann das Erkennen: Mir fällt nichts mehr ein! Ich bin am Ende mit meinem Latein, ich bin auf der Straße in den Abgrund weit gekommen und kann NICHTS dagegen tun! Zum ersten Mal im Leben krachte mein Selbstbild von der kreativen, mächtigen Person, die immer eine Lösung weiß, zusammen. Den letzten Kick gab mir der selbst verordnete Versuch, „irgend einen Job“ anzunehmen. Ohne jeden Anspruch an die Arbeit oder die Bezahlung wollte ich mir beweisen, dass ich es noch KONNTE!
Jedoch: ICH KONNTE NICHT!

Es war ein Interviewerjob, doch brachte ich es nicht mehr fertig, an den Haustüren wildfremder Menschen zu klingeln und sie über ihre Lesegewohnheiten zu befragen. Früher hatte ich das locker hinbekommen, als Studentin immer mal wieder ein bisschen Geld mit solchen gar nicht schlecht bezahlten Jobs verdient. Jetzt stand ich vor den Türen in fremden Treppenhäusern und zitterte vor Angst und Unbehagen.

Ich gab es auf. Klingelte nicht, schickte die Fragebogen zurück, kündigte. Ich war am Ende und wusste nicht, wie es weiter gehen sollte. Wusste nur noch eines: dass ich gar nichts mehr tun konnte, dass nichts klappen würde, dass ich aus mir heraus nichts „Problem lösendes“ unternehmen konnte – oh, was für eine demütigende Einsicht!

Aber immerhin, die hatte ich jetzt. Und handelte sogar danach, suchte Hilfe, zum ersten Mal im Leben. Ich ging zur Ärztin, trat sogar in die evangelische Kirche ein – aber sie kannten nur die „fähige Person“ und wollten nicht sehen, dass ich völlig von der Rolle, kaputt und verzweifelt war. Ja, sie versuchten, mich wieder „ins Geschäft“ zu locken (komm doch in den Gemeindekrichenrat!), denn wenn ich wieder was Sinnvolles zu tun hätte, wäre doch alles gleich wieder im Lot. Sinnlose Versuche, ich wusste, dass das alles nichts bringt, hatte derlei Initiativen ja schon etliche hinter mir. Verzweifelt steuerte ich die Kneipe an und besänftigte meine deprimierte, beängstigte Stimmung wieder mit ein paar Whisky – mittlerweile war ich härtere Sachen gewöhnt, Bier reichte lange schon nicht mehr, mich zu „entspannen“.

Magische Worte

Eines Abends dann, in einer Stimmung völliger Ratlosigkeit und Verzweiflung, fuhr ich nach Wilmersdorf zur Adresse, die auf dem Zettel stand, den mir ein alter Bekannter immer mal wieder zusteckte, der kein Problem zu haben schien, in der Kneipe Wasser zu trinken,. Mein erstes Meeting bei den Anonymen Alkoholikern. Zitternd saß ich am Tisch, sprach zum ersten Mal die Begrüßungsformel:
„Ich bin Claudia, Alkoholikerin.“
Beim Griff nach der Kaffeetasse zitterte meine Hand. Ich hörte die Anwesenden von sich sprechen, niemand hier schien ein Alkoholproblem zu haben, außer mir. Ich meldete mich und erzählte, wie es mir in letzter Zeit ergangen war und wie ich mich fühlte. Kein Kommentar von irgend jemandem, nur „Danke, Claudia!“ – und der nächste begann, von sich zu erzählen. Die Art, wie sie von sich sprachen, beeindruckte mich: völlig offen, ohne jeden Versuch, ihre Probleme und Schwierigkeiten, ihre Gedanken, Gefühle und Charaktereigenschaften in einem guten Licht da stehen zu lassen. Ich war berührt, fragte mich aber, was dies alles nun für mich bedeuten würde, schließlich war ich noch voll „im Griff der Droge“.
Im Anschluss an das Meeting stand ich noch ein wenig am Büchertisch, wo mich eine alte Frau ansprach: „Kind, lassen Sie das mit dem Trinken! Das bringt ja doch nichts!“
Ich sah sie an, innerlich fiel ein letzter Groschen: Ja, das war es.
Warum hatte das eigentlich in all der Zeit niemand zu mir gesagt?

An diesem Abend ging ich nicht mehr in die Kneipe. Ich trank ab sofort keinen Alkohol mehr – mühelos!

(Teil 2 folgt in den nächstenTagen)

Diskussion

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49 Kommentare zu „König Alkohol: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust“.

  1. Lange Jahre war ich Co-Alkoholikerin, habe den Alkoholkonsum meines Mannes gedeckt, wo es nur ging. Bis ich begriff, dass das der absolut falscheste Weg war, den wir gemeinsam gehen konnten. Dann bin ich mit den Junioren zur Kur gefahren, habe noch einen Kasten Bier in den Garagenkeller gestellt (weil ja der Führerschein auch weg war und er nicht mehr selber den Kasten hätte einkaufen können).

    Als wir nach 4 Wochen wieder kamen, stand der Kasten immer noch genauso da. Mein Mann ist aufgewacht, hatte Angst, dass wir ihn ganz verlassen und trank von da an keinen Tropfen Alkohol mehr. Mir war aber auch klar geworden: ich helfe ihm mehr, wenn ich nichts vertusche und ihn nicht dauernd entschuldige. Die Verantwortung dafür habe ich ihm zurückgegeben – dahin, wo sie hingehörte!

  2. @piri

    Toll! Dein Mann kann sich glücklich schätzen, du hast ihm das Leiden verkürzt! Soviele Co-Alkoholiker wattieren dem Trinker/der Trinkerin die Welt und erhalten damit den Status Quo, verhindern, dass der Alkoholiker seinen Tiefpunkt erreicht.

  3. Ich glaube nicht, daß jeder problemlos den Alkohol von einem auf den anderen Tag auf „Null“ setzen kann. Besteht nicht die Gefahr, daß er in ein Delirium fällt ?

  4. […] (Dies ist die Fortsetzung meiner “Geschichte mit dem Alkohol” – lies dazu auch Teil 1: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust) […]

  5. Hallo Claudia,

    es freut mich zu lesen, dass Du es packst. Schön, dass Dir die AA (Anonyme Alkoholiker) geholfen haben, aber so ganz unpersönlich, ohne Mitgefühl und ohne Tipps, Ratschläge, etc. ? Wir vom Kreuzbund haben das einen anderen Ansatz. Wir treffen uns regelmäßig einmal die Woche und kenne uns – nach einer gewissen Zeit – sehr genau. Darauf wollen wir auch gar nicht vezichten. In der gemeinsamen Runde, in der Du – fast immer – alles kennst, gehen wir persönlicher auf die einzelnen Menschen ein. Wobei ich die Arbeit der AA nicht schälern will, nur mir wäre das zu unpersönlich. Also der Tipp: im www auf die Seite des Kreuzbundes: http://www.kreuzbund.de klicken und unter der Suchmaske PLZ Deinen Ort suchen, an dem Du wohnst. Es gibt bestimmt auch in Deiner Nähe Menschen, die das gleiche Problem wie Du haben. Nur Mut. Geht hin! Wir helfen weiter.
    MfG
    Klaus Slavicek

  6. Lieber Klaus,

    nichts dagegen, dass du hier den Kreuzbund bewirbst, aber für mich war die Methode der AA ausgesprochen passend! (Es ist übrigens lange her, heute lebe ich problemlos „trocken“, ohne noch Zuspruch zu brauchen).

