Claudia am 27. Juni 2009 —

Der Körper als Produkt: Michael Jackson

Was gerade rund um den Tod von Michael Jackson abgeht, erinnert mich an den Tod von Lady Di: Gestern abend ließ ich den Fernseher im Hintergrund laufen und hörte über Stunden immer wieder und wieder diesselben Berichte rund um „Jacko“: die möglichen Ursachen seines Todes, sein Leben, seine Werke, seine geplante Mega-Tournee und vieles mehr. Offenbar ist ein Gott gestorben, doch war es nicht der meine, so dass ich mit der allgemeinen Erregungswelle nicht mitschwimmen kann.

Und doch ist mir Jackson immer mal wieder aufgefallen: nicht mit seiner Musik, sondern mit seinen exzessiven Schnippeleien am eigenen Gesicht, die letztlich zur Optik einer Art alters- und geschlechtslosen „Barbie-Puppe“ führten, die in Nichts mehr der Person ähnelte, die er zu Beginn seiner Laufbahn gewesen war.

All die Fans schien das nicht die Bohne zu stören, was mich wunderte! Klar, die Musik ist das Entscheidende, könnte man sagen, nicht das Aussehen – aber so sachlich sind Fans im Allgemeinen nicht gestrickt. In jungen Jahren hätte es mich schon ziemlich angenervt, hätte sich z.B. Bob Marley auf „weiß“ trimmen oder Mick Jagger seine Lippen „harmonischer“ gestalten lassen.

Und Jacko beließ es ja nicht bei der Korrektur des einen oder anderen vermeintlichen „Fehlers“: die Metamorphosen seines Gesichts umfassten wahrlich erschreckende Stadien, in denen er aussah wie eine ägyptische Mumie, jedoch etwas „verschnittener“. Alles in allem machte er durch sein Beispiel mal wieder schlagend klar, dass Geld und Erfolg alleine nicht ausreichen, um ein in sich ruhendes Selbstbewusstsein zu gewinnen. Er fand sich offenbar nicht schön genug, auch wenn Hunderttausende ihm wieder und wieder zujubelten.

Forever young!

Er war gerade 50, als er starb. Und mal ehrlich: schon „50“ passte ja so gar nicht zu ihm, wenn man ihn so ansah. Er wollte wohl dem Mythos des Pop entsprechend, „forever young“ bleiben – es wundert mich nicht wirklich, dass er nicht NOCH älter wurde.

Neben seinem musikalischen Werk hat er wesentlich daran mitgewirkt, dass es heute schon als normal gilt, das eigene Aussehen nicht mehr als Schicksal anzusehen, mit dem man sich bestmöglich zu arrangieren hat. Der Körper ist zum Produkt geworden, dessen Gestaltung wir mehr und mehr selbst bestimmen, ja zunehmend bestimmen MÜSSEN, um im allgemeinen Trend zu gleichförmiger „Schönheit“ mithalten zu können. Aufgespritzte Lippen, weggesaugtes Fett, korrigierte Augenlider, gebotoxte Falten, künstliche Brüste und all die anderen Dienste der Schönheitschirurgen werden so normal wie der Gang zum Frisör.

Ich bin froh, dass mich dieser Trend nicht mehr erfasst! Zwar ist meine Generation durchaus Zielgruppe der Schönheitschirurgie, die mit dem Versprechen lockt, die Zeichen des Alterns zu entfernen und so zumindest die Optik „ewiger Jugend“ zu erhalten. Das aber will ich gar nicht, denn ich habe meine Jugend gelebt, genossen, erlitten und sogar manchmal zu ausschweifend zelebriert – und das heißt auch: es reicht! Es ist jetzt spannender, das Altern zu erleben und andere Qualitäten zu genießen als die, die ein glatter, straffer, junger Körper vermitteln kann. Ist ein solcher gar nur „zusammen geschnippelt“, ist das Ergebnis nichts als eine schwer wartungsbedürftige Illusion, mit der man sich zudem alle Chancen nimmt, Gelassenheit gegenüber dem Altern zu erlangen.

Michael Jackson hatte keinen Bock aufs Altern. Er starb also mit 50, fast schon ein wenig spät für einen „King of Pop“.

Diskussion

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13 Kommentare zu „Der Körper als Produkt: Michael Jackson“.

  1. […] Und aus gegebenem Anlass ein weiterer Tipp: Der Körper als Produkt: Michael Jackson. […]

  2. den letzten satz kann ich nur voll und ganz unterschreiben.

  3. Mal von Jacko in deinem Beitrag abgesehen.
    Ich glaube,so weit sind wir nicht in den Jahren auseinander und da fiel mir dein Satz mit der Gelassenheit auf.
    Wie ist es?:
    Bekommt man mit dem Alter die Gelassenheit, als Folge des Alters und der Lebenserfahrung, als einen aktiven Selbstgestaltungs-Prozess oder
    kommt die Gelassenheit mit dem Alter, als passiver und biologischer Normalprozeß, um mit dem älter werden klar zu kommen und angemessen damit umzugehen?

