Claudia am 06. Februar 2014 —

Die andere Altersarmut: Einsamkeit

Menachem schrieb auf GEMEINSAMLEBEN (!) ein paar sehr nachdenklich stimmende Sätze:

Erst in diesen Tagen unserer Vergangenheitsreise habe ich erkannt, wie viele Menschen und Freunde früher um mich herum waren, und wie viele es heute noch sind. Diese deprimierende Entwicklung, die ich wahrscheinlich nicht alleine so erlebe, verstärkte sich in dem anschließenden Besuch meines Vaters, im SENIORENHEIM Frankfurt auf der Bornheimer Landwehr. Seit 2 Jahren versucht mir mein Vater zu erklären, mit seinen nunmehr bald 94 Jahren, was Einsamkeit ist. Natürlich verstehe ich seine Worte. Doch zum Glück, bleibt das Gefühl dafür nur ein Gefühl. Die letzten, mit denen er erzählen und spazieren gehen konnte, sind in den vergangenen 4 Jahren nach und nach gegangen. Niemand mehr, der ihm Anerkennung ausspricht. Niemand mehr, der ihn wahrnimmt.

Auch er hat, wie ich, nicht genügend in die Lebens- und Altersversicherung der Freundschaften einbezahlt. Der Preis den es zu zahlen gilt, wenn nicht in diese Versicherung investiert wird, ist eine Art der Altersarmut. Armut – an teilnehmender freundlicher, herzlicher und aufrichtiger Mitmenschlichkeit.

Nun ist 94 ein wahrlich hohes Alter, in dem es nicht wundert, dass alle Freude „weggestorben“ sind. Aber: Warum ist es eigentlich so, dass sich Menschen fast ausschließlich mit Gleichaltrigen (plusminus wenige Jahre) befreunden? Und je älter, umso weniger „Neue“ kommen hinzu.

Wer Kinder und Enkel hat, ist – mal angenommen, der Familienfrieden hält und es sind nicht alle in andere Städte gezogen – über diese Nachkommen noch ins Geschehen jüngerer Generationen verstrickt. Ansonsten scheint das Gesetz „gleich und gleich gesellt sich gerne“ immer drastischer zu wirken, je älter die Menschen werden – mit Abstrichen beim Willen, sich auf neue Menschen einzulassen, selbst wenn sie ähnlich alt sind.

Die Alten und die Jungen

Kürzlich war ich in einem kleinen Theater, ein in etwa gleichaltriger Humorist trat auf, dessen Zielgruppe aus der Szene „spirituell Interessierter“ als nahezu homogene Alterskohorte den Raum füllte. Alles sehr tolle Menschen, soviel ich in der kurzen Zeit wahrnehmen konnte, mit allen Wassern der Weisheit und Selbstfindung gewaschen, quasi im positiven Sinn „austherapiert“.
Dennoch fühlte ich mich nicht wirklich wohl: soviel Selbstgewissheit und ausgestrahltes „Angekommen sein“ – mir fehlen leider die richtigen Worte, aber ich fühlte mich wie eine Durstige unter kundigen Genießern edler Weine, die Lust auf einen Energy-Drink oder eine böse Zucker-Cola hat. Oder anders gesagt: Die haben und wissen selber schon alles – was soll ich da noch?

Das totale Kontrastprogramm erlebe ich auf den Festen und Arbeitsterminen der KuB. Dort sind vor allem junge Menschen aktiv, mehrheitlich Studierende, dazwischen ein paar Ältere so bis 35, sowie wenige „Ausreisser“ im 50plus-Alter, die man an einer Hand abzählen kann.

Anders als unter den Gleichaltrigen und Älteren fühle ich mich da nicht überflüssig, ganz im Gegenteil, es gibt sehr viel, was ich beitragen und vermitteln kann, hab‘ ich doch selbst viele Jahre in solchen Initiativen zugebracht. Was aber nicht heißt, dass ich mich überall als Besserwisserin einmischen muss, ganz im Gegenteil ist es sehr angenehm, nicht mehr selber „tragende Säule“ sein zu wollen und zu müssen: die machen das schon und sogar erstaunlich GUT! Also beschränke ich mich auf mein dort angesiedeltes Hilfsprojekt (sie finden es durchaus staunenswert, wieviel Spenden ich in kurzer Zeit sammeln konnte) und genieße ansonsten den lockeren Umgang, das Unfertige und nie Perfekte, sowie die oft erstaunlich aufgeschlossenen jungen Frauen und Männer, die ein ganz anderes Verhältnis zu Älteren zu haben scheinen als es in meiner Generation üblich war.

