Claudia am 27. Juni 2007 —

Ist Arbeit nur Mittel zum Zweck??

Im Webtagebuch „Einschau“ lese ich gerade mit großem Interesse, was der freiberuflich als Lehrer tätige Autor über seine Arbeitserfahrungen schreibt. Im Beitrag „Die Missachtung des Prinzips der Bezahlung“ geht es darum, wie mit größerer Nachfrage nach den eigenen Dienstleistungen umzugehen ist: Alles annehmen und dann entsprechend in Stress geraten? Oder doch lieber die Preise erhöhen?? Und warum fällt Letzteres so schwer?

In schonungsloser Offenheit seziert Götz seine Motive: die Angst, mal nicht mehr genug Aufträge zu bekommen, die dazu treibt, jeden Auftrag anzunehmen, aber auch das schöne Gefühl, gebraucht zu werden, sowie die Freude an der Arbeit selbst und an den guten zwischenmenschlichen Beziehungen, die im jeweiligen Bereich entstanden sind.

Soweit kann ich alles gut nachvollziehen, doch mit den auf die Analyse folgenden Bewertungen und Schlussfolgerungen hab‘ ich ein Problem. Götz möchte nämlich die freudige Identifikation mit der Arbeit ABLEGEN und allein das Geld, das dabei heraus springt, als „Gegenwert“ gelten lassen. Das ist das „Prinzip der Bezahlung“, nach dem Wertschätzung sich ausschließlich durch Geld ausdrückt – eine Sicht, der ich mich nicht anschließen mag. Wörtlich schreibt er:

„Voraussetzung für das Prinzip der Bezahlung ist, dass ich all die Identifikationen mit der Arbeit, die ich oben nenne, fallen lasse, und die Arbeit als das sehe, was sie ist: eine Arbeit, die Mittel zum Zweck ist und kein Selbstzweck. Ein Wert, den ich leiste für Gegenwert. Mir scheint, dieses Gefühl, dass meine Tätigkeit mir zum ersten Male im Leben sinnvoll vorkommt und auf meine Fähigkeiten zugeschnitten ist, mich euphorisch und damit anfällig für Identifizierungen macht, mit der Implikation, dass ich meine eigenen Interessen außer Acht lasse.“

Wäre Arbeit mir nur „Mittel zum Zweck“, hätte ich auch eine Angestellten-Laufbahn wählen können und mir eine möglichst gemütliche Nische suchen. Dort würde ich die täglichen acht Stunden freudlos ‚rumbringen bis endlich der Feierabend anbricht, wo ich dann endlich zum „eigentlichen Leben“ komme – wie auch am Wochenende und im heiß ersehnten Urlaub.

Während der Jobs meiner Stundentenzeit konnte ich solche Arbeitssituationen zur Genüge besichtigen, um zu wissen: Nicht mit mir! Ich will vor allem FREUDE an der Arbeit haben und die verspüre ich nur, wenn ich große Freiheit bei der Wahl der Tätigkeit und der Art ihrer Ausführung habe. In der Arbeit erfahre ich mich selbst, meine Fähigkeiten und Grenzen, deren Erweiterung mir immer wieder spannende Abenteuer beschert. Arbeit, an der ich KEINE Freude habe, lehne ich ab, egal, wie viel Geld damit zu verdienen ist – sonst wär‘ ich gewiss Immobilienmaklerin geworden!

Ein Spruch, der mir immer gut gefallen hat, heißt: „Ich arbeite nicht, um Geld zu verdienen, ich brauche Geld, um zu arbeiten.“ Dem kann ich mich anschließen, denn wenn mein Lebensunterhalt gesichert wäre, würde ich genauso viel und intensiv wie jetzt arbeiten – eben weil das, was ich da tue, für mich geliebte und geschätzte Beschäftigungen sind, die mir viel geben, auch ganz jenseits der Bezahlung. Ich arbeite eben nicht nur „für Gegenwert“, sondern zu einem erheblichen Teil aus Freude am Tun.
Allerdings: ich würde dann vor allem an EIGENEN Projekten (und frei gewählten Vorhaben anderer, die ich mir zu eigen mache) arbeiten, wo keine beengenden Auftraggeber-Wünsche die Freiheit meines Tuns beschränken. Die Bezahlung ist also quasi das „Schmerzensgeld“ für diese Beschränkung, und dem entsprechend ist mir ihre Höhe umso unwichtiger, je größer meine Freiheit im Rahmen eines Auftrags bleibt.
Das ist ein Empfinden, das – weiter gedacht in Richtung Gesellschaft – eigentlich dazu führen müsste, dass stark reglementierte Tätigkeiten höher bezahlt werden als weitgehend freie, kreative Aufgaben. Verrückterweise ist es genau umgekehrt, also befinde ich mich hier in Widerspruch zum Üblichen und neige tendenziell zur Selbstausbeutung. Götz‘ Problematik ist mir ja wie gesagt nicht fremd, nur seine Lösung gefällt mir absolut nicht!

Binden und lösen

Ich bin gerne mit meiner Arbeit identifiziert, doch kann ich auch einen Schritt zurück treten und mir das Ganze „von außen“ ansehen und mit allgemein üblichen Honorar- und Auftragsbeziehungen vergleichen. Ein lebenskundiger Gestalt-Therapeut, der mir einst viel Nützliches beigebracht hat, hat dazu gesagt: „Man muss sich identifizieren können, aber auch wieder loslassen“ – eine moderne Formulierung des uralten magischen Vermögens, „zu binden und zu lösen“.