    Auch ein Ratschlag ist nämlich ein Schlag – und Schläge hat man schon genug bekommen vor dem alkoholischen Tief! Gerade der VÖLLIGE VERZICHT auf Kommentare zu den Aussagen der Einzelnen, das ausschließliche „von sich sprechen“ der Wortmelder hat etwas ungeheuer Lehrreiches und Heilsames! Es entspannt, man muss sich auf niemanden einlassen, wird nicht zur Rede gestellt, niemand erwartet „Fortschritte“ und all das!

    Und wenn da jemand meint, er müsse zur Aussage eines Vorredners unbedingt seinen Senf dazu geben, hat er keine andere Möglichkeit, als es in eine EIGENE GESCHICHTE zu verpacken – denn im Meeting darf er ja nicht Dinge sagen wie: „Hey, da könntest du aber doch…“, „du solltest lieber…“, „wie wäre es mit…“ etc. usw.
    Das ist eine große Entlastung und hilft vielen, sich überhaupt auf so eine Selbst(!)hilfegruppe einzulassen!

    Deshalb ist es dennoch nicht UNPERSÖNLICH in einer AA-Gruppe. Denn in der Regel geht man nach dem Meeting zusammen in ein Restaurant und lernt sich da sehr wohl kennen – auf freiwilliger Basis, wer es mag, macht mit, wer nicht, darf es lassen!

    Die „Methode AA“ ist geprägt von der Einsicht in die Machtlosigkeit – auch in die des „Ratgebers“ und „Helfers“. Deshalb gibt es keine Leiter, keine Therapeuten, keine Animatuere, nur Betroffene, darunter Leute, die 20 Jahre trocken sind und viel Hilfreiches erzählen können!

    Ich habe diesem Meeting-Stil weit mehr zu verdanken als nur die Trockenheit. Nämlich die Fähigkeit, auf vielen Ebenen einfach von mir zu sprechen, anstatt andere zu kritisieren und sie mit Verbesserungsvorschlägen zu malträtieren. Damit übt man Druck aus und stellt sich ÜBER den Anderen – dazu habe ich keinen Anlass, wie mich die AA so wundervoll lernen ließen! Und seither ist mein ganzes Leben deutlich freidlicher, das Zwischenmenschliche ist freundlicher und nicht mehr vom unterschwelligen „ich bin ok, du bist nicht ok“ geprägt.

  7. moin claudia,
    super das du es geschaft hast – ich leider noch nicht!! bin fast ein jahr bei aa, das koncept gefällt mir, fühle mich nicht überall wohl aber ich habe die wahl des meetings. bin auch einer den schon wenig bier zu aa gebracht hat, wiel ich!! muß!! was für mich tun.

  8. Hallo,

    Ich denke, es geht nicht darum, welche Organisation der Selbsthilfe und wie sie heißt, sondern darum, dass jeder die Hilfe findet, die er braucht und nicht die Hilfe, die er oder sie gerne möchte.
    Wenn man wissen würde, was für einen gut ist, bräuchte man sich keine Hilfe suchen.

    Als ich nüchtern wurde, schaute ich nur darauf, wie glücklich trockene Alkoholiker waren, die mir helfen wollten, meinen Weg zu finden.
    Menschen, die trocken leben müssen etwas richtig gemacht haben, also kann ich von ihnen lernen.

  9. Eine super Seite, liebe Claudia! Ich habe noch nicht alles gelesen, aber es mutet so toll an. Ein ehrliches Kompliment an Dich! In den nächsten Tagen werde ich alles in Ruhe lesen und mich wieder melden.
    LB und gute 24 Std.
    Gaby, AA

  10. hallo claudia,
    auf diese seite bin ich zufällig gekommen da ich demnächst eine
    Präsentation halte und mir das Thema Alkoholsucht ausgesucht habe.
    ich bin selbst Alkoholkrank nach einer Langzeittherapie seit 11/2 Jahre trocken und habe auch kein Interesse mehr am Alkohol für
    mich war die Therapie sehr wichtig da ich begriffen habe nur wenn ich das Umfeld ändere was als Mutter von 3 Kindern nicht sehr einfach ist
    habe ich eine Chance. Es hat geklappt mir geht es gut ich habe mein Selbstbewußtsein wieder sowie meine Lebensfreude. Hab gelernt nein zu sagen  das natürlich einige etwas verschreckt hat womit ich aber gut leben kann. Meine Kinder stehen voll hinter mir und ich zu meiner Krankheit.Dein Bericht hat mich sehr beeindruckt und mir ging es zumindest auch so ich musste erst ganz unten sein um loszulassen. Es tut gut solche ehrliche Berichte wie Deinen  zu lesen. Gruß Barbara

  11. einfach nur danke für deinen bericht, man fühlt sich so schrecklich alleine

  12. Du bist nicht allein. Besuche das nächste AA-Meeting, das du erreichen kannst – da bist du in jeder Verfassung willkommen, und wenn du nicht willst, musst du nicht reden. Da ist nicht der geringste Druck!