Es freut mich jedenfalls, da nützlich sein zu können – bis in alltägliche Kleinigkeiten hinein, wie etwa mit dem Tipp, die Pellkartoffeln für den Party-Salat vor dem Schälen in kaltem Wasser abzukühlen, um das nervige „Wegzupseln“ der Schalen in ein leichtgängiges Abziehen zu verwandeln. :-) Nicht lachen: Die Basics des Kochens lernt man ja heute nicht mehr zwangsläufig von den Müttern!

Eine Mittfünfzigerin, die ich in der KuB kennen lernte, ist kürzlich verunfallt und wird etliche Wochen im Krankenhaus und in der REHA zubringen. Natürlich wird sie von den „Kubbies“ besucht!

Kurzum: ich rate allen Älteren, sich nicht auf Gleichaltrige und noch Ältere zu beschränken, sondern immer auch irgendwo anzudocken, wo deutlich Jüngere zugange sind. Ohne selbst auf „zwanghaft jung“ zu machen oder ihnen als zickige Alte mit 1000 Ansprüchen auf den Senkel zu gehen, sondern das beitragend, was man eben kann, was erwünscht ist und gebraucht wird. Schon allein interessiertes Zuhören scheint ja eine knappe Ressource zu sein und kommt bei suchenden jungen Menschen gut an. Und wer „mit sich im Reinen“ ist, hat auch Antworten auf viele ihrer Fragen – man muss nur warten, bis diese Fragen von selber auftauchen, niemals ungefragt die eigenen Weisheiten aufdrängen.

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Diskussion

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13 Kommentare zu „Die andere Altersarmut: Einsamkeit“.

  1. …niemals ungefragt die eigenen Weisheiten aufdrängen.
    Man muß also offenbar einige Regeln befolgen, will man als Alter bei andersaltrigen Gruppen unterkommen.

    Aber was sind genau die Regeln?

    Ich erinnere mich hierbei an eine Episode vor langer Zeit, als mir in einem Zug eine ältere Frau, vielleicht in den späten Siebzigern, auffiel, die mit Blicken flirtete. Ihr Flirten, ihr Werben um Beachtetwerten als Frau, fand ich sehr angenehm und stimmig. Sie hatte recht, sich so zu geben und so anzukommen zu wollen, wie sie es wünschte. Wenn sie das „Mädchen“ der Frau, das sie ja mal war, durchscheinen lies.
    Für mich stimmten also die Regeln. Die Gefahr, daß sie andere vielleicht ablehnen konnten, nahm sie dabei offenbar in Kauf.

  2. Warum sollte eine 70plus NICHT flirten? Und warum wird sie dadurch zum „Mädchen“??

    Darauf musst du nicht antworten, die Fragen sollen nur zeigen, welche „Vorannahmen“ einer Verhaltensbewertung in deinem Kommentar deutlich werden.

    Regeln befolgen? Aus jedem Tipp muss man nicht eine REGEL machen – es ist einfach meine Lebenserfahrung, die ich hier beschreibe. Und „nicht ungefragt aufdrängen“ lässt einen großen Spielraum, ich meine ja nicht nur explizite Fragen, sondern „ersichtlichen Bedarf“. :-)

    Beispiel: Auf so einem Fest, das zur Verabschiedung einer beliebten Mit-Aktiven stattfand, überreichte man ihr irgendwann vor großer Runde ein Geschenk, aber alle schauten einander fragend und leicht betreten an: wer sagt denn nun was dazu? Die Unsicherheit war greifbar, die Beschenkte murmelte auch schon etwas wie: hey, ist auch SO ok… Nun ja, da hab ich eben spontan eine 3-minütige Laudatio auf sie gehalten – weil es eben das war, was jetzt grade wirklich fehlte. Da ich schon gefühlte tausende Male vor irgendwelchen Gruppen kleine Reden gehalten habe, war mir das kein Problem.

    Etwas anderes wäre, ständig „proaktiv“ anzusagen, wie die Dinge zu laufen haben, bzw. immer gleich selber Vorschläge zu machen, sich in den Vordergrund zu drängen, partout WICHTIG sein zu wollen etc. usw. Sowas braucht man als älterer Mensch (mehrheitlich) nicht mehr, sondern kann ganz gelassen bleiben und den Jungen den Vortritt lassen, die noch dabei sind, JEMAND zu werden, sich auszuprobieren und selbst zu finden.

    Voraussetzung: das eigene Alter akzeptieren, nicht nur die Nachteile und Beschwernisse, sondern auch die Vorteile und Freuden wahrnehmen!

