Claudia am 08. März 2021 —

Zum #Weltfrauentag: meine Prioritäten

Es gibt vieles, was am Internationalen Weltfrauentag gefordert wird und ich werde jetzt nicht versuchen, das alles zu besprechen. Hier gehts nur um ein paar wenige Punkte, die mir besonders wichtig sind, weil sie die Basics betreffen: das Leben, speziell das Überleben und die körperliche Unversehrtheit.

1.Femizid: Richterrecht muss sich ändern!

Kürzlich hab‘ ich den Begriff „Femizid“ noch kritisiert, weil die Frauen, die von ihrem Mann getötet werden (z.B. weil sie sich trennen wollen), ja nicht umgebracht werden, „weil sie Frauen sind“. Sondern weil die Täter die Opfer als IHRE Frauen ansehen und ihnen das Recht absprechen, ihr Leben selbst zu bestimmen. Mittlerweile sehe ich das als Haarspalterei an, denn wäre der Partner ein Mann, käme es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu solchen Taten. (Noch nie hab ich darüber gelesen, dass Homosexuelle ihre Partner „wg. Verlassen“ umbringen).

Neben der an sich schon erschreckenden Tatsache, dass jeden dritten Tag ein Mann seine Partnerin umbringt, ist die Rechtsprechung in diesen Fällen ein Skandal! Hierzu ein Langzitat:

Mord oder Totschlag?

Im Falle des Frankfurter Messerangriffs wurde der Täter wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. In vielen anderen Fällen sind aber Richter in Deutschland nachsichtiger. Häufig verurteilen sie die Täter wegen Totschlags, worauf bis zu zehn Jahre Haft stehen. Das Gericht nimmt in der Regel alle Umstände in Betracht. Es kommt vor, dass der Richter die emotionale Notlage des Angreifers als mildernden Umstand auffasst. Wobei damit impliziert wird, dass der Angreifer sich selbst Schaden zufügt, indem er in hilfloser Eifersucht die Frau tötet, die er liebt.

Viele Richter beziehen sich in ihrer Argumentation auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008. Das Gericht stellte damals in einem Trennungstötungsfall weder Heimtücke noch niedere Beweggründe fest – beides Voraussetzungen, um ein Urteil wegen Mordes auszusprechen. Stattdessen befand das Gericht, dass „die Trennung von dem Tatopfer ausging und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. Das Problem an dieser Formulierung sei, sagt Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund, dass dadurch „eine Form der Opferbeschuldigung“ manifestiert werde.

Das Urteil akzeptiere damit auch das Argument, dass eine „Frau getötet wird, weil der Täter ihr nicht zugesteht, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen“. Ein solches Verbrechen sei aber eine Konsequenz aus „Besitzansprüchen und Ungerechtigkeiten auf Grund des Geschlechts“. Das sei die Definition eines Femizids, sagt Steinl.

Quelle: DW: Gewalt gegen Frauen: Mehr Femizide in Deutschland

Ich finde es schier unglaublich, dass Richter sich soweit versteigen, das „Besitzrecht“, das der Täter zu haben meint, auch noch durch ihre Urteile anzuerkennen! Im Fall der „Ehrenmorde“ sehen sie das nämlich nicht so, diese Täter werden wegen »niedriger Beweggründe« wegen Mordes verurteilt. Dabei ist der Unterschied allein der, dass beim Ehrenmord die „ganze Familie“ den Besitzanspruch durchsetzen will, wogegen im westlichen Standardfall „Paar oder Kleinfamliie“ lediglich der Mann meint, über das Leben der Frau bestimmen zu dürfen. (Natürlich „weiß“ er, dass Mord verboten ist, aber das weiß auch der Ehrenmörder!)

2. Mordmerkmale

Ein weiterer Punkt, der hier zur Benachteiligung von Frauen vor dem Gesetz  beiträgt, ist das Mordmerkmal „Heimtücke“. Frauen, die sich nicht anders zu helfen wissen, als den Gewalttäter, unter dessen Herrschaft sie leben, zu vergiften, erfüllen regelmäßig dieses Merkmal und müssen somit wegen Mord zu „lebenslänglich“ verurteilt werden. Kürzlich gab es deshalb die Bestrebung, den Mordparagraphen zu ändern, was jedoch von der CDU verhindert wurde:

„Zur Ablehnung der CDU dürfte geführt haben, dass mit dem neu eingeführten Absatz 2 des Mordparagrafen die Möglichkeit eingeführt werden sollte, dass bei besonderen Umständen – etwa Verzweiflung im Fällen von häuslicher Gewalt – die Schuld gemindert werden kann“.
Quelle.fragdenstaat.de