  13. Das hast du sehr schön geschrieben, Claudia, ich konnte fast den guten Kaffee am Tisch riechen.

  14. Hallo Claudia,

    du hast mir damals am 01. 01.2009 AA empfohlen und ich möchte mich bei Dir dafür sehr herzlich bedanken. Ich habe seitdem zahlreiche Meetings besucht und bin trocken geblieben. Tag für Tag. Ich war von Anfang an beeindruckt und zutiefst gerührt von der emotionalen Nähe und der Ehrlichkeit bei AA. Das Zuhören, die Vermeidung von Ratschlägen und die Abwesenheit von Therapeuthen und nichtbetroffenen Besserwissern tut mir gut. Ich brauche keine schlauen Tips und Tricks, sondern teile Erfahrungen mit Menschen, die genau wissen, wovon ich rede. Und wenn ich wirklich mal um einen Rat bitte, bekomme ich den natürlich auch. Kraft und Hoffnung erhalte ich und gebe ich durch die greifbare/fühlbare Erfahrung, nicht allein zu sein, sondern mit allen Fehlern angenommen und verstanden zu werden und die Menschen am Tisch abseits von irgendwelchen Hierarchien, Getue, Status so anzunehmen und zu verstehen, wie sie sind. Die Anonymität gibt mir das Vertrauen, mich oft mehr zu öffnen, als ich es in mancher langjährigen Freundschaft getan habe.
    Das Programm ist klar und einfach. Es passt für mich und ich bemerke, wie mein Alltag ohne Alkohol immer lebenswerter wird, jeden Tag mehr, mit allem auf und ab, richtiges Leben, intensive Gefühle. Dabei stehe ich ganz am Anfang und das jeden Tag neu. Du hast mir dafür in meinem verzweifelten Zustand den Anstoß gegeben und deshalb dieses persönliche Dankeschön und ein ganz großes offenes weites Dankeschön an unsere internationale Gemeinschaft AA, die Millionen Alkoholikern das Leben zurück gegeben hat. Ich begreife es als Geschenk, durch den Alkoholismus von meinem Sockel gestoßen und aus dem Dreck der Ängste, Selbstzerstörung und Depression gezogen worden zu sein und nach langer Saufzeit wieder als Mensch unter Menschen zu leben. Gute 24 Stunden wünscht Euch allen

    ERIK

  15. Lieber Erik, das freut mich riesig! Ich habe öfter mal an dich gedacht und gehofft, dass es so kommen würde. Wie verrückt, dass erst die Alkoholsucht mit all ihren Demütigungen bereit macht, das zu erleben, was im Grunde so einfach und doch so beglückend ist: einfach so sein können, wie man ist („abseits von irgendwelchen Hierarchien, Getue, Status“) und so angenommen werden – könnten wir das doch alle auch ohne diesen Vorlauf im ganz normalen Leben!
    Wünsch dir schöne 24 Stunden!
    Claudia

  16. Mein Schwager liegt zurzeit im Krankenhaus Diagnose alkoholbedingte Leberzirrhose Typ C . Überlebenschance ca. 35% innerhalb eines Jahres.

    Mein damaliger Mann, war ebenso ein Alkoholiker. Anfangs gingen wir zusammen zu den Blau Kreuzlern. Damals begriff ich als liebende Ehefrau einfach nicht, wie Menschen von mir „verlangten“, ihn „fallen“ zu lassen. Das ging beim besten Willen nicht in meinem Kopf zudem wir ein gemeinsames Kind hatten. Es war eine Tortour . Ich entschied mich damals zwangsläufig von ihm zu trennen, da er nebenher auch noch mit einer anderen Frau leiert war.

    Im heutigen „Rückblick“, sehe ich vieles anders, wieso und warum er das tat. Zudem hat er es „geschafft“ wenn man das so sagen möchte, mit dem Trinken aufzuhören. Er ist also trocken und hat sich zudem auch noch hochgearbeitet und ist Chef einer Malerkolonne geworden.

    Ich habe den grössten Respekt für so eine Willenskraft, die er da FÜR SICH an den Tag legte. Heute freue ich mich riesig für ihn. Er „schaffte“ es letztendlich ohne Institution.

    Auf meiner damaligen Arbeitsstelle hatte ich es ebenso wieder mit einem alkoholkranken Kollegen zu tun. Der „schaffte“ es ebenso trocken zu werden. Allerdings muß ich dazu sagen, dass bei ihm scheinbar „das Menschsein“ wegtherapiert wurde. Dieser Mann war dermaßen „selbstbewusst“ geworden, dass er, wie man so sagt, über Leichen ging. Rücksichtnahme war ein Fremdwort für ihn.

  17. hallo ihr lieben
    ich wohne in berlin und bin allein erziehende mutter von zwillingen ich bin alkoholkrank und stehe kurz davor meine kinder ans amt abgeben zu müssen, leider. ich würde die trennung von meinen beiden jungs nicht gut verkraften
    mein einziger ausweg ist eine therapie……….
    eine wirklich gute seite

  18. Es ist in der Regel nicht Willenskraft, die befreit, sondern genau das Gegenteil: Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol. Wenn das mal begriffen und akzeptiert ist, bedeutet es, dass es künftig keinen höheren Wert mehr gibt als die eigene geistige Gesundheit (=Trockenheit. Denn ohne sie ist alles nichts und man geht unter…)

    Lebenspraktisch bedeutet das ganz konkret: nichts, aber auch gar nichts mehr tun oder ertragen, was das Gefühl erzeugt, es nur trinkend auszuhalten.  Job, Beziehung, Freundschaften, jegliches „etwas gelten wollen“ sind dann komplett nachrangig und diesem obersten Wert untergeordnet. Denn der/die Süchtige weiß ja: sich zusammen reißen gelingt nicht auf die Dauer, man muss die Dinge wirklich ÄNDERN, nämlich komplett anders leben – eben so, dass man nicht mehr trinken muss.

    Das sieht nach außen dann manchmal nach „Willenskraft“ und großem Selbstbewusssein aus, doch für den Süchtigen ist es im Gegenteil Demut und das Aufgeben jeglicher Idee, man könne „irgendwie“ so weiter machen….
    Was ich schreibe, gilt nicht für alle, klar! Manch einer hat nicht wirklich kapituliert, sondern reißt sich eben eine Zeit lang mit Willenskraft zusammen. Das geht meist über einige Zeit, dann kommt der Rückfall. Mein Vater war z.B. so einer.
     
     

  19. Liebe Claudia,
    ja, ich denke dass wird schon so sein, dass es allein mit der „Willenskraft“ auf Dauer nicht klappt denn schließlich wäre das ja zuzüglich eine enorme Anstrengung die auf Dauer nicht standzuhalten ist.
    Nun, ich persönlich habe diese Alkproblem nicht aber ich kenne sehr viele Menschen die sie haben denn schliesslich ist Alkohol eine Gesellschaftsdroge.
    Mein Vater trank jeden Tag nach Feierabend seine Biere. Also war das für mich nichts Aussergewöhnliches. Nun, wann fängt Sucht an? Ich glaube der Übergang ist fließend.

     
     

  20. Hallo Claudia, ich bin vor Kurzem auf Deine Seite gestossen und finde Deine Artikel wirklich klasse.
    Besonders der Alkohol-Bericht hat mir gut gefallen.
    Ich glaube auch, dass man an seinem persönlichen Tiefpunkt angelangt sein muss, um etwas zu ändern.
    An so einem Punkt bin ich nun: Job verloren, eine Langzeit-Therapie vollkommen in den Sand gesetzt, Freund und Bekannte haben sich abgewendet…. im Moment ist mein Leben so ziemlich das, was ich nie leben wollte!
    Nocheinmal eine Therapie möchte ich nicht machen, sondern überlege, mir eine Selbsthilfe-Gruppe zu suchen. Leider ist mein Selbstwertgefühl derzeit so im Keller, dass mir allein schon der Gang zu einer Gruppe mit mir fremden Menschen eine grausige Vorstellung ist.
    Was bedeutet eigentlich die bedingungslose Kapitulation vor dem Alkohol? Ich habe mit dem Begriff Schwierigkeiten?
    Sollte ich nicht letzlich vor mir selbst kapitulieren?????