  3. @Claudia, jetzt hast Du mich offenbar wieder nicht verstanden.
    Das mit dem „Mädchen”:
    Beim Hinschauen kann man feststellen, daß bei mancher Frau noch „das junge Mädchen durchscheint“, d.h. es ist Anmut da, Frische, Neugier und die Bewertungslast nicht spürbar. Es ist zu sehen, wie sie als junge Frau ausgesehen hat und daß da noch viel davon „aktiv“ ist. Wenn man an den Falten und der vielleicht fehlenden Beweglichkeit und Form vorbeisieht, kann man es erkennen, meist.

    Ein hartes, mürrisches und lebendabgewandtes Gesicht ist ja normalerweise nicht gewinnend.

    Zum Thema: „das eigene Alter akzeptieren“: Ich finde ganz amüsant auch, daß Du jemand in Deinem Text als Mitfünfzigerin ansprichst, wo Du doch nur noch ganz schwach in den Fünzigern verhaftet bist. Ich auch – und ich freue mich schon auf das Ändern der 1. Ziffer.

  4. @Gerhard: die Gemeinte ist exakt 55. :-)

    Ich hab dich gar nicht „missverstanden“, sondern ich stelle (mehr für mich als für die Welt) immer wieder versuchsweise in Frage, ob die Zuschreibungen ans Alter und an die Jugend tatsächlich „richtig“ sind.

    Von einem Volk irgendwo im Himalaya wird erzählt, dass sie bis deutlich über 100 voll auf den Feldern arbeiten – und dann schnell sterben. Es sind Arbeiten, die Kraft und Ausdauer verlangen, die sie doch offenbar bis ins hohe Alter haben – aber würden sie sich deshalb als „jugendlich“ bezeichnen?

  5. @Claudia, Ja, aber Du selbst bist in meinem Alter! Deine Gesprächspartnerin kann dann ruhig junge 55 sein!

    Aha, bezüglich „jung“ bewegen wir uns also doch eher auf einer Linie!
    Ich hatte einst @Susanne hier geschrieben, daß ich vom Alter garnicht unterschiedlich bin zu ihr. Und das meine ich nachwievor so. Ich bin zwar ins Alter 59 „geworfen“, rein faktisch, aber sehe nicht, was mich unterscheidet. Gut, man ist leichter ermüdbar und bestimmte Dinge verschieben sich, die für junge Männer höchst bedeutsam sind, aber sonst?

    Etwas, was ich immer gern erzähle, ist, daß ich vor gut 25 Jahren auf einer Auslands-Busreise abends keinen Kontakt zu den jungen Leuten bekam, dafür aber überraschend zu den alten „Cracks“. Im jeweiligen Outdoorcafe saßen sie noch zu später Stunde und waren vital, witzig und interessant. Als noch junger Mensch damals lernte ich, daß ich es viel besser hatte mit den 70-80ern als mit den versprengten, glattgesichtigen Jungen, die eh nicht zu sehen waren. Von da an hielt ich es oft so: Primär nicht nach hübschen Girls Ausschau halten, sondern nach den lebendigen und vitalen Menschen jedweden Alters.

  6. Man müßte es eben wie Franz Müntefering (SPD) oder Helmut Kohl (CDU) machen und sich eine deutlich jüngere Zofe angeln.

  7. Liebe Claudia, sorry, ich war einige Tage offline. Den Grund dazu wirst du wahrscheinlich finden. Und jetzt möchte ich als erstes mal meinen Dank für deine Verlinkung ausdrücken. Zu deinem Beitrag selbst, vielleicht etwas später, wenn ich wieder geerdet bin.

    Ich bin doch immer wieder erstaunt wenn es eine Verlinkung zu meiner Seite gibt ( heul, heul.. immer so selten) wieviele Besucher sich nach einer Empfehlung bei mir einfinden. Auch wenn das nur im zweistelligen Bereich ist staune ich noch mehr darüber, wieviele Kommentare und Besucher es auf der Empfehlerseite gibt. Auch wenn ich dabei meine kleine Belanglosigkeit im www empfinde, ist es auch immer wieder schön, wenn sich dabei ein neuer „Follower“ einfindet. Ein rundum schönes Gefühl, womit ich denen, die noch nicht bloggen, ein wenig Auftrieb geben möchte.

  8. —-administrative Zwischenmeldung……

    Kommentartest, aus gegebenem Anlass, anscheinend hat das Mathe-Plugin (ich hatte es aktualisiert!) nicht mehr funktioniert bzw. das Kommentieren gleich ganz verhindert…

    Test.

