Claudia am 10. Oktober 2013 —

Sobooks: soziale Bücher ante Portas

Kürzlich hab ich mal wieder ein Buch gelesen, eins von diesen altmodischen, gleichwohl noch immer viel geliebten Bündeln aus bedrucktem Papier. Titel und Inhalt hab‘ ich vergessen, es war ein banaler Krimi, mittleres Spannungsniveau, vermutlich Durchschnitt bzw. Massenware, ich kenn‘ mich da nicht aus.

Nicht vergessen hab‘ ich das Leseerlebnis, denn das war definitiv außergewöhnlich: Keine Ablenkungen, kein „Raum der Möglichkeiten“, der mich zu Mausklicks anderswohin verführt – wer fast nurmehr online liest, weiß, was ich meine. Ich hab‘ es durchaus genossen, so mit mir alleine zu sein, mit dem Buch, mit der Story – fast wie eine Art „Retreat“ kam mir das vor. Den Vorsatz, mir das öfter zu gönnen, hab‘ ich natürlich gefasst, doch die Umsetzung findet angesichts der gefühlten 10.000 Dinge, mit denen ich mich täglich befasse, eher nicht statt.

Lesen als soziales Erlebnis?

Was aber, wenn „ein Buch lesen“ eine genauso vernetzte, mit sozialem Geschwurbel versehene Aktivität wird wie Lesen und Kommentieren auf einem Blog oder bei Facebook? Genau das wollen Sascha Lobo, Christoph Kappes, Oliver Wagner und Oliver Köster mit den sogenannten SOBOOKS in die Online-Welt bringen: Bücher, die man online „betritt“, jede Seite mit einer eigenen Netzadresse. Man wird kommentieren und die Kommentare anderer Leser/innen lesen können: nicht nur bzgl. des ganzen Buchs, sondern auf den Seiten selbst. Und eine „Heatmap“ wird anzeigen, an welchen Stellen intensiv diskutiert wird – man ist nicht mehr alleine mit dem Buch und kann Zitate auch mit der Welt teilen. Wer das nicht mag, hat immerhin die Möglichkeit, das Buch als PDF oder ePub herunter zu laden, ganz ohne nerviges DRM, dafür mit einem Wasserzeichen versehen. Apps für Smartphones und Tablets sind ebenfalls geplant.

Sachbücher diskutieren

Ob das Konzept einschlägt? Sicher nicht bei jenen, die ein Buch gerne anfassen und es schätzen, mit dem Text ungestört alleine zu sein. Und vermutlich ist Belletristik eher nicht das Genre, bei dem man gerne die Meinungen aller Welt mitlesen möchte, anstatt der Handlung zu folgen. Aber bei Sachbüchern kann ich mir das gut vorstellen! Da stapeln sich einige neben meinem Bett, ungelesen, weil es immer „Wichtigeres“ zu geben scheint – und wenn ich doch mal eins lese, zumindest anlese, entstehen im Kopf gleich mehrere Blogartikel, die ich EIGENTLICH gerne schreiben würde, um die Ideen des Buches mit anderen zu teilen und zu besprechen. Leider viel zu viele, als dass das schaffbar wäre..

Im Hintergrund höre ich gerade die Pressekonferenz zum heutigen Erscheinen der Huffington Post Deutschland. Arianna Huffington redet, natürlich englisch, doch beschwört sie den ZEITGEIST, der mit Macht „from presentation to participation“ wechsle: Nicht mehr bloßes Präsentieren, sondern Teilnehmen und Kommunizieren sei die Zukunft – ich schau gleich mal hin, inwiefern die seit 10 Minuten real existierende HuffPo diesen Anspruch auch einlöst. Die Sobooks sind ein anderer und wie mir scheint vielversprechender Versuch – ich werde jedenfalls mitmachen und bin gespannt, wie das „soziale Lesen“ sich anfühlen wird.

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Buchreport: Erster Blick auf Sobooks, das Buchportal von Sascha Lobo
So erfinden Sascha Lobo & Co. den Buchclub neu

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Sobooks: soziale Bücher ante Portas“.

  1. Im letzten Urlaub habe ich, wider Erwarten, gleich 3 Bücher lesen können, als jemand, der dem Lesen eines Buchs völlig entwöhnt war.
    Es war ein schönes Erlebnis. Ich konnte dranbleiben, wurde nicht nervös dabei und hatte die Genugtuung, zwei längst zu lesende und ein komplexes Buch gut bewältigt zu haben.
    Daher möchte ich wieder öfter ein „gutes Buch“ in Händen halten.

    Kommentargespräche zu einem Buch, speziell einem Sachbuch, können allerdings sehr interessant sein. Da können ganz andere Disziplinen als die, die der Autor beherrscht, ihre Sicht der Dinge beigeben, was fürwahr manchmal das Material auf breitere Beine stellen kann.
    Manchmal allerdings muß man das Gebäude eines (wissenschaftlichen/philosophischen) Autors völlig sich aufrollen lassen, bevor man kommentieren sollte.

  2. @Gerhard: hab Dank für deine Sicht der Dinge! Vielleicht lesen wir ja irgendwann mal ein Buch zusammen und können dann sehen, wie es ist! :-)

    „Geplant ist außerdem, dass der Käufer seine Bücher an drei Freunde verleihen kann.“

    Auch interessant!

