Claudia am 28. Februar 2007 —

Krank

Vor ein paar Tagen dachte ich noch, ich sei immun gegen den grassierenden Infekt, der meine Nächsten und auch viele Ferneren in diesen Wochen mal eben aufs Krankenlager streckte. Falsch! Nun hat es mich auch erwischt: Matschbirne, Fieber, Schnupfen – das Übliche und daher kaum erwähnenswert. Wäre es nicht das erste Mal seit weiß-nicht-wieviel Jahren, dass ich mich tatsächlich ins Bett lege und nicht arbeite, jetzt gar schon den zweiten Tag!

Wie seltsam, solange im Bett liegen zu bleiben. Kein Buch, in das ich mich versenken könnte, keine Zeitung, keine Lust zu gar nichts. So zappe ich durch die Kanäle und erlebe das mediale Deutschland: Kinderbetreuungsdebatte, Koch-Shows, Zoo-Shows, Gerichtssendungen, Frauentausch, Talksshows – um Himmels Willen, wie muss jemand drauf sein, der all das dauernd guckt und nicht nur bei Fieber?

Wenn man Erkältungen ignoriert und sich nicht schont, können die Viren das Herz angreifen, werde ich in einem Gesundheitsmagazin belehrt. Eine Frau bekam eine Herzmuskelentzündung, weil sie einfach weiter arbeitete. Wie schön, ich tue das Richtige! Die Sendung besänftigt meine innere Antreiberin, die es ganz falsch findet, einfach so abzuliegen, stundenlang, tagelang. Dabei ist es arbeitstechnisch möglich, es gibt keine drängenden Termine und wenn ich mal quer über meine Aktionsfelder schaue, dann ist auch nichts davon so wichtig, dass es auf ein paar Tage hin oder her ankäme. Trotzdem fühl‘ ich mich so gänzlich untätig fehl am Platz. Wenn schon im Bett, könnte ich doch immerhin ein gutes Buch lesen, ein Projekt planen, oder mich wenigstens konsequent meditativ versenken, dem Atem nachspüren und so die Heilung unterstützen.

Aber nix da, etwas mit Sinn will mir nicht gelingen – ich hab‘ einfach keine Lust auf Sinn! Übe mich im Zeit tot schlagen ohne Sinn und Zweck, und das Fieber befreit mich dankenswerterweise von allen Gegenargumenten und Bedenken – naja, fast. Ab morgen hab‘ ich wieder Arbeit geplant, was ist, wenn es dann immer noch nicht besser ist?? Nichts, es wird nichts weiter sein, als dass ich noch ein paar Leuten Bescheid sage, dass ich krank bin und sich dies und jenes um ein paar Tage verschiebt. Kein Drama nirgends, nicht mal ein kleiner Ärger.

Wenn ich das mal weiter denke: Niemand ist von meiner Arbeit und meinen Beiträgen zur Welt existenziell abhängig. Als Webworkerin bin ich ersetzbar und meine anderen Aktivitäten spielen sich erst recht im Luxusbereich ab. Klar, einige würden es bedauern, wenn es keine Schreibimpulse-Kurse und keine besinnlichen Diary-Einträge mehr gäbe, aber bald wär das alles vergessen und durch andere Angebote ersetzt.

Weiter gedacht: Rechtfertig so etwas leicht Verzichtbares die extreme Verstrickung ins Tätig-Sein von morgens bis abends, die mein Leben ausmacht?? Dieses Wuseln auf unterschiedlichen Spielfeldern, überall ganz nett, aber nirgends wirklich wichtig? Mein Augenmerk liegt jetzt nicht auf der (mir nicht neuen) Erkenntnis, verzichtbar zu sein, sondern auf der Äktschn, die ich üblicherweise bringe, um all dieses Unwichtige zu veranstalten. Steht das denn dafür?? Ist dieses schwer beschäftigte Sitzleben vor dem Monitor das, was ich vom Leben will?
Hätte ich ein eigenes Forschungsgebiet oder einen anderen spezifischen Dämon, der mich treibt, würde sich die Frage nicht stellen. So aber ist es schon mal interessant, bei „getretener Kupplung“ zu überdenken, für was man eigentlich den Gang einlegt und losfährt: um irgendwohin zu kommen? Aus Freude am Fahren?