Auf die Identifikation kann und will ich nicht verzichten, denn sie ist die Bedingung bzw. untrennbare Folge der Freude an der Arbeit. Aber ich kann sie auch lösen, kann neben mir stehen und diese Freude bewerten: Wieviel „Abschlag“ ist mir die Sache wert, um die es geht? Oder positiv: Wieviel „Schmerzensgeld“ brauche ich, um mich in genau dieser Auftragsbeziehung rundum wohl zu fühlen?

In jetzt über zehn Jahren der Selbständigkeit ist da einiges besser geworden. Meine Honorare bemesse ich nach tatsächlichem Aufwand, nach eigenem Bedarf, nach dem „Marktüblichen“ und den Möglichkeiten des Kunden: eine Abwägung, die nicht immer leicht ist, doch im Lauf der Zeit immer stimmiger funktioniert. Vor allem deshalb, weil ich neben den Auftragsarbeiten eben auch eigene Projekte betreibe, in denen ich meine „Freude an der Arbeit“ problemlos finde. So fällt die Abschätzung leichter, was es mir bringen muss, wenn ich für andere tätig bin – nur um „arbeiten zu dürfen“ muss ich nicht Dienst leisten!

Menschen, die alleine mit dem Ertrag ihrer Arbeit in Euro identifiziert sind (=Arbeit als „Mittel zum Zweck“), konnte ich noch nie verstehen und möchte ihnen um keinen Preis der Welt nacheifern. Dass man auf dem Weg der Selbsterfahrung allen Ernstes dahin kommen kann, dieses aufs Finanzielle reduzierte Verständnis als Ideal hinzustellen, ist mir fremd – und wird es hoffentlich auch bleiben.

Und was ist mit der Wertschätzung? Neben dem Honorar gibt es noch andere Formen der Wertschätzung: Weiterempfehlungen, Vertrauen in meine Kompetenzen (=Freiraum für mich), weitere geldwerte Leistungen, wenn etwa der Kunde eigene Ressourcen mit mir teilt – und natürlich auch die Art der Beziehung, die entsteht: es gibt nervige Kunden, bei denen ein hohes Schmerzensgeld fällig ist, und angenehme, mit denen ich eher freundschaftlich umgehe – auch das fließt ein in meinen inneren Honorar-Kalkulator!

Diskussion

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4 Kommentare zu „Ist Arbeit nur Mittel zum Zweck??“.

  1. Liebe Claudia,

    wie schön, nach langer Zeit mal wieder geschaut und gerade ein Thema gefunden, das mich interessiert :-) was denkst du über die Idee eines Grundeinkommens (das die Existenz sichern würde) für jeden, unabhängig davon, was er verdient? Die Idee wird in Deutschland von Götz Werner vertreten und hier in der Schweiz gibt es die Initiative Grundeinkommen in Basel. Mich interessiert der Ansatz (auch wenn einiges in der Diskussion mir nicht immer gefällt), besonders wegen der „philosophischen“ Implikationen – dass Arbeit anders definiert werden müsste als wir es meist heute tun (positiver, nicht nur etwas, das wir müssen, sondern etwas, das für uns wichtig und interessant ist). Vielleicht auch, dass der Begriff der Tätigkeit den der Arbeit ersetzen könnte…und der Mensch als ein grundsätzlich tätiges Wesen…
    Für mich selbst mache ich es zurzeit so: 40% Brötchenjob (reicht ganz knapp nicht, so dass ich ab und zu noch ein paar Aufträge machen muss) und 40% ehrenamtlich (für einen Verein für Bildung für mittellose Kinder), den Rest für Matti:-)
    Würde mich interessieren, was du zum Grundeinkommen denkst!

    liebe Grüsse aus Zürich

    Caroline

  2. Hi Claudia,

    diese Mentalität vom Geldhungrigen Menschen, habe ich spezifisch auf die Schweiz zugeschnitten, in meinem Blog veröffentlicht. Falls du diese gerne lesen würdest, schreib mir ne Mail :).

    Ich bin selber ab und zu als Freelancer tätig und muss sagen, dass Kunden sehr geärgert auf Preiserhöhungen reagieren. Für sie ist es unverständlich, dass man nunmal auch seine Lebenskosten tragen muss.

    Die Mentalität von vielen Schweizern, quasi: Arbeit ist dein Leben, kann ich nicht teilen und muss wohl wegen dem bald mal auswandern aus dem Land wo Honig fliesst (zumindest für die eingewanderten deutschen :-))

  3. Ich danke Euch für die guten und auch inspirierende Kommentare, doch bin ich grade auf dem Sprung (Kurzreise nach Wiesbaden), so dass mir die Zeit fehlt, jetzt mehr zu schreiben als einen kurzen Gruß. Ab Montag bin ich dann wieder am Ball.. auch hier im Digidiary!

    Lieben Gruß

    Claudia

  4. Es wäre schade, wenn Arbeit nur Mittel zum Zweck wäre.

    Der Austausch zwischen Kollegen und eine sinnvolle Aufgabe sind etwas, was das Leben sehr bereichert.