Claudia am 28. Juli 2006 —

Kraft zur Veränderung II

Mir kommt es vor, als hätten wir noch NIE so eine heftige Hitzeperiode gehabt! Nur morgens erlebe ich ein zwei drei Stunden, in denen ich mich halbwegs aktionsfähig fühle, dann bin ich geradezu überfallen von allem, was ich tun wollte, sollte, müsste, aber derzeit wegen der Hitze aufschiebe. Ich springe also von diesem zu jenem, um wenigstens ein Stückchen weiter zu kommen in alledem, was nicht unbedingt die beste Methode ist, denn Ergebnisse produziert man anders. Na, es wird wieder kühler werden, der Himmel ist heute morgen verhangen und der Wetterbericht verspricht Abkühlungen für die nächste Woche.

Die Frage nach der „Kraft zur Veränderung“ treibt mich weiter um. Beharrlichkeit bringt Gelingen, heißt es im IGING, und das ist im Moment der Aspekt, an dem ich mich festhalte: Dran bleiben, auch unter widrigen Umständen, auch wenn meine Selbstdisziplin immer wieder zu wünschen übrig lässt.

Mehr als Disziplin

Selbstdisziplin – immer schon bewundere ich Menschen, die davon so viel mehr haben als ich. Lange schon bringe ich immerhin genug davon auf, um meine Kunden und Kursteilnehmer termingerecht zu bedienen (im Moment bitte ich zum ersten Mal eine Auftraggeberin um Gnade wegen der Hitze!), doch alles, was darüber hinaus geht, ist oft ein mühsames Geschäft: diese langweiligen „Rahmenarbeiten“ wie Steuer und Papierkram aller Art, das Pflegen und Sichern der Daten, alles, was „wichtig aber nicht dringend“ ist, verschiebe ich allzu gerne. Auch wenn es finanziell mal eng wird, gerate ich lange nicht in diese schöne „Schaffenspanik“, die ich bei manchem Freiberufler sehe, sondern gehe es eher geruhsam an: die Welt wird nicht einfallen, das Hier & Jetzt tut nicht wirklich weh, irgendwie ist es doch immer weiter gegangen, es wird sich gewiss etwas ergeben – und bisher hatte ich Recht damit.

Im Moment ist es kein Defizit, das mich vor allem antreibt, etwas verändern zu wollen, sondern das Gefühl, Potenziale brach liegen zu lassen: meine Ergebnisse stehen in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Ideen und Möglichkeiten, den schon zum „Halbfertig-Stadium“ gediehenen Vorhaben, zu der großen Liste, die entsteht, wenn ich all das einfach mal aufschreibe. Und es ist NICHT der Mangel an Selbstdisziplin, denn bringe ich letztlich ja immer auf, wenn etwas „wirklich wichtig“ ist – die Frage ist, wie und wann wird etwas für mich „wirklich wichtig“??

Selbstwert und Geldwert

Gelassenheit, genießen, was ist, Beobachterin sein, JA sagen zu dem, was von selber kommt – Seit 15 Jahren ist das meine Grundhaltung und sie ist tatsächlich in jeder Hinsicht viel erfolgreicher als das von Angst und Ehrgeiz getriebene kämpferische In-der-Welt-Sein meines ersten Lebensentwurfs. Und doch hab‘ ich zunehmend das Gefühl: das ist nicht genug, dabei kann es nicht bleiben! Es muss eine (nachhaltige!) Motivation zum „mehr“ geben, die nicht auf Gier und Angst fußt, sondern aus der Fülle kommt, aus der Freude, zu geben und zu nützen.

Dazu ist es erforderlich – so empfinde ich es jedenfalls im Moment – einen Blick auf den Unterschied zu werfen, den ich im Umgang mit mir selbst im Vergleich zum Umgang mit der Welt, den Anderen, den Partnern, Auftraggebern und Kunden immer noch mache. Hier liegt ein Hase im Pfeffer, das sagt mir meine Intuition! Wenn ich zum Beispiel einen Auftrag verhandle, den mir jemand geben will, neige ich grundsätzlich dazu, die eigene Arbeit zu niedrig zu bewerten. Zwar kämpfe ich dagegen an, indem ich gegenüber meiner ersten Idee einen „Psychomacke-Aufschlag“ einrechne, denn ich bin mir dieser ver-rückten Haltung lange schon bewusst. Aber wirklich RAUS gekommen aus dem Grundgefühl, mich nur schlecht bezahlt oder kostenlos arbeitend wirklich wohl (=bei den Guten) zu fühlen, bin ich bisher nicht. Meistens mache ich mir die vermeintlichen „Zwänge“ des Kunden, der so wenig wie möglich ausgeben will, zu eigen, anstatt bei mir zu bleiben, meine eigene Arbeit angemessen wert zu schätzen und auch entsprechende Preise zu machen.

