Claudia am 09. August 2010 —

Produktoptimierung: Es werde Müll!

Es ist ein Elend, dass es heute kaum mehr möglich ist, zu irgendwelchen Gebrauchsgegenständen eine persönliche Beziehung zu entwickeln, wie Thinkabout sie in „Meine angegossene Wohlfühlgarantie“ bezüglich seiner Hausschuhe beschreibt:

„Vor dem Bett stehen meine Hauslatschen. Offene Sandalen, deren Riemen über den Rist längst undefinierbare Flecken tragen. Die Gummisohlen sind durchgetreten; sie stehen vorn und hinten vom Boden ab, als würde es sich bei den beiden Schuhen um am Sandstrand auf Grund gelaufene Ruderbote handeln, in die nun aber wirklich keiner mehr freiwillig steigen würde.

Aber meine Füsse wollen da rein. Denen passen diese Treter nämlich wie angegossen. Seit Jahren. Auch Sie kennen bestimmt dieses Gefühl von Schuhen, die sich längst jeder kleinsten Wölbung Ihrer Sohlen angepasst haben und in denen Sie sich einfach wohl fühlen. Sie stehen darin irgendwie aufrechter und gehen entspannter als in jedem anderen Schuhwerk. Sie schlüpfen rein, und es kann los gehen. Als wäre einfach alles zu schaffen. I am ready, folks. „

Typischerweise sind es hier die Hausschlappen, die dem Stress der schnellen Produktzyklen trotzen, da ihr Verfall den Benutzer nicht stört. Straßenschuhe wechseln häufiger und halten kaum eine Saison, ob sie nun gut passen oder nicht. Das ist Absicht, es soll so sein, man nennt es “Produktoptimierung”. Was das Marketing schnell wechselnder Moden und/oder technischen Features nicht leistet, wird durch eingebaute Schnell-Vermüllung garantiert.

Wo kämen wir auch hin, wenn eine Fahrradpumpe mehr als 20 Pump-Einsätze überstünde, bevor ein Plastikteil zerspringt? Oder ein Seidennachthemd, dessen teurer Stoff sich dem schnellen Verschleiss entzieht, nicht mit Garn zusammen genäht wäre, dass rechtzeitig brüchig wird? Oder das Futter der Handtasche, der Lederhose, des „hochwertigen“ Anzugs genauso haltbar wäre wie der große Rest, dessentwillen das Teil gekauft wurde?

Die Dinge sind nicht mehr dafür gebaut, sich in vielen Jahren dem Benutzer anzupassen, ihm ans Herz zu wachsen, Mittel der “Heimeligkeit” im Kleinen zu sein oder gar Teil seiner Individualität zu werden. Sondern dafür, in genau kalkulierten möglichst kurzen Zeiträumen ins Müll-Stadium überzugehen.

Deshalb heißen wir in der Welt der materiellen Dinge auch nicht User/Benutzer, sondern VER-Braucher.

Und alles wegen der Arbeitsplätze, ja, ja….

Wie es mich doch ankotzt! Und doch weiß ich keine Lösung für dieses KOAN.

***

Arme Jugend! Weil alle Dinge so schnell vergehen und als Zeichen spezifischer Individualität nicht mehr taugen, müssen sie sich Bilder auf die Haut stechen und ritzen. Sie brennen sich Male ein, die zu Schmucknarben werden, und stecken Metallteile durch mehr oder weniger intime Stellen. Und alles für das Gefühl, einzigartig zu sein und das auch zeigen zu können.

Bis auch das nicht mehr hilft und dann doch der Laser ‚ran muss: Wer will denn schon ein „Arschgeweih“ von vorgestern?

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Diskussion

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22 Kommentare zu „Produktoptimierung: Es werde Müll!“.

  1. Man kann sich ja selbst Nischen in seinem Leben schaffen. Bei manchen Alltagsgegenständen muß man dann vielleicht etwas mehr Geld ausgeben (daran liegt es ja auch: früher habe ich für Schuhe 200 DM ausgegeben, die hielten aber auch eben wirklich lange.) und etwas suchen und sich informieren.

    Der Katalog von Manufactum.de (Da ist freilich auch nicht alles Gold was glänzt und vieles nur Show für uns Bionadetrinker) kann da sogar schon etwas Anschubhilfe sein.

    Moderesistenz und den Willen (und das Können freilich!), ab und an auch mal Geld aus zu geben, gehören dazu. So habe ich das eine oder andere Alltagsding, das ich schon liebe, streichel und seit Jahren nutze. Hier mal die Hausschuhe, da mal eine mechanische Alltags-Armandduhr, dort mal den Hut. (äh, Hüte ;-))

  2. Hast ja recht – und natürlich kenn ich Manufactum. Allerdings wirkt das Angebot mir mittlerweile zu bemüht-edel, vergangenheitsverliebt und ziemlich LUXURIÖS. „Showeffekte für Bionadetrinker“ nennst du es (ich trink einfach Wasser).

    Ich wünsch mir sowas auf einer schlichteren Schiene: will nicht in Ehrfurcht vor irgendeinem originalgetreuen Nachbau einer Kaffeemühle aus dem Jahr X von der berühmten, einst großen Frma Z erstarren, sondern einfache, schöne haltbare Dinge, deren „Story“ dann vom Nutzer geschrieben wird. Nicht vom Werbetexter.

    Na sicher, es gibt sie auch bei Manufactum noch, die schönen einfachen guten Dinge – aber insgesamt kommt man sich doch vor, als wär man im Shop für den Germanistik-Professoren-Haushalt.

  3. Na ja, der Artikel überzeugt mich nicht. Die Massen wollten alles, und das immer billiger und für jede und jeden. Also keine Christbaumkugeln mehr für die (finanziellen) Eliten, vielmehr Baumschmuck für alle. Und so ist er dann auch: billig und vergänglich. Ich möchte nicht in Zeiten zurück, in denen man sich neue Schuhe einfach nur ganz selten leisten kann weil sie so hochwertig gefertigt werden. Und mich stört es auch nicht, wenn jemand seine alten Latschen trägt bis zum Zerfall (von was auch immer). Fahrradpumpen werden so oft geklaut, da mussten sie billig werden. Und das sind sie jetzt, es lohnt kaum noch sie zu klauen ;-)
    Abgesehen davon: gerade in Berlin sehe ich so viel Hässlichkeit, da ist dessen Vergänglichkeit geradezu ein Segen. It’s a feature.

  4. „Gestern“ reparierte man die Dinge meist noch – wem fiel damals ein, ein klemmendes Gartentor zu ersetzen und flugs ein Neues zu bestellen, es sei denn es war schon 10 Jahre alt ;-))
    Ich glaube, mittlerweile ist man schon soweit, daß man Dinge kauft und merkt: Es passt nicht wirklich, also sofort und unmittelbar auf den Müll.
    „Gestern“ zimmerte uns mein Vater Holzspielzeug! Was für wunderbare Geschenke! Die brauchten Tage und Wochen und heraus kam was ganz Luxuriöses.
    Die Leute damals konnten fast alles reparieren, „neu machen“. Heute wirft man voll funktionierende Dinge weg, weil sie knapp nicht mehr up-to-date sind.

  5. Mein Vater und Onkel schnitzten auch Holzklötze und einen Holztraktor mit Anhänger. Damit spielten wir und Kinder mehrerer Familien, deren Eltern in unserem Haus zur Miete wohnten. Das Spielzeug ist noch nach Jahrzehnten gebrauchstauglich und hat sich stets gut durchgesetzt gegen Playmobil u.a.