  21. @Catti
    das mit der Kapitulation am Tiefpunkt ist ganz einfach. Hier ein Beispiel für noch nicht geschehene Kapitualition:

    „Leider ist mein Selbstwertgefühl derzeit so im Keller, dass mir allein schon der Gang zu einer Gruppe mit mir fremden Menschen eine grausige Vorstellung ist.“

    Du hast also noch soviel Ego / Geltungsbedürfnis, dass du vor anderen Menschen als irgendwie normal bzw. „in Ordnung“ wirken willst – OBWOHL du lange schon am Ende bist, OBWOHL du lange schon dein Leben nicht mehr meistern kannst und alles in den Sand setzt, was du dir vorgenommen hast, um diesen miesen Zustand zu verbessern. Du bist mit deinem Latein am Ende und wirst das (hoffentlich!) irgendwann auch ZUGEBEN können (=Kapitulation) – nach mehr oder weniger weiteren schmerzlichen und selbstzerstörerischen Erlebnissen. Ich wünsche es dir jedenfalls von Herzen!

    Wenn es soweit ist, dann gibt es nichts mehr, was du MEHR fürchtest als dass alles so weiter gehen könnte wie bisher! Dann hindert dich keine Scham und kein Schuldgefühl mehr, endlich Hilfe zu suchen, du willst dann nicht mehr JEMAND SEIN/ anderen was vormachen, sondern nur noch, dass das Leiden aufhört!

    DANN kannst du endlich zu einer AA-Gruppe in deiner Nähe gehen und auf einem Meeting einfach zuhören, was gesprochen wird. (Es sind dort Menschen, die diesen Zustand ausgiebig SELBER ERLEBT haben – warum dich vor ihnen schämen?) Niemand MUSS dort reden, es gibt auch keinen „sanften Druck“ dazu.
    Hier die URL, über die du ein Meeting findest:

    http://www.anonyme-alkoholiker.de/content/04meet/04index.php
     

  22. @ Catti,
    vielleicht hast Du ja Lust auf eine echte Alternative, eine recht ungewöhnliche aber in sich absolut gut begründete, klare Sichtweise zum Thema Alkoholsucht. Nachvollziehbare, auf tiefenpsychologischen Grundsätzen basierende Handlungsempfehlungen eingeschlossen.
     
    Unter folgendem link (falls er denn anständig abgebildet wird) findest Du näheres über das Buch: „Der Geist aus der Flasche“ von Andreas Winter.
    Wenn der link nicht funktioniert, einfach „Andreas Winter“ bzw. „Psychocoach“ googlen. Das Intelligenteste und m.E. auch Nachhaltigste, was ich je über Probleme mit dem Alkohol oder auch das Rauchen gelesen habe. Das ist meine ganz subjektive Meinung selbstverständlich, die keinen anderen Ansatz schmälern will und soll.
     
    http://mankau-verlag.de/webshop/details.php?id=35

    beste Wünsche und gutes Gelingen
    Gruß von Hermann
     
     
     

  23. […] König Alkohol: Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust vom 6.Juni 2006. […]

  24. Hallo Claudia, Deine Alkoholgeschichte inkl. Deiner Feststellungen und allem drum und dran, ähnelt sehr meiner eigenen Geschichte. Ich bin seit 18.06.1998 trocken, hatte allerdings im Laufe von 2-3 Jahren und etlichen Versuchen immer wieder Rückfälle, bis mir klar wurde das ich nie wieder in meinem Leben kontrolliert Alkohol zu mir nehmen kann. Die Kapitulation vor dem Alkohol hat mir sehr geholfen das Problem zu lösen. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und Schöne dieser Welt, Grüße aus dem Saarland, Jörg

  25. Wünsche dir weiterhin alles Gute!

  26. Heute ist der 16. Februar 2017 und gestern war ich sowohl besoffen als auch 62 Jahre und genau zwei Monate alt. Ist alt das richtige Wort? Für mich eigentlich nicht, ohne mit der Wortphrase „jung“ kokettieren zu wollen. In meinem Fall trifft das schon zu, trotz des Alkohols. Aber ich liebe ihn durchaus nicht, will ihn schon lange aus meinem Leben haben. Was sich aber soooo leicht anhört, ist es nicht. Mit dem Rauchen konnte ich hingegen relativ leicht aufhören. Seit Montag, dem 5. September 1983 rauche ich nicht mehr. Ich war damals dem Rat eines Freundes gefolgt, der sich ebenfalls das Rauchen abgewöhnt hatte. “ Setz dir einen Termin, etwa in 14 Tagen und rauche bis dahin absolut bewusst. Beobachte dich bei jeder Zigarette, bei jedem Zug, den du machst!“ Genauso habe ich das dann auch 14 Tage lang bis einschließlich Sonntag, den 04. September 1983 gemacht, und ab eben jenem 05. September 1983 raucht der Schlot nicht mehr. In der Rückschau kann ich sagen, dass das eine nicht sooo schwere Angelegenheit war. Im Gegensatz fällt mir der Abschied von der Alkoholerei bis dato ausgesprochen schwer und scheinbar immer schwerer mit den Jahren. Trotz allem will ich die Gelegenheit hier nutzen und bekanntgeben, dass ich ab heute einen neuen Versuch in die absolute Alkoholabstinenz starte, gestartet habe. Auf also in die wunderbare Nüchternheit!

  27. Wenn du es „einfach so“ schaffen könntest, hättest du es doch schon früher gemacht, oder? Geh zu den AA oder einer anderen Gruppe – der erste Schritt ist die Einsicht, dem Alkohol gegenüber machtlos zu sein. Solange man als Süchtiger denkt, man habe es im Griff und schaffe es alleine, geht in der Regel alles so weiter, bzw. verschlimmert sich.