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, das läge am Wunsch, den Auftrag auf jeden Fall zu bekommen – schließlich lebe ich mehr oder weniger von der Hand in den Mund, habe also kein „Polster zum Nein-Sagen“ bzw. immer nur ein paar Wochen finanziellen Spielraum. Das ist es aber nicht, im Gegenteil, dieser Zustand ist bereits Wirkung einer Fehlhaltung – eine Wirkung, auf die ich im 52.Jahr so langsam keine Lust mehr habe.

Formende Altlasten

Und nicht nur das: ich sehe mehr und mehr den „Psychomacke-Aspekt“ dieser Haltung dem eigenen Schaffen gegenüber: es ist einfach nur eine uralte Formung, die ich erfahren habe: durch die wirtschaftsfeindlichen kollektiven Überzeugungen der 70ger Jahre (konnte man sich damals gut leisten, denn die Wirtschaft brummte) und durch die Bestechungsversuche meines Vaters, der mir als Kind allen Ernstes immer wieder große Scheine anbot, um mich in den familiären Dramen, die er saufend herauf beschwor, auf seine Seite zu ziehen. Wer mir mehr als Peanuts gibt, will mich einkaufen, lernte ich da, der will, dass ich meine innere Wahrheit des schnöden Geldes wegen ignoriere – nie, nie, niemals!! Meine Verachtung war tief, so tief wie der Schrecken und das Leiden an der katastrophalen familiären Situation.

All das ist lange klar und sogar lange verziehen! Und dennoch wirkt es fort, ist geradezu körperlich spürbar, wenn ich gefragt werde, „was ich koste“.

„Kraft zur Veränderung“ braucht die Bewusstwerdung dieser Zusammenhänge, doch genau wie eine Psychoanalyse jahrelang ohne „Erfolg“ bleiben kann, reicht das alleine nicht aus. Was es NOCH ist, das mich letztlich in Bewegung versetzt, ist – so denke ich im Moment – etwas rational-logisch nicht Fassbares. Diese Erkenntnis ist neben der Beharrlichkeit mein bisher einziger Anhaltspunkt – wenn die Dinge sich überlebt haben, fallen sie irgendwann einfach ab wie eine alte Haut, die nicht mehr gebraucht wird. Wann, wenn nicht jetzt in meiner zunehmend deutlichen Wechselzeit wäre ein besserer Zeitpunkt, alles hinter sich zu lassen, was behindert? Jedoch nicht im Sinne eines neuen „Plans“, sondern in Gestalt wachsenden Vertrauens, dass geschehen wird, was stimmig ist. Schließlich hat mich das bisher getragen, warum nicht auch weiter, auf die nächste Stufe des Wirkens und Werkens?

Innere Stille

Beharrlichkeit, Vertrauen – und innere Stille, damit sich das entfalten kann. Das ist der dritte Punkt, der mir einfällt, wenn ich über „Veränderung“ nachsinne: So, wie ich derzeit meinen Geist mit ständigem Input und Output fordere, wie ich die „freie Zeit“ damit verbringe, auch wieder Eindrücke aufzunehmen, zu interagieren und zu kommunizieren, fehlt mir die „rechte Sammlung“, die es braucht, damit sich die Dinge „von selber“ sortieren. Was wirklich wichtig ist, erfahre ich nicht, indem ich immer neue Todo-Listen erstelle und versuche, aus dem Kopf Prioritäten zu setzen, sondern indem ich mir Zeiten der Stille gönne, in denen es allein darum geht, dem reißenden Strom der Gedanken, die dieser oder jener Vorstellung von Zukunft nachjagen wollen, zu entsagen.

Neulich ist mir das mal ganz spontan gelungen: Ich lag auf dem Bett, wollte ein kurzes Nickerchen machen, fühlte mich müde aber insgesamt sehr wohl. Schnell bemerkte ich, wie die Gedanken nichts anderes zu tun hatten, als mich von diesem Wohlgefühl abzulenken: rein in ein Problem, rein in diesen oder jenen Verstrickungszusammenhang, rein in das nächste „erwünschte Vorhaben“, Modalitäten und Bedingungen bedenken, nächste Schritte planen – ich stoppte das und konzentrierte mich auf den Atem, wie er durch die Nasenflügel streicht.

Oh, welch ein Wohlbefinden – bis mich der nächste Gedankenstrom mitnehmen wollte, den ich wiederum stoppte, denn es war allzu offensichtlich, dass jedes „mitgehen“ meinen Zustand verschlechtern, das Gewahrsein des grundlosen Wohlbefindens „mit Inhalten überschreiben“ würde. Wow, das ging so ca. 20 Minuten, dann spürte ich, wie meine Lebensgeister wieder erwachten als hätte ich mehrere Stunden gut und erholsam geschlafen!