    Das mit dem kalkulierten Wegwerfen erlebte ich erst vor einer Woche: Ein Nikon-Kabelauslöser – völlig überteuert für 89 Euro verkauft (im Web raten Benutzer von günstigeren kompatiblen Konkurrenzprodukten ab wegen schlechter Erfahrungen) – funktionierte nicht mehr. Nach dem Aufschrauben des Handgriffs stellte ich fest, dass die Ursache korrodierte 2 Federn waren. Diese sind unaustauschbar an dem Druckknopf befestigt. Statt dass nun ein solcher Knopf (oder besser noch austauschbare Federn!) – das simpelste am ganzen Auslöser – verkauft wird (als Ersatzteil geliefert wird), sagte der Mann der Vertragswerkstatt, dass Nikon seine Vertragswerkstätten anweist, defekte Kabelauslöser dieses Typs wegzuwerfen und durch neue zu ersetzen (und somit bestimmt mehrere 100 Prozent zu verdienen – dank Elektronik und nicht standardisierte Anschlüsse lassen sich nicht hochwertige Jahrzehnte haltbare überall verwendbare Drahtauslöser benutzen wie zu „Analogzeiten“).

    Es gibt noch hochwertige Produkte und ich kaufe nur diese, falls ich mir das leisten kann, da mich an minderwertigen nicht nur die geringe Haltbarkeit ärgern sondern auch die in der Regel schlechtere Gebrauchstauglichkeit sowie die damit verbundene größere Frustration. Eine der Möglichkeiten, sich das leisten zu können (ein Einkommen vorausgesetzt, das mehr als das „Überleben“ gewährleistet), besteht darin, nur das zu kaufen, was man „wirklich benötigt“ (Bedarf entscheidet, keine „Sonderangebote“ ihretwillen nutzen, keine Kataloge durchzublättern, nur weil sie „da“ sind, …) und auf einiges zu verzichten.

  6. Billige und immer neue Produkte muss man ja nicht mögen und wer nicht will, der braucht dabei ja auch nicht mitzumachen und kann die gewohnten Schuhe gerne auch länger tragen. :)

    Immer schnellere Produktzyklen und kurzlebigere Produkte sind offensichtlich eine Folge des (Wirtschafts-)Systems, das mehrheitlich gewollt ist und an dem sich fast jeder beteiligt. Wie Wolf sehr treffend ausführt, ist schnelle Vergänglichkeit, je nach Blickwinkel durchaus ein Vorteil.

  7. @Uwe, @Wolf: Und an die Ressourcenverschleuderung (Rohstoffe, Energie) denkt Ihr gar nicht?

  8. @Wolf:

    Die Massen wollten alles, und das immer billiger und für jede und jeden.

    Davon bin ich schon lange nicht mehr überzeugt. Die Massen haben doch gar keine Zeit mehr, darüber nachzusinnen, was sie wirklich wollen … weil sie ihre Lebenszeit opfern, um Geld für Dinge zu verdienen, von denen ihnen andere permanent eintrichtern, dass sie erstrebenswert wären. Aber Geiz ist m.E. in Wahrheit nicht mal für den geil, der das Motto längst verinnerlicht hat. Die kapitalistische Gebetsmühle predigt: „Zeit ist Geld.“ Und dafür könnte man dann alles kaufen. Doch das ist Betrug, denn die Zeit selbst ist das Wertvollste, was wir haben.

    Noch eine kleine persönliche Anekdote zum Thema Nachhaltigkeit und Wertschätzung von Gebrauchsgegenständen:
    Einst erwarb ich einen teuren, aber auch qualitativ hochwertigen Wintermantel. Ich trug ihn viele Winter. Er hatte einen zeitlosen klassischen Schnitt, ließ sich zu allem tragen und das Beste: Seine gute Wolle hielt mich wärmer als alle billigen Winterjacken vor ihm. Und ich lernte: DAS ist preiswert (seinen Preis wert!). Doch leider hält auch der beste Mantel nicht ewig. Viele Jahre später suchte ich jedoch lange Zeit vergeblich nach einem gleichwertigen Nachfolger. Doch ich war nicht mehr bereit, mich mit weniger zufrieden zu geben. Also kaufte ich hochwertigen Wollstoff und Futter (in gewohnter Farbe und Qualität), trennte den alten Mantel auf, nahm ihm die Knöpfe ab und ließ mir den gleichen Mantel von einer befreundeten Näherin nachnähen. Diesen Mantel trage ich noch heute.
    Ich könnte noch einige ähnliche Geschichten erzählen. Vieles, was mir wirklich etwas wert ist, kann ich eben nicht einfach kaufen, weil wertvolle Güter rar geworden sind in unserer Wegwerfgesellschaft (denn sie sind auf Nachfrager angewiesen, die sie zu schätzen wissen). Die sogenannte Überflussgesellschaft produziert nur eines wirklich im Überfluss – Müll.

  9. Zeit für eine kleine Philosophie über Müll:

    Müll ist das, was gerade ICH, gerade JETZT nicht gebrauchen und benutzen kann. Deshalb stört mich der Müll. Er stinkt und liegt im Weg und ist FÜR MICH unnütz und lästig. Eine allzu egozentrische Betrachtungsweise könnte dazu verleiten, den Müll zu verachten, doch das wäre unangemessen.

    Sobald ein Lebewesen beginnt, irgendwelche Aktivitäten zu entfalten, und sei es nur sein Herzschlag und seine Atmung, schon ensteht Müll. Feste, flüssige und gasförmige „Abfall“-produkte sind die physikalisch notwendige Folge von Umformungsprozessen aller Art. Je mehr sich jemand bewegt, je mehr er leistet, desto stärker erhöht er die Entropie, die ungeordnete und unbrauchbare Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik – Energieerhaltung). Das System Erde verliert dabei weder Rohstoffe noch Ressourcen, noch verliert es Energie. Es wird nur bewegt und verschoben, verändert und verformt und die Antriebsenergie für das Ganze liefert die Sonne. Diese überflutet die Erde mit mehr Energie, als ein mit Menschen vollbesetzter Planet jemals umformen könnte.

    Was heute für den einen Abfall ist, das ist morgen für einen anderen wertvolle Ressource. Leute, die einen Garten mit Komposthaufen haben, könnten das beobachten. Von diesem Prinzip weicht die Natur vermutlich nicht ab, auch nicht, wenn es sich um die Abfälle eines Lebewesens mit beschränkter Einsicht handelt. Vor Urzeiten untergegangene Wälder und Lebewesen bilden die wertvolle Ressource Erdöl, für die heute gemordet wird. Die Pastikmüllberge und atomaren Abfälle von heute werden irgendwann Goldgruben sein. Ich gebe zu, daß die These sich nicht belegen läßt aber es lohnt sich nicht, darüber zu streiten, denn erst in tausend Jahren wird man mehr darüber wissen. ;)

    Obwohl Müll also prinzipiell nichts Schlechtes ist sondern eine biologische Notwendigkeit, kommt es natürlich immer wieder vor, daß sich erfolgreich vermehrende Lebewesen, innerhalb ihres zeitlich und räumlich begrenzten Lebensraumes an ihren Stoffwechselprodukten sozusagen ersticken, bzw. ihren Wirtsorganismus damit derart verändern, daß sie daran selbst zugrundegehen. Es gibt zwei Möglichkeiten für eine biologische Art, dem zu begegnen. Die eine besteht in einer Begrenzung der Vermehrung über einen kritischen Punkt hinaus. Sinkende Geburtenraten in vielen Regionen lassen vermuten, daß das menschliche Genprogramm diesen Weg kennt. Der andere Weg besteht darin, daß die gesamte Population mitsamt dem Wirt das Leben verliert, während ein paar Auserwählte vorher einen neuen Wirtsorganismus zu entern versuchen, um das Vermehrungsprogramm erneut zu starten. In diesem Zusammenhang sind die nicht besonders erfolgreichen Anstrengungen des Menschen in der Raumfahrt zu sehen. Ein Glück für potentielle neue Wirtsorganismen, daß sie weit genug weg sind. :)

    Leben und Müllproduktion sind eins. Viel Lebensaktivität bedeutet viel Müll. Würde sich jeder Mensch mit einem Paar Schuhe und einem Mantel bescheiden oder gar ohne beides, dann wäre nichts verbessert. Würde sich die Aktivität nicht auf das Produzieren und Horten von Kleidung richten, dann würden im gleichen Zeitraum eben andere Energieumwandlungsprozesse stattfinden, die ebenso die Entropie erhöhten. Selbst dann, wenn jeder Einsichtige nur noch das Lebensnotwendige unternehmen würde und den Tag möglichst reglos und konsumarm im Bett verbringen würde, dann würde die reine Kopfzahlvermehrung dafür sorgen, daß die Müllflut anwächst. Recycling und schadstoffarme Verbrennung zur Gewinnung von Nutzenergie sind geignete Methoden, damit umzugehen.