  28. Einfach so geht und geht oft auch nicht. Auf jeden Fall hat alles seine Zeit. Bevor ich es aber so mache wie die AA, mache ich es lieber gar nicht. Als ich da mal war, saßen Leute um einen runden Tisch und angsteten sich gegenseitig an, immer in Furcht vor dem nächsten Rückfall. Über dem Tisch schwebte eine dunkle Wolke, was mich erstaunte; denn ich hätte nie gedacht, dass da noch etwas hätte schweben können, diese Leichtigkeit besäße. Und tatsächlich war es dann auch keine Wolke, sondern ein Damoklesschwert mit angstvoller Aura.
    Ernsthaft, den Weg, den die AA gehen, möchte ich nicht zurücklegen. Ich kenne von denen einige, die sind durchaus sympathisch, aber das Thema „Ursache“ ist für die absolut tabu, es interessiert sie nicht nur nicht, sie haben Angst davor. Der einzige Weg für sie scheint der zu sein, mit aller Kraft und letztem Willen zu verhindern, jemals wieder zurück an die Flasche zu kommen. Das kann ich natürlich auch verstehen, aber mein Weg kann das nicht sein, weil dieser Weg für mich nichts lebenswertes mehr hätte. Für mich steht fest, dass alles, was geschieht, aus Gründen geschieht, also Ursache hat. Wenn wir tatsächlich davon ausgehen, das die Alkoholerei eine Krankheit ist, was ich bezweifle, aber hier mal eben nicht so sehr, dann will dir diese Krankheit was sagen, was die Alkoholsucht sicher auch will. Sie will dir sagen, dass deine Richtung nicht stimmt und du etwas sehr grundlegendes ändern musst in deinem Leben. Das ist dann tatsächlich in aller Regel nicht sehr einfach, aber der einzige Weg in die Freiheit. Die Leute bei den AA sind nicht frei, sie sind dort so gefangen wie sie es vorher im Alkohol waren. Für mich keine Alternative.

  29. @Michael: deine Sicht, dein Leiden, dein Leben! AA -Gruppen sind sehr vielfältig und unterschiedlich, in einer Großstadt ist man da natürlich im Vorteil, denn man kann alle mal besuchen. „Angstvoll“ hab ich sie – damals, vor nun schon 25 Jahren – gar nicht erlebt, ganz im Gegenteil.

    Was aber stimmt: es ist nicht die Aufgabe in diesen Gruppen, nach „Ursachen“ zu forschen. Weil sich die Sucht längst verselbständigt hat, wenn man dort ankommt. Egal, was du an vermeintlichen Ursachen rumänderst: nichts ändert das Trinkverhalten nachhaltig. Der Stoff Alkohol hat die Kraft, ganz alleine und für sich zerstörerische Veränderungen vorzunehmen, die dann Ursache genug sind. Das Rumforschen in der Vergangenheit kannst du doch in einer Therapie oder einer anderen Selbsthilfegruppe machen. AA ist für Menschen, die mit dem Trinken aufhören wollen – und das findet im Hier und Jetzt statt!
    Das gruppenöffentliche Ursachen-Vermuten gerät auch schnell zu einer Methode, sich die Dinge rund zu reden, die eigene Verantwortung zu leugnen, sich als Opfer der Verhältnisse darzustellen – das ist der beste Weg in den Rückfall. AA ist eine Gemeinschaft, die auf Erfahrungen aufbaut. Rumanalysieren in „Ursachen“ hat sich nicht als hilfreich erwiesen, um das Ziel zu erreichen: mit dem Trinken aufzuhören und ein neues Leben ohne Alkohol anzufangen.
    So lange man trinkt, ist es unmöglich, „Grundlegendes zu ändern“, denn alle Kraft wird von der Sucht abgesaugt.
    Wenn du das anders siehst: Ich wünsche dir viel Erfolg!
    Wenn du aber eines Tages erkennst, dass du dem Alkohol gegenüber machtlos bist, wirst du keine Bedingungen mehr stellen, auf welchem „Weg“ du davon wegkommst. Dann hast du endlich kapituliert und die Freiheit ist in Reichweite!

    Alkoholiker haben 7 Gründe, zu trinken: Montag, Dienstag, Mittwoch….

  30. Als ich mit der Trinkerei anfing, war ich 15 Jahre alt und schüchtern, sehr schüchtern, wenigstens Frauen gegenüber, aber nicht nur. Gleichzeitig war ich ein guter Sportler und bin das tatsächlich noch heute. Die sieben Gründe gab es so also niemals bei für mich. Zweimal, dreimal die Woche und oft jahrelang gar nichts. Seit dem 14. April 2011 ist aber keine wirklich lange Pause mehr vorhanden gewesen, zweimal für einige Monate nichts, sonst immer ein- bis zweimal in der Woche, manchal sogar noch mehr. Gestern, zum Beispiel, fand im Musik- und Partykeller unseres Hauses eine Geburtstagsfeier statt, bei der es reichlich zu trinken gab. Es gab zu trinken und Musik, die wir selbst gemacht haben. Fast alle sind wir Musiker, haben zwei Bands und treten vereinzelt alleine auf. Das ist einer Gründe für meine Sauferei, obwohl ich natürlich weiß, dass ich besoffen um Längen schlechter bin, sowohl an der Gitarre als auch mit meiner Stimme, aber eben auch mutiger. Man glaubt ja manchmal, dass man im Alter sicherer wird und oft ist das auch so, aber eben nicht immer. Gestern, als ich im Supermarkt an der Kasse stand und mein Bier bezahlte, beobachtete mich eine Frau und ich wurde sehr nervös dabei und wohl auch ein wenig rot. Ich war einfach unsicher, fühlte mich ertappt der Biere wegen, und sie hat es bemerkt, keine Frage. An sich bin ich ziemlich sicher, glaube ich, aber, wie gesagt, nicht immer.

    Nun gut, sicher ist es so, wie Du es schreibst. Ich wohne in Gera, das nicht gerade mit Selbsthilfegruppen übersät ist. Tatsächlich aber würde ich vielleicht doch eine aufsuchen, wenn eine in der Nähe wäre. Ich wollte, als ich noch in Leipzig wohnte, dort selbst mal eine gründen, besser gesagt, einen Verein für abstinente Lebensweise. Dort sollten sich alle zusammenfinden können, die eben abstinent leben wollen, nicht nur die, die mit Alkohol ein Problem haben. Mein persönlicher Wunsch, keinen Alkohol mehr zu trinken, entspringt an sich mehreren Motiven. Einmal mach Alkohol entsetzlich alt und raubt Kraft, Ausdauer und allgemein die Fitness und zum anderen will ich nüchtern so sein können, will ich mir das zutrauen, was ich besoffen locker kann, mich ohne Aufgeregtheit vor ein Publikum stellen und loslegen. Lampenfieber brauche ich nicht.

    Wie auch immer, vorhin habe ich erst einmal meine letzten beiden Bierflaschen in den Partykeller geschafft und beginne also heute einen neuen Versuch in die Abstinenz.

  31. Was sind denn die anderen Gründe für dich zu trinken? Mut antrinken um vor Fremden sicherer zu sein, Lampenfieber etc. ist das Eine. Und was ist es bei einer privaten Party mit Freunden im eigenen Haus?

