Claudia am 06. Juli 2012 —

Thema entführt: braucht der Mensch Religion?

Thinkabout schreibt täglich einen Text. Ich lese fast alle diese Artikel gerne, oft inspirieren sie mich und ich hinterlasse einen Kommentar. Längere, ein Thema vertiefende Gespräche entstehen dort aber meist nicht, denn die Energie des Schreibenden fließt jeden Tag in einen neuen Text, nicht in die Diskussion des berührenden Themas von vorgestern.

Deshalb entführe ich aus dem heutigen Eintrag „Bienen im Kopf“ einfach mal einen Passus hierher, der es in sich hat:

„…mich beschäftigen seit Wochen die Unruhen zwischen den Religionen besonders stark – ein Thema, das mich immer wieder umgetrieben hat – und ich frage mich, welche Antriebe uns Menschen bleiben, wenn wir uns selbst zu genügen beginnen? Was ist zwischen der qualvollen existenziellen Bedürftigkeit und der antriebslosen Sattsamkeit anderes, als eine Wegstrecke, welche zwangsläufig vom einem zum andern führt, als eine Linie, an der es höchstens Zwischenhalte, aber keinen Ausstieg gibt? Ich sehe einzelne Beispiele, als Gegenentwürfe, sozusagen, aber ich sehe keine Gesellschaft, welche sich auf Dauer nicht entlang dieser Linie verliert. Die Entwicklung endet im materiellen Stumpfsinn. Am Schluss bleibt Technologie, und ein Mensch, der sie nicht sinnvoll anzuwenden weiss, weil ihm der Sinn für sein Dasein abhanden gekommen ist. „

Auge GottesFrage: braucht es Religion, damit Menschen einen „Sinn im Dasein“ sehen? Derzeit sehe ich die Religionen der Welt eher als Auslöser für Ausgrenzungen, Streit und Krieg. Ich kann nicht begreifen, dass die jeweiligen Erzählungen von der Genesis der Welt überhaupt noch von jemandem geglaubt werden: schließlich zeigt uns die Wissenschaft eine andere Entstehungsgeschichte und beweist täglich durch das auf diesem Weltbild basierende „Funktionieren der Geräte“ ihre Wahrheit.

Dass das nicht ALLES ist, stimmt auch für mich: es gibt im menschlichen Erleben so etwas wie eine spirituelle Dimension, eine innere Sicht, die mit dem wissenschaftlichen Messen und Rechnen nicht erfasst wird. Wie wir diese Erlebnisse aber beschreiben und welche Schlüsse wir daraus ziehen, verdankt sich der jeweiligen Kultur und Tradition, sowie persönlicher Geschichte und Interessen.

Zen-KreisSich dessen bewusst zu sein, bedeutet für mich AUFKLÄRUNG! Sobald also aus ursprünglich spirituellem Erleben verbindlich zu glaubende Weltentstehungsgeschichten, Nachtod- und Jenseits-Welten, Ge- und Verbote, sowie Andere feindselig ausgrenzende Clan-Bildungen entstehen, ist für mich die Grenze überschritten, ab der das Übel beginnt. Es gibt dann keine „vernünftige“ Gesprächsbasis mehr, denn dass ein Buch nur ein Buch und eine „Eingebung“ oder innere Stimme kein Gottesbeweis ist, wollen viele Gläubige nicht sehen. Ohne diese Einsicht bleibt der Andersgläubige jedoch immer der Ungläubige – und vielfach dann eben auch „der Feind“.

„Es geht gar nicht um die jeweiligen Erzählungen, sondern immer um Macht und Einfluss“, wendet ein lieber Freund hier regelmäßig ein. In dieser Sicht der Dinge ist Religion „Opium fürs Volk“ und die jeweiligen Machthaber sind im Grunde darüber hinaus, benutzen Religion nur, um die Bevölkerungen zu manipulieren und ihre Macht zu erhalten. Dem kann ich nicht ganz folgen, denn WARUM sollten die Menschen in Zeiten des Internets (das einen Blick auf die große Vielfalt der Weltanschauungen und Glaubenssysteme ermöglicht) solchen Lehren auf Dauer folgen?

Abgesehen davon bleibt die Grundfrage: Kann eine Gesellschaft ohne Religion GUT sein? Dem Individuum eine Sinnperspektive jenseits bloß materieller Sattheit ermöglichen?

***

Über Politik und Religion soll man besser nicht bloggen, das gibt nur Ärger! Dieser Rat hat leider eine gewisse Berechtigung, doch haben wir hier „Politik“ ja schon oft ganz MANIERLICH diskutieren können – ich hoffe, das geht auch mit „Religion“!

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
55 Kommentare zu „Thema entführt: braucht der Mensch Religion?“.

  1. Schön gesagt:
    Längere, ein Thema vertiefende Gespräche entstehen dort aber meist nicht, denn die Energie des Schreibenden fließt jeden Tag in einen neuen Text, nicht in die Diskussion des berührenden Themas von vorgestern.

    Und eine sehr charmante kleine Klage steckt darin, die ich gut nachvollziehen kann. Allerdings habe ich auch eine Lesergemeinschaft, die genau das im Stillen macht, das Du hier öffentlich praktizierst: Sie nehmen sich einen Gedanken mit und machen sich dann ihren eigenen Reim. Das ist grundehrlich und genau das, was wir im Grunde immer tun. Ich habe mit nichts einfach so recht oder unrecht, jeder überprüft Geschriebenes immer selbst auf den ihm zuzubilligenden Wahrheitsgehalt. Dennoch nehme ich Deine freundlichen Zeilen als kleinen Stupser gerne an. Ich habe nun auch wieder mehr Zeit und Luft, um auf Kommentare zu antworten.
    Das war jetzt lang ausgeführte Abschweifung. Zu Deinem Text:

    Du lieferst mir Ansätze für geschätzte fünf weitere Artikel. Hier aber mal vorerst nur zwei Bemerkungen:

    Ich wundere mich immer wieder über das Gegenargument zum Christentum oder einer anderen Religion, eine ihrer Basisgeschichten wäre Fiktion, die Genesis ein Märchen. Das tangiert die Frage, ob ich persönlich Religion brauche oder haben will, überhaupt nicht. Und meinen Glauben – der Name sagt es schon – erst recht nicht. Warum erzählen wir Märchen? Die beste Geschichte ist jene, die auch eine Botschaft transportiert, nicht wahr?

    Die Genesis ist ein wunderbares Beispiel, an das ich gerade anknüpfen möchte: Gott schuf die Welt in sechs Tagen. Am siebten schaute er sich an, was er getan hatte, befand es als gut, und ruhte.
    DAS ist für mich der wahre Gehalt und das Tolle an der Geschichte, und genau DAS machen wir überhaupt nicht:
    Wir schauen nicht auf unser Wochenwerk, sind schon gar nicht zufrieden damit – und wirklich Abstand und frei nehmen wir von unserem Aktivismus schon gar nicht, erst recht nicht mit Internet und dergleichen, denn wir reagieren auf freie Zeit immer sofort und in allem in der Art von „noch schnell das“ und „warum nicht auch“ und „jetzt könnte ich noch“. Und ganz sicher nicht mit:
    Am siebten Tage sollst Du ruhn.

    Wäre ja möglich, dass spinnerte Leute, die so was zu ihrem eigenen Gesetz machen, tatsächlich etwas damit gewinnen, was wir verloren haben: Einen orndnenden Rhythmus und den Luxus eines frei bleibenden Kopfes.
    Dies nicht als Gespächsthema hier, sondern nur als Gedanken-Angebot, thinkig eben.

    Weiter: Deine wichtigsten Sätze stehen im letzten Absatz. Denn entscheidend ist nicht, wie wir es mit der Religion haben. Sondern mit uns. Was bleibt uns. Was ist uns heilig?

  2. Danke, guter Beitrag!
    Nein, wir Menschen brauchen keine Religion, jedenfalls das nicht, was generell darunter verstanden wir. Aber wir brauchen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Wer das große Gefühl der Zugehörigkeit im Ganzen dessen, was existiert, nicht hat – die Mystiker kennen es, die Meditierer erstreben es –, der sucht es im Kleinen: in der Nation, der Familie, dem Fußballclub oder dem individuellen Ego (das dann aber leider vereinsamt).
    Die üblichen Religionszugehörigkeiten haben nicht mehr Wert als die ethnischen: Sie geben ein Gefühl der Identität, das aber leicht zu Kämpfen führt, wenn die Gruppe, der ich mich zugehörig fühle, angegriffen wird.
    Tiefe, echte Religiosität gibt es nur im Transreligiösen. Jesus hat hat die Pharisäer zu Feinden gehabt, Buddha die Brahmanen, für beide waren die religiösen Autoritäten ihrer Zeit erbitterte Gegner, viel mehr als die „einfachen Leute“. Echte Religiosität pfeift auf die Zugehörigkeit zu einem Lager.
    Wenn ich nach meiner Religionszugehörigkeit gefragt werde, trage ich immer „konfessionslos“ ein. Dabei habe ich doch ein Bekenntnis: Ich bekenne mich zur Möglichkeit der Transzendenz!

  3. Das glaube ich auch, @Wolf, dass wir ein Gefühl der Zugehörigkeit brauchen. Schon im Dabeisein auf diesem blog drückt sich Zugehörigkeit aus. Dann wäre Religion nicht zu verwerfen. Entscheidend ist, was man daraus macht.

    Ferner „glaube“ ich, dass Religion und Glaube sich heute nicht mehr gegenseitig bedingen und deswegen möchte ich diese beiden Begriffe trennen.

    Wenn „Glaube“ „Nicht wissen“ heißt, dann können wir an vieles glauben. Und so lange es nicht den Raum des Nächsten beeinträchtigt, halte ich das für eine ganz persönliche Angelegenheit. Egal, ob an Außerirdische, Weltuntergang, Gott, eine gerechtere Welt oder blaue Radieschen geglaubt wird.
    Allerdings, und da weiß ich auch nicht weiter, drückt sich der Mensch im Glauben auch nach Außen und seiner Umwelt aus. Der Glaube an die „Macht“, oder die „Macht des Geldes“ wird sich wahrscheinlich in der Gemeinschaft anders darstellen, als der Glaube einer Mutter Theresa oder eines M.Ghandi. Neben jedem Gottesglauben werden wohl auch andere Götzen um ihren Einfluß ständig kämpfen.

    Vielleicht liegt hier der Sinn der Religion, dem Zusammenleben von Menschen einige Grundregeln aufzugeben und sie zum ständigen Nachdenken anzuregen und sie zur weiteren Entwicklung zu ermuntern. Dabei erscheinen mir gerade diese geschriebenen Bücher in ihren Metaphern zeitlich unvergänglich und ich glaube auch nicht, dass es heute in der Genesis noch um deren Wortlaut geht.
    Sie gehen in einer beeindruckenden Weise, wenn man bedenkt aus welcher Zeit sie stammen, in die Tiefe der menschlichen Zerrissenheit. Schwäche und Stärke, Angst und Mut, Haß, Zorn, Liebe, Vergebung, Friede..
    Religion könnte ich für eine gute Hilfskonstruktion halten, die nicht ständig neu angepasst werden muss, sondern die wir Menschen in dem ständigen Wandel neu auszufüllen lernen. Die Zeiten des „Vorkauens“ von der Kanzel sind vorbei. Das ist für mich eine Feststellung und eine Aufforderung.

    Es gibt, so finde ich, ganz viele gute Argumente für Religion. Sich damit auseinander zu setzen, halte ich für eine große Bereicherung. Bedauerlich ist, das viele Religionsdiskussionen nicht in die Tiefe des Sinn`s gehen, sondern in Negativbetrachtungen mit „Kreuzzügen“ und „Waldorf Schulen“ meist sehr schnell einseitig werden oder ihr fanatisches Ende finden.

  4. Fragen wie „Kann eine Gesellschaft ohne Religion GUT sein?“ führen zu weitschweifigen Diskussionen, da sie unpräzise sind. Was ist eine Gesellschaft mit Religion? Was ist unter Religion zu verstehen? Was genau ist eine Gesellschaft, wie funktioniert diese? Wieso wird Religion mit nebulösen Worten wie „gut“ oder „schlecht“ assoziiert oder gar impliziert?

    Dringlich finde ich die Frage, wie wir miteinander leben wollen, umgehen sollen. Darüber sollten wir ständig nachdenken sowie handeln und nicht bequem Dogmen zitieren oder als Rechtfertigung benutzen, anderen Leid zuzufügen.

    Es ist Zeitvergeudung, beweisen zu wollen, Gott oder andere Grundlagen bestimmter Religionen gäbe es nicht, es ist nicht möglich, zu beweisen, etwas Abstraktes existiere nicht. Mit Phantasie kann ich geschickt die abstrusesten Abstrakta behaupten wie unsichtbare Feen, die mein Schicksal beeinflussen, niemand kann beweisen, diese seien unwahr. Es kann einzig bewiesen werden, etwas existiert und es reicht ein einziges Gegenbeispiel aus für die Falsifizierung des Beweises. Für die Existenz Gottes gibt es keinen Beweis, der diesen Namen verdient. Ich glaube, um im Leben glücklich zu sein, gibt es viele Möglichkeiten, Religion mag für einige eine davon sein.

