Claudia am 17. April 2017 —

Diktatur als Rettungsoption?

Grade lese ich die vielen Kommentare zu Erdogans Machtergreifung, zum Ausgang des Referendums, das übler kaum hätte ablaufen können. Ein Kommentar zum SPON-Artikel „Das Ende der türkischen Republik“ ist mir besonders aufgefallen, der die Demokratie ganz grundsätzlich in Frage stellt:

Die Hoffnung bleibt …
… das die gebündelte Macht in der Hand eines Einzelnen vielleicht auch mit Weisheit verwendet wird, da langfristiges Planen die Macht sichert und von Vorteil ist. So ist es in einer Demokratie ummöglich, Entscheidungen zu fällen, die kurzfristig Nachteile für die breite Masse bringen. So läßt sich z.B. die massive Zerstörung der Felder Deutschlands durch Pestizide und Kunstdünger nicht stoppen, da das Brot dann ein paar Cent mehr kosten würde. Erst wenn der Schäden irreparabel ist, die Humusschicht zerstört und die Bestäuberinsekten ausgerottet, erst dann wird man reagieren. Ein einzelner Herrscher könnte derartige Fehler bei Zeiten stoppen. Aber ob Erdogan ein weiser Herrscher ist, das ist leider fraglich.

Derselbe Bjoern zum selben Thema an anderer Stelle

Beispiel für das Nichtfunktionieren der Demokratie

Nüchtern betrachtet zeigt diese Geschichte das Nichtfunktionieren der Demokratie, welche einfach auch zulässt, das Entscheidungen gegen das Wohl der Menschen gefällt werden. Die Wahl Trumps, der Brexit … immer wieder das gleiche Spiel, mit knapper Mehrheit gewinnt der Wahnsinn. Die Demokratie hat einen eingebauten Selbstzerstörungsmechanismus, was auch nicht anders zu erwarten ist, da Masse nicht durch Klasse zu ersetzen ist. Als ob die Anzahl der Entscheidungsträger die Qualität einer Entscheidung verbessern würde.
Einfache Analogie: nehmen wir eine durchschnittliche Schulklasse – im Durchschnitt haben wir nur einen Notendurchschnitt von 3 (von 5). Damit lassen sich keine Probleme optimal lösen.

Das erinnert mich daran, dass der US-Politologe Jason Brennan fordert, nur noch „Gebildete“ wählen zu lassen. Er hat sogar ein Buch „Gegen Demokratie“ geschrieben, in dem er sein Konzept darstellt.

Ob diese Meinungen das Zeug zu einem Trend haben? Sei es nun der „eine weise Herrscher“ oder „die Gebildeteren“ – das Missbrauchspotenzial einer solchen Macht ist doch weit größer als in einer Demolratie. Die gelobte bessere Effizienz gilt ja nicht nur im Guten, sondern auch im Schlechten.

Muss los… das wollte ich zumindest noch notieren, dass es nicht in der Arbeitswoche untergeht.

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Diktatur als Rettungsoption?“.

  1. Wir hatten doch schon mal den Slogan „Mehr Demokratie wagen!“
    Dazu passend gab es eine Portion politische Bildung, eine Portion Systemkritik.

    Die (kritische) Sozialforschung hat man abgeschafft, eingespart, Datensammeln ist dafür ein kommerzieller Erfolg und Machtfaktor, der demokratischzu kontrollieren wäre.

    Die Rettungsoption ist dann doch wieder mehr Demokratie, und mehr soziale Bildung, Achtsamkeit. Das heißt ncht, dass man immer über alles abstimmen muss. Auf einem Schiff hat der Kapitän/die Kapitänin das Sagen, aber auch die Verantwortung, und hat im Fall des Sinkens das Schiff als Letzte(r) zu verlassen.

  2. Wenn die Gedankengänge so zuträfen, dürfte die Schweiz und andere Länder Referenden und Volksabstimmungen überhaupt nicht funktionieren. Sie tun es aber. Und zwar gut.

  3. @Horst: Ich war zeitweise für mehr direkte Demokratie, doch seit dem Brexit bin ich nicht mehr überzeugt davon.

  4. Überzeugt bin ich auch nicht. Ich dachte nur an diese beiden Beispiele, weil sie halt die Perspektive weiten. Schau ich mir bestimmte Entwicklung in D an, so wird mir beim Gedanken schon etwas mulmig, direkte Demokratie befürworten zu wollen. Schlimm, dass wir so viel an Vertrauen in unsere Politiker verloren haben. Sonst würde darüber vielleicht kaum diskutiert werden.