Claudia am 12. Oktober 2009 —

Lieber Jamaika als Co-Ministerpräsident Lafontaine

Ja, das kann ich gut verstehen – und ich nehme mal an, es war der ausschlaggebende Faktor, der zur klaren Mehrheit von 78% für das schwarz-gelb-grüne Bündnis an der Saar geführt hat.

Aber auch inhaltlich scheint es durchaus Gründe zu geben, denn was die GRÜNEN jetzt schon ‚rausverhandelt haben, ist nicht von schlechten Eltern: Keine neuen Kohlekraftwerke, Abschaffung der Studiengebühren, „echte“ Gesamtschulen und Unterstützung des Atomausstiegs durch das Saarland. Dazu zwei Ministerämter, nämlich Bildung und Umwelt (samt Energie und Verkehr) – das ist schon eine ganze Menge, doch wäre all das evtl. auch mit rot&rot drin gewesen. Über die Details DIESER Verhandlungen erfahren wir wenig.

Bundespolitisch hätte es auf jeden Fall „besser ausgesehen“, wenn jetzt mal irgendwo ein rot-rot-grünes Bündnis zustande gekommen wäre. Wenn sich das aber in der Praxis am Verhandlungstisch als nicht machbar erweist, sollte man es nicht um jeden Preis fordern. Persönlich hab‘ ich mich lange schon vom Lager-Denken entfernt und finde bei allen im Bundestag vertretenen Parteien Gutes und Schlechtes – gewählt hab‘ ich diesmal die Piratenpartei. Die Zeit der festen Bindungen, auch an mein altes „grünes Milieu“ ist definitiv vorbei.

Ziemlich unglücklich finde ich allerdings, dass die GRÜNEN an der Saar offenbar vorher allzu deutlich Richtung rot-rot-grün agitiert haben – ich hab‘ das gar nicht so genau verfolgt. „Politikwechsel“ ist ja ein dehnbarer Begriff und sagt noch nichts über konkrete Koalitionen – trotzdem gab es wohl genug Anti-Schwarz-Gelb-Kampfansagen, um nun mit dieser Entscheidung ziemlich blöd dazustehen. Insofern verstehe ich auch diejenigen, die sich jetzt aufregen, dass aus rot-rot-grün nix wird.

Andere Stimmen:

Entscheidung im Saarland (taz);
Jamaika im Saarland – jenseits der Erregung (till we *) . Blog);
Saarland: Der Grünen-New-Deal mit CDU und FDP (Nachdenkseiten);
Die Umfallerpartei (Schockwellenreiter);
Jamaika im Saarland. Ein dritter Umbruch im deutschen Parteiensystem? (Zettels Raum – lang!);
Das schnelle Ende eines eingebildeten politischen Frühlings (Oeffinger Freidenker);

Diskussion

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4 Kommentare zu „Lieber Jamaika als Co-Ministerpräsident Lafontaine“.

  1. Die populistischen Wahlplakate der Linken muss man nicht mögen, es ist allerdings fraglich inwiefern dieser Zusammenschluss dem Ideal, dem Bild von den Grünen schaden könnte – während im Bund Schwarz-Gelb den Atomausstieg rückgängig zu machen sucht.

    Auch ich habe mich bei der Wahl für die Piraten entschieden. Der neue Wankelmut auf Bundesebene bestärkt diese Entscheidung, auch wenn meiner Meinung nach rein formell jede demokratische Partei mit einer solchen koalitionsfähig sein müsste.
    Allerdings sollte dieser möglichst den Wählerwillen wiederzuspiegeln suchen.

  2. Ich bin gespannt, was aus den Piraten wird! Ihr bisheriger Erfolg verdankt sich nicht allein den (nötigen!) Inhalten, sondern ganz wesentlich ihren Strukturen.

    Hier ein guter Artikel dazu:

    * Die Zukunft der Piratenpartei http://ff.im/-9H5Gh

    Den Weg von der Basisdemokratie hin zur „Verräter-Partei“ haben DIE GRÜNEN in voller Länge und in großem, ehrlichen Engagement durchschritten – so komisch das jetzt für einige Leser klingen mag.

    Für mich ist sonnenklar: es liegt NICHT an den Leuten, sondern daran, dass gewisse Strukturen bisher unumgänglich waren, um als Partei agieren zu können. Reine Basisdemokratie macht schnell handlungsunfähig, denn die Welt wartet nicht auf den Konsens einer diffusen flukturierenden Gruppe, die nach Bockprinzip diskutiert.

    Es wäre KLASSE, würden sich bei den Piraten im Lauf der Zeit neue Strukturen bilden, die Basisdemokratie und Handlungsfähigkeit verbinden können – und es ist nicht damit getan, halt ein paar Wikis und Foren aufzusetzen und alle endlos reden, streiten und rumtrollen zu lassen.

    Bin gespannt, was sich da so entwickeln wird…

  3. Ich stimme dir zu. Basis- oder direkt-demokratische Strukturen sind ein anzustrebendes Ideal. Ja nur ein Ideal, dass auf die Realität bestmöglich angepasst werden muss. Schließlich wusste Rousseau, auf den derartige Ideen zurück gehen, dass es eher Götter als Menschen bedürfe, wolle man reine Direktdemokratie etablieren.

    Abgesehen davon, wäre es im Hinblick auf sinkende Wahlbeteiligungen und einer gewissen Parteienverdrossenheit wichtig, die Bürger wieder mehr in politische Fragen einzubinden. Solange die politische Klasse bereits bestehende direkt-demokratische Mittel, wie z. B. Online-Petitionen, schlicht ignoriert, sind noch viele Anstrengungen nötig. Und leider ist die Umsetzungen von Entscheidungen in einer Demokratie von Natur aus langsamer, als dies den meisten Menschen lieb ist (insbesondere, wenn sie ausschließlich die BILD lesen).

  4. „Basisdemokratie und Handlungsfähigkeit“ gibt es nur alleine und in Gruppen, die durch Liebe verbunden sind, anstatt durch „Strukturen“.