    Als Fakt erachte ich, Religion ist ein wirkungsvolles Mittel, Macht zu erlangen und auszuüben. Und hieraus gelange ich zur Ansicht, um die Ausgangsfrage zu beantworten: Der Mensch braucht seinen Verstand und eine Gesellschaft die ihn fördert, „gut“ zu sein. Wie dies konkret zu gestalten ist, ist fortwährend an konkreten Beispielen zu überdenken und anzupassen.

  5. Grundsätzlich nichts gegen eine Religion einzuwenden, aber nur solange es nicht in Richtung Fanatismus abdriftet. Dies Hardcore Religionsanhänger bedeuten nichts Gutes.

    Und diese „no politcs and no religion“ ist eine alte Vertriebsregel.

  6. Ich danke Euch für Eure Beiträge – sehe aber auch ein, dass ich das Thema zu „unscharf“ aufbereitet habe, sorry!

    @Thinkabout: eine Kritik wollte ich nicht formulieren, denn ich sehe wirklich ein, dass jeder Blogger seinen eigenen Stil hat. Wenn ich täglich einen Text schreiben würde, hätte ich auch nicht den Nerv für längere Diskussionen!
    Freut mich, dass du in diesem Posting Ansätze für 5 weitere Artikel gefunden hast! :-)

    „Denn entscheidend ist nicht, wie wir es mit der Religion haben. Sondern mit uns. Was bleibt uns. Was ist uns heilig?“

    bzw. WAS sehen wir gemeinsam als unverzichtbar für eine „heile Welt“ an. Ich denke, das muss nicht von Religionen kommen, sondern kann auch als weltliches Wertesystem formuliert sein (nicht nur Menschrechte, sondern auch Tier- Pflanzen- Umweltschutz etc.). Ob aber religiös oder nicht: was will man machen, wenn viele das einfach nicht teilen, sondern das eigene „mehr haben wollen“ an die erste Stelle setzen?

    @Wolf: ein schöner, aufs Wesentliche fokussierender Beitrag! Schade, dass sich viele Religiöse grade NICHT auf das Gemeinsame besinnen, den ursprünglichen Kern, der die Religionsgründer (die ja meist gar keine Religion gründen wollten) antrieb.

    @Menachem, @Thinkabout: natürlich gibt es großartige Sinngeschichten und Metaphern in der Bibel und anderen „heiligen Büchern“!

    Wie tiefsinnig ist doch z.B. die Vertreibung aus dem Paradies, nachdem Mensch entgegen dem Verbot „vom Baum der Erkenntnis gegessen“ hat! Die Geschichte entzieht sich locker der klassisch-religiösen Deutung als Sündenfall und Unheilsgeschichte, denn jeder denkende Mensch fragt sich doch irgendwann mit Recht: ja hätten wir denn NICHT vom Baum essen sollen? WAS BITTE wäre denn der Mensch, könnte er gut und böse nicht unterscheiden? Ist es nicht genau das, was vom Tier unterscheidet? Was soll also bitte das Sündengedöhns? Das dann auch noch allein der Frau und der Schlange angehangen wird. Das ist doch eine richtige Emanzipationsgeschichte! Und weiter: angeblich schuf Gott den Menschen „nach seinem Bilde“ – also wohl MIT der Möglichkeit der Unterscheidung! Warum also der Paradies-Knast mit einem Verbot, das wichtigste menschliche Vermögen zu entwickeln?

    @Elmar: volle Zustimmung – es ist „unpräzise“, was ich da verfasst habe.

    @Aquii: dito! Nur leider driften für mein Empfinden die meisten etablierten Religionen, bzw. viele Anhänger und Vertreter in „Fanatismus“ ab! Da wird vorgeschrieben, welchen Deutungen man zu glauben hat und welche Geschichten aus den Büchern man wörtlich nehmen muss. Islamische und christliche Fundamentalisten nehmen sich da nichts – wenn ich allein an den Kampf gegen die Evolutionslehre denke, wird mir ganz schlecht!

    Deshalb war und ist der Buddhismus mir vergleichsweise smpathisch: da wird kein Gott verbindlich geglaubt, Lebensregeln kommen als Empfehlungen, Verfehlungen heißen „Unwissenheit“ und nicht „Sünde“. Und man wird „erleuchtet“, nicht „erlöst“.

    Genau dieses Sünden & Strafen, des den abrahamitischen Religionen offenbar eingeschrieben ist, ist bestes Mittel, sich über andere zu erheben, Macht auszuüben und Menschen mittels Angst & Schrecken zu manipulieren. Natürlich tun das nicht alle Anhänger und es gibt überall liebevolle Menschen, die sich um den Nächsten kümmern, auch operieren moderne, insbesondere evangelische Christen nicht mehr so mittels Sünde/Strafe. Trotzdem steckt das quasi im Gedankengebäude mit drin und es wird ja dann auch kritisiert, der hiesige Protestantismus sei zu soft und kompromisslerisch.

    Womit wir sehen: es sind die Menschen, die autoritäre Glaubenssysteme am Leben erhalten, gar nicht mal immer die „Funktionäre“ einer Religion.

  7. @Claudia, ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
    Trotzdem, als Ungläubiger, ein paar Sätze meiner großen Begeisterung, die ich aus diesen Büchern so sehr schätze und die ich für absolut zeitlos betrachte.
    Die Vertreibung aus dem Paradies war wohl die zwingende Voraussetzung, dass wir uns überhaupt entwickeln konnten. Vielleicht vom Tier zum Mensch. Ein Leben im Paradies – das ist wohl die Hölle.
    Wo bliebe das Schaffende, Formende, Beglückende, Treibende, Neugierige – wenn wir mit dicken Bäuchen selbst zum „Vermehren“ aus unserer Bequemlichkeit geschlagen werden müssten?
    Paradies? Glück? Wissen wir nicht mittlerweile alle, dass das nur die Momente sind, die verweilen mögen? Sie sind nur erlebbar, weil sie gehen – und wieder kommen – und wieder gehen.
    Und natürlich müssen wir auch immer wieder von dem Baum die Frucht nehmen? Wir müssen etwas riskieren. Sonst können wir nicht scheitern. Sonst können wir nicht gewinnen. Sonst können wir nicht Trauer und Freude empfinden, keine Grenzen erfahren, keine Selbstbewusstsein entwickeln, nicht lernen stark zu sein, nicht aufzugeben.
    Adam und Eva, nun, das ist nicht so mein Ding. Da blicke ich noch nicht so richtig durch. Aber Yin und Yang, diese Darstellung find ich einfach gigantisch. Fast alles, oder alles, ist darin enthalten. Nimm arm und reich, Liebe und Hass, Frau und Mann, Tag und Nacht, Glück und Unglück. Diese zwei Teile geben ein Ganzes – und ich bin nur eine Hälfte davon.
    Oder empfindet ein Hund Schuld, wenn er an den Lieblingsrosenstock seines Herrchens pinkelt? Mit Hilfe strenger Worte könnte er aber lernen, dies zukünftig nicht mehr zu tun. Die erste hundezivilisatorische Zusammenlebensleistung nach dem Motto: Du pinkelst nicht mehr an meinen geliebten Rosenstock . Ich schrei dich dafür nicht mehr an. Hab ja keinen Grund mehr dafür.
    Verträge. Codex. Kompromisse.
    Ich kann nicht beurteilen, ob der Werdegang dieser Lernprozesse so richtig gewesen ist. Selbst wenn ich es beurteilen könnte, wem könnte ich heute noch damit helfen? Wichtig ist, wo stehen wir heute?
    Ich glaube, im Judentum gibt es eine Auslegung, in der es heißt: Nicht die Menschen wurden aus dem Paradies vertrieben, sondern „Gott hat es verlassen“. Und nun geht, und sucht Gott. Wenn ihr ihn gefunden habt, habt ihr auch wieder das Paradies gefunden. Und Gott mag für mich einfach als eine „gerechte Welt“ stehen.
    Ein langer Weg. Aber wie heißt es? Auch der weiteste Weg, beginnt mit dem ersten Schritt.

  8. Oh Gott, seit Tagen verfolge ich gespannt diese Diskussion. Menachems Kommentar veranlasst mich jetzt doch meinen Senf hier zu lassen. Stellt euch mal vor was wäre, wenn Eva nicht gewesen wäre? Wir Menschen würden in paradiesischer Harmonie ersticken. Gut dass es Eva gab. Gut dass es heute Frauen wie Eva gibt, die nach Erkenntnis streben, aktiv werden, statt passiv zu bleiben. Gut dass es Frauen gibt, die ihre Männer schieben ;-) Übrigens, Eva trägt auch den verheißungsvollen Namen „Mutter aller Lebendigen“.

  9. @Christa, ich versuche immer sehr vorsichtig in diesen Dingen zu argumentieren. Schnell gibt es ungewollte Missverständnisse.

    Aber was ich so toll finde, und das hat auch mit Freiheit und Emanzipation zu tun:
    Die Deutungshoheit hat sich verschoben. Nicht mehr einfach zuhören und braves Lamm sein. Wir können und dürfen jetzt selbst kreieren, fantasieren, interpretieren – darin lerne ich, zu verstehen – und das ist was ganz, ganz anderes, als zu „gehorchen“.

    Die „Mutter aller Lebendigen“! Sie ist im bioligischen Sinne Unabhängig aber auch Abhängig. Ich könnte mich immer wieder darüber begeistern, wenn ich aus so einfachen Darstellungen erkenne: Wir Menschen brauchen einander – wir sind keine Zwitter.

    Und das meine ich, ist das Zeitlose. „Bitte“ sagen zu können, „Hilfe“ anzunehmen, „Abhängig“ zu sein – alles Dinge, die mir persönlich extrem schwer fallen. Dabei ist es das Näturlichste der Welt.
    Wann und warum ist das unter die Räder gekommen?

  10. „Und das meine ich, ist das Zeitlose. “Bitte” sagen zu können, “Hilfe” anzunehmen, “Abhängig” zu sein – alles Dinge, die mir persönlich extrem schwer fallen.“

    Und warum? Weil uns ein Bild vom Menschen, vom Individuum suggeriert wird, das einzig als „Autonomes“ cool genug ist, um begehrt zu werden, Akzeptanz zu finden, im Fokus der so sehr gebrauchten Aufmerksamkeit und Zuwendung zu stehen.

    Mir fehlen vermutlich die richtigen Worte, aber die Wende, die m.E. jedes Individuum erkennen/erleben muss, ist die Erkenntnis des eigenen Reichtums. Wir alle verfügen über das Begehrte in Hülle und Fülle – sofern wir uns als GEBENDE sehen und fühlen, und nicht als Bedürftige und Sucher, Jäger und Sammler persönlichen Glücks.

    Wir selber sind es, die Liebe und Zuwendung, Aufmerksamkeit und Zuhören, existenziell wichtiges Miteinander und beglückende Nähe geben können – eine Ressource, die weder knapp noch endlich ist!

    Es liegt an uns, ob wir diese Zuwendung nur jenen zuteil werden lassen, die angesichts äußerlicher Werte re-üssieren – oder sie frei verteilen entsprechend den Gelegenheiten des Augenblicks.

  11. Hallo Claudia,

    Redlichkeit ohne Gott, ist von höchster denkbarer Moral.

    Gruß Hanskarl

  12. Sex hätte ich gerne gehabt. Aber Religion? Wozu? Um mehr als Geld, Maschinen und Zahlen zu kennen? Ich habe Musik, Gedichte, Natur (tolle Gewittersaison heuer!), Freunde und Gefühle. Um mit anderen auszukommen? Im Gegenteil, Religion ist Distinktion, als Kind musste ich in der Schule allein sitzen, um nicht mit der Gottlosigkeit meiner Eltern anzustecken. Um den Tod nicht zu fürchten? Mein Nichtsein werde ich doch nie erleben. Weil ich den Kirchen viel verdanke, großartige Bilder z.B.? Bestimmt hätten die Maler ohne Religion das Malen nicht bleiben lassen. Um zu wissen, was ich tun soll? Das entscheide ich lieber selbst oder rede darüber mit meinen Nachbarn. Die Welt ändert sich auch alle Jahr. Um Gott zu danken, dass er mich geschaffen hat? Weder glaube ich das, noch wäre ich dankbar.

    Was der Mensch braucht! Welcher? Ohne Atem sterbe ich nach Minuten, ohne Religion wurde ich über fünfzig Jahre alt. Oder die Menschheit? Um wie zu sein? „Kein Tier“? Die Tempel selbst sagen selten, sie würden gebraucht. Sie haben gute Gründe dafür. Wäre Religion an sich, gleich ob Islam oder Hinduismus, nötig, dann wären die Inhalte, auch die Gestalt der Kulte, ja egal. Das würde kein Gläubiger unterschreiben. Die Frage ist eine ‚weltliche‘ und weltlich leicht zu beantworten: Nein. Der Christ hingegen sagt nicht: „Religion ist wichtig.“ Er sagt: „Christus ist auferstanden.“ Das ist ein Unterschied.

    Ob „wir“ etwas brauchen oder nicht brauchen, das der Einzelne, wenn er nicht süchtig ist, nicht braucht, bloß sich wünschen könnte, derlei Fragen zielt auf Macht. So wird auch Religion vorgeschrieben oder ausgetrieben. Ich bin gegen den Einfluss der Kirchen auf Staat und Gesellschaft, nicht weil ich unreligiös bin, sondern weil ich es nicht leiden kann, anderen zu aufzuzwingen, wie sie leben sollen, auch nicht zum Nutzen eines größeren Ganzen (das muss überzeugen) und nur beschränkt durch das Wohl des konkreten Anderen (der muss nicht Mensch sein).

