Kürzlich hab ich mal wieder ein Buch gelesen, eins von diesen altmodischen, gleichwohl noch immer viel geliebten Bündeln aus bedrucktem Papier. Titel und Inhalt hab‘ ich vergessen, es war ein banaler Krimi, mittleres Spannungsniveau, vermutlich Durchschnitt bzw. Massenware, ich kenn‘ mich da nicht aus.
Nicht vergessen hab‘ ich das Leseerlebnis, denn das war definitiv außergewöhnlich: Keine Ablenkungen, kein „Raum der Möglichkeiten“, der mich zu Mausklicks anderswohin verführt – wer fast nurmehr online liest, weiß, was ich meine. Ich hab‘ es durchaus genossen, so mit mir alleine zu sein, mit dem Buch, mit der Story – fast wie eine Art „Retreat“ kam mir das vor. Den Vorsatz, mir das öfter zu gönnen, hab‘ ich natürlich gefasst, doch die Umsetzung findet angesichts der gefühlten 10.000 Dinge, mit denen ich mich täglich befasse, eher nicht statt.
Lesen als soziales Erlebnis?
Was aber, wenn „ein Buch lesen“ eine genauso vernetzte, mit sozialem Geschwurbel versehene Aktivität wird wie Lesen und Kommentieren auf einem Blog oder bei Facebook? Genau das wollen Sascha Lobo, Christoph Kappes, Oliver Wagner und Oliver Köster mit den sogenannten SOBOOKS in die Online-Welt bringen: Bücher, die man online „betritt“, jede Seite mit einer eigenen Netzadresse. Man wird kommentieren und die Kommentare anderer Leser/innen lesen können: nicht nur bzgl. des ganzen Buchs, sondern auf den Seiten selbst. Und eine „Heatmap“ wird anzeigen, an welchen Stellen intensiv diskutiert wird – man ist nicht mehr alleine mit dem Buch und kann Zitate auch mit der Welt teilen. Wer das nicht mag, hat immerhin die Möglichkeit, das Buch als PDF oder ePub herunter zu laden, ganz ohne nerviges DRM, dafür mit einem Wasserzeichen versehen. Apps für Smartphones und Tablets sind ebenfalls geplant.
Sachbücher diskutieren
Ob das Konzept einschlägt? Sicher nicht bei jenen, die ein Buch gerne anfassen und es schätzen, mit dem Text ungestört alleine zu sein. Und vermutlich ist Belletristik eher nicht das Genre, bei dem man gerne die Meinungen aller Welt mitlesen möchte, anstatt der Handlung zu folgen. Aber bei Sachbüchern kann ich mir das gut vorstellen! Da stapeln sich einige neben meinem Bett, ungelesen, weil es immer „Wichtigeres“ zu geben scheint – und wenn ich doch mal eins lese, zumindest anlese, entstehen im Kopf gleich mehrere Blogartikel, die ich EIGENTLICH gerne schreiben würde, um die Ideen des Buches mit anderen zu teilen und zu besprechen. Leider viel zu viele, als dass das schaffbar wäre..
Im Hintergrund höre ich gerade die Pressekonferenz zum heutigen Erscheinen der Huffington Post Deutschland. Arianna Huffington redet, natürlich englisch, doch beschwört sie den ZEITGEIST, der mit Macht „from presentation to participation“ wechsle: Nicht mehr bloßes Präsentieren, sondern Teilnehmen und Kommunizieren sei die Zukunft – ich schau gleich mal hin, inwiefern die seit 10 Minuten real existierende HuffPo diesen Anspruch auch einlöst. Die Sobooks sind ein anderer und wie mir scheint vielversprechender Versuch – ich werde jedenfalls mitmachen und bin gespannt, wie das „soziale Lesen“ sich anfühlen wird.
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Buchreport: Erster Blick auf Sobooks, das Buchportal von Sascha Lobo
So erfinden Sascha Lobo & Co. den Buchclub neu
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9 Kommentare zu „Sobooks: soziale Bücher ante Portas“.