  4. Hallo Claudia,
    auch ich möchte Deinen Gedanken „Gelassenheit“ aufgreifen.

    Man wird gelassen, mit dem Wechsel der Orientierung von der „äußeren“ hin zur „inneren“ Anerkennung.Dies geschieht meist mit zunehmendem Alter, wobei nicht das Alter selbst, sondern die sich wandelnde Sicht auf Grund von Lebenserfahrung, Denkfähigkeit und Denkrichtung ausschlaggebend sind ( nach meiner Meinung ).

    Jackson ist eine solche Entwicklung offenbar verwehrt geblieben – er und seinesgleichen tun mir leid. Ja, ich gehe so weit zu sagen, diese Leute haben ihr Leben vertan.

    „Geld und Erfolg alleine reichen nicht, um ein in sich ruhendes Selbstbewusstsein zu gewinnen“ – ja, aber sie schenken die Zeit, um über sich und das Leben nachzudenken zu können. Diesen Gewinn aus Geld halte ich für den größten.

    Erst das Nachdenken über die unendliche Vielfalt des Lebens, das vielfältige Erkennen und Verstehen seiner Wunder, macht aus Individuen erst Menschen.

    Armer Jackson, wofür hat er gelebt – Nachruhm ist eitler Tand.

    Gruß Hanskarl

  5. @Menachem: schöne Frage, doch eine von der Art, die wir niemals werden beantworten können, da wir keinen Standpunkt außerhalb der Versuchsanorndung einnehmen können – weil wir es selber sind.

    @Hanskarl: Immerhin hat er die Musik seiner Zeit und auch die zugehörige Bühnenshow revolutioniert. Auch ohne selbst Fan zu sein, nehme ich doch war, dass er offenbar in seinen Künsten sehr bedeutend war. Wundert ja auch nicht: hinter großer künstlerischer Intensität steht oft ein sehr beschädigtes Individuum. Wäre er „normaler“ gewesen, hätte er der Welt wohl nicht diese Show geboten.

    Zur Gelassenheit: aus meiner Sicht erlangt man sie aus der Erfahrung des Scheiterns und der Integration des eigenen Schattens. Dadurch verschwinden die Scheuklappen, die es braucht, um sich selber immer bei den Guten zu verorten (und das Böse den Anderen anzulasten, die es dann zu bekämpfen gilt). Man sieht mehr vom Ganzen, überfordert weder sich noch andere mit hehren Ansprüchen und relativiert die Übel, die einem widerfahren („es gibt Schlimmeres..“). Eigentlich eine feine Sache, denn das Befinden ist um Klassen besser als zu Zeiten des ehrgeizigen Strebens. Doch Vorteil ist Nachteil, wie Cioran so treffen sagte: Der Elan, sich auf eine Seite zu schlagen und zu kämpfen, nimmt – entsprechend dem Zuwachs an „Sichtweite“ – drastisch ab.

    Es ist also gut, dass wir Menschen irgendwann wegsterben – egal, wie weise wir geworden sein mögen. Die einsichts- und liebevolle Schau auf das, was ist, ist nun mal nicht das, was LEBEN voran treibt. Geist ist bionegativ, hat mal ein Philosoph gesagt – und ja, das ist was dran!

  6. @Claudia Wieso können wir denn „keinen Standpunkt außerhalb der Versuchsanordnung einnehmen, nur weil wir diese selber sind“ liebe Claudia? Das menschliche Vorstellungsvermögen bietet die Möglichkeit, jeglichen Standpunkt einzunehmen, zu hinterfragen und zu erforschen, sich ihn zu Eigen zu machen oder eben nicht.

    Was Menachems Frage angeht, so sind selbstverständlich BEIDE von ihm angeführte Möglichkeiten als Ursache sich einstellender Gelassenheit im Alter denkbar. Warum soll das eine das andere ausschließen.

    Lebenserfahrung und gut reflektiertes Denken kann Gelassenheit von innen, von geistiger Ebene bringen. Beim passiven biologischen Normalprozess des Alterns wird eine Gelassenheit eher kontinuierlich vom Körper „erzwungen“, im besten Fall zumindest. Genauso gut kann sich auch Resignation, Verbitterung, Depression und ähnliches einstellen.

    Zu Jacko gab es übrigens einen sehr kurzen, treffenden Kommentar, der eigentlich so ziemlich alles sagt.

    Kein Popstar hat jemals Zustand und Verfall unserer Welt besser verkörpert.

  7. @Hermann:

    „Das menschliche Vorstellungsvermögen bietet die Möglichkeit, jeglichen Standpunkt einzunehmen, zu hinterfragen und zu erforschen, sich ihn zu Eigen zu machen oder eben nicht.“

    siehst du denn wirklich das Dilamma nicht? du bist damit nicht „außerhalb“ sondern exakt im Rahmen der Versuchsanordnung: das menschliche Vorstellungsvermögen kann nicht sich selbst objektiv betrachten. Zum Beispiel weiß man als alternder Mensch nie, ob man recht hat mit dem Eindruck, dass vieles sich verschlechtert – oder ob das nur die alterstypische Fehlsichtigkeit ist, die dem „früher war alles besser“ nachhängt. Es gibt keinen Standpunkt „drüber“, von dem aus man die „Wahrheit“ erkennen könnte.