  10. Ich weiß nicht, ob die Massen es immer billiger wollen. Ich will es nicht immer billiger. Ich weiß auch nicht, ob es immer billiger wird. Ich gebe heute mehr für ein Paar Schuhe aus, als vor zwanzig Jahren, sie halten nur kürzer. Viel kürzer. Gerade die Waren, die billiger wurden, das ganze Computerzeug etwa, sind gar nicht schlecht. Computer müssen keine zehn Jahre halten, könnten es aber. Bei den Röhrenmonitoren hatte man die Kunststoffgehäuse auf Verfall getrimmt, damit sie sich auf den Müllbergen zersetzen. Keinem ging deswegen der Bildschirm kaputt. Auch von Autos höre ich, sie seien eher besser als schlechter geworden. In beiden Fällen mag das auch daran liegen, dass eine kritische Öffentlichkeit (breit aufgestellte Branchenpresse, gut besuchte Online-Foren usw.) die Produkte begleitet. Bei den Haushaltsgeräten ist es nicht so. Wir haben in den letzten Jahren zwischen 10 und 100 Euro für einfache Wasserkocher ausgegeben, alle versagten nach ein paar Wochen oder Monaten wieder (der, den wir davor hatten, hielt 22 Jahre). Insbesondere bei bekannten Markenherstellern trat der Garantiefall recht schnell ein; der Ersatz war dann nicht besser. Ich schaffe es auch nicht, einen Gürtel zu kaufen, der mehr als ein paar Monate übersteht. Die alten hielten ebenfalls Jahrzehnte. Ich habe inzwischen für einzelne Gürtel mehr Geld ausgegeben, als ich mir jemals vorstellen konnte. Nichts half. Nun hab ich ein ganz billiges Textilteil, das tut. Aus der Kunststoffchemie, wo ich selbst tätig war, und einigen anderen Branchen weiß ich, dass der Aufwand, Produktlebenszeiten zu verkürzen, extra kostet. Es ist nicht billiger, einen Zahnfüllstoff so zu machen, dass er bald zerfällt. Das ist recht schwierig und kostet Geld. Hier lese ich nun zwei Positionen zum Thema, a) nix taugt mehr, b) macht nichts. Ich denke, beide haben ihre Berechtigung.

    Für Hersteller lohnt es nicht, Waren anzubieten, die ein Leben lang halten. Das kostet Folgeumsätze. Also wird die Lebensdauer, evtl. teuer, verkürzt. Das geht über den Qualitätsverfall durch ‘immer billiger’ weit hinaus. Die Kunden sollten es bei Preisvergleichen berücksichtigen. Ein Schuh, der 50 Euro kostet, statt 60, aber nur noch 6 statt 24 Monate hält, ist nicht billiger geworden, sondern viel teurer. Die Inflationsrechnung stimmt nicht, wenn man nur die Preise, nicht die Qualität berücksichtigt. Das betrifft auch Verbrauchsgüter, etwa Reinigungsmittel. Nach dem Trend zum Konzentrat ist heute wieder die Förderung des Mehrverbrauchs angesagt. Teurere Produkte können sich, da die Einkommen eines Großteils der Bevölkerung mit den Gewinnen des Exportwunders nicht mitwachsen, viele nicht mehr leisten. Dadurch entsteht der Eindruck, es herrsche Massennachfrage nach Billigramsch, da müsse man sich nicht wundern. Das verdeckt die Tatsache, dass auch die Lebensdauer teurer Produkte sinkt. Es gibt Branchen, in denen das nicht so ist (s.o.) und natürlich einzelne Hersteller, die gegen den Trend stehen. Ein Manufactum-Freund bin ich auch, aber nicht alles gibt es da und nicht alles da taugt. Im Allgemeinen aber liegt die Diagnose “großer Beschiss” nicht daneben – bei gleich bleibenden Ansprüchen wird das Leben teurer, als die Inflationsstatistik sagt. Wem seine Computer etc. das Wichtigste sind, erlebt es in der Summe aber nicht so.

    Manchmal funktioniert es auch ganz anders. Der renommierte Anbieter Nike etwa betreibt meines Wissens keine “Produktoptimierung”. Dennoch sind Nike-Schuhe keine Qualitätsprodukte. Trotz hoher Endverkaufspreise setzt Nike auf Billigstfertigung. Die Marke glänzt durch Innovation (es sind tatsächlich tolle Ideen dabei) und Nimbus. Niemand kann hier unterstellen, dass Qualitätsmängel dem Wunsch der Verbraucher nach Billigprodukten geschuldet sind. Es kommt darauf gar nicht an, weder für Nike noch für ihre Kunden. Nike “optimiert” lediglich die Marge bei der Auftragsvergabe (eigene Fertigung haben sie nicht). Das geht, weil alle zufrieden sind. Man hat den neuesten hippen Schuh, damit kann man z.B. gut laufen – und wenn er zerfällt, ist das o.k., man hat ihn ja auch beansprucht und es gibt schon wieder besseres. Keiner schaut traurig auf seine alten Nike-Schuhe, wie der Taschenbuchbesitzer auf sein Regal. Da, bei den Taschenbücher ist der Zusammenhang zwischen Kundenwunsch (billig) und Haltbarkeit (wenig, aber immer noch 20 Jahre) klar. Bei Büchern allerdings ist es insgesamt schade, dass die letzten 100 Jahre auf säurehaltige Papiere gesetzt wurde, da geht alles verloren. (Na ja, Medienwandel, wie bei Musik und Videos, macht auch vieles unbrauchbar. Und Datenbanken aus den Siebzigern kann kaum einer mehr lesen.) Übrigens stimmt auch die Gleichung billig = schlecht nicht unbedingt, die Discounter gewinnen zu oft bei unabhängigen Test gegen den teuren Fachhandel, der Billigsaft mit der Note ’sehr gut’ bei der Stiftung Warentest gegen den ‘mangelhaften’ im Reformhaus könnte schon stutzig machen.