    Die Frage nach dem Religionsbedarf (nicht Bedürfnis) tritt meist in zwei Versionen auf: a) Sind fixe Moralkataloge hilfreich? b) Verlieren wir ohne Religion den Zugang zu uns selbst?

    Für a) haben wir das Gesetz. Das ist durch Wahlen besser legitimiert als durch Götter. Ich wurde oft vorwurfsvoll gefragt, wie ich ohne Gott ethische Entscheidungen treffen könne – ich kann es überhaupt. Religion hat mit Ethik nichts zu tun, die katholische Kirche z.B. spricht da zu Recht lieber von Gehorsam. (Übrigens, falls es interessiert: Nach Gefühl. Bei Fragen wie „Tötest du einen, um zehn zu retten?“ wird mir bloß schlecht.)

    Zu b) steigt, seit es erlaubt ist, die Diversifikation – weil Erleben und Bedürfnisse eben verschieden sind. Eine meditiert, einer tanzt, einer singt, eine denkt. Wir, du, ich, die Natur. Die Verhältnisse. Jahrtausende Kulturschätze werfen wir nicht weg – aber für alle Menschen gültige Antworten wären doch wieder Wissenschaft, so lesen sich von Daodejing bis Neuthomismus die Schriften ja auch.

    Lässt man das Soziale („Sind Dogmen besser als Abstimmungen?“) weg und zählt Religion nicht wie das Wasser zum Lebensbedarf, bleibt die Frage nach dem Glück. Macht Religiosität glücklich? Ich hatte keine und war es nicht. Ein Punkt für die Religion. Oder keiner, wenn ich bedenke, wie ich unglücklich war, als ich alleine sitzen musste. Studien, die ich dazu kenne, belegen das Glück durch Religion nicht. Opiate machen glücklich, wenn man sie hat. Daran sieht man, dass Glücklichsein meist nicht genug ist.

    Ich mag lieber echte, als imaginäre Freunde. Ich höre lieber schöne oder wahre, als heilige Geschichten. Ich helfe dem, der Hilfe braucht, weil seine Not mich rührt, nicht, weil ich das muss, nicht, weil ich erwarte, selbst Hilfe zu erhalten – ich weiß, sie kommt oft nicht. Ich weiß auch, dass manches nicht sagbar ist und nehme das lieber hin, als schiefe Bilder dafür zu setzen. Ich lehne nicht alle Antworten der Tempel ab, das Gebet etwa ist eine gute Sache, es sind nur oft zu billige. Das monotheistische „Tiere sind Dinge“ z.B. oder „Gerechtigkeit kommt nach dem Tod“ befriedigen mich nicht. Ich teile auch viele Fragen nicht, will nicht wissen, ob ich wiedergeboren werde oder auferstehe, wie viele Engel auf eine Nadelspitze gehen. Aber ich bin beeindruckt. Religionen sind nicht vom Himmel gefallen, Menschen haben sie erdacht und alles, das Götter uns lehren, haben Menschen ihnen beigebracht, Menschen erforschen sich, erbauen Dome, singen die Lieder.

    Ich will nicht wieder hören, wie Religionen die Ungläubigen erschlagen (Ideologien halten es ebenso), das ist bekannt. Ich will unsere Ahnen loben, dass sie sich solche Träume errichtet haben. Aber ich denke, es ist Zeit, dass die Götter uns gehen lassen wie gute Eltern ihre Kinder. Ich lese in die Frage ein ‚Noch‘. Wir haben, wenn das Wünschen nicht mehr hilft, doch Taten. Und Träume haben wir sicher auch.

    [Ich mein’s nicht ernst. Weder kann ich mich meiner Spiritualität rühmen, noch liegt mir „Die Gesellschaft“ am Herzen, ich war erst betrübt, dann froh, dass sie mich ignorierte. Ich lebte heute am liebsten mit Freunden auf einer Insel. Ich bezweifle, dass es etwas wie Religion an sich gibt (diesen und jenen Glauben gibt es und Gläubige). Ich trage nichts bei. Es war ein Reflex, auf Religion als Thema anzuspringen – der funktioniert nicht mehr. Ich brauchte Tage, irgendwas zu tippen. „Kann ich noch“? Ein Lebenszeichen vielleicht, ein Lesezeichen. Merci.]

  13. liebe Christa, verzeih, dass ich dazu nichts sagte – es ist mir spontan nix eingefallen. Fühle mich so irgendwie „post-gender“ – ich sollte Smileys hier haben, dann hätt ich einfach #rose gepostet!

    @Hanskarl: ich erinnere mich an „Kommunionsunterricht“ in den 60gern. Da lernten wir, dass es beim Sündigen auf die Reue ankäme – und dass es die „Angstreue“ (Angst vor der Hölle) und die „Liebesreue“ gäbe (= man bereut, Jesus nicht gefolgt zu sein, der jetzt traurig sei, o.ä.). Ich empfand weder das eine noch das andere, sondern beichtete (=peinlicher Zwang!), dass ich der Mutter nicht GERN beim Spülen geholfen hätte – und dass nicht zu erwarten steht, dass sich das ändert. Die „Vergebung“ bekam ich trotzdem, was mich nun auch in diesem Punkt an der Stringenz/Ernsthaftigkeit des Glaubenssystems zweifeln ließ….
    All das hat zu meinem Ethik-Potenzial nichts beigetragen, eher hat es meinen Glauben an die Rationalität der Erwachsenen weiter beschädígt.

    @Dirk: hab Dank für diesen langen, wohl durchdachten Text, der Themen für zig Postings enthält! Den Rückzieher am Ende verstehe ich allerdings nicht: du meinst doch durchaus ernst, was du als eigenes Erleben und Beobachten/Bedenken/Bewerten geschildert hast!

    „Um Gott zu danken, dass er mich geschaffen hat? Weder glaube ich das, noch wäre ich dankbar.“

    Da gehts mir anders. Schon oft, wenn ich mich glücklich fühlte, insbesonderen OHNE dass dieses Fühlen auf irgend einer eigenen Leistung beruhte – dann dachte ich schon manches Mal: eigentlich ist DAS der einzige Grund, warum es schön wäre, wäre da ein Gott. Als Adressat für das Gefühl der Dankbarkeit, das ich zusammen mit dem „Anlass-losen“ Glück empfinde. Ich schicke meine Dankbarkeit dann halt ans „große Ganze“, an die Existenz, ans Unerforschliche – es braucht ja nicht zwingend eine Konkretisierung, nur weil wir selber Person sind.

    “Tiere sind Dinge” – da hab ich immerhin schon die Lehre von der Mitgeschöpflichkeit gehört.

    Ich freu mich über das Lebenszeichen/Lesezeichen von dir! Sei herzlich gegrüßt!

  14. Auch von mir vor allem an Dirk ganz liebe Grüsse, aber auch an alle, die hier schreiben – und ein Feuerwerk von Impulsen liefern, auf die ich gar nicht antworten kann…

    Was mich stört: Ich lese: „Heute ist“, „Viele“ etc: Verallgemeinerungen: Kirche ist so und nicht anders, Religion auch, etc.
    Viele Gläubige erleben das ganz anders, gestalten es ganz anders in ihrer, vielleicht kleinen, Gemeinschaft. Sie haben da etwas, das jenseits der Religion oft fehlt, wie es in vielen Kommentaren hier auch anklingt: Wir finden keine gemeinsame, bejahte Akzeptanz von Autorität: Welche Prinzipien sind uns wichtig? Die Tatsache, dass wir uns daran stören, wie Fehler in einer Gemeinschaft sanktioniert oder wer ausgeschlossen bleibt und wie und warum, entbindet uns nicht vom Problem, eine Verbindlichkeit zu schaffen, zu der wir uns gegenseitig verpflichten wollen. Gesetze? Wahlen? Wir sind von Frustration umgeben, erleben, dass alle Verträge, die mit uns eingegangen werden, immer häufiger gebrochen werden. Rente?
    Die Menschen sagen sich innerlich von immer mehr Dingen los und entlassen sich selbst in eine Orientierungslosigkeit. Die Befreiung von der Herrschermacht einer religiösen Autorität mag mancherorts eine Erlösung sein – und dennoch denke ich je länger je mehr, dass uns die Aufklärung eine Freiheit beschert hat, die wir je länger je weniger zu nutzen wissen. Wenn Freiheit nur noch das Individuum meint, wenn Verbindlichkeit vor allem die Reklamation eigener Rechte bemühen soll, dann sind wir am Ende jeder Gemeinschaftlichkeit angelangt.

    Und noch ein Hinweis:
    Ich kann immer wieder staunen, wie man den Buddhismus dafür rühmt, dass er nicht straft, nicht dogmatisiert.
    Es ist aber grundfalsch, anzunehmen, ein Buddhist würde nicht unter seiner Sündhaftigkeit leiden. Auch er und gerade er lebt in der Grunderfahrung, dass das Leben Leid bedeutet. Und egal, ob wir es Erlösung oder Erleuchtung nennen, liebe Claudia, will er nicht wiedergeboren werden. Das ist kein Glück, sondern der Beweis, dass man das Leiden noch nicht überwunden hat, dass man durch seine Art zu leben, Leid verursacht und mit Wiedergeburt sanktioniert wird.

    Wiedergeburt hat rein garn nichts Herrliches für einen Buddhisten. Es ist die Folge seiner Fehler, und er wünscht sich nichts so sehr, wie nicht wieder kommen zu müssen. Es ist absolut absurd, wie wir im Westen Buddhismus in aller Regel verstehen und wir verkennen, dass es selbst diese nicht monotheistische Lehre, die also keine eigentliche Religion ist, sich auch und vor allem an der Tatsache reibt, dass wir leiden – und eine Verantwortung dafür tragen, die uns einholt. Der einzige aber wesentliche Unterschied liegt darin, dass er die Selbstverantwortlichkeit anders definiert. Es gibt die Gnade eines Gottes nicht – alle Erleuchtung muss aus dem eigenen Verhalten und Verstehen folgen. Wahrhaft ein dorniger Weg.

    Was mich nochmals rasch zu meinem Glauben bringt, hier nur angefügt, weil es anklang in den letzten Kommentaren:

    Glaube, ob wahr oder nicht, hat für mich die eine Gnade: Es gibt Momente, da kann ich mich als Gotteskind begreifen, da denke ich, dass ich als Mensch gewollt bin. Ich bin IHM willkommen, wie ein Sohn seinem liebenden Vater. Das ist eine Kraft, die ich dann häufig an Freunde weitergeben kann, denen ich sehr viel besser als mir selbst zutraue, tatsächlich ein Gotteskind zu sein. Jemand, den ich so mag, als gottgewollt zu sehen – das ist doch einfach, nicht wahr?

    Will ich aber dauerhaft für ihn da sein, muss ich mir selbst zutrauen, dass ich für ihn tatsächlich einen Wert habe. Ich muss uns also als Geschwister sehen…

  15. @Claudia, ich meine es tatsächlich nicht ernst, nicht als Beitrag. Ich kann versuchen, mein Empfinden aufrichtig zu schildern. Mehr nicht. @Thinkabout hat Recht: „Verallgemeinerungen … Viele Gläubige erleben das ganz anders“. Ich verstehe zu vieles nicht. Das „‚Anlass-lose‘ Glück“ ist mir unbekannt, ich fühle mich nicht gewollt oder angenommen und „Orientierungslosigkeit“ verspüre ich auch nicht. Dein Satz, @Claudia, „es braucht ja nicht zwingend eine Konkretisierung, nur weil wir selber Person sind“, gefällt mir hier aber sehr (obwohl ich an sich das Konkrete schätze und das Ungefähre meide).

    Und, @Thinkabout, man muss sich um die Gemeinschaftlichkeit keine Sorgen machen. Seit meiner Geburt 1960 hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde mehr als verdoppelt, von 3,04 auf 7,01 Milliarden. Bei solcher Verdichtung ist der Ruf nach individueller Freiheit notwendig lauter, als der nach Gemeinschaft. Auch liegt Gemeinschaftlichkeit im Wesen des Menschen, geht nicht verloren.

    Es lösen sich aber gewohnte Strukturen auf, der Arbeitsplatz auf Lebenszeit ist Geschichte, das Prekariat wächst, zig Heilslehren existieren nebeneinander, ständig geht die Rede, man solle sich bilden, fit halten, verkaufen, Promis bevölkern die Olympe, statt Autoritäten, und die Überforderten laufen den Nationalisten zu, religiösen und ideologischen Fundis. Ich sehe das, habe aber nie ein Bedürfnis nach Führung, Ordnung oder verbindlicher Welterklärung verspürt, kann es bloß nachdenken, nicht nachempfinden und darum nichts dazu sagen, das sinnvoll oder hilfreich wäre.