Das „Fahren“ im Sinne meines quasi automatisch weiter laufenden Arbeitsalltags ist wirklich nicht schlecht. An vielen Aspekten meiner Arbeit freue ich mich, kann mich versenken, bekomme intensiven Kontakt und gestalte in hohem Maße selbst, was ich tue und wie ich es mache. Und doch, so aus der Distanz betrachtet, kommt es mir gerade als ein ziemlich unbewusstes Weiterwuseln vor.

Tun, was anliegt – hört sich gut an, aber ist das alles? Wünsche ich mir denn, dass das noch zwanzig Jahre genau so weiter geht?? Die einzige Herausforderung, die mir zu diesem Szenario einfällt ist die Frage, wieweit ich wohl darin gehen werde, meinen Sterbeprozess öffentlich zu machen. Irgendwann bekomme ich ja meine finale Diagnose, dann folgt die Auseinandersetzung mit der Krankheit, vielleicht Kämpfen, vielleicht Gelassenheit üben, vermutlich erst das eine, dann das andere – und immer mal einen Diary-Eintrag zur Sache. Da steigen dann noch mal die Zugriffszahlen und vielleicht verhilft mir das zum Internet-Zugang auf dem Sterbebett. Na toll!

Genug! Ich bin krank und Kranke soll man nicht so ernst nehmen. Gesund werden heißt, solchen Gedanken nicht nachzugehen, sondern tun, was anliegt. Ab morgen, spätestens übermorgen bin ich wieder am Ball, bzw. an der Maus – zumindest ist das sehr wahrscheinlich.

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Diskussion

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5 Kommentare zu „Krank“.

  1. Die Frage: „Was wäre die Welt ohne mich?“ liefert schon umwerfende Erkenntnisse. Kaum zu glauben, daß dann einfach alles so weitergehen soll. Kennst Du eigentlich den Film: „Mein Leben ohne mich“? Sehr ergreifend. Ansonsten fühle ich mich wenn ich krank bin manchmal gesünder, als wenn ich gesund bin. In diesem Sinne wünsche ich dir gute Besserung ohne Eile. Grüße, Michael

  2. „Ab morgen, spätestens übermorgen bin ich wieder am Ball, bzw. an der Maus – zumindest ist das sehr wahrscheinlich.“

    Das ist ein sehr sehr dummer Gedanke – Herzmuskelerkrankungen entstehen genau aus dieser Situation: Fieber und zu schnell wieder aktiv. Wenn irgend möglich Ruhe behalten. 14 Tage? Naja, das wäre Luxus, aber 7 Tage sollten es schon sein. Oder wenigtens 3. Also gerechnet ab 1. Tag ohne Fieber!

  3. @SuMuze: Es kommt wohl darauf an, was man beruflich macht. Ob ich am 2. fieberfreien Tag zuhause vor der Glotze sitze oder im Büro arbeite, ist dem Körper wahrscheinlich egal. Jedenfalls erscheint mir die Forderung nach sieben fieberfreien Tagen vor Arbeitsantritt unrealistisch.

  4. Das stimmt, es ist (leider) unrealistisch. Wie das meiste, das wirklich gut täte. Sagen wir also: 3 Tage?
    Und mit Ruhe meinte ich nicht vor der Glotze sitzen. Oder am Bildschirm hocken.

  5. Danke danke für die Anregungen und Ratschläge! Sitze schon seit gestern wieder phasenweise am PC und fühl mich gut dabei: ohne Stress, nun hektisch los arbeiten zu müssen – wunderbar!!

    Mit „Ruhe“ kann ich umso weniger anfangen, je gesünder ich mich fühle. Rumliegen und durch die Kanäle zappen oder Zeitung lesen ist von meinem aktuellen Gefühl her nicht GESÜNDER als fünf Meter weiter am PC zu sitzen, ein neues Titelbild für Schreibimpulse.de zu suchen und den nächsten Erotisch-schreiben-Kurs zu bewerben… – aber viel viel sinnvoller und nützlicher… :-))