    Die Kehrseite der Warenflut ist der Müll. Nur ist die Idee, schneller zerfallende Produkte herzustellen, nicht immer die Lösung. Zwar zersetzt sich Leder heute 5mal schneller als vor 20 Jahren und Kunststoffe fast 10mal schneller, aber dafür wird mehr auf die Halden gekippt. Erzählen die Hersteller von der Nachhaltigkeit ihrer Produktion und meinen damit die Förderung der Zersetzbarkeit, kann man das nur bei Produkten begrüßen, die ohnehin nicht für den langen Gebrauch gedacht sind. An dieser Definition scheiden sich die Geister. Wer meint, eine Jacke könne er nur eine Saison tragen, dann wäre sie out, hat andere Ansprüche, als der, der eine fürs Leben sucht. Wer ein Handy kauft, kann sich sicher sein, dass er dieses Gerät in zehn Jahren nicht mehr will. Einen Toaster hingegen mag keiner jährlich neu erwerben. Und bei Kunststoffen wissen wir inzwischen, dass die Zersetzung nichts nutzt, das Zeug verteilt sich immer feiner überall hin, heute kann man den Kunststoffanteil im Sand der Meeresstrände in Prozent ermitteln. Richtig ist, dass es falsch wäre, kurzfristige Gebrauchsgüter für die Ewigkeit zu fertigen. Manche Lebenszeitverkürzung ist berechtigt, andere sind krass daneben, etwa bei Fertighäusern. Die halten immer noch ein Leben lang, aber nicht mehr mehrere. Häuser sind nicht unbedingt eine Vermüllung der Landschaft. Auch der Straßenbau scheint geradezu die Natur fördern zu wollen, mit immer weniger haltbaren Belägen.

    Ein weiteres Thema (die Sache ist komplexer als man beim Einkauf denkt) ist die Produktinnovation – am deutlichsten wieder an der Elektronik zu sehen. Sie ist nicht dem Bedarf geschuldet, der kommt erst, wenn es die Waren gibt, sondern dem Möglichen. Innovation und Kurzlebigkeit zusammen sorgen für die Auslastung der (in Billiglohnländer verschobenen) Fabriken. Beides scheint den Eigentümern nötig, da Wachstum das Standardrezept des Kapitalismus ist (der Zinseszins lässt keine andere Möglichkeit). Können und wollen die Menschen nicht mehr kaufen, gibt es nur den einen Weg: öfter kaufen. Das ist so offensichtlich, das man andere Auswirkungen als die, die wir beobachten, kaum vermuten kann. Dennoch werden Qualitätsprodukte hergestellt. Der deutsche Maschinenbau etwa liefert keineswegs Pfusch, die Produktion für den militärischen Bedarf (wo durchaus manches schnell kaputt gehen darf) schraubt Qualitätsstandards weiter nach oben. Das ist übrigens nicht typisch für die öffentliche Beschaffung, die normalerweise (dank Ausschreibungsvorschriften) der schlimmste Preisdrücker ist. Nachteil des Innovationstempos ist weniger sinkende Lebensdauer (die da wirklich nicht schadet), als das Bedürfnis, das Neue auch zu haben. Mein alter PC z.B. hat Schwierigkeiten mit Websites, die zu viel Rechenleistung vom Server zum Client verlagern. Will ich weiterhin alles ansehen können, muss ich einen neueren Computer kaufen. “Schon wieder einer neuer PC” fällt dann vielleicht in der Wahrnehmung mit “schon wieder neue Schuhe” zusammen, obwohl die Ursachen sehr verschiedene sind.

    Letztlich ist das alles auf Sand gebaut. Die Wirtschaft lebt nur, wenn sie ständig wächst, die Menschen können sich auf immer weniger verlassen, haben nur im Moment (das aber gut), wie es weiter geht, weiß man nicht. Die Abhängigkeit vom Nachschub steigt, die persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten verringern sich (alle immer individueller, im Gleichen!, ist auch eine Illusion). Im 17ten Jahrhundert lebten die meisten von ihrem Stückchen Land und der Nutzung von Gemeingrund, dann wurde dieser Gemeingrund privatisiert und die Parzellen so mit Steuern belastet, dass die Menschen sie aufgeben mussten (die Fabriken brauchten Arbeiter, heute wiederholt sich das in den ‘Ländern des Südens’), dann wurden die Arbeiter Konsumenten und der Kapitalismus entfaltete seine angenehmen Seiten, der Lebensstandard der Arbeiter stieg, dann sank der Arbeitskräftebedarf wieder, durch Technik und Globalisierung, und damit endete Anstieg der Lebensqualität – die heute (auch eine Übergangszeit) eben gefaket wird, indem man die Waren von innen aushöhlt. Die Alternative, Scheingeschäfte und virtuelles Geld, trägt ja, wie wir inzwischen wissen, nicht wirklich – obwohl sie derzeit noch weiter getrieben wird (die Krise brachte kein Umdenken). Es geht den meisten nicht besser als in den Achtzigern – dennoch sind wir immer noch auf einem Gipfel des Wohlstandes. Vieles davon ist nicht echt, nur Anschein, Fassade, aber im Vergleich zu den Lebensbedingungen vor 100 oder 200 Jahren, geht es uns großartig. Dass das so keine Zukunft hat, braucht uns ja nicht zu kümmern. Der Untergang droht jedenfalls nicht; Menschen sind erfinderisch und werden ihre Wege finden. Selbst Horrorszenarien zum Klimawandel erreichen nicht die Lebensbedingungen, mit denen etwa die australischen Aborigines Jahrtausende zurecht kamen.

    Wir leben in Puppenstuben, alles scheint gut, wir fühlen uns wohl. Ab und zu stoßen wir an die Grenzen, die zerfallenden Waren, die pessimistischen Prognosen. Dann ärgern wir uns und machen uns Sorgen. Daraus schließen wir, das alles bleiben soll, wie es ist. Nur ein bisschen besser. Dann beschließen wir, etwas Energie zu sparen und mehr Sport zu treiben. Und träumen davon, mal einen Mantel zu finden, wie er war, in der guten alten Zeit, als der Mantel die Menschen, die Typhus und Cholera dahinrafften, weit überlebte. Auch die Geschichte ist vor allem eine Vorstellung.

    Ich selber rege mich durchaus auf, habe endlich einen Schuster gefunden, der noch ordentlich repariert, frage ihn, was ich denn kaufen soll, damit sich das lohnt – und er zuckt die Achseln, gibt mir eine Liste anderer Schumacher, wo ich für 1.000 Euro mir Schuhe machen lassen kann, und sagt: “Von der Stange? Nix.” Ebenso die Inhaberin des Schuhgeschäfts um die Ecke. Die Schuhe, die ich früher jahrelang getragen habe, waren auch aus der Fabrik. Aber, was hilft es? Die Menschen in den Fabriken klagen ja auch. “Früher”, erzählte mir einer, “waren wir stolz, auf das, was wir hier gemacht haben. Jetzt ist das egal. Wichtig ist, dass man seinen Job behält.” Jede Zeit hat ihre eigenen Nöte. Und ihr Gutes: das Internet etwa ist doch nicht nichts.

    Einige Anmerkungen: Meine Mutter sagte mir, als ich ein Kind war: “Kauf nicht Billiges, das taugt nicht.” So hielt ich es jahrelang und bin nicht schlecht damit gefahren. Eine wichtige Erfahrung ist, denke ich, dass das heute so nicht mehr gilt. Es gibt sie noch, die Qualitätsprodukte, aber der Preis ist kein Indiz, man muss gründlicher prüfen. Vor einiger Zeit schrieb ich einen ähnlichen Artikel (er ist hier noch online: blogbibliothek.ch/single/?ID=40 – merci!, Thinkabout). Er erfreute sich größerer Zustimmung. Warum? Ich denke, weil ich es differenzierter, schärfer und vor allem persönlicher anging. Zum Glück ist er auch kürzer, als mein Kommentar hier (es steht wenig anderes drin). Kürze ist nicht leicht und kostet mehr Zeit, als ich im Augenblick habe. Sorry. Der Begriff “Produktoptimierung” ist ein ironischer und stammt aus dem privaten Gespräch (eines, an dem ich beteiligt bin). Ich habe ihn auch anderswo gehört – unter Fachleuten für Lebenszeitverkürzung (ich kenne welche) habe ich ihn bislang nicht in diesem Zusammenhang angetroffen (im Allgemeinen schon, man kann ja alles optimieren). Hier habe ich weniger deutlich gemacht, dass es nur um meine Eindrücke, um mein Empfinden geht, nicht um eine Art von Weltdeutung. Es ist aber so. Es braucht sich keiner ärgern, der es anders sieht. (Bitte verzeiht auch die Tippfehler – ich muss los.)