3. Gewalt gegen Frauen und die Prävention

Regelmäßig wiederholt sich ein Streit, der völlig unsinnig und kontraproduktiv ist. Dazu ein heutiger Tweetwechsel:

„Beim Thema Gewalt gegen Frauen sollte die Frage übrigens nicht heißen: Wie lernen Mädchen, sich zu schützen? Sondern: Wie lernen Jungs, Frauen respektvoll zu behandeln?“

Meine Antwort:

„Das ist doch kein Entweder-Oder! Wenn es einige Jungs nicht gelernt haben, ist es verdammt wichtig, dass Frau gelernt hat, sich zu schützen bzw. zu verteidigen!“

Es ärgert mich jedes Mal, dass wann immer davon die Rede ist, was Frau in einer Opfer-Situation anders machen könnte (bzw. was passieren müsste, damit sie das kann), dieser Hinweis auf die Erziehung der Jungen kommt. Verbunden oft genug mit dem Vorwurf, man würde die Frau durch solche Überlegungen für die männlichen Untaten verantwortlich machen.

Das ist nicht nur unsinnig, sondern verhindert auch, dass in der Erziehung der Mädchen verstärkt darauf Wert gelegt wird, dass sie sich zu wehren wissen! Und in der Erziehung von Jungs kann es verdammt falsch ’rüber kommen, wenn das Bemühen, ihnen »Respekt vor Frauen« zu vermitteln, sie alle als potenzielle Täter brandmarkt. Was sie verdammt nochmal nicht sind, in der übergroßen Mehrheit nicht!

Was wäre zu tun?

  • Alle Geschlechter sollten im Sport nicht vor allem den Wettbewerb in klassischen Sportarten üben, sondern auch Kämpfen und Selbstverteidigung. Dabei wird auch gleich eine Ethik des Kämpfens vermittelt: dass man aufhört, wenn die Verteidigungssituation vorbei ist! (Ja, mir ist klar, dass es nicht in allen Angriffssituationen sinnvoll ist, sich physisch zu wehren, in anderen aber schon! Es stärkt zudem die körperliche Kraft und das Selbstbewusstsein, es zu lernen und zu können!)
  • Alle Geschlechter sollten im Umgang mit eigenen Emotionen geschult werden: Wut, Angst, Ausrasten – was kann ich tun? Allein schon das Thematisieren dieses Umgangs mit sich selbst ermöglicht eine reflektierende Distanz zur eigenen Emotionalität, auf die dann im Fall des Falles zurück gegriffen werden kann. Ab welchem Lebensalter das sinnvoll ist, sollten praktizierende Pädagog:innen entscheiden.

Mädchen sollte spätestens in der Pubertät beigebracht werden, dass Gewalt ein NoGo ist – egal wie sehr sie den jeweiligen Jungen lieben! Jeder ERSTE gewalttätige Übergriff in einer Beziehung muss gleichzeitig der letzte sein! Ganz egal, ob sie sich spontan wehren konnte oder nicht. Das bedeutet nicht, dass sie sich sofort trennen müssten: Jeder, auch der spontan gewalttätige Partner hat eine 2.Chance verdient (wenn er sein Unrecht einsieht!). Frau muss lediglich sehr deutlich und unmissverständlich klar machen, dass hier eine Grenze überschritten wird, die beim zweiten Übertritt zur Trennung führen wird.

Mich hat zweimal ein Mann geohrfeigt, mit dem ich eine Beziehung hatte.

  • Der minder schwere Fall war ein Italiener, mit dem ich eine Affäre hatte. Ich hatte ihn in seiner Heimatstadt besucht, weiß aber nicht mal mehr den Anlass/Grund für die Ohrfeige, nur noch, dass wir in einem 80 cm breiten Bett schlafen mussten, ätzend! Ich bin sofort abgereist, denn er war nicht mal einsichtig.
  • Der schwerere Fall war ein Jurastudent, mit dem ich bereits über ein Jahr zusammen war. Vom Habitus her ganz das Gegenteil eines Gewalttäters! Umso mehr war ich völlig von den Socken, als er mich nach einem Kneipenbesucht ohrfeigte. Ich dachte zuerst, er sei plötzlich irre geworden, weil ich nicht den Schimmer eines Anlasses sah! Es kaum aus heiterem Himmel, wie mir schien. Der Grund war: Ich hatte für einen anderen Mann, der mit uns dort war, Zigaretten geholt (der war fremd in diesem riesigen Lokal und ich musste eh aufs Klo!). Das hatte ihn eifersüchtig gemacht, offenbar weil er sowieso meinte, dass ich mit dem geflirtet hätte.

