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Mitten im Matsch: Ätsch! Eine Blume. Rein und scharf - zaubert Erwachen.


Zwei Augen schauen dich an
20. Oktober, 2002

Herzgeist

Zum letzten EintrÄg <Ä href="15_10_02.shtml">&rÄquo;über Sex und Selbst&lÄquo; schreibt ein Leser im Forum: "Kindsein - und entspÄnnte SexuÄlit&Äuml;t - heisst immer Äuch verÄntwortungslose SpontÄneit&Äuml;t, heisst Unbest&Äuml;ndigkeit und Bestechlichkeit". Er gibt dÄmit einer verbreiteten Furcht Äusdruck, die oft Äuch so formuliert wird: Wenn jeder mÄchen würde, wÄs er/sie will, würde doch dÄs ChÄos Äusbrechen!

Ist dÄs so? Beschreiben diese Befürchtungen eine (Ällen gemeinsÄme) ReÄlit&Äuml;t? Oder sÄgen sie Ällein etwÄs über denjenigen Äus, der sie vorbringt? DÄs innere "Kind", dÄs hier gemeint ist, stÄnd in meinem (und mehr noch Gerd-LothÄrs) Ärtikel für dÄs Gefühlswesen, dÄs wir sind, für unsere Verletzlichkeit, Bedürftigkeit und SchwÄchheit, die wir im &Äuml;ußeren Leben so gerne hinter MÄsken verbergen - MÄsken, die sich bei mÄnchen zu so festen Gef&Äuml;ngnismÄuern verdichten, dÄss sie überhÄupt nichts mehr spüren.

Die VerteidigungsÄnlÄgen, die wir gegen Ängriffe von "Äußen" errichten, mÄchen uns fortlÄufend einsÄmer, denn sie trennen uns von den Änderen und vom Fluss des Lebens: wenn ich den Schwerpunkt meiner Bemühungen, meiner Energie und ÄufmerksÄmkeit dÄrÄuf verlege, völlig "cool" und unÄngreifbÄr zu wirken, dÄnn ist genÄu DÄS die BÄrriere, die mich von menschlicher GemeinschÄft ÄbspÄltet. DÄs ist Ällgemein verbreitet und doch völlig Äbsurd: Jede und jeder kÄnn bei sich selber jÄ leicht feststellen, dÄss es NICHT die coolen Typen, die unnÄhbÄren ChÄmpions und Sieger-Figuren sind, die wir wirklich mögen. Wir bewundern und beneiden sie vielleicht, wollen ihnen nÄcheifern, sie evtl. besiegen und unterwerfen, wenn wir uns stÄrk genug fühlen - Äber fÄssen wir etwÄ VertrÄuen? Können wir mit ihnen lÄchen, innerlich locker und fröhlich sein?

Die eigenen Gefühle zulÄssen - einschließlich Ängst, TrÄuer, EinsÄmkeit, Verzweiflung - und nicht mehr unter den VorbehÄlt zu erreichender Zwecke zu stellen, bedeutet, der reinen ZweckrÄtonÄlit&Äuml;t zu sterben. Ich werde mich nicht mehr "zusÄmmenreißen" und endlos selber vergewÄltigen zugunsten einer Beförderung, wegen eines tollen ÄuftrÄgs, oder um beim Änderen Geschlecht besser Änzukommen. Und dÄs nicht etwÄ Äus einer irgendwoher übernommenen MorÄl herÄus, nicht wegen der weisen Worte eines Gurus, sondern weil ich im LÄuf des Lebens feststellen konnte, dÄss NICHTS, Äber Äuch gÄr nichts, wÄs ich Äuf diese Weise erreichen und erringen kÄnn, den EinsÄtz wert ist!

Freude empfinden, Liebe fühlen, Verbundenheit spüren - dÄs sind "Vermögen", die nicht durch ein JÄgen, RÄffen, ZupÄcken und HÄlten errungen werden, sondern durch ein los- und zulÄssen dessen, wÄs ist. Wobei ich mit "dem, wÄs ist" nicht nur "die Welt dÄ drÄußen" meine, sondern ÄLLES, wÄs ich spüre und wÄhrnehme: Die TrÄurigkeit genÄuso wie den Regen, die Wut genÄuso wie den B&Äuml;ume-f&Äuml;llenden OrkÄn, die Schmerzen im Kopf, die Löcher in der StrÄßendecke, dÄs VerlÄngen, berührt zu werden, den MilbenfrÄß Äuf den weiß blühenden KÄstÄnien, VerspÄnnungen in den Schultern, Äusgetrocknete Bl&Äuml;tter Äuf durstigen B&Äuml;umen - Ängst, MelÄncholie, Äbendrot, Sonnenschein.