    Zeit für ein “Danke, Uwe” für die kleine Müllphilosophie ist aber doch. Danke.

  11. @alle:

    Bin ja schwer beeindruckt, welch ausführliche Resonanzen dieser Beitrag bekommt! Herzlichen Dank für Eure vielschichtigen Einlassungen zur Sache mit dem Müll!!

    Was mich totz allem wundert: es sind ja nicht ganz wenige Leute, denen der schnelle Verfall bei vielen Dingen (Güter kann man sie kaum mehr nennen) auf den Senkel geht. Natürlich nicht bei allen Produkten, aber bei vielen. Und wir haben ja doch in vielen Märkte tatsächlich einen freien Wettbewerb, doch hat der Markt grade mal Manufactum hervor gebracht. Ansonsten ist Haltbarkeit kein Thema – warum nicht?

    „Für Hersteller lohnt es nicht, Waren anzubieten, die ein Leben lang halten. Das kostet Folgeumsätze.“

    Das mag stimmen, aber es könnte einer Firma EGAL sein, die als neuer Wettbewerber mit diesem „Alleinstellungsmerkmal“ in den Markt eintritt. Man hätte ja erstmal alle vom Zerfall Frustrierten als mögliche Kunden – und nicht nur in EINEM Land. Sind alle versorgt, die in Betracht kommen, könnte Firma x ein anderes Produkt haltbar machen.

    Ich glaub nicht an eine Verschwörung aller Unternehmen, dass sie sich z.B. verabreden, nur Wasserkocher zu bauen, die schnell kaputt gehen. Denn das Denken zum Nutzen der GESAMTEN Branche ist ihnen ganz gewiss nicht soooo wichtig wie der eigene Markterfolg.

    Was die kritische Begleitung der Produkte angeht, so ist das Problem beim Feature „Haltbarkeit“ wohl auch, dass das schlecht zu erfassen ist. Zu vielem können Kunden etwas sagen und schreiben, nachdem sie es gekauft und ausprobiert haben – und es wird auch vielfach auf entsprechenden Plattformen getan (sogar zu Haushaltsgeräten).

    Geht das Ding ein halbes oder ganzes Jahr später kaputt, ist oft nicht mehr genau feststellbar, wann es gekauft wird – und wie oft es genutzt wurde, weiß auch keiner genau. Zudem richtet sich die Energie auf Neu-Erwerb, nicht auf die Dokumentation der Erfahrung mit dem Zerfall.

    Neben mir steht eine Thermosflasche aus Edelstahl, der Deckel mit der Verriegelunsmechanik ist aus festem Kunststoff. Es war (mit ca. 24 Euro) die teuerste Kanne in der Auswahl. Ich nutze sie täglich seit fast zwei Jahren – und es ist bis jetzt nicht absehbar, woran sie kaputt gehen könnte. Sie hält den Kaffe weit über 12 Stunden warm – so lange hält sich der allerdings meist nicht.

    Ich erzähl das nur, um auch mal was Positives zum Thema zu sagen! :-)

  12. […] dinge werden eben doch nie müll. selbst wenn sie vielleicht doch irgendwann weggeworfen werden.] […]

  13. Obwohl in „es werde Müll“ viel die Qualität und Haltbarkeit der Produkte beschrieben wird, mal von mir etwas zum „Müll“, und vielleicht ist das ja auch positiv zu sehen.

    Als wir vor 20 Jahren Haushaltsauflösungen durchgeführt haben, waren 100 % eines Haushalts „Müll“. Der LKW ging so wie beladen auf die Deponie, zu einer Kippgebühr von 50,– DM/to. 1990 explodierten die Deponiepreise auf 400,– DM/to, und wir mussten pro LKW 1.050,– DM mehr Deponiegebühr bezahlen, als in den Kundenpreisen kalkuliert.

    Wir haben 1991/92 begonnen, die LKW`s auf einem angemieteten Hof abzukippen und zu sortieren und bereits nach den ersten Entladungen blieben nur noch 20 % Restmüll. Der Großteil war Holz.

    Die Entsorger haben sich dann Jahr für Jahr danach auf diese Situation eingestellt und aus dem Wettbewerb heraus heute einen Preis für Holz zwischen 15,– und 20,– Euro/To als Entsorgung, die eigentlich nur den Transportpreis zur Verbrennungsanlage decken.

    Im gesamten gewerblichen Bereich, ob das shops mit ihren Verpackungen sind, oder Fertigungsunternehmen mit verschiedenen Reststoffen, wird sortiert, vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen.

    Und auch die Sortieranlagen der Entsorger, die den Hausmüll über den grünen Punkt sortieren, sind schon beeindruckend, vom In- und Output her. Auch aus der gesamten weiße Ware einschl. Elektronik wird immer mehr bis in die kleinste noch wiederverwendbare Elemente herausgeschreddert.

    Und wenn man bedenkt, das es vom Gesetzgeber her eigentlich gar keine Deponien mehr geben darf und alles entweder wiederverwendbar oder als Energie verbrannt wieder dem Kreislauf zugeführt wird, ist doch einiges geschehen. Ich kenne zwar keine Zahlen, jedoch sind die Mengen enorm.

    Als dies, vom Gesetzgeber als Beitrag für eine bessere Umwelt benannt, geschehen diese Prozesse nicht aus Menschlichkeit, sondern aus Wirtschaftlichkeit.

  14. Hallo Uwe,
    schön geschrieben. Nur eine Korrektur, genauer eine Verhübschung hätte ich noch. Ich bin, was die Konsequenz angeht ganz deiner Meinung. Aber es ist noch viel spannender. Der erste Hauptsatz der TD beinhaltet die Energieerhaltung und da kann keine Energie gewertet werden. Es gibt mal keine gute und keine böse Energie. Du möchtest hier wohl auf den zweiten Hauptsatz der Wärmelehre hinaus: ein System geht von selbst nie in einen bedeutend unwahrscheinlicheren Zustand über, die Entropie (dS=dQ/T, Zustandsgröße: die so was wie die Ordnung) immer zunimmt. Warum stimmt also deine Aussage? Weil deine Argumentation eigentlich mit der Entropie, die es nur im Gleichgewicht gibt nichts zu tun hat. Wir leben im Energiefluss der Sonne und damit immer im Überschuss und Ungleichgewicht. Leben ist nie Gleichgewicht (auch wenn und das die Yogis hundertmal vorbeten) Leben ist Überschuss und Verschwendung(mir gefällt da Derridas ‚Gabe‘, obwohl heute überhaupt nicht mehr aktuell). Und die am meisten verschwendet ist die Sonne. Und Ablagerung diesen Überschuss ist auch das Rohöl. Aber der Müll kann den Energiefluss abbrechen oder die Lebensvorrausetzung (Radioaktivität) zunichtemachen. Nicht jeden Müll kannst du verkompostieren. Denk an das erste Leben, das in einer für uns giftigen Atmosphäre lebte aber ein Gift erzeugte, an dem es fast komplett eingegangen ist: Sauerstoff. Wir können heute damit was anfangen. Also, alles in allem, ein schönes Bild, über das es sich zu sinnieren lohnen kann.

    Ottmar

  15. ‚Müll‘ kann eine Kategorie des Innen oder des Außen sein.

    Was ich hier lese, ist eigentlich eher alles ‚innnen‘. Müll als binnenfunktional Ausgezeichnetes (weswegen auch eine Welt der Ratten ihn hätte, sogar eine der Marsmenschen).