Ein drittes bemerkenswertes Gewalterlebnis liegt nicht sooo lange zurück. Es war im Januar 2018, als ich gedankenversunken auf einem breiten (!) Gehsteig durch eine recht unbelebte Straße in Kreuzberg lieft. Plötzlich trifft mich ein Schlag, der mich zu Fall brachte (und meine Hose war am Knie Schrott!). Der Typ hat es offenbar nicht verkraftet, dass ich nicht rechtzeitig AUSGEWICHEN bin! Dabei war wirklich jede Menge Platz und keine anderen Leute verengten den Weg. Wäre ihm ein Mann entgegen gekommen, hätte er da auch gleich zugeschlagen? Sicher nicht!

Wenn mir Leute begegnen,.die demnächst mit mir zusammen stoßen werden, weil sie z.B. auf ihr Handy starren, weiche ich in der Regel aus. Es gibt aber auch Momente, wo mich dieses Verhalten ärgert! Dann lasse ich das auch eskalieren, indem ich stehen bleibe und den Handy-User „auflaufen“ lasse. Sie merken es dann 50 cm vor mir und weichen aus. In der oben geschilderten Situation war ich nur ein wenig Gedanken versunken, nix mit Handy!

Ich hab‘ mich an dieses Erlebnis erinnert, als ich im CICERO den Erfahrungsbericht zum Weltfrauentag las

Wie wir Sexisten zu Feministen wurden

Mit Sexismus setzen sich Männer oft kaum auseinander. Dabei verursachen sie ihn meist selbst. Mit einer einfachen Frage war es
Martin Speer möglich, einen Perspektivwechsel einzuleiten. Etwas, das jeder Mann tun kann.
…..Wir sind überzeugt: Es braucht einen Perspektivwechsel – und wir Männer können und müssen ihn mit einleiten. Auf unserem Weg hat dabei eine einfache Frage eine zentrale Rolle gespielt: „Was sind deine Erfahrungen mit Sexismus?“ Diese Frage haben wir Frauen in unserem Umfeld gestellt und dann einfach zugehört. Was wir zu hören bekommen haben, hat uns bewegt und verändert, oft auch schockiert.

Den im Text erwähnten „Schlüsseltrick“ kannte ich nicht als „Trick“, hab‘ aber schon öfter selbst den Schlüssel deutlich hör- und sichtbar in die Hand genommen, wenn mir nachts ein Mann allzu nah hinterher lief. Männern ist der Gedanke an „Schlüssel als Waffe“ (oder als Zeichen: ich bin schon im heimischen Umfeld) eher unbekannt. Was zeigt, dass sie die Details des „anderen Erlebens“ von Frauen tatsächlich vielfach nicht kennen, also auch nicht emphatisch nachvollziehen können.

Ich hab‘ mal erlebt, wie es ein langjähriger Beziehungspartner während eines Gesprächs, das vom „Urlaub machen“ handelte, es plötzlich begriffen hat! Er reiste nach Belieben als Tramper durch die Welt – ich nicht. Als ihm der Groschen fiel, schaute er mich erschrocken an und sagte: „Oh verdammt, Ihr seid ja quasi immer im Krieg!“

Update / Ergänzung zu „Richterrecht/Mordmerkmale“:

Ich bin nicht etwa der Meinung, dass sämtliche Tötungen in oder nach Partnerschaften zwingend als „Mord“ verurteilt werden sollten. Sondern dafür, bei einer etwaigen Prüfung der „Mordmerkmale“ die Motive des „gewöhnlichen Femizids“ genau wie jene beim „Ehrenmord“ als „niedrige Beweggründe“ zu bewerten.

Die Beweggründe für die „Heimtücke“ im Fall der Tötung mit Gift können nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht als „niedrig“ angesehen werden, wenn es aus Verzweiflung geschicht und die Täterin glaubte, sich nicht anders helfen zu können. AKtuell ist sie wegen „Heimtücke“ zu lebenslang zu verurteilen, wogegen sie im Reformentwurf schuldmindernde Umstände geltend machen könnte und – sofern das Gericht dem folgt – nicht mit der Höchststrafe bestraft werden müsste.

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