  8. Hallo Claudia,

    ich stimme Herrmann zu: „Lebenserfahrung und gut reflektiertes Denken kann Gelassenheit von innen, von geistiger Ebene bringen“

    Unter Gelassenheit verstehe ich den Richtungswechsel der Abhängigkeit von „äußerer“ zur „inneren“ Anerkennung. „Der Elan, sich auf eine Seite zu schlagen und zu kämpfen, nimmt – entsprechend dem Zuwachs an “Sichtweite” – drastisch ab“ ist sicher richtig, hat aber mit Gelassenheit nichts zu tun, im Gegenteil.

    Gruß Hanskarl

  9. @Claudia,

    sehr schön: „Es gibt keinen Standpunkt “drüber”, von dem aus man die “Wahrheit” erkennen könnte.“

    Meinst Du damit eine „Objektive Wahrheit“?

    Falls ja, frage ich Dich: Gibt es eine objektive Wahrheit? Kann jemand nachweisen im Besitz einer objektiven Wahrheit zu sein? – Ich schätze mal, die Antwort lautet „Nein“ und folgere munter weiter, dass insofern einzig das „subjektiv als wahr erlebte“ die für jedes Individuum gültige Wahrheit ist.

    Und wie gesagt: Seine eigene subjektive Wahrheit kann man erfahren, wenn man sich etwas Mühe gibt und allein das zählt für mich.

  10. Jackson rockt einfach die Hütte: seht euch mal das Video an

    http://www.youtube.com/watch?v=p2nTSbHfJvk&feature=related

    oh yeah

  11. Damit hätten also alle Alten recht damit, dass früher alles besser war. Aber ebenso die Jungen, die auf das „früher“ nur kopfschüttelnd schauen, das „heute“ schnellstens hinter sich lassen und gerne alles anders, nämlich besser haben & machen wollen.

    Also doch beide nicht, bzw. nur teilweise. Die philosophische Frage, ob überhaupt eine Wahrheit existiert, die beides umfasst, ergibt interessante Gedankenspiele, doch ohne jede Relevanz: ob es eine Wahrheit „gibt“, wenn ich sie doch nie erkennen kann, ist für mich bedeutungslos.

    Eben WEIL wir keinen Standpunkt „außerhalb“ haben, können wir von WAHRHEIT kaum je sprechen.

    Um meine subjektive WAhrheit zu erfahren, brauch ich mich übrigens nicht anstrengen – jedenfalls empfand ich das nie so. Die subjektiven Wahrheiten sind im Gegenteil immer schon da, sie sind die mentale Seite des Lebens.

  12. Wenn wir uns darum bemühen wissen wir irgendwann wo wir ungefähr sind. Das ist alles. Manche machen daraus eine Botschaft und nennen es weise. Tatsächlich geht*s aber nur um unsere eigene Reise…

  13. Hallo an Alle,
    mit „der Wahrheit“ sehe ich das so, es gibt nicht „die Wahrheit“ weil die Menschen individuell und einzigartig sind. Für mich gibt es in Folge dessen „Wahrheiten“ aber halt nicht „die Wahrheit.“

    Zu Michael Jackson:
    Dieser Mann hatte eine nicht leichte Kindheit. Zudem wurde er als Kind, von seinem Vater, für die Bühne „gedrillt“. Meines Erachtens war Michael Jackson ein Mensch, der schon zu Lebzeiten „tod“ war. Ein Mensch, der niemals Kind sein konnte und durfte. Eine zerbrechliche Seele. Zudem ein „Schwarzer“ und er wollte nicht so aussehen wie sein Vater weil er nicht „sich selbst“ leben, (SEIN) konnte. Mit seinem Aussehen im Zwiespalt. Er bekam halt nicht „die Liebe“ die er so dringlichst benötigte. Wie sollte er sich da selbst lieben?

    Sicherlich war er Kindern sehr zugetan, wobei ich persönlich bezweifel, dass er jemals eines davon mißbrauchte. Die Medien „zerissen “ ihn.

    Zwischendurch die vielen Op´s. Dieser Mann brauchte keinen Chirug, sondern einen Psychologen. Durch Michael Jackson haben sich viele die Taschen ebenso füllen können.

    Dieser Mann hat Menschenmassen mit seinem Tanz und seiner Musik bewegt und geprägt.

    „Ein Fred Astaire der Popmusik.“

    Ein Genie, welcher ein unglaubliches Charisma besaß, für meine Begriffe war er allerdings der „einsamste Mensch“ auf Erden.

    Jetzt hat er endlich seinen Frieden gefunden.