    Von außen ist ziemlich schwierig zu gucken (wie in diesen Kniffelaufgaben, die du nur lösen kannst, wenn du die Geraden als aus dem Bild heraus laufend dir superschlau denkst).

    Wäre denn eine Ware, deren körperliche Eigenschaften mich derart anzögen, daß ich ihren Wert mißachtete, eine Ware?

    Wenn ja, wäre sie das immer neue Alte, das Dreick mit den vier Ecken, der Herr, der um jeden seiner Diener weiß. Ich denke aber eher – nein!

    Natürlich kann dem Herstellungsprozeß von Ware als physikalische Handlung nachgetrauert werden (wie uncle tom oder der geierwally), ebenso ihren Eigenschaften (gut, solide, beständig, schön usw.) – aber das macht Ware nun einmal nicht aus.

    Ich denke, es ist klüger, einen Weg danach zu beurteilen, auf welchem Grund und mit welchem Ziel er verläuft, als danach, wohin ich gerne reisen möchte. Und, egal welche Wünsche die Produktion einer Ware begleiten – sie muß sich verkaufen. Darin ist auch der Käufer nicht frei, weil er Ware für Ware gibt (auch wenn es der Verbeamtete anders sieht)

    Müll ist demnach nicht das Unkonsumierbare, sondern das Unverkaufbare. Und, falls man endzeitlich denken will, wäre das Bleibende des Warentauschs das, was sich partrout nicht mehr tauschen läßt.

    Unterhalb dessen ist alles möglich und durchspielbar (eines nennt sich z.B. Recycling und eignet sich gut für das ewigfrohe Gutmenschfernsehen oder die Sonntagsschule, für die Sonne irgendwie stets wieder aufgeht, weil sie doch immmer aufgegangen ist) und ist angenehm, weil es innen statt findet und nicht dort hinschaut, wo du nur von außen hinschauen kannst.

    Dort aber sieht es womöglich fies aus.

    Unverkaufbares (man betrachte die vergifteten Papiere der letzten paar Jahre oder z.B. militärisches equippment und sein experimentelles Anwendungsfeld) ist eben einfach nur fies. Wie ein Diesel ohne Sauerstoff, der trotz voller Tanks den Dienst quittiert.

    Mag sein, diese Art (unsere Art, nennt sie sich schleimig) des Wirtschaftens erstickt gar nicht daran, daß der Gebrauchswert zu Grabe getragen wird (schnell versagende Klimaanlagen), sondern daran, daß der Tauschwert an seine Grenze stößt. Was wäre dann das Salz der Erde?

  16. „Was wäre dann das Salz der Erde?“
    Liebe vielleicht?!?
    Das wäre plausibel!

    Liebe Grüße und friedliche Zeiten

    Claudia

  17. Hallo Susanne,
    ich hätte mal als Müll an das Äußere gedacht. Aber Du hast recht, es könnte genauso gut das innere sein, ja muss es sogar. Du unterteilst jetzt die Ware in unverkäufliche und in verbrauchte. Klar, jede unverkäufliche kann mal eine gut gehende gewesen sein, wie die Diskette zur Zeit des USB-Sticks. Wer hier traditionell bleibt muss mit einer Pleite rechnen. Des Weltverlust von Diesel wenn es keinen Sauerstoff mehr gibt sehe ich als unproblematisch an. Denn meine eigene Körpermaschine läuft mit auch diesem Stoff. Ich finde es töricht immer an diesem Tauschwert fixiert zu sein. Klar ist das die große Maschinerie, aber das Schmieren, dass sie überhaupt läuft und ein eventuelles Ziel das ist nun außerhalb dieses Kreislaufs. Und da bist du mit dem Salz schon auf der richtigen Spur. Und Claudias Ausflug zur Liebe liefert schon die richtige Spur. Aber es bleibt unsichtbar, denn die rechte Hand weiß nicht was die linke tut. Das liegt im Prinzip bedingt. Also beschweren wir uns nicht, dass davon so wenig zu sehen gibt.
    Schönen Abend
    Ottmar

  18. @Menachem: interessanter Bericht über die Entwicklung der „Entsorgung“! Ich sehe da keinen Grund, zwischen wirtschaftlich und umweltgerecht zu trennen – im Gegenteil, in dem Fall geht es Hand in Hand: der rasante Preisanstieg für die Beseitigung unsortierten Mülls hat ja seine Gründe in den entsprechend geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die wiederum vom Menschen gemacht wurden, DAMIT ist keine immer weiter wachsenden Müllhalden in der Landschaft mehr gibt.
    Es ist ja das vernünftigste Herangehen, Müllerzeugung einfach immer teurer zu machen, so dass es wirtschaftlich wird, zu recyceln.

    @Susanne: je mehr Menschen die Nase voll von schnell zerfallenden Waren haben, desto eher werden auch wieder solche produziert, die eben haltbarer sind. Ich sehe keine Grund, warum etwas Langlebiges KEINE WARE sein sollte – so verstehe ich jedenfalls deinen Satz, bzw. verstehe ihn nicht! Warum wäre es eine Missachtung des Werts, wenn ich eine Ware gerade wegen ihrer Haltbarkeit schätze?

    @Ottmar: klar ist Leben nie Gleichgewicht. Aber als lebendige Menschen streben wir nach Freude und wollen Leiden vermeiden – das ist ein „eingebautes“ Harmoniestreben, das natürlich nie dauerhaftes „Gleichgewicht“ erzeugt. Jeder wohlige Zustand verschwindet wieder, auch wenn sich äußerlich nichts zu ändern scheint. (Auch der Hatha-Yogi bleibt ja nicht in einer Stellung ewig sitzen, sondern ändert die Haltung nach einiger Zeit).
    Das ist der Fluch der Dualität, aus dem wir nicht heraus können. Schön symbolisiert auch im Tao-istischen YinYang-Zeichen, wo im Zentrum der Dominanz einer Farbe die Gegenfarbe erscheint.

    @Claudia: ja, das wäre schön! Ob es so ist, bzw. so sein kann, ist eine Glaubensfrage. Bin ich gerade selbst liebevoll, glaube ich dran – wenn nicht, dann nicht.

  19. Ein sehr interessantes Thema, das ausgehend von der Ausgangsfeststellung von Thinkabout hier zu einer breiteren Betrachtung mit einer dynamischen Diskussion geführt hat. Diese Debatte, untrennbar verknüpft mit mehreren Betrachtungen die Thinkabout zur Globalisierung angestellt hat – mit direkter Verbindung zur Diskussion über Müll und Werthaltigkeit bei Anschaffungen – haben jedes Mal meine Aufmerksamkeit bekommen und immer wieder tue ich mich schwer um mich zu einer klaren pro oder contra Wortmeldung zu entschliessen. Beide Sichtweisen weisen Fakten auf die es zu berücksichtigen gilt und die für mich je nach Situationskriterien zu der einen oder anderen Kaufmentalität bzw. Debattenhaltung führen.

    Im Elternhaus galt klar, was nichts kostet ist nichts wert und diese Sicht prägte das Kaufverhalten meiner Mutter. Es prägt auch das Verhalten von Frau Relax, wobei sie das Talent hat, dass sie auch ohne Preisschild immer bei der teueren Wahl landet :-) Leider ist der Preis allein schon lange nicht mehr ein genügend sicheres Entscheidungskriterium. Das zeigen Berichte der Stiftung Warentest / D, Kassensturz / CH etc.. Erstaunlich oft schneiden teuere Produkte dort sehr schlecht ab, was die Frage aufwirft ob etablierte Firmen einfach so fürs Abzocken ihr Marktreputation aufs Spiel setzen!?