    Auch ich habe mir selbst nicht nachvollziehbare Gedanken, die man als pseudoreligiös ansehen kann. Ich will, wie die Buddhisten, nicht wiedergeboren werden und auch nicht auferstehen. Weil ich an beides nicht glaube, fürchte ich mich nicht davor. Doch wenn ich bei einem Anfall meiner Neuralgie mir wünsche, tot umzufallen, drängt sich der Verdacht herein, dass das nicht hilft, dass, was sich in mir als Ich empfindet, in allen gleich ist, dass, indem ich sterbe, der Schmerz nicht stirbt. Ist der Anfall vorbei, schwindet diese Sicht. Und würde ich das wirklich glauben, müsste es sich auch auf das Glück erstrecken. Keinesfalls ist mir danach, mich mit anderen, die manchmal ähnlich empfinden, zum Verein zusammenzuschließen. – Ich gehe nun ganz anders damit um, lerne von unserem kleinen Hund, der leidet genau dann, wenn es weh tut, keine Minute vorher oder nachher, erschrickt z.B. vor dem Donner, springt aber zwischen zwei Donnerschlägen lustig herum, kennt gar kein „Zwischen“. Das hilft auch mir.

    Noch ein Beispiel, @Claudia, für das, was mir das ernste Beitragen vereitelt. Du schriebst „…da hab ich immerhin schon die Lehre von der Mitgeschöpflichkeit gehört“ – nur habe ich derlei nicht gesagt. Ich sehe zwar, dass der Philosophie eine brauchbare „Tierethik“ fehlt, bin aber kein Philosoph, merke nur, dass ich so, wie ich meinen Nachbarn nicht schlage, auch den Igel nicht trete; beides, weil ich mich schlecht fühle, wenn ich andere verletze, während ich die Mücke, die mich sticht, bedenkenlos vernichte und mich, wenn ein Mensch mich angreift, wehre. „Aus dem Bauch heraus“ – sobald ich anfange, das zu durchdenken, zu formulieren, gar in Regeln zu fassen, ist die Luft raus. Daran scheitert auch das Gespräch. Ich kann damit leben, weil, wenn ich handeln muss, keine Zeit fürs Abwägen ist. Eine „Lehre von der Mitgeschöpflichkeit“ schreckt mich schon dem Namen nach (ich halte mich an Evolution) und ich kann nichts dazu sagen, ohne es mir erst anzulesen, darüber nachzudenken usw. D.h. ich kann bald nicht mehr mithalten. Du, @Thinkabout und auch andere, die hier kommentieren, wissen da viel mehr als ich. Es ist albern, mit Nichtreligiösen über Religion zu reden – in diesem Sinne sollte man meinen Kommentar nicht ernst nehmen, ich jedenfalls kann es nicht.

    Ernsthaft meine ich hier nur, dass Menschen verschieden sind und Gespräche darüber, was sie jenseits des Lebensnotwendigen brauchen, wie sie leben sollten usw. oft dem Einzelnen nicht gerecht werden, die Menschheit aber aus Milliarden Einzelnen besteht und aus gar keiner Menschheit (was dann der Vorteil vor dem Ameisenstaat wäre). Und auch das ist vielleicht nur meinem Gefühl geschuldet, nicht dazuzugehören, Ressentiment.

  16. Das Wort ‚Religion‘ wird mit so großer Vielfalt gebraucht, wie Götter in den Bächen und Wäldern der Vorzeit wandelten.

    Die Frage nach ihrer Notwendigkeit – oder Unersetzbarkeit – fällt daher größtenteils zusammen mit der Frage nach dem Umkreis dessen, was das Wort jeweils ansprechen soll. Und hierbei fällt mir oft etwas ins Auge, was ich heraus heben will: Religion gehört zu den (wenigen) Themen, denen ausnahmslos alle Menschen ganz selbstverständlich eine ihnen eigene Bedeutung zumessen.

    Einer der Gründe vielleicht, warum religiöse Themen noch nie ihre Brisanz gänzlich verloren haben, diese eigenwillige, oft bösartige Eigenschaft, Sprengstoff in den Werken der Macht, den Gebilden des Konsenses und den Mechanismen des Miteinanders abzugeben – obwohl doch gleichzeitig viele (und sicherlich kluge) Menschen sagen, sie sei der Klebstoff, der weltliche Gebäude erst wahrhaft zusammen hielte. Dazu (i.e. Moral, Ethik usw.) wurde oben viel Spannendes gesagt, dem will ich nichts Langweiliges hinzufügen.

    Mich interessiert eher dies: daß ich im Reden mit meinem Gott (ob nun Beten, Kontemplieren, Meditieren usw. gennant, spielt für mich keine Rolle) mich atemlos entlang der Ränder meines Daseins hangeln kann, Ränder, die mein gesamtes Da-Sein umgeben und es daher allerst zu einem Hier-Sein machen, das Ort und Zeit, Richtung und Schwere, Anfang und Ende hat.

    Nämlich das mir Innere, wie ich es bei mir und für mich empfinde, wir können es Seele oder Ego, Ich oder Psyche nennen. Und das mir Äußere, wie es sich mir alltäglich aufpreßt. Das heißt Welt, Familie, Gesellschaft, Staat, Geschichte. Und dann auch das Andere, jenes hinter allem, das ich ahne, ohne je meine Hände darauf legen zu können. Das nennen wir Tod. Oder ewiges Leben.

    Dasein scheint mir in all diesen ‚Dingen‘ zu stecken, indem und weil ich sie spüre, sie denke, sie fürchte oder mir herbei sehne. Deswegen ist dieses Gefühl einer meiner Gründe, wenn nicht der Grund, und ich nenne es ‚Gott‘, also bei einem Wort, das die Menschen stets mit Bedacht in ihren Sprachen verwendet haben. Gott ja, manche leider auch nicht!

    Einfacher wäre es, stets unmittelbar von Freude, Spaß, Triumph, Angst, Furcht, Verzweiflung, Schmerz usw. zu sprechen, doch brauchen diese Worte immer schon einen Raum, der ihnen Sinn, Richtung, Färbung und Signalwirkung gibt, ein von Rändern gesichertes und umgebenes Innen, das ‚Gott‘ niemals beträte, da er darinnen seines Namens verlustig ginge. Wer wollte sich denn Gott auf den verhuschten Bildern einer Überwachungskamera vorstellen?

    So sind Kirchen in meinen Augen eben nicht Gelasse, Gefäße der Götter ihrer Erbauer, wir sollten sie besser Pforten nennen denn Gotteshäuser, zumal dieses Wort mir ihrer besonderen, oft befreienden Wirkung auf die von Kirchenmauern Umfangenen gerechter zu werden scheint als das Bild eines Hauses, das sicherlich noch aus Zeiten stammt, als die Kirchen handfest vor Welt zu schützen hatten.

    Die Staatsreligionen haben das Wissen um das Transzendierende ihrer Götzen sehr verschieden formuliert, als Bilderverbot, als Ein-Gott-Gebot, auch als Tabu und anderes mehr. Und sich immer bemüht, das eigene, strenge Gesetz ihres Anfangs später zu umgehen, da sie stets in einem wohldefinierten Innenraum lebten, dem Staat, dem Volk, dem Erdkreis, dem Imperium, der Partei u.a.m. – Kontinua eigener Machtvollkommenheit, wo hinein sie ihre Götter holen wollten und mußten, daß niemand sie dort anspucken dürfe. Was nie dauerhaft funktioniert, weil jeder vor einen Karren gespannte Gott diesen über Stock und Stein in die Wildnis hinweg reißt und umwirft!

    Daher, so denke ich, aus der Ermpörung dessen, dem das eigene Herz und die eigene Seele entrissen wird, rührt die ungeheure Gewalt der ewig wiederkehrenden Wellen des ‚religiösen‘ Fanatismus, der nie endenden Folge von Stiftung, Häresie, Schisma, Reformation und Restauration, wie auch der unerschöpflichen Energie der Menschen, die alles einreißen werden, was ihnen auf Dauer den Blick in sich selbst und von dort wieder in die Ferne verstellt.

    Religion ist eben niemals nur das Gewächs sozio-ökonomischer Wurzeln und nie gänzlich einzupferchen in die Programmkolumnen politisch-moralischer Gesundbeter. Ich verstehe sie als unveräußerlich, in dem strikten Sinne un-alienable, den die declaration of independence für life, liberty & pursuit of happiness fordert und verwendet.

    Wir können unseren Gott nicht weg geben, selbst wenn wir es wollten, ohne uns selbst weg zu geben, nicht einmal nur in der intellektuellen Versuchsanordnung einer ‚Weltanschauung‘. Typisch daher das oft so lebendige Gespräch über ‚das Glauben an Gott‘ mit oder gegen erklärte ‚Atheisten‘, das wohl kaum ‚religiöser‘ ausfiele, säßen einander Frömmler statt Zweifler gegenüber.

    Ohne Gott, und das heißt: ohne Religion, um zum Schluß zu kommen, bevor der geneigte Leser seine Augen um Erlösung flehend zu seinem ganz privaten Gott erhebt, kann ich mir daher lebendige Menschen überhaupt nicht denken. Gottlos sind wir nichts als Konsumenten und Warenhüter, Wähler und Staatsbürger, dem Verwaltungshandeln unterworfene und auf die Passform parametrischer Modelle reduzierte Homunculi.

    Und das Nähere, man kennt es ja, regelt der örtliche Schamane.

  17. Danke @Susanne, das hast du prima auf den Punkt gebracht, so erlebe ich mich, nicht als lebendiger Mensch, und in der Gesellschaft als Konsument und Homunkulus. Darum blödel ich bloß rum, wenn es um ein Wir geht, zu dem ich nicht zähle, und überlebe als Etwas, weil ich die Sprache leidlich nachäffen kann. „Du hast Wörter“, sagen sie, „du bist einer von uns.“ Dem Ara sagen sie das nie. Aber wehe, wenn der erste Schimpanse wie ich reden kann.

  18. „… alles, was Götter uns lehren, haben Menschen ihnen beigebracht …“

    @Dirk: Wowww … ICH bin beeindruckt: Was für ein Satz, was für ein Donnergrollen, was für ein gleißendes Licht. Wo hast du den her? Sag jetzt nicht, der sei von dir – dachte ich doch, die Philosophen sind schon alle tot (hab den Satz auch gleich in Google eingegeben -> nur eine einzige Fundstelle: diese hier – mit Bildchen von Claudia ;-).

    Ich frage mich, wie ein solcher Satz wohl in den Ohren eines tief religiösen Menschen klingen mag (so denn sein Geist willens und in der Lage ist, die Aussage dieser genial aneinander gereihten Worte zu erfassen)?

    Nein, „die Menschheit“ kann gewiss nicht auf Religion verzichten (zur Orientierung, zur Entschuldigung, gegen das schlechte Gewissen …), einzelne Menschen (ich gehöre auch dazu – schon immer, so lange ich denken kann) können es sehr wohl. Und ich tendiere zu der Annahme, dass unsere Welt eine bessere wäre, wenn der letzteren Gruppe mehr Individuen zuzurechnen wären. (Womit ich nicht sagen will, dass ich mich als Atheist für einen besseren Menschen halte). Aber ich denke, es würden mehr Menschen aufstehen und sich gegen Unrecht und Ungerechtigkeit, gegen das, was Menschen Menschen antun, erheben. Es gäbe weniger Denkfaulheit, Tabus und Begrenzungen (durch [Selbst] Denken ist noch niemand dümmer geworden; aber genau das ist es, was JEDE Religion implementiert und den Menschen zu suggerieren sucht.)

    Einen der (für mich, nur für mich wohlgemerkt) aussagestärksten Sätze über Religion habe ich vor Jahren mal im Blog von Wolf Schneider http://www.schreibkunst.com (neben vielem Sonderbaren und Inhaltsleeren, das dort auch geschrieben wurde), gelesen. Es ist ein (durchaus ernst gemeinter) Witz: Der Fürst und der Bischof stehen auf der Tribüne. Unter ihnen das versammelte Volk. Spricht der Fürst zum Bischof: „Halt du sie dumm, ich halt sie arm (oder der Bischof sprach zum Fürst; ich weiß nicht mehr, welcher von beiden der weniger Dumme war).

    Ich vermute, dass diese Sätze manchen hier Lesenden und Schreibenden überheblich anmuten werden. Ist mir aber egal. Und viel mehr fällt mir zum Thema Religion auch nicht ein. Nur nochmal Danke an Dirk für diesen tollen Satz.

  19. @Peter:

    „Ich vermute, dass diese Sätze manchen hier Lesenden und Schreibenden überheblich anmuten werden. Ist mir aber egal.“

    Dieses „egal finden, was die Anderen fühlen“ ist exakt das Defizit, dem nach Meinung von Thinkabout und Menachem mit Religion erfolgreich entgegen gewirkt wird – weshalb sie únverzichtbar für menschliche Gemeinschaft sei.

    Das ist jetzt keine „Rüge“ der Blog-Admin, schließlich schreibst du weitgehend sachlich und höflich. Aber du bietest punktgenau das lebendige Beispiel für das Thema, um das sich das Kommentargespräch dreht: wie kann man ein gedeihliches Miteinander gestalten? Konstruktiv, respektvoll, zugewandt, mitmenschlich?

    Wenn es keinen gemeinsamen „obersten Wert“ gibt, sondern diesen jeder für sich selber festlegt, dann sieht es damit wirklich schlecht aus. Nicht nur, dass wir so quasi gewungen sind, mit den meisten Menschen und Gruppen vorsichtshalber im Krieger-Modus zu verkehren. Nein, wir werden mangels gemeinsamer Werte von Großmächten verschiedenster Art wie Ochsen am Nasenring unserer wechselnden Bedürftigkeiten herum geführt. Nicht zur Schlachtbank, immerhin, sondern quer durch die Produktwelten, auf dass wir „verbrauchen“, damit da Wachstum sei. Und Profit.