  32. Ich will den Kontakt hier nicht abreißen lassen, auch wenn mich, Du wirst verzeihen, die Frage nicht wirklich interessiert. trotz allem werde ich versuchen, sie zu beantworten. Partys sind heute nicht mehr so sehr meine Sache. Tatsächlich aber finden hier im Haus jede Menge davon statt, aber die meisten ohne mich. Ich gehe halt nicht hin und nehme auch selten an den Bandproben teil. Natürlich wird bei den Partys, den Proben relativ viel bis mächtig getrunken. Und natürlich habe ich auch getrunken, wenn ich dabei war. Ich war aber eben bis dato nicht sooo oft dabei. Morgens und Abends sind meine Sport- und Yogazeiten. Da ich ein echtes Bewegungstier bin und ohne Bewegung unglücklich werde, trank ich nie jeden Tag. Das ist bis heute wohl auch mein Glück. Ich sehe nicht aus, als würde ich trinken. Vielleicht geling es mir jetzt, mich endgültig zu verabschieden. Viele Fehlschläge sind zwar nicht so gut, aber ich bin jemand, der nicht so schnell aufgibt und weiß aus Erfahrung, dass ich für dieses und jenes oft recht viele Anläufe brauche. Hier unter meinen Freunden und Bekannten glaubt inzwischen kaum noch jemand, dass ich es je schaffen werde, viele wünschen es sich vielleicht auch, weil sie mich trinkend gern dabei haben. Genau so ein Klima stachelt mich aber an. Also, auf in den „Kampf,“ aber ohne Krampf!

  33. @Michael: einerseits willst du „den Kontakt hier nicht abreissen lassen“, andrerseits bretterst du Brendan vor den Kopf, dass du seine Nachfrage – eine freundliche Form der Zuwendung zu dir und deinem Anliegen – „nicht interessant“ findest. Passt irgendwie nicht, denn du willst doch offenbar reden….
    So wie du deine Trinkerei beschreibst, bewegt sie sich im gesellschaftlich Üblichen, als „normal“ geltenden Bereich. Ein Leiden am Saufen, mal abgesehen vom Fitness-Verlust, hast du nicht berichtet. Wenn es also nur ein Anliegen der Selbstoptimierung oder eine Art „Anti-Aging-Wunsch“ ist, was dich nach Abstinenz verlangen lässt, bist du tatsächlich noch sehr weit davon entfernt, ein „Fall für AA“ zu sein!
    Eine Einsicht, die ich damals an meinem Tiefpunkt hatte, war z.B., dass das Nicht-mehr-Trinken genau das Gegenteil von „Kampf“ ist. Es ist ein AUFGEBEN des Kämpfens. Deshalb heißt der Artikel hier auch „Der Kontrollversuch ist der Kontrollverlust“ – sobald und solange man das Trinken irgendwie kontrollieren will, bzw. MEINT, es mit irgendwelchen Anstrengungen kontrollieren zu KÖNNEN, ist man in den Klauen der Sucht. Und je länger man das glaubt, immer weiter „kämpft“ und immer wieder verliert, umso mehr schwindet die Selbstachtung, was zu mehr / öfter Trinken führt usw. usf.

    Was das letztlich bedeutet, davon handelt Teil 2 dieses Artikels, hast du den überhaupt gelesen? Ich zitiere mal:

    „Schließlich versucht jeder süchtig Trinkende, mittels des Alkohols etwas in den Griff zu bekommen, etwas zu zwingen, was „ohne“ nicht mehr möglich ist: z.B. arbeiten können bis zum Anschlag, mit Menschen aushalten, mit denen einen nichts verbindet, Gefühle der Langeweile, des Überdrusses, der Angst verdrängen, Status und Macht verteidigen, Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen oder sie in einer Weise führen, wie man es „ohne Stoff“ nicht packen würde: Alkohol wird ständige Stütze, Panzer, Waffe gegen das herein brechen der bösen Welt, gegen das Spüren dessen, was tatsächlich los ist, denn mit ein paar Bieren oder Schnäpsen wird scheinbar alles erträglich. „

    Da passt sogar dein harmloses Lampenfieber- und Partyproblem schon rein! Wirkliche Veränderung geschieht aber erst dann, wenn das Leiden so groß geworden ist, dass man bereit ist, auf alles zu verzichten, um nicht mehr trinken zu müssen! Dann steht plötzlich „die eigene geistige Gesundheit“ an oberster Stelle und man tut einfach NICHTS mehr, was nur mit Alkohol erträglich ist bzw. nur angetrunken genossen werden kann. NICHTS!!!! Freunde, Beziehungen, Arbeitserfordernisse, „Ansprüche“ an mich oder Andere irgendwelcher Art, die mich beim Erfüllungsversuch in Trinklaune bringen könnten – all das kam einfach nicht mehr in Betracht. Eine radikale Wende, jedoch anstrengunglos!

    Ich war dann noch ein paarmal nüchtern in meinen alten Kneipen, mit den alten Freunden der Nacht – es war gruslig, so nur mit Mineralwasser! Nicht auszuhalten – also bin ich gegangen.
    Gegangen aus meinem gesamten alten Leben. Und war frei!

  34. Ja, einen so großen Leidensdruck hatte ich des Alkohols wegen noch nie oder noch nicht oft, aber wenn ich trinke, dann äußert sich das sehr exzessiv, werde ich zum Irren, aus dem sozusagen fast alles herausbricht, was herausbrechen kann. Die meisten Menschen halten es dann nicht mehr aus mit mir, manche finden es witzig, ich selbst eher nicht. Ich hatte vor einigen Jahren mal Gelegenheit, mich hernach bei der Entwicklung vom Nüchternen zum Vollberauschten auf einem Video, das bei diesen Anlass gedreht worden war, zu sehen. Da war nichts, aber auch nichts witzig oder lustig. Und tatsächlich ist es so, dass ich, wenn ich nüchtern bin, alkoholisierte Menschen eher schwer ertrage. Ich verstehe schon, dass getrunken wird und es tatsächlich erst einmal Gründe dafür gibt, aber ich finde es nüchtern eben nicht lustig.
    Was die Kontrolle angeht, so wollte ich nie, seit ich bemerkt habe, dass der Alkohol ein Problem für mich darstellt, seit ich mir überhaupt allgemeine Gedanken zur Wirkung von Alkohol gemacht habe, kontrolliert trinken, sondern immer vollkommen von ihm weg, was nach wie vor mein Ziel ist. Früher, als ich anfing mit der Alkoholerei, geschah das eben aus dem Grund der Schüchternheit und gleichsam in der Gruppe, zu der ich gehören wollte. Es war vollkommen normal zu trinken. Ich kannte damals einen Typen, der nie trank, der absolut keinen Alkohol trank, aber der auch keine Probleme mit Leuten hatte, die tranken. Ich konnte einfach nicht begreifen, dass es jemanden gibt, der daran keinen Spaß hatte und außer diesem einen erinnere ich keinen sonst, der in meinem Umfeld nicht trank, bis vielleicht auf meine Mutter, meine Oma, meinen Onkel und meine Schwester. Aber die zählten sozusagen nicht wirklich dazu.
    Wie auch immer, ich will ohne Alkohol leben und ich weiß, dass ich das kann. In der relativen Nähe zum letzten Suff ist meist das Selbstvertrauen noch gestört und ich habe dann schon Probleme, mich sicher durch den Tag zu bewegen. Je weiter ich aber in die Nüchternheit zurückkomme, desto mehr schwinden diese Probleme. Bei einer Ausbildung, die ich nach der Wende mal gemacht habe, war ich Klassensprecher und so expressiv wie unter Alkohol in dieser Zeit, obwohl ich damals absolut trocken gelebt habe. Er ist also nicht nötig, um aus sich herauszukommen. Damit meine ich nicht, dass man die Welt um sich herum ständig extrovertiert überfallen muss, sondern sich locker und entspannt in seiner ganz natürlichen Art ausdrücken kann, was mir früher eben gefehlt hat und wohl häufig einer der Gründe ist, die zum Alkohol führen.