    An solche Muster kann sich vermutlich jeder Leser selber erinnern, WEIL es leider eine alltägliche Erfahrung geworden ist. COOP Schweiz hat ja auch wieder das Einkaufspunktesammeln und zusätzlich für begrenzte Spezialaktionen das Sammeln von Rabattmarken – gemeint sind Marken für Produktsonderangebote – eingeführt. Zwei Muster warum unsere schlechte Erfahrung zu Verdruss und künftiger Kaufverweigerung von Aktionsangeboten – Preis Anzahl gesammelter Marken PLUS Bargeld – geführt hat. Das Angebot von Stahlkochtöpfen war mit dem NAME eines CH Herstellers versehen, den wir seid Kindertagen als Produktqualitätsgarantie abgespeichert hatten. Das ausgehändigte Produkt war Made in China und der Brandname Schweiz nur eine Zugabe. Die Produktqualität entspricht nicht unseren Erwartungen. Der Brandname ist seither für uns beschädigt. Auch an einer COOP Verkaufsaktion für Reisekoffer haben wir teilgenommen und weil man davon nie genug haben kann, gleich zwei Sets gekauft. Als die ganze Schweiz mit Coop Koffern verreist ist, mussten wir unser Gepäck „auffallend individuell markieren“, um es am Flughafen noch identifizieren zu können. Frustig, aber Ziel erreicht. Dass bei einem Set nach 1 oder Zweimaligem Gebrauch die Reissverschlüsse streikten, hat den Billigkauf zum völlig überteuerten Schnäppchengriff werden lassen. Hersteller unbekannter no name. Mit der Verleitung zum Kauf hat die kaufmännische Seriosität von COOP für uns nachhaltig gelitten

    Trotzdem auch der teuere Einkauf schützt nicht vor schlechter Erfahrung. Im März 2010 habe ich eine Gardena Pumpe für einen Gartenbrunnen gekauft, die letztes Wochenende den Geist aufgegeben hat. Garantie laut Verpackung 3 Jahre, verfügbare Garantie 2 Jahre, da von Coop so reduziert. Weitere Erkenntnis beim Lesen der Garantie. Die Transportkosten bezahle ich in jedem Fall, Schweiz – Deutschland retour bedeutet (?) 50 Prozent der Kosten einer neuen Pumpe!!? Fall pendent. Mal sehen, ob es noch Ärger gibt.

    Seit einem Jahr liegen 2 Bäume in unserem Garten, 1 x Sturmschaden und 1 x damit verbunden das nötige Baumfällen durch den Förster um Risiken abzuwenden. Jetzt habe ich ebenfalls letzte Woche den Notausgang genommen und eine Kettensäge gekauft. Warum kaufen? In der Aktion hat mich die Anschaffung Fr. 159.- gekostet. Werkzeug zum Ausleihen im Umfeld habe ich 1 Jahr lang vergebens gesucht, dann hatte ich auf einem Fest einen zufälligen Tischnachbar als Besitzer eine Säge identifiziert. Ausleihen wollte er sie nicht, unter Angabe einer eleganten Ausrede. Doch wenige Tage später konnte ich dieses Verhalten besser verstehen. Meinen Kettensägekauf – mit Betonung auf günstig – erwähnte ich gegenüber Sohnemann, der nichts Besseres zu bemerken wusste als: „Hoffentlich hält sie bis du fertig gesägt hast!“ Er bezog sich eine TV Dok. wo die Herstellung von Produkten/Werkzeugen beleuchtet wurde, die NUR wenige Male Gebrauch überstehen, im Markt jedoch ein boomendes Geschäftsfeld abdecken. Wer wie ich mit meinen Bäumen nur 1 x Sägearbeit verrichten will, sucht eine günstige Anschaffung, denn anschliessend ist keine Wiederholung abzusehen. Nutzen erkenne ich jedoch weiterhin bei der Pflege von „riesig“ gewordenen Sträuchern und letztlich hätte mich die Sägeabwicklung im Garten durch einen professionellen Säger mehr gekostet, als der Kauf der Säge. Also eine BW-Kostenentscheidung. Wenn die Säge jetzt über fünf Jahre für das Stutzen eines Strauchs aushält, hat man – mit der tollen Zeitdauer im Kopf – ein gutes Kosten-Nutzen-Gefühl. Wenn die Säge bereits in den nächsten Wochen – nach viel mehr Sägevolumen – den Geist aufgibt, werde ich fluchen. Gut mit Bosch als Hersteller (echt? oder nur Namensgeber gegen Royalties wie beim Kochtopfbeispiel? ) glaube ich daran, dass es eine Wegstrecke lang gut geht. Aber ich verstehe jetzt, warum ich keine Säge ausleihen konnte. Selber werde ich es auch so machen in Zukunft. Nur dem Leser dieses Blogs, der mir seine Kärcher zum Gartenputzen geliehen hat, leihe ich auch weiterhin meine Kettensäge, damit er bei Bedarf die Bäume auf seinem Balkon fällen kann :-)

    Zurück zu Thinkabouts Wohlfühl-Latschen, zu Müllverhinderungs-Philosophie und Produktoptimierung. Auch ich habe persönliche Besitzobjekte, die dem Wohlfühlschema entsprechen und von denen ich mich nicht trenne so lange ein Gebrauchszustand gegeben ist. Aber dann holt ein immer Mal wieder die Realität ein und zwar immer dann, wenn es eine Reparatur braucht um die Nutzung fortzusetzen. Der Zeitpunkt, wo man sich oft, ohne gross überlegen zu müssen, dem Ersatz- dem Neu-Kauf zuwendet. Mein Kofferradio, Geschenk meiner Eltern und mit Standort Badezimmer ein Wohlgefühlbegleiter ersten Grades, eine Begegnungsbeziehung die immer sofort nach dem Aufstehen und für einen Moment vor dem Schlafengehen gespielt hat, ein Griff, ein Druck und ich wurde mit den neuesten und mit den letzten News versorgt, verweigerte plötzlich seinen Dienst. Da ging es nicht um Müllvermeidung, um eine günstige Reparatur, da musste ich mit Emotionen umgehen! Was nun? Ein Kofferradio von 1966, mit Transistoren bestückt, wohin sollte ich es zur Reparatur geben? Klar einen Radiomech hatte ich noch auf dem Radar, aber der brauchte ja auch Ersatzteile und wenn der Teile, Suche und Beschaffung sowie Reparatur verrechnen würde, könnte das einen Preis ergeben für den man heute einen Flachbildschirm kaufen könnte! Gerät blieb mahnend und stumm am Ort stehen, bis mir Frau Relax einen Ersatz in Form von einem DAB-Kofferradio schenkte.

    Bei Reparaturen im Haushalt immer wieder muss man sich entscheiden zwischen neuem Gerät und Reparatur mit Risiko. Risiko, weil ja nur Teil A repariert wird und Teil B – gemäss Techniker . auch bald ausfallen könnte. Als der Tiefkühlschrank nach 35 Jahren ersetzt werden musste, ohne dass es je weine Reparatur brauchte und bei der ersten Reparatur gab es natürlich keine Ersatzteile mehr. Akzeptier ich. Bei der Anlieferung des neuen Gefrierschranks lachte der mir bekannte Monteur über das erreichte Alter des alten und meinte, wenn der neue 15 Jahre hält, hätte ich ein gutes Fliessbandprodukt „erwischt.“

    Mein all-in-one-Drucker funktioniert wunderbar, aber ich muss Tinte kaufen. Heute gab es ein Aktionsangebot für das Nachfolgemodel von meinem Gerät, weil wohl das Neueste nächstens in den Regalen steht, bei welchem ich wenig mehr als Preis für vier Ersatzpatronen für den alten Drucker bezahle und ich brauche gerade neue Tinte. Ein neuer Taschenrechner mit Batterie kommt billiger wie die Ersatzbatterie.