    @alle: ich freue mich, dass das Gespräch trotz meines dünnen Einstiegs DANK EUCH noch so sehr an Gehalt gewonnen hat!! Zu vielem möcht‘ ich noch was schreiben – aber wohl nicht mehr heute Nacht!

  20. Ach @Claudia, das weißt du doch genau so gut wie ich, dass Religion keinen Deut zur „menschlichen Gemeinschaft“ beiträgt, dass im Namen von Religionen genauso Kriege, Machtkämpfe, Völkermorde begangen wurden und weden wie im Namen aller möglichen anderen Weltanschauungen. Oder glaubst du etwa, ein religiöser Mensch sei a priori friedvoller, mitmenschlicher, respektvoller etc. als ein nichtreligiöser?

    Ich denke, das ist eher eine Charakter- und Mentalitätsfrage als eine des „rechten Glaubens“. Und außerdem: Wo soll dieses von dir gepriesene „friedvolle Miteinander“ deiner Meinung nach hinführen? Ganz bestimmt nicht zu mehr Gerechtigkeit und einem selbstbestimmteren Leben im globalisierten Raubtierkapitalismus. Wohl eher zu einer unrealistisch-weltfremden Alle-Menschen-sind-Brüder-Utopie (dann stirbt die Menscheit halt irgendwann an der Seuche „Harmonie“ aus; und auch, weil sich Geschwister üblicherweise nicht miteinander verpaaren). Ist das eine bessere Alternative?

    Ein bisschen „Krieg“ muss, wie ich finde, schon sein. Bekanntlich kann nichts auf der Welt ohne seinen Widerpart, sein Gegenteil existieren und überleben, ergo auch nicht der Friede(n). Erkannten das nicht vor Marx (Dialektischer Materialismus) nicht auch schon die Anhänger Buddhas an? Oder irre ich da?

    Ich plädiere ja nicht dafür, irgend jemandem (hier in diesem Blog oder überhaupt) den Hals rumzudrehen. Aber vieles (hier und anderswo) ist mir in der Tat zu harmonieduselig und anderes – wie schon kundgetan – einfach egal (es sei denn, jemand bringt, so wie Dirk hier, ein paar richtig erhellende Geistesblitze ein).

    ;-)

  21. Ach @ Peter, natürlich glauben hier die Wenigsten, dass ein religiöser Mensch a priori friedvoller…. ist als ein nichtreligiöser. Dass das hier nicht explizit diskutiert wurde liegt mehr daran, dass das indiskutabel als vorausgesetzt gilt. Die Frage ist u.a. , ob Religion dahin führen kann, dass mehr Harmonie entstehen kann, ohne dass die Menschheit an dieser Seuche, wie du es beschreibst, ausstirbt?

    Denn in der Folge glauben wohl auch die Wenigsten, dass es eine Charakter- oder Mentalitätsfrage ist, ob wir Menschen friedvoller, mitmenschlicher… umgehen, sondern eine Erziehungsfrage. Da sind zumindest wir beide ganz gegensätzlicher Ansicht.

    Aber es ist so, @Peter. Auf einen groben Klotz, gehört ein grober Keil.
    Du schreibst gut, bist nicht dumm und haust gern auf die Kacke.

    Was ist denn aber bitteschön ein „bisschen“ Krieg? Ist das so etwas, wie ein „bisschen“ schwanger? So wie, ich tu dir jetzt weh, aber schlag bitte nicht so fest zurück? Wenn das jetzt zu persönlich wird, lade ich dich gerne zum weitern Diskurs auf meinen blog oder meiner email ein – denn:

    natürlich bist auch du harmoniesüchtig, vielleicht mehr als allen Anderen hier. Wäre es anders, wärst du nicht auf dieser Seite. Zum zoffen gibt es genug tausend andere Seiten.

    Und natürlich ist es dir auch nicht egal, was andere denken. Denn: Was egal ist, ist nicht wahrnehmbar. Ist es aber wahrnehmbar, ist es einem nicht egal.

    P.S.:
    Dieser Kommentar widerspricht meiner tiefen Einstellung einer sachlichen Diskussion. Die provokanten Thesen entspringen aber meiner Meinung nach eher dem Bedürfniss einer Orientierung, zu dem ich mich aufgefordert fühlte.

  22. @Peter:

    Zitat: Aber ich denke, es würden mehr Menschen aufstehen und sich gegen Unrecht und Ungerechtigkeit, gegen das, was Menschen Menschen antun, erheben. Es gäbe weniger Denkfaulheit, Tabus und Begrenzungen (durch [Selbst] Denken ist noch niemand dümmer geworden; aber genau das ist es, was JEDE Religion implementiert und den Menschen zu suggerieren sucht.)

    Gut gebrüllt, Löwe. Dann frage ich zurück: Was braucht ihr denn noch für eine Gesellschaftsordnung, dass Ihr so ganz langsam beginnt, den Beweis für Eure These anzutreten? Wir leben in einem säkularen Staat, kein Mensch wird, deklariert er sich als konfessionslos oder gottlos, geächtet, auf jeden Fall wird er keine Mühe haben, seinerseits gleich Denkende zu finden, einer Partei beizutreten, Einfluss zu nehmen. Es ist für mich genau das so sehr an jedem dem Religiösen sich entgegen stellenden Lebensentwurf so wahnsinnig enttäuschend: Es fehlt ihm die innere Energie und Überzeugung, für die vermeintlich bessere Welt wirklich mit Herzblut einzustehen. Oder sollte ich eher von Demut reden?

    Du sprichst selbst von den Auswüchsen der turbokapitalistischen Welt. Willst Du allen Ernstes behaupten, die Probleme, die wir uns in unserer regelfreien Wirtschaftsordnung eingebrockt haben, wären auf religiöse Verbrämung, egal welchen Ursprungs, zurück zu führen?

    Ich kann es nicht mehr hören, diese abschätzige Disqualifikation von Gutherzigkeit, Idealismus und, ja, auch Gottgläubigkeit. Es klingt für mich so, als würden Nicht Gläubige Religiöse für die eigene Desillusion verantwortlich machen. Hört endlich auf, über die angebliche Verblödung durch Autoritäten religiöser Herkunft her zu ziehen und gestaltet was Besseres, das auch noch Seele hat, indem ihr den freien Raum nutzt – und ihn belebt. Ich sehe davon erschreckend wenig. Religionen scheitern genau so an den Menschen, wie wir uns eine Weltordnung geben, die wir selbst verdienen. Wir gehören zu diesen Menschen, die ganz offensichtlich in sich so viel Hang zu mangelndem vernetzten Denken haben, dass wir an der blossen Logik immer scheitern werden. Die Sinnfrage ist kein Schachspiel, das man lernen kann. Es ist eine Erfahrungsreise, mit ganz persönlichen Antworten.

    Ja, der Satz, dass Götter das lehren, was ihnen Menschen beigebracht haben, ist ein guter, weil er stutzen lässt. Er bringt mich aber in keiner Weise aus der Fassung. Mein Gottesverständnis ist immer erst eine Reflexion, die aus meinem eigenen Selbstverständnis sich entwickelt. Das Besondere, das wirklich Erhellende geschieht danach: Es bleibt nicht dabei. Mein Glauben schenkt mir die starke Empfindung, in meiner Sinnsuche begleitet zu werden, in jedem Zweifel getragen zu werden und genau deswegen jederzeit fragen zu können: Glaube ich oder weiss ich? Zweifle ich oder behaupte ich? Erkenne oder phantasiere ich?
    Überlasse ich Gott die letzte Verzweiflung über uns Menschen, so kann ich in diesem Geist ein wenig länger daran arbeiten, meinen eigenen Beitrag nach meinem Grundverständnis nicht einzustellen, nur weil andere Dummköpfe einfach nicht kapieren wollen, was richtig ist und falsch. Denke ich so, so korrigiere ich mich gleich selbst, denn das ist überheblich und von einem Stolz, der keinem dient. Glaube lehrt auch Demut. Glaube kann sehr wohl bedeuten, dass man niemandem Vorschriften macht, man aber in seinem Denken und Fühlen auch von keinerlei Menschen mehr abhängig werden kann, weil man seine eigene persönliche spirituelle Wahrheit findet, die man vielleicht manchmal teilen kann, die aber in einem selbst wächst und zu etwas wird, das überall Gültigkeit behält: Wenn tausend Ja rufen, oder zehntausend Nein. Seine Bedeutung ändert sich für mich deswegen in keiner Weise. Es ist sogar, nach meiner persönlichen Erfahrung, sehr viel schwieriger, auf dem Boden der Wahrheit zu bleiben, wenn Applaus vorherrscht.

    Nach meiner Meinung gibt es gerade in religiösen Gemeinschaften unzählige spirituelle Geister, die sehr handfestes Zeugnis von der positiven menschlichen Kraft ablegen, bis zum heutigen Tag. Ich nehme sie mir nicht zum Vorbild, oder viel zu wenig. Denn sie handeln einfach nach ihrer Überzeugung und lassen uns hier von Gutmenschen schwafeln und die nächste Facebook-Gruppe gegen irgendwas auftun.

  23. „Es ist eine Erfahrungsreise, mit ganz persönlichen Antworten.“

    .

  24. @Peter: wäre die Lage so, dass wir in einer Welt voll „friedvoller Harmonie“ lebten, in der nur immer alle nett zueinander sind und Konflikte jeglicher Art gescheut und unter den Teppich gekehrt werden, würde ich dir zustimmen!

    Dem ist aber bei weitem nicht so! Auf den meisten Ebenen gilt „jeder ist sich selbst der Nächste“ und so sieht es in der Politik und insbesondere in Sachen Umwelt dann auch aus! Wir verfressen die letzten Ressourcen für lächerlichen Luxus und die nächsten 1000 Produkt-Diversifizierungen – nach uns die Sintflut! Geld/Rendite, Karriere, Status, Marktbeherrschung und als einzige Sehnsucht „the nex big thing“ – das sind die „Werte“ des derzeitigen, von keiner religiösen Gruppe tatsächlich irgendwie beschränkten „Weltgeists“.

    Eine Bakterienkultur in der Petri-Schale wächst, bis sie ihre Nährlösung verbraucht und durch ihre Stoffwechselprodukte die Umgebung vergiftet hat – dann geht sie zugrunde.
    Für mich sieht es so aus, als entwickle sich die Menschheit nicht viel anders.

    Wenn Religion dagegen helfen könnte, wäre ich bereit, beizutreten! Und ich muss Thinkabout Recht geben: wir „Weltlichen“ haben kein „anderes Rezept“.

    Ich stimme aber auch Dirks Spruch von den Göttern zu. Wir projizieren per Religion unser eigenes höchstes Potenzial nach außen, vielleicht weil es so einfacher scheint, den Geboten zu gehorchen als im inneren Nahkampf zwischen Gewissen und Ego, zwischen „ein bisschen Krieg“ und Mitfühlen/Mitsorgen.

  25. [Meine Fragen, nun:]

    Hat man einen Standpunkt, die Aussicht zu genießen oder die Welt aus den Angeln zu heben, kann man das Gute a) sehen, b) tun?

    [Mein Versuch, sie mit Textstatistik dieser Seite zu beantworten:]

    Sei selbst Gott. Menschen gibt der Glaube. Mensch ist die Religion. Man muss die Frage, genau wie viele andere, einfach glauben.

    Man braucht ein eigenes Gefühl, aber zum Glück geht das weg im Miteinander. Dazu gehen Gemeinschaften in die Geschichte ein.

    Die Menschheit bittet tatsächlich die meisten um Zugehörigkeit, alle besseren Namen. Und die Liebe liegt, sagt man, bloß daran, dass Gläubigen der Sinn nach Finden steht.

    Man könnte meinen, mit Religionen würde die Gesellschaft etwas erleben. Dinge und Texte helfen doch keinem. Zu leben ist dabei, das denk ich oft, einfach egal.

    Nein, keiner der Sätze ist richtig schlecht. Dank Claudia dafür. Jeder will nur nehmen, nie geben, nie gehen – so kommt man nicht ins Paradies.

    Das eigene Denken ist eher ein Thema, Wissen der Zeit. Die Götter aber brauchen Antworten, religiöse natürlich, das sehe ich lieber mal ein.

    „Danke, guter Beitrag!“
    „Gut gebrüllt, Löwe.“

    [Meine Verfahren liefern keine Antworten, sie machen bloß Spaß.]

    *
    ([Anhang: Häufige Reimwörter:]

    {Claudia Thema} – jeder weder – richtig wichtig – nie Energie – sowie Harmonie – sehe verstehe – Glück zurück – dabei frei – entgegen deswegen – warum Individuum – Baum Raum – erleben erheben – erhalten gestalten – jeden reden – Themen nehmen – schreiben bleiben – mal egal – Diskussion Religion – letzten setzen – meinen kleinen – stehen gehen – sollten wollten – seit Zeit…)

  26. Hallo Allerseits

    Wenn ich diese Diskussion so lese, denke ich, genau deswegen hat Buddha geschwiegen, als er gefragt wurde ob Gott existiere oder nicht. Er empfahl den Zuhörenden, erst ihren eigenen Geist kennen zu lernen, dies mit den verschiedensten Methoden, angepasst an den jeweiligen Geisteszustand des Praktizierenden.

    Wie ich es gelernt habe, lassen sich die drei Hauptaspekte des Buddhadharma wie folgt zusammenfassen:– Tue Heilsames vollumfänglich – Kannst du das nicht, schade wenigstens keinem Wesen – Zähme deinen Geist.

    Ganz stimmt es nicht, dass alle Buddhisten keine Wiedergeburt anstreben, da gibt es verschiedene Wege, im Mahayana-Buddhismus z.B. (China, Tibet, Korea, Vietnam) ist das letztendliche Ziel eines wirklich Praktizierenden eine freiwillige Wiedergeburt (allerdings nicht einer unabhängig existierenden individuellen Seele, sondern des Geisteskontinuums) um als Bodhisattva wieder Gestalt anzunehmen um den Lebewesen von grösstmöglichstem Nutzen zu sein.

    Auch stimmt es nicht, dass wir den Weg ganz alleine gehen müssen, da gibt es zahlreiche Menschen, die den Weg vor uns gegangen sind und diese haben Versprechen abgelegt zu helfen. In diesem Verständnis können wir diese Buddhas und Bodhisattvas anrufen oder wenn wir Glück haben, sind sie präsent im Körper einer jetzt lebenden Lehrerin oder eines Lehrers.

    Sorry, ich kann nicht so gescheit schreiben, aber vielleicht sind meine Ausführungen für den einen oder anderen ein wenig nützlich. Für mich ist dieser Weg sehr hilfreich, aber die Menschen sind verschieden, nicht jeder kann damit etwas anfangen.

    Einen angenehmen Sonntag wünsche ich Euch.

  27. Nicht gut schreiben kannst Du? Deine Präszisierung ist wunderbar klar.
    Und Du beschreibst das, was ich mit meiner verschrobenen Sprache als das bezeichne, das hinterher kommen darf, jenseits aller getriebenen Anziehung ins nächste Leid; den Moment, in dem bewusst zu allem ja gesagt werden kann, das meine innerste Wesenhaftigkeit ausmacht. Interessant, dass im Grunde in allen Religionen oder Glaubens- und Lebensdeutungsentwürfen diese Art Sendungsbewusstsein, die Einfügung ins Geleit für andere, Bruder- und Schwesterschaft, Teil des letzten Segens ist.

  28. – Es gibt keine anerkannte Definition des Begriffes „Religion“

    – Als „Religion“ bezeichnet man eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene, die menschliches VERHALTEN, HANDELN, DENKEN und FÜHLEN beeinflussen.

    Soweit wikipedia.

    Wenn das der große übergreifende Tenor der Religionen ist, dann frage ich mich schon:
    Warum wird das so vehement angefordert? Wäre es dem Menschen ureigen, es bedürfte keiner weiteren Silbe. Darüber hinaus meine ich auch, dass es sich dabei um extrem flüchtige Verhaltensweisen handelt, sonst müsste man sie wohl nicht, wie in einigen Religionen, in sehr strengen Ritualen immer wieder zum täglichen erklingen bringen.

    Auch wenn Religion und Gottesglaube eine ureigene und persönliche Angelegenheit sind, so glaube ich, braucht es den zwischenmenschlichen Austausch.

    Wäre ich z.B. ganz allein auf dieser Welt und würde in einen See schwimmen gehen, so könnte ich nach 100 mtr. schwimmen denken: Ich habe eine große Leistung vollbracht. Erst wenn ein zweiter Mensch ebenfalls in diesen See schwimmen geht, dann aber 50 oder 500 mtr schwimmt, erkenne ich, wo ich stehe. Für den eigenen Standort brauche ich den Vergleich. Wo ich noch üben muss, wo ich schon gut bin. Es ist eine Betrachtung der momentanen REALITÄT – die hier auf Claudia`s Seite auch in vielen Diskussionen zu einer Bewertung finden will.

    In der Religion meine ich die VISION zu empfinden, wie wir Menschen uns verhalten müssten, sollte das Zusammenleben mal irgend eines Tages das Gefühl einer „gerechten Welt“ in uns allen erzeugen können. Dabei ist es und bleit es für mich der Weg zum Ziel, der uns die Reichhaltigkeit und Fülle aufzuzeigen vermag. Erkennbar wird dies aber auch nur in der Ansicht der dunklen Machte.

    Zum anderen habe ich einmal in einem Hörbuch des Dalai Lama den Versuch gehört (ich höre meist Bücher), einen Begriff der Zwischenmenschlichkeit, den er aus seinen ersten Kindertagen im täglichen erleben kennt, in unser Verständnis und unsere Sprache zu transformieren. Er sagt selbst am Schluss, es ist nicht möglich.

    Passend dazu habe ich einem anderen Buch gehört, dass es im europäischen Kulturraum gleichfalls viel meditative Techniken gibt, die aber über die letzten Jahrhunderte in Vergessenheit geraten sind.
    So komme ich aus der Frage, wie lange braucht ein deutschprachiger, der in London lebt, bis er in english träumt:

    Warum sollen wir erst eine fremde Kultur und deren fehlerhaften Übersetzungen in uns verinnerlichen, wenn wir auch aus den seit Kindstagen tradierten Weisen die gleichen Möglichkeiten haben? Die Bereicherung, die wir aus fremden Kulturen erhalten, könnte in unsere einfließen. Sie muss sie aber nicht ersetzen. Ich glaube auch, dass wir uns in dem weiteren Absetzen mehr und mehr vom eigenen Kulturkreis entfernen und dabei etwas sehr wertvolles verlieren, dessen wir uns noch gar nicht so richtig bewusst sind.

  29. @Menachem:

    zur Frage

    „Warum sollen wir erst eine fremde Kultur und deren fehlerhaften Übersetzungen in uns verinnerlichen, wenn wir auch aus den seit Kindstagen tradierten Weisen die gleichen Möglichkeiten haben?“

    Haben wir nicht, jedenfalls nicht jede/r. Das Thema Meditation/geistliche Übungen wurde im Christentum „an die Allgemeinheit“ nicht tradiert, sondern allenfalls in der Abgeschiedenheit diverser Mönchsorden gepflegt. Heute gibt es hier und da zwar einzelne Initiativen, die diese „Disziplinen“ in Gemeinde-Kreisen wieder üben wollen, doch ist es dann eben eine „christliche Meditation“, die sich an ein DU, an Jesus oder Gott richtet, eine Versenkung mit Gebet also.

    Für mich als nicht Gottgläubige nicht machbar. Allerdings genauso wenig, wie eine tibetisch-tantrische Meditation auf „die grüne Tara“ oder gar „den 16.Karmapa“!

    Ich staune selbst, dass ausgerechnet der (in sich zerstrittene) tibetische Buddhismus, der uns in gänzlich fremde Vorstellungswelten führt, so beliebt ist!

    Der Dalai Lama ist ein weiser Mann, der viele berührt, doch glaube ich nicht, dass er für ALLES Buddistische sprechen kann. Weltreligionen verbreiten sich und verändern sich in der Aneignung durch die jeweiligen Adepten, es finden kulturelle Anpassungen und Neu-Interpretationen statt, die auch eine Wiederbelebung bedeuten können. So ist das Christentum in Lateinamerika am stärksten und ZEN wurde durch den Transfer in den Westen geradezu „gerettet“. (So hab ich es jedenfalls oft gelesen).

    Für mich persönlich sind die hierzulande von Theravada- und Zen-Lehrern verbreiteten Basis-Meditationen sehr viel zugänglicher als Christliche oder tibetisch-buddhistische Formen – und zwar, weil sie keine Religion/keinen Glauben voraussetzen, sondern der Verwirklichung geistiger Ruhe, Klarheit und der Erforschung menschenmöglicher Geisteszustände „abseits des Ichs“ dienen. (Die darüber hinaus gehende Metta-Meditation der „liebenden Güte“ müsste ich mir allerdings schon wieder ins Persönliche „übersetzen“, um sie mitvollziehen zu können).

    Alles, was man selbst erleben und nachvollziehen kann, ist m.E. gewiss kein „Übersetzungsfehler“, sondern hat aus sich heraus Substanz, die in unterschiedlichen Kulturen jeweils verschiedene Ausprägungen gewinnt.

  30. @Elfe: hab Dank für deine kurze und klare Erläuterung zum Boddhisattva-Ideal des Mahayana! Gleichwohl ist diese „angestrebte Widergeburt“ ein Opfer, ein Akt des Mitgefühls – nicht etwa das überleben- und weiterleben wollen des Egos, wie es Westler sich vielfach erträumen.

    Dass man sich nach der „Erlösung vom Rad der Widergeburten“ sehnt, kann ich mir auch selber nur so erklären, dass in der Entstehungszeit dieser Sicht der Dinge der Alltag weit mehr von LEIDEN geprägt war als unser heutiger in der wattierten Zivilisation entwickelter Industrienationen.

  31. […] in sich trägt. Doch möchte ich einen vorläufigen Abschluss für mich finden, angestoßen bei Claudia und […]

  32. @Claudia, es liegt mir sehr daran, noch etwas richtig zu stellen:

    Grundsätzlich glaube ich, dass es etwas ganz Tolles in den fernöstlichen Techniken zu erfahren gibt. Ich würde es gerne einmal erleben.

    Leider finde ich die Türe dazu nicht, diese mir fremde Welt aufzustoßen. Wenn ich im Internet in diesen Themen rumstöbere, gelange ich meist auf die Besserwisserseiten, die alles genau wissen, so nach dem Motto:
    Willst du dies oder jenes erfahren, dann musst du dies oder jenes tun.

    Da gehen bei mir sämtliche Klappen runter.
    WENN / DANN / MUSST DU

    Selten, wie auch z.B. aus deinen Zeilen, entnehme ich eine persönliche Erfahrung, die so ganz ohne das missionarische das eigene erleben beschreibt.

    Und so bitte ich meine (leichte) Agressivität vielleicht dahin gehend zu interpretieren, das hinter meiner Art des Trotzes mehr der Wunsch steht, über die Provokation mehr -und wahre – Intentionen zu erfahren.

    Vielleicht gibt es sogar eine Art der Agressivität oder der Provokation, die in der Diskussion nicht dem Angriff der Person/Sache gilt sondern mehr dem Wunsch entstammt, von der noch eigenen Oberfläche/Unwissenheit in die Tiefe der Dinge zu gelangen. Vielleicht!

  33. @Menachem: ich hab dich nicht als aggressiv wahrgenommen! Den eigenen Status Quo des Denkens und Meinens prägnant zu vertreten, finde ich nur normal – wie sollte sonst Austausch und gegenseitige Inspiration möglich sein?

    WENN / DANN / MUSST DU

    Nun ja, wenn du Natur erleben willst, wirst du das Haus verlassen müssen. Und wenn du abnehmen willst, wirst du dein Ess- und Bewegungsverhalten ändern müssen.

    Der Verweis auf Ursache/Wirkung ist es sicher nicht allein, der dich nervt! Ich finde auch die meisten „Spiri-Seiten“ für mich persönlich nicht gerade inspirierend. Wobei mich mehr der „Überbau“ stört, inklusive eines bestimmten „Jargons“. Da suchen oft Möchte-gern-Hirten nach Schafen – und ich bin keins.

    Ich habe etliches von dem erlebt, worauf andere ganz dolle spirituell-esoterische Weltsichten aufbauen – aber gerade WEIL ich es erlebt habe, weiß ich: die Erlebnisse sind real, doch sie fallen aus unserem üblichen Weltbild und unseren gewohnten Erklärungsmustern heraus. WAS ABER sollte mich dazu nötigen, die Deutungen anderer für wahr zu halten?

    Die DEUTEN auch nur, was rational unbeschreiblich ist. Derlei kann genauso als zufällig induziertes Botenstoff-Wirrwarr im Gehirn beschrieben werden, anstatt als „Beweis“ für irgendwelche Über-, Geistes- oder Jenseitswelten.

    Vor allem weiß ich: durch derartige Erlebnisse wird man nicht etwa ein besserer Mensch! Evtl. wird man kurz erhoben, inspiriert, motiviert, die eigene „Suche“ zu intensivieren – sobald sich das aber von der Arena „Alltag“ entfernt, ist es für mich nicht ehrenwerter als ein x-beliebieges anderes „Hobby“.

    Sobald ich mehr Muße habe, schreib ich sicher gerne mehr dazu.

  34. Huhu! ich will hier auf keinen Fall Streit anfangen. Zum Thema Religion stimme ich zu: Braucht kein Mensch. Also wenn ich an Religion denke, denke ich an das was die Kirche verbockt hat: Hexenverbrennung, Stopp für die Wissenschaft, etc.
    Aber was ich GLAUBE ist was völlig anderes. Zum Glauben brauche ich nicht die Kirche. Glaube bedeutet für mich, dass ich an Jesus Christus glaube und jaaa, auch an die Bibel. Es ist etwas Persönliches, eine Beziehung zu Jesus.
    Ich bin ein JESUS FREAK ;D

  35. Übrigens: ich bin per Zufall auf diese Seite gelangt. Hab mich aber gleich inspiriert gefühlt. Danke!

  36. @Christina:

    Du könntest noch ins Staunen kommen, in wie manchen Zeiten und Gegenden die Kirche eher eine Förderin der Wirtschaft war als eine Bremserin…
    Aber im Grunde möchte ich Dich noch auf etwas anderes hinweisen: „Religion braucht kein Mensch“, sagst Du?
    Wie hast Du denn persönlich von Jesus erfahren? Diese verteufelte Religion ist immerhin – in den verschiedensten Formen – auch die Transporteurin des Glaubensgutes. Und wenn Du begeistert davon erzählst, Du wärst ein Jesusfreak, dann mache ich Dich darauf aufmerksam, dass Du – im weitesten Sinn – damit Religion stiftest: Darunter kann man nämlich das Bedürfnis der Menschen verstehen, einen Glauben zu teilen und gemeinsam danach zu leben.

  37. Wohlstand, Sozialstaat und die Einstellung, „man (wer? Die Gesellschaft?) muss für mich sorgen“ fördern den Abschied, bzw. zumindest die coole Distanz, von Kirche und Religion.

    Kriege, ob militärisch oder Wirtschaftskriege, wird der Westen alle als Verlierer beenden, zumindest gemessen an den Zielvorgaben und dem praktisch Erreichbaren. Und das hat auch mit Glauben zu tun, mit einer akzeptierten Ordnung, mit einem Ziel, für das Leute rund um den Globus beten, ausser in Europa – konkret als markantes Beispiel in Deutschland.

    Erst wenn es vielen Leuten beschissen schlecht geht, wird der Glaube wieder Konjunktur haben. Übrigens ich gehe nicht in die Kirche zum Beten, glaube aber an eine Ordnung und Werte und fasse dies unter Religion zusammen. Kann auch ruhig zuhören, wenn christliche Kirchen verteufelt und Seelenmassagen-Sekten in den Himmel gelobt werden. Dies ist selbstverständlich auch zulässig, aber Stil und benützte Argumente lassen dann oft tiefe Blicke bei der intellektuellen Substanz und den Charaktereigenschaften zu.

    Mit dieser Erkenntnis sind mir nicht Leute ohne Glauben suspekt – die akzeptiere ich – sondern die erkennbare Dummheit und das damit einhergehende Dauerjammern über Gott und die Welt. Wohlstand fördert Faulheit, Dummheit und Eigeneinschätzung.

  38. Das könnt ich mir auch mal als interessante Diskussion vorstellen, @Relax-Senf:
    Wohlstand – Fluch oder Segen?

  39. Das könnt ich mir auch mal als interessante Diskussion vorstellen, @Relax-Senf:
    Wohlstand – Fluch oder Segen?

    welche art Wohlstand?
    jener, dessen Grundlage zig-Millionen „Währungseinheiten“ darstellt und die Verzinsung dem Wohlstandseigentümer lebenslanges Nichtstun ermöglicht?

    jener, der von Generationen Schritt für Schritt erarbeitet wurde, angefangen vom Räuber Hotzenplotz der dem Bischof Ichsagdirwas seine Säckel erleichterte und nicht den Armen sondern seiner Beutebude zueignete?

    jener, der seine Mitglieder faktisch zwingt, mittels Gesetzen, Regelwerken, internationalen Uebereinkommen und fortwährenden Kompromissfindungen den Status Quo zu erhalten?

    jener Wohlstand, der nichts mehr fürchten muss als die Veröffentlichung seiner Geschichte?

    oder im Gegenteil dazu der schlichte Wohlstand, „seine Ruhe haben zu können“, unbehelligt von Staat und Gesellschaft seine Jahre satt und zufrieden durchzubringen?

    Es gibt eine Menge Sorten von vorstellbaren „wohlständen“, fuer mich ist keine davon ist ohne Segen, keine ohne Fluch vorstellbar.

    „Ein Gespenst geht um in der zivilisierten Gemeinschaft, verflucht und segensbringend zugleich“

    :)
    in der tat, es könnte eine interessante Diskussion werden.
    gruss i.m.sz

  40. Wenn Menschen verzweifeln, haben Strohhalme Konjunktur? Binse. Was diskutieren? Auch macht Wohlstand nicht klagen, er lässt nur das Jammern albern erscheinen. O.k., das nervt. Oder geht es um das, was Staeck mal so sagte: „Nur die Armut gebiert Großes“? (Hier im Shop, dass er nicht hungert.) Gewiss wären die Zeiten interessanter, wenn es keinen Sozialstaat gäbe. „Mögest du in interessanten Zeiten leben.

    „Wohlstand – Fluch oder Segen?“ – schriebe Claudia noch einen inspirierenden Artikel, vielleicht fiele mir was ein. So denke ich nur: Wär mir mein Wohlstand ein Fluch, ich würfe ihn weg. Wär er ein Segen, ich versuchte, ihn zu erwerben. Bestimmt habe ich mich längst entschieden und mein Wohlstand ist (nach meinen Fähig- und Möglichkeiten) das Ergebnis davon.

    Ob ich anderen ihren Wohlstand nehme, sie zu zwingen, so zu werden, wie sie mir besser gefallen, scheint mir außerhalb der Tyrannenschule bloß ein zynisches Spiel.

  41. Mir gefiele es schon, könnten Menschen sich stets zwischen Wohlstands-Bauch und Hunger-Ödem entscheiden.
    Leider ein frommer Wunsch, schaffen sie es doch selten zu verhindern, daß beide zwischen Menschen unterscheiden.
    Und zu oft bescheiden sich Menschen damit zu glauben, das geschähe aus Gründen einer Religion.

  42. Liebe Claudia ich wollte mich eigentlich aus diesem Thema raushalten.
    Es gibt Menschen die brauchen eine Religion, weil sie noie gelernt haben zu Denken.
    Die meisten Menschen kommen via ihrer Familie zu ihrer Religion und gtrauen sich nicht diese zu hinterfragen.
    Jahrhunderte des anlügens durch die Kirche geht nicht Spurlos an den Menschen vorüber, die Menschen in unserer Kultur sind verunsichert und suchen nach einer neuen Autorität die es so nie geben kann.
    Die Wahrheit, wenn es so eine gibt ist immer in uns selber und nie ausserhalb von uns.Was Jesus und Buddha erfahren haben ist etwas, was jeder in sich selber finden kann, sofern er sich die Zeit nimmt und konsequent nach seinen Erkenntnissen lebt
    Liebe Grüsse zentao

  43. @Susanne
    Netter whohlmeinender Versuch, die beiden Themen besser zu verbinden. Aber ich halte es mit Dirk: Der Ruf nach der Wohlstandsdebatte geht mir an dieser Stelle am Sinn vorbei, verwirrt mich mehr, als dass ich ihn hier angebracht fände. Und: So, wie die Allgemeinheit über Wohlstand bei uns diskutiert, macht allenfalls deutlich, dass sie ihr Glück über die (noch) bestehenden Verhältnisse nicht würdigen und einordnen kann. Also, hier zumindest, von mir kein weiterer Beitrag dazu. Versprochen.

  44. @Zentao

    Du weisst, wie sehr ich Dich schätze. Aber Dein Kommentar hier ärgert mich einfach nur.

    Zitat: „Es gibt Menschen die brauchen eine Religion, weil sie nie gelernt haben zu denken.“

    Sorry, aber diesen Satz finde ich eine Frechheit, und er kommt meist von Leuten, denen es komplett an Respekt für Andersdenkende fehlt (oder Glaubende), also typischerweise nicht von Dir. Darin kann ich mich und mein Verhältnis zur Religion überhaupt nicht wiederfinden, mein Lieber. In der Berührung mit Religion ist mir persönlich mein Denken immer angeregt und beflügelt worden.
    Witzig, dass Du dann auch gleich Jesus und Buddha ansprichst: Zwei Grössen, deren Leben und Überzeugungen Religion und Lehre begründeten. Warum also nicht in der Religion den Helfer sehen, der es uns sogar erleichtern kann, uns auf die Essenz dieser Lehren einzulassen?

    Der Pfarrer meiner Jugend hat mir durch die Art, wie er Glauben lebte, das Denken nicht verbarrikadiert, sondern mich im Gegenteil zum Denken gezwungen. Als Vertreter seiner Religion. Weiter sprichst Du selbst von Erfahrungen. Man kann diese Erfahrungen sehr wohl auch als Mitglied einer Religion machen. Ich möchte nicht wissen, wie manche Schrift, die Dir in Deinem Leben schon weiter geholfen hat, Dir ohne eine Lehre oder Religion, die sie bewahrte und transportierte, gar nie hätte zugänglich werden können.

    So, und nun bin ich des Themas endgültig müde geworden. Für mich ist hier Schluss.

  45. Ihr Lieben,

    habt Dank für Eure weiteren Resonanzen, die ich sehr inspirierend finde. Seid versichert, das Wohlstandsthema kommt!
    Diese Woche hab‘ ich mich erstmal vom Mega-Text erholt, den ich in den letzten Monaten zu bearbeiten und Dienstag abzugeben hatte. Zum Schreiben war mir da erstmal nicht mehr so zumute! :-)

    @Thinkabout: ich kann gut verstehen, dass du dich geärgert hast! Vermutlich spielte ZenTaos Einleitungssatz („ich wollte mich eigentlich aus diesem Thema raushalten.“) auf genau solche Divergenzen an, die zwangsläufig früher oder später auftreten, wenn es um Religion geht.

    Zweifellos gibt es „viele Menschen“, die rationales Denken und Philosophieren über Religion niemals tradiert bekommen haben: sie glauben, was Familie und Kultur eben mitgeben, vollziehen die Rituale, bringen die Opfer (z.B. Blattgold auf Buddha-Statuen kleben bis sämtliche Konturen verschwimmen – und das in bitterarmen Ländern!), bemühen sich mehr oder weniger, den Geboten zu folgen und das wars.

    Auch gibt es eine Art begeisterte Gläubigkeit, die sich vom Denken mutwillig verabschiedet und alle Befragung nur mit missionarischem Predigen beantwortet, wahlweise wird der Kontakt gemieden und schlimmstenfalls ist man der Feind. Das können Evangelikale, Jehovas Zeugen, Salafisten, Jesus-Freaks, Pietisten, orthodox-radikale Juden oder Scientologen sein – ein rationaler Diskurs ist da „mit vielen“ einfach nicht möglich.

    Ich wette, ZenTAO hat solche „vielen“ gemeint, nicht aufgeklärte Christen wie dich (oder z.B. auch Antje Schrupp).

    @Zentao: Oder?

    @alle: wir sprechen hier als Menschen aus demselben Kulturkreis miteinander, die sich zudem nicht zum ersten Mal mit friedlichen Absichten diskutierend „treffen“ Wenn WIR es schon nicht hinkriegen, das Thema zu beenden, ohne „beleidigt auseinander zu laufen“, wie sollte es dann die Weltgesellschaft jemals schaffen??

    Um die Frage aber wieder von „uns“ abzuheben: Wie soll das gehen? Wie kann man miteinander Frieden halten (bzw schaffen), wenn ein rationaler Diskurs von vielen verweigert / nicht gekannt / nicht gekonnt / nicht gewollt wird?

  46. @Claudia, erstmal herzlichen Glückwunsch zu deiner Fertigstellung Buchprojekt. Ich war ja ganz zu anfang deines vega-blog-projectes der meinung, das interessiert nur wenige – das wird nichts. Ich freue mich ganz riesig für dich und für mich, das ich da ganz falsch gelegen habe. Für dich und dein Buch sowie für mich – das ich noch weit entfernt der Allwissenheit bin. Probieren geht halt über studieren. Das war mir alten Hund nochmal ne`richtige Lehre :)

    In diesem Sinne wäre es ja wahnsinnig interessant und klasse, wenn wir NICHT aus demselben Kulturkreis kämen und miteinander diskutieren könnten. Ich glaube wir würden sehr schnell erfahren, in welch kleinkarierter Welt mit vorgegebenen Wegen wir uns bewegen. Es würde uns vielleicht viel offener machen für Menschen aus einer anderen Erlebens-,Denk- und Wertewelt.

    Deine Frage, Claudia, „Wie soll das gehen?“

    Nun, ich bin der Meinung: üben, üben, üben – und kein Misserfolg, wieviele und wie hart sie auch sein mögen, sollte uns von dem Wunsch abbringen können, es DENNOCH schaffen zu wollen:

    Ein Miteinander, indem nicht jeder jeden verstehen kann, damit würden wir uns wahrscheinlich überfordern, aber ein Miteinander in Frieden, Toleranz und Respekt.

  47. @Thinkabout
    es tut mir Leid, dass meine Worte Dich geärgert haben. Möglicherweise sind meine Worte etwas hart formuliert. Es mag stimmen, dass Menschen in der Religion Trost finden,und das ist gut so. Es ist ja nicht unbedingt die Religion, welche unnötig ist, es sind eher die Kirchen, auf welche man verzichten müsste, inklusive aller Sekten und Hassprediger. Dass es da auch gute Kräfte gibt, das will ich gar nicht bestreiten. Die negativen Kräfte beherrschen heute leider diese Kirchen.Es ist die Religion, welche missbraucht wird zum Leid ihrer Gläubigen. Bedenke Jesus war kein Christ, er war ein Erkennender, ein Erleuchteter. Auch Buddha war kein Buddhist, das beweist mir, dass jeder Mensch,tiefe Erfahrungen machen kann, sofern er bereit ist, in sich zu gehen, stille zu werden und das wird sein Leben verändern.
    Religion bedeutet in sich gehen und das kann man auch ohne Kirche und auch Erfahrungen der Verbundenheit mit einer universellen Kraft sind auch für gewöhnliche Menschen möglich. Über die Kirchen nachzudenken, aber auch was in unserer Gesellschaft geschieht, war noch nie so nötig wie in der heutigen Zeit. Wir haben wirklich verlernt wie man über etwas Nachdenkt. In der heutigen Zeit, wird soviel nachgeplappert und das eigene Denken ausgeblendet.
    Seit 18 Jahren praktiziere ich die Zen-Meditation, das ist auch eine Form von Religion aber ohne eine Kirche, nur still sitzen und mich selber nicht so wichtig nehmen. Auch ich glaube an eine Energie oder Kraft, was auch immer.
    Weil dieses Thema so kontrovers ist wollte ich mich da raushalten,weil es sehr schwer ist mit klaren Worten, so zu schreiben, dass ich niemanden verletze, es ist so wie es ist und nochmals, ich wollte Deine Gefühle nicht verletzen, es tut mir leid.
    Liebe Grüsse zentao

  48. @zentao
    Wir lassen es gut sein. Nur noch so viel:
    Warum verallgemeinern wir alle so unsäglich?
    „Die Kirche“. „Die Religion“.
    Trifft man darüber Aussagen, liegt man damit automatisch ausserhalb vieler Erfahrungen vieler Menschen.
    „Die Kirche“ kann auch einfach eine funktionierende, lebendige Gemeinschaft einer Gemeinde rund um ein Gotteshaus mit einem wunderbaren Pfarrer sein.
    Mir ist auch egal, ob Jesus Christ war oder Zeuge Jehovas. Nicht egal ist mir, dass mir das Christentum seine Lehre näher gebracht hat.

    Der zweite Teil Deines Mails belegt einen weiteren Aspekt, unter dem ich manchmal richtig körperlich und seelisch leide: Wir haben gelernt, uns der Autorität der Kirchen (und anderen) zu entziehen – aber wir schaffen keine Inhalte. Wir gewinnen Freiheit und nützen sie nicht. Wir sind davon gelaufen ins Leere.

  49. „Only bad news are good news“ – nach diesem Motto wird auch meist das Handeln der Kirchen betrachtet. Das widerspricht dem Grundsatz der Fairness.

    Justitia hat zwei Waagschalen – die vor jedem Schuld- oder Freispruch mit allen bekannten Argumenten zu befüllen sind. Für uns persönlich würden wir es fordern, vehement.

    Da fehlt nicht nur ganz viel Wissen, bereits die Bereitschaft es sehen zu wollen ist vielfach nicht vorhanden. Das liegt am Betrachter und an denen, die berichten.

    Durch „schweigen“ erweitern wir das Wissen darüber nicht.
    Das ist in der Gesellschaft, in der Gemeinschaft nicht anders wie in der kleinsten zwischenmenschlichen Einheit, der eheähnlichen Beziehung.

    Wenn dort einer anfängt zu schweigen, sich zurückzuziehen, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses Leben dann nicht mehr die Bezeichnung „Beziehung“ verdient. Was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn das Modell würde?

    Und dass die Menschen es anders wollen, zeigt doch zumindest facebook, twitter,…. der große Wunsch, sich mitzuteilen, sich auszutauschen.

    Missverständnisse bleiben dabei nicht aus, @zentao, aber auch Erfolge. So gibt jeder dazu – was er kann.
    So finde ich z.B. den Vergleich, den Thinkabout zum Thema Olympia und Religion geschrieben hat, eine tolle Erweiterung meiner Perspektive, die ich so – ohne diesen Beitrag – nicht gesehen hätte. Für mich eine Bereicherung. Für einen Olympiafan vielleicht nicht.

    Da fängt für mich die Diskussion erst an. Sie hört dort NICHT auf.

    Was wollen wir denn mit all unseren Gedanken machen? Sollen sie sich endlos im Labyrinth unserer Synapsen verlieren? Dann wären sie nutzlos.

    Sie werden uns in irgendeiner Weise prägen. Und so wie sie uns prägen, werden wir uns verhalten. Und wenn wir das immer nur mit uns allein ausmachen, erhalten wir nicht die Chance der Korrektur.

    Dass ich hier in den letzten Beiträgen so viel Kommentare geschrieben habe, liegt in den aufgeworfenen Themen, die immer eine sehr breite Palette der Interpretationen ermöglichen. Toll.

    Sie packen und beschäftigen mich. Denn ich weiß, ich habe noch sehr viele Defizite. Und ich weiß, damit bin ich auch nicht allein. Sie gehen tief in die alten gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen. Vorbilder, an denen ich mich in dieser Veränderungsdynamik – und richtung orientieren könnte, finde ich nur spärlich. Und deswegen versuche ich auch in diesen Diskussionen, Wege für mich zu finden, wie z.B. auch in den neuen „Freiheiten“.

    Ein ganz neues und ungewohntes Terrain. Das Kapitel wird noch harte Arbeit. :)

  50. @Menachem: hab Dank für dein wahrhaftiges Engagement für Frieden und Miteinander. Toleranz, die nur Ignoranz als „Kriegsvermeidung“ kennt, KANN NICHT DIE LÖSUNG SEIN in einer Welt begrenzter Ressourcen.

    Klingt vielleicht blöd, aber ich denke wirklich: wenn WIR es schon nicht schaffen, in dieser fast-nur-virtuellen, gar nicht sehr fordernden Nischen-Kommentarstrecke mit „ähnlich Gesinnten“ – wer dann?

    @Thinkabout: „Warum verallgemeinern wir alle so unsäglich?“ fragst du.

    Als lange schon Schreibende sag ich dazu: es ist ganz unerträglich, jeden Begriff schreibend/denkend auch immer gleich relativieren zu sollen. Nicht „Männer“, sondern „die meisten Männer“…. oder dann doch lieber „viele Männer“? Ist das nicht auch schon zu diskriminierend? Vielleicht eher „mache Männer“ – hm, aber was sagt das dann noch, wenn ich etwas Konkretes über spezifische Aspekte der Genderproblematik benennen will?

    Das nur als Beispiel.

    „Der zweite Teil Deines Mails belegt einen weiteren Aspekt, unter dem ich manchmal richtig körperlich und seelisch leide: Wir haben gelernt, uns der Autorität der Kirchen (und anderen) zu entziehen – aber wir schaffen keine Inhalte. Wir gewinnen Freiheit und nützen sie nicht. Wir sind davon gelaufen ins Leere.“

    Daraufhin hab ich die zweite Hälfte von ZenTaos Kommentar nochmal gelesen:

    „Religion bedeutet in sich gehen und das kann man auch ohne Kirche und auch Erfahrungen der Verbundenheit mit einer universellen Kraft sind auch für gewöhnliche Menschen möglich. Über die Kirchen nachzudenken, aber auch was in unserer Gesellschaft geschieht, war noch nie so nötig wie in der heutigen Zeit. Wir haben wirklich verlernt wie man über etwas Nachdenkt. In der heutigen Zeit, wird soviel nachgeplappert und das eigene Denken ausgeblendet.
    Seit 18 Jahren praktiziere ich die Zen-Meditation, das ist auch eine Form von Religion aber ohne eine Kirche, nur still sitzen und mich selber nicht so wichtig nehmen. Auch ich glaube an eine Energie oder Kraft, was auch immer.“

    und verstehe nicht, was du meinst. Ist für dich „Leere“, was Zentao sagt?

    Inwiefern?

    Ich könnte natürlich spekulieren, was es ist, das dich stört. Was wenig mit dir zu tun haben mag… jeder Text stösst ja Assoziationen an, die aus der persönlichen „Filter-Bubble“ stammen, kaum vom Gegenüber.

    Aber sei’s drum: Ich denke, dich stört das „In-Sich-Gehen“, das Zentao als Weg zur Erlösung/Erleuchtung propagiert.

    Sitzen und „tiefe Erfahrungen machen“ klingt auch wirklich verdammt individualistisch: als ginge es darum, nur den persönlichen Seelenfrieden (Befreiung vom Leiden, Erleuchtung etc.) zu erringen.

    Sowas kann einen herz-engagierten aufgeklärten Christen schon ärgern! (Mittlerweile verstehe ich das und teile sogar die Intention, ohne ein Selbstverständnis als „Christin“).

    Buddha und seine Lehre steht für mich für die „innere Befreiung“ und den Weg dahin (damals hatte man auch nicht so viel Wahl und Macht!). Das „Ich“, der/die „Leidende“ wird quasi aufgelöst – einerseits sprachlich-logisch-wissenschaftlich, andrerseits mittels meditativer Erfahrungen, in denen das abgegrenzte Ich keine Bedeutung mehr hat, sondern im Gegenteil als Hemmnis/Illusion erkannt wird.

    Beides zusammen macht den Buddhismus im Westen so exorbitant kompatibel! (quer durch die Strömungen, vom quasi-katholischen Ritualzirkus des tibetischen Buddhismus bis hin zum westlichen Neo-Zen).

    Jesus repräsentiert dagegen die Urform des westlichen Gefühls potenzieller Weltbeherrschung und Gestaltung: Er wendet sich NACH AUSSEN, gegen die Pharisäer, gegen die damals „unter Rom“ herrschenden jüdischen Traditionen in ihrer dekadenten Form – für mich ist er eine Art Luther in seiner Zeit!

    Übrigens genau wie Siddhartha Gautama, der später als Erleuchteter/Erwachter tradiert wurde. Auch er hat gegen die bramahnisch-hinduistische Denkwelt opponiert, die sich alle so schön bequem eingerichtet hatten in ihrem „Atman = Brahman“ und der „Seelenwanderung“.

    Für mich sind diese beiden „Religionen“ notwendige und sich ergänzende und brauchende Sicht- und Erlebnisweisen. Um im AUSSEN positiv wirken zu können, braucht es ein Absehen-können vom Ego. Wie man das erlebend hinbekommt, vermittelt der Buddhismus – psychotechnisch, wenn man so will.

    Genau daran mangelt es dem Christentum (wie ich es kenne). Da interessiert es nicht, wie man dahin kommt, Jesus folgen zu wollen – man muss/soll einfach folgen und glauben.

    Gleichzeitig antwortet diese Art „Weltbewegung“ auf eine Dekadenzerscheinung des „inneren Wegs“: wenn ich da ganz individuell die Befreiung erlangen kann – warum sollte mich dann das Elend des Rests der Welt interessieren?

    Genug für jetzt. Aber nicht für lange… ! Gerne hätte ich irgendwann in einer solchen Diskussion auch engagierte Muslims und (religiöse) Juden – die erzählen könnten, wofür IHRE Sicht der Dinge in diesem Kontext steht!

  51. @Claudia
    Um Himmelswillen, liebe Claudia,Du bist mit Deiner Annahme, was mich stört, komplett auf dem Holzweg! Ich stelle zentaos Haltung, Praxis und persönlichen Umgang mit Spiritualität in keiner Weise in Frage. Mich frappierte ja gerade deswegen die Pauschalität seiner Aussagen zur Religion. Nein, Auslöser war, wenn schon, der Satz:

    „Wir haben wirklich verlernt wie man über etwas Nachdenkt. In der heutigen Zeit, wird soviel nachgeplappert und das eigene Denken ausgeblendet.“

    Hier befinden wir uns auf dem gemeinschaftlichen Feld der Diagnose des „Wir“, der Gesellschaft. Und ich glaube, dass dieses Denkerfordernis heute trotz aller Möglichkeiten weniger praktiziert wird als je…

    Wie Du glaubst, dass mich als Christ irgend ein Weg der individuellen Meditation stören könnte:

    „Sowas kann einen herz-engagierten aufgeklärten Christen schon ärgern!“

    ist nochmals falsch. Denn auch mir helfen solche Ansätze weiter. Nein. Es geht mir nur um die verallgemeinernde Aussage, dass Religion nur was für Dumme sei, dumm mache oder womöglich gar Dummheit fördere.

    Wie gesagt: Ich mag nicht mehr und kann nicht mehr weiter diskutieren. Ihr könnt aber sicher sein, dass ich mich genau so wenig vor den Karren einer Religionsgemeinschaft je spannen liesse: Ich habe im Gegenteil überhaupt kein Problem mit tausend Wegen zu verlässlichen Antworten. Und es wäre wirklich toll, wenn alle diese scheinbar so eigenständigen Selbstdenker genau diese Toleranz auch aufbrächten.

  52. […] fördert Faulheit und Dummheit“ schrieb ein Leser in den Kommentaren zum letzten Artikel, der die Frage stellte, wofür es Religion braucht. Erst wenn es den Leuten […]

  53. […] 6. Juli 2012 hat Claudia Klinger ein Thema entführt:  bei Thinkabaut Bienen-im-kopf mit dem Titel braucht der Mensch […]

  54. […] 6. Juli 2012 hat Claudia Klinger ein Thema entführt:  bei Thinkabaut Bienen-im-kopf mit dem Titel braucht der Mensch […]

  55. […] Einstieg finde mach’ ich’s mal wie Claudia und entführe eine ältere Textstelle aus ihrem „Digital Diary“ als Aufhänger hierher. „Ich kann nicht begreifen, dass die jeweiligen Erzählungen von der […]