    Das mit Brendan tut mir leid, ich wollte ihn nicht kränken. Manchmal rutschen mir solche Sachen, die ich eigentlich gar nicht will, einfach so raus. Entschuldigung!

  35. „… ich will ohne Alkohol leben und ich weiß, dass ich das kann. „
    Bisher hast du es offenbar NICHT gekonnt. Das erinnert an das tägliche Rauchen der „letzten Zigarette“… :-)
    Natürlich wünsch ich dir Erfolg. Aber WIE willst du das denn schaffen? Die Anlässe komplett meiden, die dich zum Trinken anregen? Dann ist da eine ziemliche Leere und wenn du die nicht mit Anderem füllst, das dir Freude macht (!), wirst du das nicht durchhalten. Wir sind ja nicht nur unser rationaler Verstand mit all seinen guten Vorsätzen – da gibt es auch noch andere Persönlichkeitsanteile, die ihren Spass am Leben haben wollen! Und wenn sie den nicht bekommen, übernehmen sie irgendwann wieder das Ruder und du greifst wieder zum Alkohol.

  36. Danke, ist schon ok. Wirklich.
    Michael: Anscheinend interessiert Dich die Frage, warum Du trinkst, wirklich nicht. Du sagst zwar, Du versuchst die Frage zu beantworten, tust es jedoch nicht.

    Du schreibst von Partys, bei denen Du nicht soooo oft dabei warst aber natürlich getrunken hast. Warum natürlich? Keine körperliche Abhängigkeit, kein Lampenfieber – warum also trinkst Du in so einer Situation, wenn Du es doch nicht willst.

  37. Tja, genau deshalb heißt der „erste Schritt“ (AA), der in die Befreiung führt:

    „Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.“

    Beim „Leben nicht mehr meistern“ ist Michael offensichtlich noch nicht angelangt, wenn er auch schon tagelang nach einem Suff den „Moralischen“ spürt. Aber für „dem Alkohol gegenüber machtlos“ halte ich ihn bereits – allein aus dem, was er schreibt (und nicht schreibt) natürlich nur.

  38. Ich hoffe, er kommt wieder.
    Seid nicht so „harsch“ ihm gegenüber, das mag ich nicht. Einfach so über ihn reden, wenn er nicht da ist!?
    „dem Alkohol gegenüber machtlos“ : Das glaube ich nicht, zunächst mal. Wer ist denn wirklich (grundlegend) machtlos? Es gibt immer das erste Mal, wo man über den Zaun springt.
    Nun erzähle mir nicht, @Claudia, daß ich über Alkohol, überhaupt über Süchte nichts weiß. Ich neige zu Suchtverhalten, sei es Schachspielen im Internet, exzessiv rumtreiben im Netz (wie steht es da mit Dir?!), Alkohol, Süssigkeiten (habe ich geparkt seit 15 Monaten), früher Joggen satt (Jetzt Gelenkprobleme, ist nicht mehr statthaft), …..
    Ich denke, Michael hat eine Chance. Wollen wir sehen, ob er sie nutzt.

  39. Ich bin noch da, habe heute aber keine Lust, mehr als diesen Satz hier zu schreiben.

  40. @Gerhard: Hey, ich bin doch nicht „harsch“, ganz im Gegenteil versuche ich, die Problematik zu vertiefen! Für mich ist Michael in diesem Gespräch auch „da“, solange wir hier öffentlich miteinander schreiben und er sich immer wieder beteiligt. In Reaktion auf DEINEN Kommentar bin ich doch auch rein sprachlich gezwungen, jetzt von/über Michael zu reden…

    Zudem hab ich mein letztes Statement explizit eingeschränkt, da ich ja nur von dem ausgehen kann, was jemand hier hin schreibt oder auf Nachfrage nicht hinschreibt.

    Was den Umgang mit diesen Stadien der Sucht angeht, kenne ich mich nun wahrlich aus: Man leugnet, will nicht wahrhaben, dass man machtlos ist, macht sich immer wieder vor, ab jetzt sei Abstinenz angesagt – bis zum nächsten Glas. Auch „100% abstinent bleiben wollen“ ist ein – eben maximaler – Kontrollversuch, der anzeigt, dass man sich nicht mehr frei verhalten kann, sondern mit dem Alkohol ein fortgeschrittenes Suchtproblem hat. (=Im Unterschied zu nicht Süchtigen kann man nach ein zwei Gläsern nicht aufhören, der weitere Verlauf bis hin zum Filmriss / zur Volltrunkenheit geschieht geradezu automatisch).

    Das ist wirklich der nicht verhandelbare Dreh- und Angelpunkt dessen, was ich über Alkoholsucht weiß und was Hunderttausende, die zu AA kommen, immer wieder bestätigen: so lange man glaubt, Herr im eigenen Haus zu sein und alles im Griff zu haben, so lange bleibt man auch in den Klauen der Sucht! Man stellt Bedingungen, wie der Weg in die Freiheit stattzufinden hat, man versucht es immer wieder selbst, indem man sich zusammen reisst, Tage, Wochen abstinent bleibt, sich einredet, man brauche doch nur dieses oder jenes zu tun, mal eine andere Umgebung, mal ein paar gute Gespräche mit Freunden, mehr oder weniger Nähe in Beziehungen, falls noch welche existieren. Ich hab selbst damals drei Jahre lang versucht, mich selber aus der Sch…e zu ziehen, Workshops, ein spiritueller Verein, Selbstsuche, Toskana-Aufenthalte, Meditation – alles nutzlos, nicht nachhaltig, nur Flucht und kurze Auszeit und dann doch immer wieder Alkohol. Und immer dort weiter gemacht, wo ich aufgehört hatte – nicht etwa bei einer geringeren Dosis!

    In Watte packen, das Leugnen unterstützen – das alles nutzt dem Alkoholiker nichts, verlängert im Zweifel nur das Leiden. Angehörige sind oft genug der Grund, warum es so lange dauert, bis jemand wirklich am Tiefpunkt ankommt und die „Ich hab alles-im Griff-Denke“ endet. Weil sie alles abpuffern, marginalisieren, es -vermeintlich hilfreich- ermöglichen, dass das Trinken weiter geht, die Schäden nicht so groß bzw. immer wieder gepflastert werden.. na, über all das ist ja tausendfach geschrieben worden!