Viele Jahre war ich nicht mehr willens, „Meditation zu üben“. Mich formell hinzusetzen und krampfhaft um irgend etwas zu bemühen, womöglich um „erleuchtet“ zu werden, war nicht mein Ding – trotz einiger Erlebnisse während der Meditation nach den Yogastunden, die mir gezeigt hatten, dass es da etwas gibt, was des „Erringens“ durchaus wert wäre. Allerdings waren das momenthafte ekstatische Zustände, die wenig mit dem „ganz normalen Leben“ zu tun hatten. Ihnen nachzujagen erschien mir überflüssig, erlebte ich doch genug Freude und Beglückung in meiner Arbeit und in den Beziehungen zu meinen Liebsten. Mein Empfinden war ähnlich wie gegenüber diesen seltsamen Erlebnissen vor 20 Jahren, als ich mich in eigenartigen Zuständen zwischen Schlafen und Wachen außerhalb meines Körpers befunden hatte, den ich schlafend auf dem Bett liegen sah. Tagelang, ja wochenlang hatte mich die „Out-of-Body-Experience“ (OOBE) damals beglückt und inspiriert, das Phänomen zu beforschen, zu versuchen, „es in den Griff zu kriegen“. Doch führte dieser Greifversuch dazu, dass ich bald auch „schreckliche“ Eindrücke aus der Anderwelt bekam – ich ließ es bleiben und sagte mir: Ich bin in diesem Leben, um IN diesem Körper zu sein, nicht etwa, um ihn krampfhaft verlassen zu wollen, um ein bisschen an der Decke zu schweben!

Nun, es scheint, als erfordere auf einmal mein „ganz normales Leben“, dass ich mich mehr um innere Stille bemühe: Eintauchen in den ungeformten Geisteszustand, der noch nichts will und nach nichts strebt, auf dass sich „im Hintergrund“ die Dinge von selber sortieren und ich dann ohne Grübeln weiß, was wichtig ist. Und es muss nicht „sitzend“ geschehen, wie es überall empfohlen wird, damit die Meditierenden nicht einschlafen: besser, man pennt mal ein dabei anstatt es ganz zu lassen, weil das viele Sitzen am PC schon genug körperliches Leiden mit sich bringt.

Diskussion

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3 Kommentare zu „Kraft zur Veränderung II“.

  1. Hallo Claudia,

    zur Hitze, frei nach Mark Twain:

    „Jetzt ist die Zeit in der es zu heiß ist Dinge zu tun, für die
    es im Winter zu kalt war.“

    Gruß Hanskarl

  2. Selbstdiziplin steht bei mir auch immer auf der Liste der Tugenden, die ich gerne stärken möchte. Ich bin eine Träumerin und brauche sehr viel Zeit im Alltag zum „Nichtstun“ und zum träumen. Dadurch habe ich oft das Gefühl, ich könnte doch noch viel mehr erledigen, wenn ich nicht so viel träumen würde. Aber das ist ein Trugschluss.

  3. Hi Claudia,

    Könnte es einfach daran liegen, dass Du eher im unmittelbaren inneren Kontakt und Austausch deine „Nützlichkeit“ einbringen möchtest? Dass Du mit Deiner Energie, Lebenserfahrung und auch der Weisheit die Du besitzt, dazu beitragen möchtest die Menschen die dafür reif sind in die innere Freiheit zu führen, statt sie „nur“ auf der relativ niederen Ebene zu beglücken, die ihrem überwiegend kommerziellen, zumindest sehr äusserlichen „Wachstum“, Rechnung trägt?
    Klar, man jeden Menschen irgendwie oberflächlich beglücken, indem man sich für ihn prostituiert. So funktioniert die Leistungsgesellschaft (sogar viele „Partnerschaften“) und so wird die vielfach vorhandene Bereitschaft zu Helfen und sich nützlich zu machen von den Egoisten kanalisiert und ausgebeutet.

    Zu lieben bedeutet nach meinem derzeitigen Verständnis den Mitmenschen in Richtung innere Freiheit zu führen, nicht ihn dabei zu bestätigen und unterstützen, dass er seine jetzigen niederen Ambitionen mit fremder Hilfe befriedigen kann und darf.

    Es gibt bei deinem Können und Background sicher auch Möglichkeiten wie du dieses mit dem Brötchenverdienen in Einklang bringen könntest, oder?

    War nur eine Anregung, die aus eigenen Kämpfen in Sachen gesellschaftlich sanktionierter „Nützlichkeit“, im Kontrast zum innerlich empfundenen Bedürfnis nach „Nützlichkeit“ (neben Muße und Träumen), entsprungen sind…

    Gruss Micayon