    Sohnemann hat vor 2 Wochen vom Ausflugsort Köln angerufen und wollte wissen ob er ein Aktionshemd für 9 Euro kaufen soll. Nein hat Mutter gesagt, das musst du bügeln nach dem Waschen. Richtig, aber in Zürich wird einem für 9 Euro nicht mal ein abgefallener Knopf wieder angenäht!

    In den vergangen 1 – 2 Tagen war in den TV News zu sehen, wie Textilarbeiter in Bangladesh von der Polizei verprügelt worden sind, weil sie für höhere Löhne demonstriert haben. Ja, arme Menschen, aber helfen wir ihnen, wenn wir in CH und D deren T-Shirts nicht mehr kaufen? Oder werden ihre Lebensbedingungen besser, wenn wir jedes 3 Euro T-Shirt einmal tragen und dann die Schuhe damit polieren? Ich weiss es nicht und wenn sich hier ein Kommentator meldet, der es zu wissen glaubt, dann vertritt er/sie eine Überzeugung aber keine wissenschaftlich erhärteten und verlässlichen Fakten.

    In den letzte 2 Wochen habe ich bei ARD eine s.g. Dok. gesehen, die mich nachdenklich gemacht hat. In Burkina Faso MÜSSEN die meisten Menschen mit 50 Dollar Einkommen im JAHR auskommen. Harte Tagesarbeit im Steinbruch wird mit 50 Cent entlohnt. Helfen wir denen – stellvertretend gemeint für alle anderen Armen – wenn wir auf Teufel komm raus konsumieren und einfach ständig Neues kaufen anstatt Müll zu vermeiden? Der lokale Gesprächspartner in Burkina Faso hat in Genf studiert, war eloquent, intelligent etc. Er sagte: „Egal wie hoch die Mauern gebaut werden, die Europa vor Wirtschaftsflüchtlingen schützen soll, die Mauer kann nie hoch genug sein, dass unsere Leute in Burkina Faso nicht nach der letzten Überlebenschance greifen und dies ist Zuflucht in Europa zu jedem Preis zu suchen.

    Bei Nahrungsmitteln wird bei uns nicht gespart, Da muss die Qualität stimmen und sonst wird nicht gekauft. Aber alles was auf dem Non Food bereich kommt, steht täglich ein neuer Entscheid an. Mal darf es teuer sein, mal ist es in jedem Fall teuer weil man bewusst / unbewusst das Label mitbezahlt und mal kauft man aus einer Laune heraus auch etwas Günstiges. Stimmt Kosten/Nutzen hat der Produzent neue Dauerkäufer gewonnen, wenn nicht hat er sich einen starken Negativvermittler eingehandelt. Im Smalltalk gehören schliesslich solche Geschichten mit zu den beliebten Unterhaltungsthemen.

    Ich sehe Müllberge ohne Ende auch mit kritischem Blick. Kaufen ohne Preisvergleiche ist für mich ein No Go. Es gibt jedoch für mich keine Erkenntnis, die für uns und den Rest der Welt eine einfache und vor überzeugende Lösung bereit stellen würde. Auch ich nehme immer wieder die – INDIVIDUELL – erkennbaren Nachteile der Globalisierung wahr, leide und motze darüber, aber die Arbeitsteilung = Globalisierung aufhalten zu wollen, sit ein Kampf wie gegen die Lancierung der Eisenbahn in England anno dazumal.

    Um mit dem Einkommen die besten Verwertungsresultate zu erzielen, muss man ständig hinsehen, überlegen und letztlich durchaus egoistisch entscheiden. Auch im Wohlstand von CH und D kann man tagtäglich nicht mehr ausgeben als man einnimmt und dieses Kriterium ist ein Faktor unter vielen, welche Entscheidungen bestimmen.

  20. @Claudia

    Weil jegliche körperliche Eigenschaft Ware abgeht, ist sie nur tauschbar. Ist daher das Geld unser Gott (jede/r frage sich, ob!), ist der Körper der Ware nicht sein wesentliches Heil, weil er es nicht sein muß. Sie kann langlebig sein oder unter der Hand zerbröseln. Sie kann vielleicht auch – körperlos sein? Pures Wetten?

    Die Fragen sind simpel:

    a) Klappt Geldwirtschaft auch ohne Leib ( zumindest für eine gewisse Zeitspanne wie Bilanzjahre, Wahlperioden usw.)?

    b) Glauben sich die Geldhüter irgendwo mitsamt seiner Wohltaten vor den Risiken des Geldes retten zu können (für die Restlaufzeit ihrer Leiber, zumindest)?

    Ist die Antwort auf beide Ja, spielen Müll, Gebrauchswert usw. keine Rolle mehr. Dann sind alle Dinge überflüssig, außer den Notrationen für die Gigareichen. Wen kümmert das Jammern im Zwischendeck, wenn nur die erste Klasse im Hafen sicher von Bord gehen kann?

    Fragen nach Qualität, Recht, Anstand und Moral sind stets bedingt. Gesellschaft schaut aber immer aufs Ganze, weswegen sie jedes ‚Wir‘ nur nutzt, nicht aber sich darin erschöpft. Selbst das Überleben der Oberen ist nicht notwendig, nicht einmal notwendigerweise erwünscht. Es kann zum lokalen Phänomen werden.

    Warum nicht die privaten Spareinlagen des Mittelstandes in Was-meinen-wir-es-gut-mit-der-Welt-wenn-sie-uns-nicht-haut-Quattrozonesien angreifen, um die Risiken der Rückversicherer abzudichten, welche Investitionen aus Ölgeld zu befriedigen haben, die einer technokratischen Oligarchie in Regen-tötet-Menschen-unterhalb-der-zwei-Ströme-Land das vorläufige Überleben sichern, deren Anleihen wiederum all die mächtig an der moralischen Alterung ihrer Produkte bastelnden Firmen stützen, in denen die gutmeinenden Wähler zweier großer Parteien in einem weiten Land aus Freiheit und Kraft mit vielen super tollen Flugzeuträgern arbeiten, die abends traurig einem Pelikan auf Fox-News zuschauen, der ölverschmiert trotz aller aufopfernden Pflege stirbt?

  21. Das sind die Fallstricke des Denkens. Sehr leicht beginnt man in einer Welt voller Illusionen zu leben, deren Zerplatzen einem dann Bauchschmerzen macht. ;) Leider ist der Mensch ein Wesen, das die Illusionen seiner sozialen Bezugsgruppe sehr leichtgläubig und dankbar annimmt und sie für felsenfeste Realität hält – bis sie platzen.

    Dem Begriff „Ware“ mag jede Körperlichkeit fehlen und natürlich kann ich an der Börse tonnenweise Weizen oder tausende von Verkaufsrechten handeln, denen jede Körperlichkeit fehlt, das aber nur in Kooperation mit Leuten, die dem selben Glauben anhängen und nur solange, wie dieser Glaube anhält. (Erst kürzlich drohte beispielsweise der Glaube an den Tauschwert von Geld zu schwinden …) :) Ich kann mich sogar selbst für Ware halten, den Anschein von Gebrauchswert erwecken und einen hohen Preis verlangen, genausogut kann ich meinen Glauben aber auch ändern, wenn mich die Möglichkeit des Bruchs mit meiner Gruppe nicht schreckt.

    Unten, auf dem Teppich der Tatsachen war und ist alles in Ordnung. Da gibt es weder Mittlere noch Obere, weder Geld noch Staaten, nur sehr vergängliche Stoffwechsler, die sich große Illusionen machen oder den Verlust derselben beklagen.

  22. […] dinge werden nie müll. selbst wenn sie vielleicht doch irgendwann weggeworfen werden. und dann verotten, […]