    @Michael: es zwingt dich niemand, hier in kurzen Abständen Sätze hinzuschreiben. Wenn dir nicht danach ist: auch in ein paar Tagen ist das ok!

  41. „Man stellt Bedingungen, wie der Weg in die Freiheit stattzufinden hat“
    Guter Satz, @Claudia.
    „In Watte packen, das Leugnen unterstützen“ – ist nicht meine Intention.
    Wenn das so rüberkam, bitte!
    Aber was ist mit Deinen Süchten, @Claudia? Ist zwar hier und jetzt definitiv kein Thema, würde wegführen, aber wäre doch mal ein eigener Blogartikel wert – oder gibts den schon?

  42. Außer ein bisschen Nikotin und Kaffee ist da nix Berichtenswertes. Diese Dinge machen mir auch keinen Stress, bringen keine Zusammenbrüche, haben keinen Trend in Richtung „mehr“… total unspektakulär. :-)

  43. ….warten wir es ab.

  44. Von stofflichen Süchten war nicht die Rede, aber lassen wir das :-)

  45. Eventuell nicht wirklich etwas über die Tiefen der Süchte zu wissen oder fühlen zu können, ist ja kein Manko. Es ist ein Geschenk!!!

    Bei der Sucht unterscheide ich in eine
    – Gefährdung und in eine Abhängigkeit.

    Das eine kann auf das Andere folgen und beides kann so weit voneinander entfernt sein, wie die Erde vom Mond, und doch ist es möglich, auf dem Mond zu landen.

    Mit vielen ihrer Gedanken, Herr Schulze, stimme ich überein, ebenso wie mit den Ausführungen von Claudia. Natürlich hat es einen Grund zu trinken und ich halte es durchaus für möglich, diese annähernd zu ergründen. Für mich war das nicht im Alleingang möglich. Es hat der Kommunikation und Konfrontation über viele Jahre bedurft, immer so, wie ich es gerade abhaben konnte. Das Problem hierbei ist allerdings die Zeit. Aus einem Anfangs „psychischen“ Bedürfnis Alkohol zu konsumieren entwickelt sich mit der Zeit ein stofflich, chemisches Verlangen, von Synapsen und Rezeptoren ausgelöst, das nicht mehr vernuftbasierend zu steuern ist. Ist dieser Punkt erstmal erreicht, macht es keinen Sinn mehr, nachdem „warum“ zu fragen.
    Für sehr viele Freunde in der AA geht es dabei nur noch um`s überleben, denn der nächste Rückfall ist wahrscheinlich ihr letzter. Die Kraft nicht rückfällig zu werden, wird unter anderem auch aus der ständigen Visualisierung des Elends geschöpft, aus der man kam und nie wieder hin will. Es ist ihre Strategie, so wie jeder von uns seine eigene persönliche Überlebensstrategie hat.

    AA war für mich ein Meilenstein. Viele tolle Menschen haben mich zum Nachdenken gebracht, und andere haben mich das „Aushalten lernen“ gelernt. Es braucht Geduld, Geduld, Geduld und nur eine einzige Voraussetzung, um sich an einen der vielen, vielen Tische der AA zu setzen:
    „Den Wunsch, mit dem trinken aufzuhören!“

    Na, wenn das kein Angebot ist?

  46. Danke Menachem! Du bringst die Dinge auf den Punkt!

    Aus einem Anfangs „psychischen“ Bedürfnis Alkohol zu konsumieren, entwickelt sich mit der Zeit ein stofflich, chemisches Verlangen, von Synapsen und Rezeptoren ausgelöst, das nicht mehr vernuftbasierend zu steuern ist. Ist dieser Punkt erstmal erreicht, macht es keinen Sinn mehr, nachdem „warum“ zu fragen.

    Ab diesem Punkt geht es dann nurmehr darum, WIE LANGE man noch braucht für diese Einsicht. Nämlich die Einsicht: ich bin dem Alkohol gegenüber machtlos und kann mein Leben nicht mehr meistern.

    Ich habe drei Jahre gebraucht. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich realisiert hatte, „ein Alkoholproblem zu haben“ bis zu dem Punkt, an dem ich auch zugeben musste: mir fällt nichts mehr ein, ich habe ALLES versucht, um mich selber aus dem Sumpf zu ziehen – aber es hat nicht geklappt.

    Was ich damals noch gar nicht wusste: dass diese Einsicht nicht nur in Sachen Alkoholsucht ein Mega-Schritt nach vorne ist. Sondern ganz im Gegenteil ein Tor zu einem sehr viel angenehmeren, „artgerechteren“ Leben als Mensch.
    Wir sind nämlich Primaten, soziale Wesen, als Einzelne NICHTS. Irgend etwas führt uns in die Irre, zu glauben, wir seien als Individuen rundum mächtig, ganz alleine und aus uns heraus alles immer zum Besten zu wenden. Nach dem Motto; wenn ich mich nur genug anstrenge, zusammen reisse, „kämpfe“, dann klappt das schon.

    Falsch. Und WENN und SOLANGE das doch mal klappt, zahlen wir einen hohen Preis dafür. Einen Preis, der den Einsatz nicht wert ist.

  47. Ich lebe, mit geringfügigen Unterbrechungen, seit meinem 24. Lebensjahr allein, ohne allein zu sein. Jedenfalls hat sich diese Erkenntnis mehr und mehr in mir durchgesetzt. Ich fühle mich auch nicht allein oder gar einsam. Allerdings glaube ich nicht, dass wir Primaten sind und halte die Evolutionstheorie für kompletten Blödsinn, für ein „Ammenmärchen,“ speziell dafür entwickelt, uns daran glauben zu lassen, uns in die Irre zu führen. Dass dieses Märchen ausgerechnet von einem Priester der Welt verkündet wurde, besitzt einigen Witz und sollte wohl ebenfalls so sein. Wie aber auch immer, ich wünsche allen einen guten Tag und mir selbst dazu eine ausgedehnte Trockenheit, die kein Ende erkennen lässt!

  48. Dafür viel Erfolg!
    Ansonsten bitte ich, beim Thema zu bleiben – wenn wir hier noch alles erdenklich Andere bis hin zur Evolutionstheorie diskutieren, verliert das Gespräch den Bezug zum Artikel und damit auch seinen Sinn!

  49. Was mich bei Dir vor allem irritiert hat @Michael, ist Dein vehementes Ablehnen der AA als ein für Dich gangbarer Weg, weil dort nicht nach Ursachen gefragt würde und Dein Desinteresse an Deinen ganz persönlichen Gründen. Zumindest erzählst Du darüber nicht sonderlich viel.