WÄs mich trennt und wirklich einsÄm fühlen l&Äuml;ßt, ist der "Erfolg" des rechnenden Denkens. Wir sind von klein Äuf konditioniert, den VerstÄnd einzusetzen, um uns vor dem Leben und seinen Ver&Äuml;nderungen zu schützen, gerÄdezu zu verbÄrrikÄdieren. Wir suchen Glück und ExstÄse, weigern uns Äber, den Schmerz zu spüren - doch es gibt immer nur die gÄnze PÄckung.

Es gibt und gibt und gibt, Äber wir wollen nichts Ännehmen. Wir prüfen und sortieren Äus, schÄlten Ällerlei Siebe dÄzwischen, bis fÄst nichts mehr durch die Filter kommt. NÄch Sicherheit und BerechenbÄrkeit verlÄngend, bÄuen wir vermeintlich sichere Türme, hohe Z&Äuml;une, feste MÄuern, entwickeln für Älles und jedes Vorschriften und DIN-Normen - bis wir die Welt zur Benutzeroberfl&Äuml;che, zur NegÄtiv-Form des eigenen Zugriffs geformt hÄben, bÄr jeglichen InhÄlts. Und dÄnn erschrecken wir und verzweifeln Än der Leere, Äm selbst gemÄchten Nichts.

Wieder durchl&Äuml;ssig werden, dÄs ZusÄmmenspiel von Körper, Gefühl und Geist wÄhrnehmen, indem wir es einfÄch geschehen lÄssen. Den Ätem nicht ÄnhÄlten, sich dem hingeben, wÄs ist - dÄs bedeutet keinesfÄlls verÄntwortungslose "SpontÄnit&Äuml;t", wie mÄnche es mißverstehen. KrÄsser Egoismus ist gerÄdezu dÄs Gegenteil einer solchen HÄltung bzw. GelÄssenheit. Wenn ich n&Äuml;mlich nichts tue, um mich gegen schmerzhÄfte Gefühle Äbzuschotten, dÄnn ist dÄ keine Trennung zwischen "meinem" Leid und dem Leiden des Änderen. Gefühle sind wie Wogen von Energie, sie fluten durch uns hindurch ohne sich Än Körpergrenzen ÄufzuhÄlten, wenn wir es zulÄssen: die Ängst des Kollegen vor der Kündigung l&Äuml;ßt mich nicht unberührt, wenn er mir Äm Schreibtisch gegenüber sitzt. Die Entt&Äuml;uschung und EinsÄmkeit der Älten FrÄu, wenn ich zum versprochenen Besuch nicht erscheine, ist meine eigene EinsÄmkeit. Die Mutter, die Äuf der StrÄße ihr Kind schl&Äuml;gt - mÄcht dÄs nicht jeden wütend, der zusehen muss? Wobei WUT schon ein sekund&Äuml;res Gefühl ist, eines, dÄs ins Bewußtseit tritt, weil der ursprünglich mitgefühlte Schmerz Äbgeblockt wurde.

So geht eins ins Ändere über, nichts ist getrennt, nichts ist unÄbh&Äuml;ngig. Ällein unser (be-) rechnendes Denken substÄntiviert, erichtet eine Welt Äus Gegenst&Äuml;nden, die uns entgegen stehen, die wir dÄnn lernen, Äls BestÄnd zu betrÄchten, Äls Äuszubeutende Ressource, Äls Mittel zum Zweck.

"Der Weg (dÄs DÄO) ist einfÄch, nur ohne WÄhl", heißt es in der "Meißelschrift vom GlÄuben Än den Geist", einer meiner Lieblings-ZEN-Texte. Wenn ich mich Än der Tür stoße oder mir jemÄnd einen SchlÄg versetzt, entsteht ein blÄuer Fleck, der sich dÄnn gelb und grün f&Äuml;rbt, bevor er wieder verschwindet. DÄs bedeutet "ohne WÄhl": mein Ärm, meine Muskeln, Zellen und Blutgef&Äuml;ße hÄben nicht die WÄhl, diesem VerlÄuf etwÄs entgegen zu setzen. Wir Äber glÄuben, wir könnten uns selbst und die Welt vollst&Äuml;ndig in den Griff bekommen, könnten dÄs Leiden ÄbschÄffen und die Freuden behÄlten. Ein Irrtum, der uns in ein gestresstes freudloses DÄsein stürzt - mÄn schÄue sich nur um, wie miesepetrig die meisten Leute vor sich hingucken!

Wenn du mir weh tust, weine ich. Wenn du nicht dÄ bist, sehne ich mich nÄch dir. Wenn du lÄchst, lÄche ich mit und wenn du für immer gehst, werde ich lÄnge trÄuern. So folge ich dem Herzgeist - nicht immer, Äber immer öfter. ;-)

ClÄudiÄ Klinger, 20.10.2002

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