  9. Lieber Menachem, hier strömen auch nicht grad die Massen – nur sind meine Gäste halt phasenweise recht gesprächig. :-)

    Wenn du „mehr Betrieb“ willst, dann könntest du dich an interessanten / berührenden Themen, die du bei Anderen liest, beteiligen – diese zitierend deine eigene Sicht der Dinge schreiben. In der Regel wird das bemerkt, evtl. erscheint ein automatisierter Trackback-Link – oder wenn nicht, kann man sich dort auch selbst per Kommentar verlinken: „Hab dazu grade gebloggt….“.

    Jammern über die eigene „Belanglosigkeit im Web“ ist so unangebracht wie das Jammern über die eigene Unbedeutendheit in der Welt! Die Welt ist offline nicht unser Maßstab, warum sollte es also online „das Web“ sein?

    Es ist nicht schwer, mehr Besucher zu kreieren – aber für sich genommen sinnlos, solange du nichts verkaufen willst.

    Werde dir klar, was du mittels bloggen willst:

    – Schreibend die eigenen Gedanken klären?
    – Mit anderen über Fragen reden, die dich umtreiben?
    – Weisheiten vermitteln, lehren?
    – Dich auskotzen, abreagieren, wenn dich etwas aufbringt?
    – Anderen bei etwas helfen?
    – Ähnlich gesinnte Menschen kennen lernen?
    – Rat suchen bei ungelösten Problemen?
    – Andere unterhalten?
    – Informieren, Wissen vermitteln?
    – Agitieren?
    -….?

    Je nachdem, wie intensiv du das Jeweilige dann „bebloggst“, wird es Andere berühren, denen du im Gedächtnis bleibst, die evtl. auch mal kommentieren, dich verlinken, wieder kehren… umso eher, wenn du nicht nur ganz selten schreibst!

    Förderlich sind auch Artikel, die Fragen aufwerfen, bzw. für die Lesenden etwas zum selber denken übrig lassen! Unter einem in Inhalt und Form kompletten bzw. rundum abgesicherten Text kann man eigentlich nurmehr den Like-Button klicken, falls vorhanden – und allenfalls zustimmend nicken.

    Das mal so als kleine Blogger-Beratung am Rande.

  10. Ich weiß nicht, Claudia, ob es mir gelingt, das, was ich mit Belanglosigkeit meinte, zu vermitteln.

    In Gedanken war ich bei diesem Wort in einem Beitrag, den ich schreiben wollte, und der von „Anerkennung“ handelt. Kurz:

    Ich habe in meinem Leben viele großartige Dinge gemacht die weit sichtbar waren, deren Anerkennung ich aber nie derart erhalten habe, wie ich sie mir gewünscht oder gebraucht hätte. Das hat viel Lebenszeit, Geld und Kraft gekostet.

    Und heute freue ich mich über „einen“ neuen Follower. Darin empfinde ich Anerkennung und Freude. Und für diese Freude muss ich noch nicht mal einen blog betreiben, der in irgendwelchen Listen ganz oben steht. Ein kleiner Nischenblog, belanglos zu den Großen, gibt mir, was mir früher oft gefehlt hat.

  11. @Menachem: na wunderbar!

    Aber noch zu:

    „Ich habe in meinem Leben viele großartige Dinge gemacht die weit sichtbar waren, deren Anerkennung ich aber nie derart erhalten habe, wie ich sie mir gewünscht oder gebraucht hätte. Das hat viel Lebenszeit, Geld und Kraft gekostet.“

    Hast du die Lebenszeit, Geld und Kraft denn vornehmlich aufgewendet, um diese Anerkennung zu bekommen – oder nicht doch eher, um deine jeweilige Vorstellung einer „großartigen Sache“ umzusetzen?

  12. Du hast Recht, Claudia, ich wollte auch wissen, was ich kann. Das war ein inneres und eigenes Gefühl, das Grenzen erfahren wollte.

    Doch als ich meine Grenzen erreicht hatte, und das glaube ich spürt man schon, dann aufwachte und mich umschaute dachte ich schon: Man, sieht dann keiner was du auf die Beine gestellt hat. Kann niemand mal sagen: Gut gemacht, Menachem. Respek.
    Alles, auch der Wohlstand in dem wir in den 70er/80 er Jahren gebadet haben, war alles eine Selbstverständlichkeit, die vom Himmel gefallen schien.

    10 Jahre später, zur Jahrtausendwende, habe ich meine persönliche und wirtschaftliche Bankrotterklärung unterzeichnet.

    Ich halte „aufrichtige“ Anerkennung immer noch für einen der wichtigsten Motoren, der uns ein friedliches Zusammenleben ermöglicht.

    So reime ich mir das heute zusammen.

  13. bertil bingo

    Die andere Altersarmut: Einsamkeit › Digital Diary – Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück