Claudia am 08. Januar 2010 —

Kino-Erfahrung: AVATAR 3D

Wow, was für ein Film! Noch heute beim Aufwachen standen mir die spektakulären Bilder vor Augen, anscheinend hab‘ ich gleich noch davon geträumt. Von der irrsinnig übersteigerten „Natur“ auf Pandora, wo die Berge in der Luft schweben, Blätter und Bodenpflanzen geheimnisvoll leuchten, Bäume kilometerhoch wachsen und die schlanken, ranken, starken und hübschen Einwohner so mystisch-naturverbunden auf ihren Drachen reiten.

Dazu der aufs Schärfste ausgewalzte Kontrast zu den „Himmelsmenschen“ der technischen Zivilisation, die für irgend ein teures Gestein die ganze Schönheit in Schutt und Asche legen wollen, weil die Gesetze nun mal so sind (der Börsenzyklus, Rendite binnen 3 Monaten etc. – wir kennen es!). Und zwar mit wahrlich martialischen Flug- und Kampfmaschinen, die alles übersteigen, was ich in älteren Filmen je zu Gesicht bekam!

Die immerselbe Sündengeschichte „Gute Wilde, die im Einklang mit der Natur leben, werden von bösen Ausbeutern mit Herzen aus Stein angegriffen“ hämmert Hollywood hier ein weiteres Mal meisterlich in die Seelen der Zuschauer. Da stört es nicht besonders, dass die Gegenwehr mit Pfeil und Bogen gegen vielfach gepanzerte Kampfhubschrauber zuerst lächerlich scheitert, später aber mit genau denselben Bögen das Panzerglas der Angreifer locker durchdrungen wird. Und die schönen Humanoiden und Avatare: mit Bäumen und Drachen verbinden sie sich mittels ihres wundersamen Haarschopfes, wenns aber um die Liebe geht, ist auf einmal wieder KÜSSEN und die „klassische“ Vereinigung angesagt – wirkt hier seltsam spießig.

Egal – ich war hin und weg! Die Brille störte nicht und das Auge gewöhnte sich alsbald an 3D: anfänglich waren schnelle Sequenzen eher stressig, Schriften auf mehreren Entfernungsebenen nervten, doch ging das schnell vorüber und ich tauchte ein in die bunte Pandora-Welt, fast als stünde ich drin. Weiter vorne wäre es noch drastischer, da „randloser“ gewesen, das wollte ich mir aber nicht gleich zumuten und hatte einen Platz in der hinteren Hälfte gewählt.

In der Pause empfand ich angesichts der bombastisch übersteigerten und unglaublich detailreich ausgemalten „Natur“ auf Pandora eine Art liebevolle Solidarität zu unserer alten, so viel weniger spektakulären Erde. Wie sollen sich Kinder und Jugendliche, die solche irrwitzigen Bilder sehen, noch an einer realen Landschaft, an weniger mystisch-leuchtenden Pflanzen und normal hohen Bäumen freuen?

Wie in den meisten Geschichten dieser Art gibt es im „Aufbruch nach Pandora“ keine Zwischentöne: Gut und Böse sind eindeutig zugeordnet, unsere Sympathie gehört den hübschen Pandora-Bewohnern, die als Davids gegen den modernen Techno-Goliath antreten müssen. Und während deren Stammes-Leben gezeigt wird, frage ich mich, wie viele der Zuschauer, die das jetzt toll finden, wohl wirklich Lust hätten auf soviel eingebundene Gemeinschaft? Mit dem Volk, dem Clan, mit Vater, Häuptling, Schamanin und der „großen Mutter“, deren Anbetungsritual alle Arm in Arm in Massenmeditation versammelt?

Mit mir bitte nicht! Ich, die real existierende post-postmoderne Berlinerin, bin in diesem Film nicht repräsentiert. Denn ich bin nicht Fisch, nicht Fleisch, will weder zerstören um des Profits willen, noch will ich dauernd nackt durch wundersame Wälder streifen, in denen mich von allen Seiten ständig irgend etwas anfallen kann. Ich sitze gern im mittelwarmen Arbeitszimmer und schaue in meinen Monitor, der mir zeigt, was vorgeht – genau wie die „Himmelsmenschen“ (die bösen, unzweifelhaft amerikanischen Marines) an ihren transparenten Halbrundmonitoren und Tablet-PCs. Und ebenso gern verbinde ich mich im vom Bundeskleingartengesetz vor Usurpatoren geschützten Garten mit den Bäumen, allerdings nicht mittels meiner Haare, sondern durch tätiges Pflegen, Mulchen, Erde lockern und bewundern.

Für eine zweieinhalbstündige Kino-Erfahrung ist „Avatar 3D“ jedoch ein Erlebnis, das ich gerne empfehle. Dass die Story ziemlich platt ist, hat mein Vergnügen kein bisschen gestört. Mensch besteht ja nicht nur aus Großhirnrinde…

*

Siehe auch:
Avatar in 3d – Glutreste zwischen den Sitzen;
Avatar: Der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten in nur 20 Tagen;
James Cameron stellt das Universum auf den Kopf – und wie!;
Verriss: AVATAR – langweiliger kann Kino kaum sein;
When Will White People Stop Making Movies Like „Avatar“?

Diskussion

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8 Kommentare zu „Kino-Erfahrung: AVATAR 3D“.

  1. der Film ist mit Pause? In jedem Kino? Mist, ich hatte mal gesagt, ich weigere mich, in Filme zu gehen, die eine Pause haben. Ich will doch dann in der Welt sein und nicht ZACK zwischen Nachos schlabbernden und zu spät-wiederkommenden Getränke verschüttenden Leuten mich wiederfinden, die eh schon nach ner halben Stunde sich meist fragen „wie, ohne Werbung?“.

  2. Hi Claudia, ging mir genauso, der Film war umwerfend und die platte Blockbuster-Story störte nicht, vielleicht weil sie gar so arg übersteigert ist. M.E. verdankt sich die Wirkung des Films dem Umstand, dass man die der Erfahrung in einem anderen Körper nachvollziehen kann, mit der 3D-Brille auf der Nase schwindelte es einen, wenn sich der Na’vi-Avatar mit seinem Drachen in Tiefe stürzt. Zur Grenzerfahrung mittels Avatar hatte ich vorher schon was auf der Hyperbaustelle geschrieben.
    @chräcker: In Nürnberg hatte der Film keine Pause!
    Gruß urb

  3. […] Blog-Artikel zum weiterlesen fuenf-filmfreunde.de: Avatar: Der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten in nur 20 Tagen claudia-klinger.de: Kino-Erfahrung: AVATAR 3D […]

  4. Genau so ist es! Man lässt sich doch bloß gerne in diese Stimmung hineinmanipulieren!

    Die Gesellschaft der Navi ist stark hierarchisch aufgebaut, so können die Anführer quasi alleine über Leben und Tod entscheiden. Die Rollen für Frauen und Männer scheinen über weite Teile vorgegeben und nicht wandelbar. Die Krieger müssen sich erst ihren Platz unter extremer Lebensgefahr verdienen und sind vorher anscheinend noch keine wertgleichen Lebewesen.

    Zudem ist das eine Gesellschaft mit extrem hoher sozialer Konvention sowie peer pressure, in der Individualität und eigene Wünsche kaum einen Raum haben, das fängt bei den arrangierten Hochzeiten an und hört bei der normierten Kleidung noch lange nicht auf.

  5. So wie die Na’vi möchte auch ich nicht leben. Ich denke aber nicht, dass Cameron sie als Vorbild zeigen will. Es geht eher darum, ob sie leben dürfen, wie sie es wollen. Darum, dass es leicht fällt, einem Leben, das anders ist als das eigene und als man es will, wenig Wert beizumessen – und danach zu handeln, wenn ein Nutzen (hier Rohstoffe) dazu kommt. Straßen und Schulen bietet die Firma im Film und auf der Erde wohl Dokus, wie sie Gutes tut für die Bewohner von Pandora. Das ist eine durchaus aktuelle Botschaft in Zeiten der Kriege in aller Welt ‚für Demokratie, Menschenrechte und Bildung‘.

    Leider kann ich mich am netteren Leben nicht nur freuen, wenn ich weiß, dass wir es uns nicht leisten können, immer Menschen brauchen, anderswo, in der Zukunft, die die Zeche zahlen, froh zwar, dass es so ist (in Deutschland sicher besser als je), aber ich wäre, wäre ich religiös, wenig überrascht, wenn darauf Hölle stünde. Und, ganz im Ernst: es ist gut, dass ich aus dem Haus gehen kann, ohne dass ein wildes Tier mich anfällt – aber auch fad, nichts anderes zu versuchen, als Bälle höher zu werfen als andere. Auf die Dauer sehr fad.

    Ich habe den Film dank des Technikinteresse meines Sohnes gesehen und war angetan von Stäubchen, die durch den Raum zu schweben schienen. Das war’s aber auch. Bald hatte ich kein 3D-Gefühl mehr, sah einfach den Film. Den fand ich so fehlerhaft nicht (dass schwere Pfeile von oben Glas brechen, von unten nicht, glaube ich gern, dass Körper nicht wider ihre Anatomie sich fortpflanzen, sobald sie ein weiteres Organ haben, auch), aber viel zu wiederverwertend. Ich kannte alles schon, jede Szene, jeden Satz, jedes Bild-Arrangement. Da sich derzeit auch Gedichte so lesen, darf ich es wohl nicht ‚geklaut‘ nennen, eher ’sich in die Filmgeschichte einschreibend‘, meinem Sohn gefiel es, ein Wiedererkennungsspiel, ich fand es langweilig.

    Eine Anmerkung zur Schwarz-Weiß-Zeichnung. Ja, keine Zwischentöne. Die Wirklichkeit ist anders. Dennoch gibt es das eindeutig Böse und oft ist keineswegs unklar, was das Richtige wäre – doch all diese Filme, Romane usw. nützen nichts – legt die Bank ein neues Schwindelprodukt auf, rennen ihre Vertreter los, es erfolgsorientiert zu verkaufen und verdrängen ihr Gewissen, dass sich tatsächlich rührt, bis zum Herzinfarkt, will die Arbeitsagentur mal ‚ein bisschen Druck‘ machen, tun ihre Sachbearbeiter das eben, wird das gefährliche Medikament verboten, weigert sich kein Angestellter, an der Umgestaltung für weniger kontrollierte Märkte mitzuarbeiten. Vielleicht funktioniert es sogar so, dass man in derlei Unterhaltung sich als der Gute mitträumt – und das genug ist für das echte Leben, in dem man dann ’nichts machen kann‘.

  6. Danke Dirk, für deine Sicht auf den Film! „Einfach genießen“ ist wohl wirklich nicht so dein Ding! ;-)

    Die erste Botschaft kam ja so fett rüber, dass ich die nicht extra noch besprechen wollte. Wiederholungen hab‘ ich nicht bemerkt, außer dass die Story natürlich zigmal schon in anderer Gestalt erzählt wurde. Und klar, fliegende Drachen sind nicht neu in der Menschheitsgeschichte! Ich bin aber auch nicht so ein Film-Freak: die selbstreferenziellen Bespiegelungen / Zitierungen in den Genres interessieren mich nicht: wer DARIN seine Freude am Film findet, so kommts mir vor, ist fürs berührt-werden durch die Story verloren. Ich dagegen lass mich reinfallen und mitnehmen wie ein Kind – nur im Hintergrund ist ein bisschen Beobachtung der eigenen Empfindungen und Gedanken. Der Ansatz zum späteren drüber schreiben.

    Was „das Richtige“ angeht: ist es nicht toll, wie Obama heute den Bankern angesagt hat, er wolle jeden Cent Steuergeld binnen 10 Jahren zurück haben, den die Bankenrettung gekostet hat?

    Sowas passiert auch noch… ich fürchte, Merkel & Co. werden ihm nicht nacheifern.

  7. Schön dass Obama das behauptet hat aber in zehn Jahren wird er bestimmt nicht zu der Führungsspitze gehören und soll einander diesen Job erledigen… Zurück zu den Film, ich hab auch fast nur positive Bewertungen gelesen über diesen Film. Mit Avatar hat Cameron ein neues Genre geschafft.

  8. Ich geh heute rein in 3d