  3. Ich lese sehr gerne und relativ viel, in der Regel Romane. Ja, papierlos, aber auf meinem eReader, was nebenbei überhaubt nichts mit dem lesen am Computer zu tun hat und eher wenig mit dem lesen auf einem Tablet. Und auch mit einem eReader lese ich unvernetzt, einfach für mich, vorzugsweise in meiner Lieblingsecke. Und ich versuche mich zu disziplinieren, nicht laufend bei jedem zweiten mir neu geschildertem „Fakt“ im Buch sofort Wikipedia an zu schmeissen, nicht laufend auf zu stehen und diesees oder jenes mit Netzmeinungen ab zu gleichen. Einfach mal nur ein Buch „alleine aushalten“ und Halbwissen auch mal zu zu lassen und das eigene Wertungssystem auch mal zu zu lassen. Nachschlagen kann ich ja am nächsten morgen immer noch.

    Gleichwohl find ich das Konzept spanend und nicht nur bei Sachbüchern gut. Aber ich würde versuchen, mich arg zu disziplinieren. Leserunde und Kommunikationsrunden zeitlich zu trennen. Ich weiß aber, wie schwer Selbstdisziplin auch so im Bezug auf das Internet fällt.

  4. @Chräcker: inwiefern kannst du auf einem E-Reader „mal eben Wikipedia anschmeissen“? Ich dachte, E-Reader sind aufs Lesen der geladenen Bücher beschränkt und eben nicht wie Tablets „normale Computer“ im Kleinformat…

  5. Ne ja doch, anders. ;-) Also zum einem können moderne eReader auch Lexika aufnehmen und sind dann gleich per Fingertap aufs Wort aufrufbar und der kindle, zumindest das Modell meiner Bekanntin, kann auch ins Netz zu wikipedia. (Ob das mit dem neuen Kindle auch noch geht, weiß ich aber nicht…)- ABER bei mir meinte ich es einfacher: auf der Fensterbank neben meinem „Lesesofa“ liegt ja auch griffbereit ein Tablet. ;-)

  6. Ja, Claudia, wieso nicht zusammen ein Buch lesen? Sehe allerdings schon bang den Moment kommen, an dem Du eines der aktuellen Bücher schon an 3 Freunde verteilt hast und ich leer ausgehe ;-)

    @Chräcker: „Halbwissen auch mal zu zulassen“, das finde ich durchaus gut. Es kann ja auch durchaus bei Verständnisproblemen sein, daß einem bei fortgesetztem Lesen noch ein Licht aufgeht. Oder es bleibt so bestehen, das Halbwissen, dann ist es nicht unbedingt schlimm.
    Ich glaube, es wird nicht bei jedem Sachbuch zwingend vorausgesetzt, das Vorgängerkapitel voll verstanden zu haben!

  7. @Gerhard: nö, ich bin nicht so die Ausleiherin, hab derzeit eigentlich gar keine „Buchkultur“. Also werd ich an dich denken, wenn es soweit ist! :-)

  8. guten abend claudia,

    also ich bevorzuge das sinnliche lesen eines buches mit hin- und herblättern und in ruhe in einem gemütlichen eckchen sitzend, mit einem glas wein oder im wartezimmer um die wartezeit zu überbrücken. außerdem bin ich eine schnell-leserin und mag nicht so viele unterbrechungen dabei. es würde mich aus der stimmung bringen, währenddessen noch im net mit leuten, die ich nicht kenne, darüber zu diskutieren.
    bei sachbüchern kann ich mir das eher vorstellen, aber auch erst nachdem ich etliche seiten gelesen habe und somit den „geist“ des buches erfaßt habe.
    wobei ich es liebe, mit freunden und bekannten über ein bereits gelesenes buch mich auszutauschen.
    seit jahren habe ich sog. „wanderbücher“, das sind bücher die mir gefallen haben aber ich sie nicht unbedingt behalten muss. so wandern sie von einer zu anderen.
    außerdem würde ich es sehr vermissen, in meinen alternativen buchladen zu gehen, eine tasse kaffee trinken und dabei mich von einer(m) des kollektivs beraten zu lassen. sie erzählen mir so spannend von den ihnhalten, dass es fast wie ein priv. vorlesen ist. sie haben schon genug zu leiden unter den veränderungen die sich mit dem e-book ergeben. sie haben jetzt 40jähriges und ganz schön schwierigkeiten nachfolgerInnen zu finden.

    hanna

  9. Liebe Hanna, schön dass du „mal vorbei kommst“ – und ja, ich kann deine Freuden mit dem Papierbuch gut nachvollziehen! „Unterbrochen werden“ wird es vermutlich auch beim SoBook nicht geben, sondern eher „zuzuschaltenden Kommentare“ – denke ich mir jedenfalls, sonst wäre das ja mehr Stress als Lesefreude.

    Dass Sterben einer erheblichen Zahl von Buchläden ist wohl nicht verhinderbar – derzeit noch gar nicht so sehr wegen des E-Books, sondern wegen der Online-Bestellungen gedruckter Bücher. Aber es machen sogar noch neue Buchhandlungen auf wie jene, in der ich neulich mein Buch „Unverbissen vegetarisch“ vorstellen durfte. Kommt aber wohl sehr auf die Lage an…